Ilias

 

Homer

 

 

 

 

Inhalt:

 

Homer – Biografie und Bibliografie

 

Ilias

 

Erster Gesang

Zweiter Gesang

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Sechster Gesang

Siebenter Gesang

Achter Gesang

Neunter Gesang

Zehnter Gesang

Elfter Gesang

Zwölfter Gesang

Dreizehnter Gesang

Vierzehnter Gesang

Fünfzehnter Gesang

Sechzehnter Gesang

Siebzehnter Gesang

Achtzehnter Gesang

Neunzehnter Gesang

Zwanzigster Gesang

Einundzwanzigster Gesang

Zweiundzwanzigster Gesang

Dreiundzwanzigster Gesang

Vierundzwanzigster Gesang

 

 

 

Ilias, Homer

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

 

ISBN: 9783849615949

 

www.jazzybee-verlag.de

admin@jazzybee-verlag.de

 

 

 

 

 

Homer – Biografie und Bibliografie

 

Dichter, dem die beiden großen Epen der Griechen, »Ilias« und »Odyssee«, zugeschrieben werden. Über seine Persönlichkeit, Heimat und Zeit fehlt jede sichere Kunde. Man hat seine persönliche Existenz überhaupt in Zweifel gezogen und durch sprachwidrige Deutung des Namens bald als »Ordner«, bald als »Genosse« beweisen wollen, daß er nicht ein Individuum, sondern den ideellen Repräsentanten des einheitlichen Kunstepos oder den ideellen Ahnherrn einer geschlossenen Sängerzunft bezeichne. Doch da H. ein einfacher, »Geisel« oder »Bürge« bedeutender Eigenname ist, ohne jede symbolische Beziehung auf die Poesie, so liegt in dem Namen kein Grund, an der Existenz des H. als historischer Persönlichkeit zu zweifeln, deren Genie an Stelle der frühern Einzellieder zuerst nach einem einheitlichen Gedanken ausgestaltete größere Epen setzte. Bekanntlich stritten sich im Altertum sieben Städte um die Ehre, Geburtsort des H. zu sein: Smyrna, Rhodos, Kolophon, Salamis (auf Cypern), Chios, Argos, Athen. Wenn die ältere Überlieferung ziemlich bestimmt auf das äolische Smyrna als seine Heimat und die ionische Insel Chios als Stätte seines Wirkens hinweist, so stimmt dazu neben anderm die äolische Färbung des die Grundlage der Homerischen Sprache bildenden ionischen Dialekts. Hinsichtlich der Lebenszeit des H. scheint so viel sicher zu sein, daß das Zeitalter, in dem sich die epische Poesie zu der Höhe erhob, die man seinem Genie zuschreibt, um 850–800 v. Chr. fällt. Was über seine Lebensschicksale mitgeteilt wird, ist ohne Glaubwürdigkeit, zumal die Nachricht von seiner Blindheit, die auf der irrigen Voraussetzung beruht, daß der Dichter der »Ilias« und der »Odyssee« mit dem als blind bezeichneten Verfasser des Hymnus (s. unten) auf den delischen Apollon identisch sei. Fälschlich tragen H. ' Namen noch die um Jahrhunderte spätere »Batrachomyomachie« (s. d.), 34 sogen. Hymnen, 5 größere auf den pythischen und delischen Apollon, Hermes, Aphrodite und Demeter und 29 kleinere auf verschiedene Götter, Proömien, die spätere Rhapsoden ihren Vorträgen zum Preis des Gottes vorausschickten, an dessen Feste der Vortrag stattfand, und 16 kleinere Gedichte, sogen. Epigramme, gleichfalls Überreste älterer Poesie. »Ilias« und »Odyssee« sind die ältesten griechischen Literaturdenkmäler und die größten und vollkommensten Epen nicht bloß der griechischen, sondern überhaupt aller Poesie. Ihr Inhalt bildet nur einen Teil des großen trojanischen Sagenkreises. Die »Odyssee« besingt die Rückkehr des Odysseus. Die eigentliche Handlung umfaßt bloß den Zeitraum von 41 Tagen, die Abenteuer des Odysseus auf seinen zehnjährigen Fahrten werden episodisch erzählt. Nitzsch teilt das Gedicht in vier Hauptpartien. Die erste, der »abwesende Odysseus« (Buch 1–4), schildert die Zustände im Hause des auf der Insel der Kalypso weilenden Helden und die Reise seines Sohnes Telemach nach Kunde über den Vater. Die zweite, »der heimkehrende Odysseus« (Buch 5–13), berichtet dessen Fahrt von der Insel der Kalypso zu den Phäaken, denen er seine Abenteuer erzählt, und von da nach Ithaka. Die dritte, »der Rache sinnende Odysseus« (Buch 13–19), zeigt den als Bettler verkleideten Helden, wie er mit dem treuen Schweinehirten Eumäos und Telemach das Strafgericht an den Freiern der Penelope berät. Die vierte, »der Rache übende Odysseus« (Buch 20–24), schildert die Ausführung des Plans. Zeigt die »Odyssee« einen kunstvollen und verschlungenen Plan, so behandelt die »Ilias« einen Zeitraum von 51 Tagen aus dem zehnten Jahr des Krieges vor Troja in einfach chronologischer Anordnung. Anhebend mit dem Zorn des Achilleus über die Wegführung der geliebten Sklavin Briseïs durch Agamemnon, schildert sie die durch das Fernbleiben des grollenden Helden von den Kämpfen am 23.–27. Tage herbeigeführte und sich allmählich steigernde Bedrängnis der Griechen bis zum Fall des Patroklos, dem Wendepunkte des Gedichts, dann Achilleus' Aussöhnung mit Agamemnon und seine Rache an Hektor, Patroklos' Leichenfeier und die Auslieferung und Bestattung des Leichnams des Hektor.

