Stephen Fry
Paperweight
Literarische Snacks
Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach
Titel der Originalausgabe
Paperweight
ISBN 978-3-8412-0454-7
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Mai 2012
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Bei Aufbau Taschenbuch erstmals 2004 erschienen; Aufbau Taschenbuch
ist eine Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
Paperweight © 1992 by Stephen Fry
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Umschlaggestaltung Preuße & Hülpüsch Grafik Design
unter Verwendung eines Fotos von Bert Hülpüsch
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Einleitung
Abschnitt eins: Radio
Donald Trefusis
Lady Madding
Trefusis’ Weihnachtsrätsel
Jeremy Creep
Trefusis übertreibt die Eleganz
Sidney Gross
Trefusis über das Bildungswesen
Trefusis und Redatt
Sir John Raving: Cricket & Golf
Trefusis über Examina
Trefusis fühlt sich nicht wohl
Trefusis über die Langeweile
Trefusis über den Haß auf Oxford
Trefusis über das Alter
Trefusis’ Nachruf
Trefusis beim Knabbern
Trefusis und Rosina
Trefusis nimmt einen Preis entgegen
Trefusis und der Rebell mit dem Monokel
Trefusis lästert
Trefusis über Any Questions
Trefusis geht in den Norden
Erneut Lady Madding
Trefusis’ Postkarte aus Amerika
Postkarte Nummer zwei
Postkarte Nummer drei
Postkarte Nummer vier
Abschnitt zwei: Rezensionen und Restposten
Der ›Tatler‹ und Sex
Der annotierte Father Brown
›Arena‹
Das Buch und die Brüderschaft
BrandX
Nichts gegen das Masturbieren
Bernard Levin
Das Bangemachen der Satire
Kind des Wandels
Briefkastenvetter
Der World Service
Abschnitt drei: ›The Listener‹
Nackte Kinder
Der Fluch der Familie
Ein Blick in die Zukunft
Dorothys Freunde
Thatcher im Fernsehen
Sockenzorn
Wimbledon-Horror
Fuck sagen
Schlimmer – durch Design
Mein Gott
Bikes, Leder und After-shave
Sie und Ihr Toffee
Weihnachtsgruß
Voraussagen für 1989
Der Schwätzer in ›The Listener‹
Werbeblock
Absolut überhaupt nichts
Die Jugend
Ich und mein Hefter
Über die Unverständlichkeit
Beschwerdenbescherung
Wie ich diesen Artikel geschrieben habe
Zerreißt ihn für seine schlechten Verse
Der lachende Droschkenkutscher
Abschnitt vier: ›The Telegraph‹
Außersinnliche Hopsnehmung
Sportsgeist
Eine Frage der Zuschreibung
Der Stoff, aus dem die Träume sind
Lösungen zum Stoff, aus dem die Träume sind
Hämorrhoiden
Eine freundliche Stimme in der Polo Lounge
Entwurf einer Haßliste
Gesund & munter, fröhlich & schwul
Gott segne Worcestershire
Wieder auf Achse
Zoostunde
Trefusis kehrt zurück!
Ein Schlag auf den Kopf
Liebes Sid
So verrückt wie nur möglich
Das Bild der Wirklichkeit
What are we fighting for?
Die richtigen Züge machen
Von Mutter Sprache gestillt
Hört auf Volkes Stimme
Die politische Partie spielen
Mein Leonardo
Ein Schwätzer schwatzt
Im Himmel der Spielshows
Eine Droge auf dem Markt
Der Angriff der Killerschnurrbärte
Sie war bloß die Tochter des Präsidenten
Die Sünde des Rades
Patriotische Glosse
Hoppala
Spott befohlen
Das B-Wort
Danken Sie nicht Ihrem Glücksstern
Die Jungs vom Lande
Der Grammatik auf den Fersen
Karrieren, wohin man auch schaut
Toleranz gegenüber Krankheiten
Ein seltsamer Mann
Spaß mit Delphinen
Meine selige Tante
Ein reger Hinterwörtler
Und der Gewinner ist
Taxi!
Noch eine Frage der Zuschreibung
Weinkonserven
Die schnurrende Maus
Eine Runde Monopoly
Bildung ist eine wunderbare Sache
Abspann
Der »Analogizer®«
Ein Unterzeichnen der Zeit
Feiner Kerl
Verrückt wie eine Schauspielerin
Das Alphabet der Motoren
Vim und Vitalität
Zustand kritisch
Heartbreak-Hotels
Mercury, der Götterbote
Eigner Film ist Goldes wert
Valete
Eine Sache der Gewichtung
Abschnitt fünf: Latein!
Programmhinweis