 

Schon im Altertum bestand die Ansicht, daß »Ilias« und »Odyssee« nicht von demselben Dichter und nicht aus demselben Zeitalter stammen, ihre Vertreter, an ihrer Spitze die Grammatiker Xenon und Hellanikos, nannte man Chorizonten (die Trennenden). In der Tat herrscht zwischen beiden Epen nicht nur eine Verschiedenheit im Ton, sondern auch in vielfachen Einzelheiten, die mindestens auf erheblich spätere Abfassung der »Odyssee« hinweisen. Die Vorstellungen von den Göttern sind hier edler, das religiöse und sittliche Leben steht auf höherer Stufe; auch häusliches und soziales Leben zeigt sich mehr entwickelt, Schiffahrt und Handel sind ausgebreiteter, Kenntnis ferner Länder und ihrer Produkte gewachsen. Auch entging den Alten nicht, daß in beiden Gedichten nicht alles auf gleicher Stufe der Vollendung steht, daß es an Störungen der Erzählung, ja an Widersprüchen nicht fehlt. Während sie derartige Mängel vielfach durch Annahme von Interpolationen zu beseitigen suchten, knüpften neuere Kritiker daran eine Reihe scharfsinniger Hypothesen über die Entstehung der Homerischen Epen. Angeregt wurde die sogen. Homerische Frage durch Fr. A. Wolf (»Prolegomena ad Homerum«, 1795), der die Ansicht aufstellte, mündlich entworfene Lieder des H. und seiner Schule, der Homeriden auf Chios, seien jahrhundertelang von umherziehenden Sängern, den Rhapsoden (s. d.), mündlich überliefert und erst nachträglich durch Peisistratos von Athen um 540 in ihre gegenwärtige Gestalt zweier einheitlicher Epen gebracht worden, namentlich auf Grund der Annahme, daß der Gebrauch der Schrift in Griechenland erst im Zeitalter der sieben Weisen nachweisbar sei, und auf eine Tradition, die Peisistratos Sammler und Ordner der Gedichte nennt. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, daß der Gebrauch der Schrift bei den Griechen, wenn er auch weit älter ist, als Wolf wissen konnte, in so alter Zeit schon so ausgedehnt war, daß die Homerischen Dichtungen gleich von Anfang an ausgezeichnet sein können. Doch schließt dies die Möglichkeit einheitlicher größerer Dichtungen nicht aus; vielmehr scheint die Entstehung von Epen mit so faktischer Einheit aus einer Vielheit nicht aufeinander berechneter Lieder unmöglich. Auch die Sprache weist im Hauptbestand durchaus auf eine einheitliche Sprachperiode hin. Daß sie im wesentlichen in der jetztigen Gestalt schon vor Beginn der Olympiaden vorhanden waren, ist sicher, weil nach ihrem Muster und an sie anknüpfend die sogen. Kykliker größere Epen abfaßten. Daß erst Peisistratos oder die von ihm ernannte Kommission von Gelehrten, an ihrer Spitze der Dichter Onomakritos, »Ilias« und »Odyssee« als Ganzes geschaffen, eine nach Wolf besonders von Lachmann, der in der »Ilias« 16 Einzellieder annahm, vertretene Ansicht, ist unbezeugt; bezeugt vielmehr nur, daß erst unter Peisistratos eine Gesamt-Ilias und Gesamt-Odyssee hergestellt wurde, d. h. eine Auszeichnung des Gesamtbestandes im Gegensatz zu den sogen. Rhapsodien, den von den Rhapsoden für ihre Vorträge ausgewählten Einzelpartien. Das ganze Unternehmen, das manche für Legende halten, hängt vermutlich mit der ersten Anlage einer Bibliothek in Athen durch Peisistratos zusammen und mit der von seinem Sohn Hipparch getroffenen Anordnung des vollständigen und geordneten Vortrages der Homerischen Epen an den Panathenäen. Dagegen erklärt sich G. Hermann den Gegensatz einer unleugbaren Einheit des Gesamtplans und der Widersprüche und Abweichungen im einzelnen durch Annahme einer Ur-Ilias und Ur-Odyssee mäßigen Umfanges und einer allmählichen Erweiterung durch Zu- und Eindichtungen. Andre nahmen eine von den sogen. Diaskenasten später zustande gebrachte Zusammensetzung aus kleinen Epen, einer Achilleïs und Ilias für das eine und einer Telemachie und Heimkehr des Odysseus für das andre (so namentlich Kirchhoff), und andern Zutaten an. Daß bei der Abfassung beider Epen vorhandene Lieder benutzt sein können, und daß sie, bevor sie die gegenwärtige Gestalt erhielten, im Laufe der Zeit vielfache Erweiterungen und Überarbeitungen erfahren haben, geben selbst die Unitarier zu.

 

Der Einfluß der Homerischen Gedichte auf die Entwickelung des griechischen Volkes war ungemein groß. Mit Recht sagt Herodot, H. und Hesiod hätten den Griechen ihre Götter geschaffen; die religiösen Vorstellungen, die beide ausgebildet haben, blieben für die Hellenen allezeit maßgebend. Aus Homers Mythen zog die Tragödie ihre beste Nahrung; Äschylos nannte seine Dichtungen Brosamen von der reichbesetzten Tafel des H. Seine Typen von Göttern und Heroen dienten den Schöpfungen der Künstler als Norm. Überhaupt waren die Gedichte für die Griechen Grundlage aller höhern Geistesbildung. Platon nennt H. Griechenlands Erzieher, und dem Nationalbewußtsein war er vorzugsweise »der Dichter«. Von ihm gingen auch die gelehrten Studien der Alexandriner aus, von denen die wenig zweckmäßige Einteilung beider Epen in 24 Bücher nach den Buchstaben des ionischen Alphabets herrührt, und an ihm hat sich die philologische und kritische Kunst der Griechen ausgebildet. Die drei hervorragendsten Grammatiker Alexandrias, Zenodot, Aristophanes und ganz besonders Aristarch, haben nacheinander kritische Ausgaben (Diorthosen) von H. besorgt, und bis in die byzantinische Zeit ist er Mittelpunkt der Studien geblieben. Auch die Römer haben ihm das vollste Interesse geschenkt. Im Mittelalter war er dem Abendlande nur durch den metrischen Auszug der Ilias, den sogen. Homerus Latinus, bekannt. Nach der Wiederbelebung der Wissenschaften fand er lange nicht richtiges Verständnis und gebührende Würdigung, da Vergil für den größten Dichter galt. Die richtige Auffassung ging von England aus und wurde in Deutschland namentlich durch Lessing, Winckelmann und Heyne begründet. Durch Voß' Übersetzung ist dann H. so populär geworden, wie es sonst nur Werke nationaler Dichter werden. Reichtum und Mannigfaltigkeit des Inhalts zeichnen beide Epen aus; in einfacher Natürlichkeit, Wahrheit und plastischer Anschaulichkeit ist alles dargestellt. Ein großer Sinn atmet überall; die Menschen erscheinen, wie sie sind, alles ist Handlung, nichts müßig; wir werden hingerissen und, ohne es zu merken, belehrt. Die Sprache ist einfach und schlicht, dabei wohltönend, anmutig, gleichmäßig dahinfließend. Die Homerischen Epen sind ewig gültige Muster, und auch unsre Poesie ist, als sie auf falschen Wegen wandelte, insbesondere durch H. zur Einfachheit, Natur und Wahrheit zurückgeführt worden.

 

Von Gesamtausgaben sind nach der Editio princeps von Demetrios Chalkondylas (Flor. 1488, 2 Bde.) hervorzuheben: die von Ernesti (Leipz. 1759–1764, 5 Bde.; neue Aufl., von Dindorf, 1824, 5 Bde.), Wolf (Halle 1795, 2 Bde.; neue Aufl., Leipz. 1804–1807, 7 Bde.), Heyne (das. 1802–22, 9 Bde.), J. Bekker (2. Aufl., Bonn 1858), La Roche (Leipz. 1868–76), Nauck (Berl. 1874–77), Ludwich (Leipz. 1889 ff.), van Leeuwen-Mendes da Costa (2. Aufl., Leiden 1855 ff.). Die Ilias einzeln gaben heraus: Spitzner (Gotha 1832–36, 4 Bde.), Fäsi (7. Aufl. von Franke, Berl. 1888 ff.), Döderlein (das. 1863–64), Ameis (5. Aufl. von Hentze, Leipz. 1900 ff.), Köchly (»Iliadis carmina XVI«, Herstellung der ursprünglichen Einzellieder nach Lachmanns Theorie, das. 1861), Christ (»Iliadis carmina seiuncta discreta«, gleichfalls ein Versuch, den ursprünglichen Bestand zu bestimmen, das. 1886), Fick (»Die Homerische Ilias in der ursprünglichen Sprachform wiederhergestellt«, Götting. 1886, 2 Tle.); die Odyssee: Fäsi (9. Aufl. von Kaegi, Berl. 1901 ff.), Ameis (11. Aufl. von Hentze, Leipz. 1900 ff.), Fick (»Die Homerische Odyssee in der ursprünglichen Sprachform wiederhergestellt«, Göttingen 1883). Ausgaben der Hymnen von G. Hermann (Leipz. 1806), Baumeister (das. 1860), Gemoll (das. 1886), Goodwin (Oxf. 1893), Abel (nebst Epigrammen und Batrachomyomachie, das. 1886); der Batrachomyomachie von Baumeister (Götting. 1852), Ludwich (Leipz. 1896), deutsch zusammen von Thudichum (Stuttg. 1871). Die erste gute Übersetzung beider Epen lieferte J. H. Voß (Altona 1781 u. 1793, 4 Bde.; seither oft wiederholt; Abdruck der Odyssee, hrsg. von Bernays, Stuttg. 1881), andre Donner (3. Aufl., Berl. 1885), Uschner (das. 1862), Minckwitz (Leipz. 1864), Ehrenthal (Odyssee, Hildburgh. 1865; Ilias, Leipz. 1880), W. Jordan (Odyssee, Frankf. 1875; Ilias, 1881, 2. Aufl. 1889 und 1892); Engel (Odyssee, in der Nibelungenstrophe, Leipz. 1885), Dann (Odyssee, in deutschen Stanzen, Stuttg. 1895), Herm. v. Schelling (Odyssee, in achtzeiligen Strophen, Leipz. 1896). Vgl. Schröter, Geschichte der deutschen Homer-Übersetzung im 18. Jahrhundert (Jena 1882). Wörterbücher zu H. von Döderlein (Erlangen 1850–58, 3 Bde.), Autenrieth (9. Aufl. von Kaegi, Leipz. 1902), Ebeling (»Lexicon Homericum«, das. 1885, 2 Bde.), Gehring (»Index Homericus«, das. 1890–95); vgl. Buttmann, Lexilogus (4. Aufl., Berl. 1865). Ausgaben der alten Scholien zur Ilias von Bekker (Berl. 1825, 2 Bde.) und Dindorf-Maaß (Oxf. 1875–88, 6 Bde.); zur Odyssee von Buttmann (Berl. 1821) und Dindorf (Oxf. 1855, 2 Bde.). Vgl Codex Venetus A. Marcianus 454; phototypice editus (Ilias) cum scholiis (Leiden 1901).

 

[Literatur.] Vgl. F. A. Wolf, Prolegomena ad Homerum (Halle 1795; 3. Ausg. von Peppmüller, das. 1884; Abdruck mit Bekkerschen Noten, Berl. 1876; vgl. Volkmann, Geschichte und Kritik der Wolfschen Prolegomena, Leipz. 1874), und Vorlesungen über die vier ersten Gesänge der Ilias (hrsg. von Usteri, Bern 1830–31, 2 Bde.); G. Hermann, De interpolationibus Homeri (Leipz. 1832, im 5. Band der »Opuscula«); Nitzsch, De historia Homeri (Hannover 1830–37), Sagenpoesie der Griechen (Braunschweig 1852) und Beiträge zur Geschichte der epischen Poesie (Leipz. 1862); Welcker, Der epische Cyklus oder die Homerischen Dichter (Bonn 1835–49, 2 Bde.; 1. Bd., 2. Aufl., 1865); Bergk, Geschichte der griechischen Literatur, Bd. 1 (Berl. 1873); Lachmann, Betrachtungen über Homers Ilias (mit Zusätzen von Haupt; 3. Aufl., das. 1874); Friedländer, Die Homerische Kritik von Wolf bis Grote (das. 1853); Bonitz, Über den Ursprung der Homerischen Gedichte (6. Aufl. von Neubauer, das. 1885); Niese, Entwickelung der Homerischen Poesie (das. 1882); Christ, H. oder Homeriden (2. Aufl., Münch. 1885); v. Wilamowitz, Homerische Untersuchungen (Berl. 1884); Robert, Studien zur Ilias (das. 1901); Kirchhoff, Die Homerische Odysse (2. Aufl., das. 1879); Kammer, Die Einheit der Odyssee (Leipz. 1873) und Ästhetischer Kommentar zu Homers Ilias (2. Aufl., Paderb. 1901); Nägelsbach, Anmerkungen zur Ilias (3. Aufl. von Autenrieth, Nürnb. 1884); Nitzsch, Erklärende Anmerkungen zu Homers Odyssee (Hannov. 1826–40, 3 Bde.); Sitzler, Ein ästhetischer Kommentar zu Homers Odyssee (Paderb. 1902);i Seeck, Die Quellen der Odyssee (das. 1887); Nägelsbach, Homerische Theologie (3. Aufl. von Autenrieth, Nürnb. 1884); Völcker, Über Homerische Geographie und Weltkunde (Hannov. 1830); v. Baer, Die Homerischen Lokalitäten in der Odyssee (Braunschw. 1878); Buchholz, Die Homerischen Realien (Leipz. 1885, 3 Bde.); Helbig, Das Homerische Epos aus den Denkmälern erläutert (2. Aufl., das. 1887); Reichel, Homerische Waffen (2. Aufl., Wien 1901); Cauer, Grundfragen der Homerkritik (Leipz. 1895); Ludwich, Die Homervulgata als voralexandrinisch erwiesen (das. 1898); Lehrs, De Aristarchi studiis Homericis (3. Aufl., das. 1882); La Roche, Homerische Textkritik im Altertum (das. 1866) und Homerische Untersuchungen (das. 1869–93, 2 Bde.); Hartel, Homerische Studien (2. Aufl., Berl. 1873); J. Bekker, Homerische Blätter (das. 1872, 2 Bde.); W. Jordan, Das Kunstgesetz Homers und die Rhapsodik (Frankf. 1869); Tolkiehn, H. und die römische Poesie (Leipz. 1900).

 

Von den zahlreichen künstlerischen Illustrationen zu H. verdienen Hervorhebung: Flaxman, Umrisse zu H. (Ilias, Rom 1793, 34 Blätter; Odyssee, Götting. 1803, 28 Blätter; neue Ausg. von beiden, Berl. 1865); J. H. W. Tischbein, H. in Zeichnungen nach Antiken, mit Erläuterungen von Heyne (Götting. 1801–05, 6 Hefte); Inghirami, Galleria Omerica (Fiesole 1831–38, 3 Bde., mit 390 Kupfern); Genelli, Umrisse zum H. (Stuttg. 1844; neue Ausg. 1867, 49 Kupfer); Prellers Landschaften zur »Odyssee« (im Museum zu Weimar, die Kartons im Leipziger Museum, photographisch und in Farbendruck vervielfältigt; Holzschnittausgabe mit der Voßschen Übersetzung, Leipz. 1875).

 

2) H. der jüngere, aus Byzanz, Sohn der Dichterin Moiro, im 3. Jahrh. v. Chr., wurde als Tragödiendichter zur Alexandrinischen Pleias (s. d.) gerechnet.

 

 

Ilias

 

Erster Gesang

 

Den Priester Chryses zu rächen, dem Agamemnon die Tochter vorenthielt, sendet Apollon den Achaiern eine Pest. Agamemnon zankt mit Achilleus, weil er durch Kalchas die Befreiung der Chryseïs fordern ließ, und nimmt ihm sein Ehrengeschenk, des Brises Tochter. Dem zürnenden Achilleus verspricht Thetis Hilfe. Entsendung der Chryseïs, und Versöhnung Apollons. Der Thetis gewährt Zeus so lange Sieg für die Troer, bis ihr Sohn Genugtuung erhalte. Unwille der Here gegen Zeus. Hephästos besänftigt beide.

 

Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,
5
Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet:
Seit dem Tag, als erst durch bitteren Zank sich entzweiten
Atreus Sohn, der Herrscher des Volks, und der edle Achilleus.
Wer hat jene der Götter empört zu feindlichem Hader?
Letos Sohn und des Zeus. Denn der, dem Könige zürnend,
10
Sandte verderbliche Seuche durchs Heer; und es sanken die Völker:
Drum weil ihm den Chryses beleidiget, seinen Priester,
Atreus Sohn. Denn er kam zu den rüstigen Schiffen Achaias,
Frei zu kaufen die Tochter, und bracht' unendliche Lösung,
Tragend den Lorbeerschmuck des treffenden Phöbos Apollon
15
Und den goldenen Stab; und er flehete laut den Achaiern,
Doch den Atreiden vor allen, den zween Feldherren der Völker:
Atreus Söhn', und ihr andern, ihr hellumschienten Achaier,
Euch verleihn die Götter, olympischer Höhen Bewohner,
Priamos Stadt zu vertilgen, und wohl nach Hause zu kehren;
20
Doch mir gebt die Tochter zurück, und empfahet die Lösung,
Ehrfurchtsvoll vor Zeus ferntreffendem Sohn Apollon.
Drauf gebot beifallend das ganze Heer der Achaier,
Ehrend den Priester zu scheun, und die köstliche Lösung zu nehmen.
Aber nicht Agamemnon, des Atreus Sohne, gefiel es;
25
Dieser entsandt' ihn mit Schmach, und befahl die drohenden Worte:
Daß ich nimmer, o Greis, bei den räumigen Schiffen dich treffe,
Weder anitzt hier zaudernd, noch wiederkehrend in Zukunft!
Kaum wohl möchte dir helfen der Stab, und der Lorbeer des Gottes!
Jene lös' ich dir nicht, bis einst das Alter ihr nahet,
30
Wann sie in meinem Palast in Argos, fern von der Heimat,
Mir als Weberin dient, und meines Bettes Genossin!
Gehe denn, reize mich nicht; daß wohlbehalten du kehrest!
Jener sprach's: doch Chryses erschrak, und gehorchte der Rede.
Schweigend ging er am Ufer des weitaufrauschenden Meeres;
35
Und wie er einsam jetzt hinwandelte, flehte der Alte
Viel zum Herrscher Apollon, dem Sohn der lockigen Leto:
Höre mich, Gott, der du Chrysa mit silbernem Bogen umwandelst,
Samt der heiligen Killa, und Tenedos mächtig beherrschest,
Smintheus! hab ich dir je den prangenden Tempel gekränzet,
40
Oder hab' ich dir je von erlesenen Farren und Ziegen
Fette Schenkel verbrannt; so gewähre mir dieses Verlangen:
Meine Tränen vergilt mit deinem Geschoß den Achaiern!
Also rief er betend; ihn hörete Phöbos Apollon.
Schnell von den Höhn des Olympos enteilet' er, zürnendes Herzens,
45
Auf der Schulter den Bogen und ringsverschlossenen Köcher.
Laut erschallen die Pfeile zugleich an des Zürnenden Schulter,
Als er einher sich bewegt'; er wandelte, düster wie Nachtgraun;
Setzte sich drauf von den Schiffen entfernt, und schnellte den Pfeil ab;
Und ein schrecklicher Klang entscholl dem silbernen Bogen.
50
Nur Maultier' erlegt' er zuerst und hurtige Hunde:
Doch nun gegen sie selbst das herbe Geschoß hinwendend,
Traf er; und rastlos brannten die Totenfeuer in Menge.
Schon neun Tage durchflogen das Heer die Geschosse des Gottes.
Drauf am zehnten berief des Volks Versammlung Achilleus,
55
Dem in die Seel' es legte die lilienarmige Here;
Denn sie sorgt' um der Danaer Volk, die Sterbenden schauend.
Als sie nunmehr sich versammelt, und voll gedrängt die Versammlung;
Trat hervor und begann der mutige Renner Achilleus:
Atreus Sohn, nun denk' ich, wir ziehn den vorigen Irrweg
60
Wieder nach Hause zurück, wofern wir entrinnen dem Tode;
Weil ja zugleich der Krieg und die Pest hinrafft die Achaier.
Aber wohlan, fragt einen der Opferer, oder der Seher,
Oder auch Traumausleger; auch Träume ja kommen von Zeus her:
Der uns sage, warum so ereiferte Phöbos Apollon:
65
Ob versäumte Gelübd' ihn erzürneten, ob Hekatomben:
Wenn vielleicht der Lämmer Gedüft und erlesener Ziegen
Er zum Opfer begehrt, von uns die Plage zu wenden.
Also redete jener, und setzte sich. Wieder erhub sich
Kalchas der Thestoride, der weiseste Vogelschauer,
70
Der erkannte, was ist, was sein wird, oder zuvor war,
Der auch her vor Troja der Danaer Schiffe geleitet
Durch wahrsagenden Geist, des ihn würdigte Phöbos Apollon;
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:
Peleus Sohn, du gebeutst mir, o Göttlicher, auszudeuten
75
Diesen Zorn des Apollon, des fernhintreffenden Herrschers.
Gerne will ich's ansagen; doch du verheiße mit Eidschwur,
Daß du gewiß willfährig mit Wort und Händen mir helfest.
Denn leicht möcht' erzürnen ein Mann, der mächtiges Ansehns
Argos Völker beherrscht, und dem die Achaier gehorchen.
80
Stärker ja ist ein König, der zürnt dem geringeren Manne.
Wenn er auch die Galle den selbigen Tag noch zurückhält;
Dennoch laur't ihm beständig der heimliche Groll in den Busen,
Bis er ihn endlich gekühlt. Drum rede du, willst du mich schützen?
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
85
Sei getrost, und erkläre den Götterwink, den du wahrnahmst.
Denn bei Apollon fürwahr, Zeus Lieblinge, welchem, o Kalchas,
Flehend zuvor, den Achaiern der Götter Rat du enthüllest:
Keiner, so lang' ich leb', und das Licht auf Erden noch schaue,
Soll bei den räumigen Schiffen mit frevelnder Hand dich berühren,
90
Aller Achaier umher! und nenntest du selbst Agamemnon,
Der nun mächtig zu sein vor allem Volke sich rühmet!
Jetzo begann er getrost, und sprach, der untadliche Seher:
Nicht versäumte Gelübd' erzürnten ihn, noch Hekatomben;
Sondern er zürnt um den Priester, den also entehrt' Agamemnon,
95
Nicht die Tochter befreit', und nicht annahm die Erlösung:
Darum gab uns Jammer der Treffende, wird es auch geben.
Nicht wird jener die schreckliche Hand abziehn vom Verderben,
Bis man zurück dem Vater das freudigblickende Mägdlein
Hingibt, frei, ohn' Entgelt, und mit heiliger Festhekatombe
100
Heim gern Chrysa entführt. Das möcht' ihn vielleicht versöhnen.
Also redete jener, und setzte sich. Wieder erhub sich
Atreus Heldensohn, der Völkerfürst Agamemnon,
Zürnend vor Schmerz; es schwoll ihm das finstere Herz voll der Galle,
Schwarz umströmt; und den Augen entfunkelte strahlendes Feuer.
105
Gegen Kalchas zuerst mit drohendem Blicke begann er:
Unglücksseher, der nie auch ein heilsames Wort mir geredet!
Immerdar nur Böses erfreut dein Herz zu verkünden!
Gutes hast du noch nimmer geweissagt, oder vollendet!
Jetzt auch meldest du hier als Götterspruch den Achaiern,
110
Darum habe dem Volk der Treffende Wehe bereitet,
Weil für Chryses Tochter ich selbst die köstliche Lösung
Anzunehmen verwarf. Denn traun! weit lieber behielt' ich
Solche daheim; da ich höher wie Klytämnestra sie achte,
Meiner Jugend Vermählte: denn nicht ist jene geringer,
115
Weder an Bildung und Wuchs, noch an Geist und künstlicher Arbeit.
Dennoch geb' ich sie willig zurück, ist solches ja besser.
Lieber mög' ich das Volk errettet schaun, denn verderbend.
Gleich nur ein Ehrengeschenk bereitet mir, daß ich allein nicht
Ungeehrt der Danaer sei; nie wäre das schicklich!
120
Denn das seht ihr alle, daß mein Geschenk mir entgehet.
Ihm antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Atreus Sohn, ruhmvoller, du habbegierigster aller,
Welches Geschenk verlangst du vom edlen Volk der Achaier?
Nirgends wissen wir doch des gemeinsamen vieles verwahret:
125
Sondern so viel wir aus Städten erbeuteten, wurde geteilet;
Auch nicht ziemt es dem Volke, das einzelne wieder zu sammeln.
Aber entlass' du jetzo dem Gotte sie; und wir Achaier
Wollen sie dreifach ersetzen und vierfach, wenn uns einmal Zeus
Gönnen wird, der Troer befestigte Stadt zu verwüsten.
130
Gegen ihn rief antwortend der Völkerfürst Agamemnon:
Nicht also, wie tapfer du seist, gottgleicher Achilleus,
Sinn' auf Trug! Nie wirst du mich schlau umgehn, noch bereden!
Willst du, indes dir bleibt das Geschenk, daß ich selber umsonst hier
Sitze, des meinen beraubt? und gebietest mir, frei sie zu geben?
135
Wohl denn, wofern mir ein andres verleihn die edlen Achaier,
Meinem Sinn es erlesend, das mir ein voller Ersatz sei!
Aber verleihn sie es nicht; dann komm' ich selber, und nehm' es,
Deines vielleicht, auch des Ajas Geschenk wohl, oder Odysseus'
Führ' ich hinweg; und zürnen vielleicht wird, welchem ich nahe!
140
Doch von solcherlei Dingen ist Zeit zu reden auch künftig.
Auf nun, zieht ein schwärzliches Schiff in die heilige Meerflut;
Sammelt hinein vollzählig die Ruderer; bringt auch Apollons
Hekatomb'; und sie selbst, des Chryses rosige Tochter,
Führet hinein; und Gebieter des Schiffs sei der Könige einer:
145
Ajas, oder der Held Idomeneus, oder Odysseus,
Oder auch du, Peleide, du schrecklichster unter den Männern!
Daß du den Treffenden uns durch heilige Opfer besänftigst.
Finster schaut' und begann der mutige Renner Achilleus:
Ha, du in Unverschämtheit gehülleter, sinnend auf Vorteil!
150
Wie doch gehorcht dir willig noch einer im Heer der Achaier,
Einen Gang dir zu gehn, und kühn mit dem Feinde zu kämpfen?
Nicht ja wegen der Troer, der lanzenkundigen, kam ich
Mit hieher in den Streit; sie haben's an mir nicht verschuldet.
Denn nie haben sie mir die Rosse geraubt, noch die Rinder;
155
Nie auch haben in Phtia, dem scholligen Männergefilde,
Meine Frucht sie verletzt; indem viel Raumes uns sondert,
Waldbeschattete Berg', und des Meers weitrauschende Wogen.
Dir, schamlosester Mann, dir folgten wir, daß du dich freutest;
Nur Menelaos zu rächen, und dich, du Ehrevergeßner,
160
An den Troern! Das achtest du nichts, noch kümmert dich solches!
Selbst mein Ehrengeschenk, das drohest du mir zu entreißen,
Welches mit Schweiß ich errungen, und mir verehrt die Achaier!
Hab' ich doch nie ein Geschenk, wie das deinige, wann die Achaier
Eine bevölkerte Stadt des troischen Volkes verwüstet;
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Sondern die schwerste Last des tobenden Schlachtengetümmels
Trag' ich mit meinem Arm: doch kommt zur Teilung es endlich,
Dein ist das größte Geschenk; und ich, mit wenigem fröhlich,
Kehre heim zu den Schiffen, nachdem ich erschlafft von dem Streite.
Doch nun geh' ich gen Phtia! denn weit zuträglicher ist es,
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Heim mit den Schiffen zu gehn, den gebogenen! Schwerlich auch wirst du,
Weil du allhier mich entehrst, noch Schätz' und Güter dir häufen!
Ihm antwortete drauf der Herrscher des Volks Agamemnon:
Fliehe nur, wenn's dein Herz dir gebeut! Nie werd' ich dich wahrlich
Anflehn, meinethalb zu verziehn! Mir bleiben noch andre,
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Ehre mir zu erwerben; zumal Zeus waltende Vorsicht!
Ganz verhaßt mir bist du vor allen beseligten Herrschern!
Stets doch hast du den Zank nur geliebt, und die Kämpf' und die Schlachten!
Wenn du ein Stärkerer bist, ein Gott hat dir solches verliehen!
Schiffe denn heim, du selbst mit den Deinigen, daß du in Ruhe
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Myrmidonen gebietest! denn du bist nichts mir geachtet;
Nichts auch gilt mir dein Pochen! vielmehr noch droh' ich dir also:
Weil mir Chryses Tochter hinwegnimmt Phöbos Apollon,
Werd' ich sie mit eigenem Schiff und eignen Genossen
Senden; allein ich hole die rosige Tochter des Brises
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Selbst mir aus deinem Gezelt, dein Ehrengeschenk: daß du lernest,
Wie viel höher ich sei als du, und ein anderer zage,
Gleich sich mir zu wähnen, und so mir zu trotzen ins Antlitz!
Jener sprach's; da entbrannte der Peleion', und das Herz ihm
Unter der zottigen Brust ratschlagete, wankendes Sinnes:
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Ob er das schneidende Schwert alsbald von der Hüfte sich reißend
Trennen sie sollt' auseinander, und niederhaun den Atreiden;
Oder stillen den Zorn, und die mutige Seele beherrschen.
Als er solches erwog in des Herzens Geist und Empfindung,
Und er das große Schwert schon hervorzog; naht' ihm vom Himmel
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Pallas Athen', entsandt von der lilienarmigen Here,
Die für beide zugleich in liebender Seele besorgt war.
Hinter ihn trat sie, und faßte das bräunliche Haar des Peleiden,
Ihm allein sich enthüllend; der anderen schaute sie keiner.
Staunend zuckte der Held und wandte sich: plötzlich erkannt' er
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Pallas Athenens Gestalt, und fürchterlich strahlt' ihm ihr Auge.
Und er begann zu jener, und sprach die geflügelten Worte:
Warum, o Tochter Zeus des Ägiserschütterers, kamst du?
Etwa den Frevel zu schaun von Atreus Sohn Agamemnon?
Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet:
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Sein unbändiger Stolz wird einst noch das Leben ihm kosten!
Drauf antwortete Zeus blauäugige Tochter Athene:
Deinen Zorn zu stillen, gehorchtest du, kam ich vom Himmel;
Denn mich sendete Here, die lilienarmige Göttin,
Die für beide zugleich in liebender Seele besorgt ist.
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Aber wohlan, laß fahren den Streit, und zucke das Schwert nicht.
Magst du mit Worten ihn doch beleidigen, wie es dir einfällt.
Denn ich sage dir an, und das wird wahrlich vollendet:
Einst wird dir noch dreimal so herrliche Gabe geboten,
Wegen der heutigen Schmach. Drum fasse dich nun, und gehorch' uns.
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Ihr antwortete drauf der mutige Renner Achilleus:
Euer Wort, o Göttin, geziemet es, wohl zu bewahren,
Welche Wut auch im Herzen sich hebt; denn solches ist besser.
Wer dem Gebot der Götter gehorcht, den hören sie wieder.
Sprach's, und hemmte die nervichte Hand an dem silbernen Hefte,
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Stieß in die Scheide zurück das große Schwert, und verwarf nicht
Athenäens Gebot. Sie wandte sich drauf zum Olympos,
In den Palast des donnernden Zeus, zu den anderen Göttern.
Doch der Peleide begann mit erbitterten Worten von neuem
Gegen des Atreus Sohn; denn noch nicht ruht' er vom Zorne:
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Trunkenbold, mit dem hündischen Blick, und dem Mute des Hirsches!
Niemals weder zur Schlacht mit dem Volke zugleich dich zu rüsten,
Noch zum Hinterhalte zu gehn mit den edlen Achaias,
Hast du im Herzen gewagt! Das scheinen dir Schrecken des Todes!
Zwar behaglicher ist es, im weiten Heer der Achaier
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Ihm sein Geschenk zu entwenden, der dir entgegen nur redet!
Volkverschlingender König! Denn nichtigen Menschen gebeutst du!
Oder du hättest, Atreide, das letzte Mal heute gefrevelt!
Aber ich sage dir an, und mit heiligen Eide beschwör' ich's!
Wahrlich bei diesem Scepter, der niemals Blätter und Zweige
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Wieder zeugt, nachdem er den Stamm im Gebirge verlassen;
Nie mehr sproßt er empor, denn ringsum schälte das Erz ihm
Laub und Rinde hinweg; und edele Söhne Achaias
Tragen ihn jetzt in der Hand, die Richtenden, welchen Kronion
Seine Gesetze vertraut: dies sei dir die hohe Beteurung!
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Wahrlich vermißt wird Achilleus hinfort von den Söhnen Achaias
Allzumal; dann suchst du umsonst, wie sehr du dich härmest,
Rettung, wenn sie in Scharen, vom männermordenden Hektor
Niedergestürzt, hinsterben; und tief in der Seele zernagt dich
Zürnender Gram, daß den besten der Danaer nichts du geehret!
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Also sprach der Peleid', und warf auf die Erde den Scepter,
Rings mit goldenen Buckeln geschmückt; dann setzt' er sich nieder.
Gegen ihn stand der Atreid' und wütete. Jetzo erhub sich
Nestor mit holdem Gespräch, der tönende Redner von Pylos,
Dem von der Zung' ein Laut wie des Honiges Süße daherfloß.
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Diesem waren schon zwei der redenden Menschengeschlechter
Hingewelkt, die vordem ihm zugleich aufwuchsen und lebten,
Dort in der heiligen Pylos; und jetzt das dritte beherrscht' er.
Dieser begann wohlmeinend, und redete vor der Versammlung:
Wehe, wie großes Leid dem achaiischen Lande herannaht!
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Traun, wohl freun wird sich Priamos des, und Priamos Söhne,
Auch das Volk der Troer wird hoch frohlocken im Herzen,
Wenn sie das alles gehört, wie ihr durch Zank euch ereifert,
Ihr, die ersten Achaier im Rat, und die ersten im Kampfe.
Aber gehorcht! Ihr beide seid jüngeres Alters, denn ich bin!
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Denn schon vormals pflog ich mit stärkeren Männern Gemeinschaft,
Als ihr seid; und dennoch verachteten jene mich nimmer!
Solche Männer ersah ich nicht mehr, und ersehe sie schwerlich,
So wie Peirithoos war, und der völkerweidende Dryas,
Käneus auch, und der Held Exadios, auch Polyphemos,
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Oder wie Ägeus Sohn, der götterähnliche Theseus.
Traun, das waren die stärksten der lebenden Erdebewohner,
Waren selbst die stärksten und kämpften nur wider die stärksten,
Wider die Bergkentauren, und übeten grause Vertilgung.
Seht, und jenen war ich ein Kriegsgenoß, der aus Pylos
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Herkam, fern ans dem Apierland; denn sie riefen mich selber;
Und ich kämpfte das meinige mit. Doch jene vermochte
Keiner, so viel nun leben des Menschengeschlechts, zu bekämpfen.
Dennoch hörten sie Rat von mir, und gehorchten dem Worte.
Aber gehorcht auch ihr; denn Rat zu hören ist besser.
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Weder du, wie mächtig du seist, nimm jenem das Mägdlein;
Sondern laß, was ihm einmal zum Dank verliehn die Achaier:
Noch auch du, o Peleid', erhebe dich wider den König
So voll Trotz; denn es ward nie gleicher Ehre ja teilhaft
Ein bescepterter König, den Zeus mit Ruhme verherrlicht.
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Wenn du ein Stärkerer bist, und Sohn der göttlichen Mutter:
Ist er mächtiger doch, weil mehrerem Volk er gebietet.
Atreus Sohn, laß fahren den Zorn; und ich selbst will Achilleus
Anflehn, auch sein Herz zu besänftigen, ihn, der die große
Schutzwehr ist dem achaiischen Volk im verderbenden Kriege.
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Gegen ihn rief antwortend der Völkerfürst Agamemnon:
Wahrlich, o Greis, du hast wohlziemende Worte geredet.
Aber der Mann will immer den anderen allen zuvor sein;
Allen will er gebieten im Heer, und alle beherrschen,
Allen Gesetz' austeilen, die niemand, mein' ich, erkennet!
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Wenn sie ja Lanzenkund' ihm verliehn, die ewigen Götter;
Stellen sie darum ihm frei, auch Schmähungen auszurufen?
Ihm in die Red' einfallend, begann der edle Achilleus:
Ja fürwahr, ein Feiger und Nichtiger müßt' ich genannt sein,
Wenn ich in allem mich dir demütigte, was du nur aussprichst!
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Andern gebeut' du solches nach Willkür; aber nur mir nicht
Winke Befehl; ich möchte hinfort dir wenig gehorchen!
Eines verkünd' ich dir noch, und du bewahr' es im Herzen.
Niemals heb' ich die Arme zum Streit auf wegen des Mägdleins,
Weder mit dir, noch andern; ihr gabt, und nehmet sie wieder.
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Aber so viel mir sonst bei dem dunkelen Schiffe sich findet,
Davon nimmst du mir schwerlich das mindeste, wider mein Wollen.
Oder wohlan, versuch' es! damit sie alle mit ansehn,
Wie alsbald an der Lanze dein schwarzes Blut mir herabträuft!
Also haderten beide mit widerstrebenden Worten,
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Standen dann auf, und trennten den Rat bei den Schiffen Achaias.
Peleus Sohn, zu den Zelten gewandt und schwebenden Schiffen,
Wandelte, samt Menötios' Sohn und seinen Genossen.
Doch der Atreid' entließ ein hurtiges Schiff in die Meerflut;
Wählete zwanzig hinein der Ruderer; bracht' auch Apollons
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Hekatomb'; und darauf des Chryses rosige Tochter
Führt' er hinein; und Gebieter des Schiffs war der weise Odysseus.
Alle nun eingestiegen, durchsteuerten flüssige Pfade.
Drauf hieß Atreus Sohn sich entsündigen alle Achaier:
Und sie entsündigten sich, und warfen ins Meer die Befleckung,
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Opferten dann für Apollon vollkommene Sühnhekatomben
Mutiger Stier' und Ziegen am Strand des verödeten Meeres;
Und hoch wallte der Duft in wirbelndem Rauche gen Himmel.
So war alles im Heere beschäftiget. Doch Agamemnon
Ließ nicht ruhn, was er zankend zuvor gedroht dem Achilleus;
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Sondern Talthybios schnell und Eurybates rief er ermahnend,
Die Herold' ihm waren und rasch aufwartende Diener:
Gehet hin zum Gezelte des Peleiaden Achilleus;
Nehmt an der Hand und bringt des Brises rosige Tochter.
Wenn er sie nicht hergäbe, so möcht' ich selber sie nehmen,
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Hin mit mehreren kommend; was ihm noch schrecklicher sein wird!
Jener sprach's und entließ sie, die drohenden Worte befehlend.
Ungern gingen sie beid' am Strand des verödeten Meeres,
Bis sie die Zelt' und Schiffe der Myrmidonen erreichten.
Ihn nun fanden sie dort am Gezelt und dunkelen Schiffe
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Sitzend; und traun, nicht wurde des Anblicks fröhlich Achilleus.
Beide bestürzt vor Scheu und Ehrfurcht gegen den König
Standen, und wageten nichts zu verkündigen, oder zu fragen.
Aber er selbst vernahm es in seinem Geist, und begann so:
Freude mit euch, Herold', ihr Boten Zeus und der Menschen!
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Nahet euch! Ihr nicht seid mir Verschuldete; nur Agamemnon,
Der euch beide gesandt um Brises rosige Tochter.
Auf denn, führe heraus das Mägdelein, edler Patroklos,
Und laß jene sie nehmen. Doch sei'n sie selber mir Zeugen,
Vor den seligen Göttern, und vor den sterblichen Menschen,
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Auch vor dem Könige dort, dem Wüterich: Wenn man hinfort noch
Meiner Hilfe bedarf, dem schmählichen Jammer zu steuern
Jenes Volks...! Ha, wahrlich, er tobt in verderblichem Wahnsinn,
Blind im Geiste zugleich vorwärts zu schauen und rückwärts,
Daß bei den Schiffen er sichre das streitende Heer der Achaier!
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Jener sprach's; und Patroklos, dem lieben Freunde gehorchend,
Führt' aus dem Zelt, und gab des Brises rosige Tochter
Jenen dahin; und sie kehrten zurück zu den Schiffen Achaias.
Ungern ging mit ihnen das Mägdelein. Aber Achilleus
Weinend setzte sich schnell, abwärts von den Freunden gesondert,
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Hin an des Meeres Gestad', und schaut' in das finstre Gewässer.
Vieles zur trauten Mutter nun flehet er, breitend die Hände:
Mutter, dieweil du mich nur für wenige Tage gebarest,
Sollte mir Ehre doch der Olympier jetzo verleihen,
Der hochdonnernde Zeus! doch er ehret mich nicht, auch ein wenig!
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Siehe, des Atreus Sohn, der Völkerfürst Agamemnon,
Hat mich entehrt, und behält mein Geschenk, das er selber geraubet!
Also sprach er betränt; ihn vernahm die treffliche Mutter,
Sitzend dort in den Tiefen des Meers beim grauen Erzeuger.
Eilendes Schwungs entstieg sie der finsteren Flut, wie ein Nebel;
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Und nun setzte sie nahe sich hin vor den Tränenbenetzten,
Streichelt' ihn drauf mit der Hand, und redete, also beginnend:
Liebes Kind, was weinst du? und was betrübt dir die Seele?
Sprich, verhehle mir nichts, damit wir es beide wissen.
Doch schwerseufzend begann der mutige Renner Achilleus:
365
Mutter, du weißt das alles; was soll ich es dir noch erzählen?
Thebe belagerten wir, Eëtions heilige Feste,
Und verwüsteten sie, und führeten alles von dannen.
Redlich teilten den Raub die tapferen Söhne Achaias,
Und man erkor dem Atreiden des Chryses rosige Tochter.
370
Chryses darauf, der Priester des treffenden Phöbos Apollon,
Kam zu den rüstigen Schiffen der erzumschirmten Achaier,
Frei zu kaufen die Tochter, und bracht' unendliche Lösung,
Tragend den Lorbeerschmuck des treffenden Phöbos Apollon
Um den goldenen Stab; und er flehete laut den Achaiern,
375
Doch den Atreiden vor allen, den zween Feldherrn der Völker.
Drauf gebot beifallend das ganze Heer der Achaier,
Ehrend den Priester zu scheun, und die köstliche Lösung zu nehmen.
Aber nicht Agamemnon, des Atreus Sohne, gefiel es;
Dieser entsandt' ihn mit Schmach, und befahl ihm drohende Worte.
380
Zürnend vernahm es der Greis und wandte sich. Aber Apollon
Hörte des Flehenden Ruf, denn sehr geliebt war ihm jener.
Und nun sandt' er sein Todesgeschoß; und die Völker Achaias
Starben in Scharen dahin, da rings die Geschosse des Gottes
Flogen im weiten Heere der Danaer. Siehe da weissagt'
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Uns ein kundiger Seher den heiligen Rat des Apollon.
Eilend riet ich selber zuerst, den Gott zu versöhnen.
Aber der Atreion' ereiferte: schnell sich erhebend
Sprach er ein drohendes Wort, das nun der Vollendung genaht ist.
Jene geleiten im Schiff frohblickende Söhne Achaias
390
Heim nach Chrysa zurück, auch bringen sie Gaben dem Herrscher
Doch mir nahmen nun eben die Herold' aus dem Gezelte
Brises Tochter hinweg, das Ehrengeschenk der Achaier.
O wenn du es vermagst, so hilf dem tapferen Sohne!
Steig empor zum Olympos, und flehe Zeus, wenn du jemals
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Ihm mit Worten das Herz erfreuetest, oder mit Taten.
Denn ich habe ja oft dich selbst im Palaste des Vaters
Rühmen gehört, wie du einst dem schwarzumwölkten Kronion,
Du von den Göttern allein, die schmähliche Kränkung gewendet,
Als vordem ihn zu binden die andern Olympier drohten,
400
Here und Poseidaon zugleich, und Pallas Athene.
Doch du kamst, o Göttin, und lösetest ihn aus den Banden,
Rufend zum hohen Olympos den hundertarmigen Riesen,
Den Briareos nennen die Himmlischen, aber Ägäon
Jeglicher Mensch; denn er raget auch selbst vor dem Vater an Stärke.
405
Dieser nun saß bei Kronion dem Donnerer, freudiges Trotzes.
Drob erschraken die Götter, und scheuten sich, jenen zu fesseln.
Setze nun, des ihn erinnernd, zu jenem dich, fass' ihm die Knie' auch,
Ob es vielleicht ihm gefallen den Troern Schutz zu gewähren,
Aber zurück zu drängen zum Lager und Meer die Achaier,
410
Niedergehaun, bis sie alle sich sättigen ihres Gebieters,
Auch er selbst der Atreide, der Völkerfürst Agamemnon,
Kenne die Schuld, da den besten der Danaer nichts er geehret!
Aber Thetis darauf antwortete, Tränen vergießend:
Wehe mir! daß ich, mein Kind, dich erzog, unselig Geborner!
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Möchtest du hier bei den Schiffen doch frei von Tränen und Kränkung
Sitzen; dieweil dein Verhängnis so kurz nur währet, so gar kurz!
Aber zugleich frühwelkend und unglückselig vor allen
Wurdest du! Ja, dich gebar ich dem Jammergeschick im Palaste!
Dies dem Donnerer Zeus zu verkündigen, ob er mich höre,
420
Geh' ich selber hinauf zum schneebedeckten Olympos.
Du indes an des Meers schnellwandelnden Schiffen dich setzend,
Zürne dem Danaervolk, und des Kriegs enthalte dich gänzlich.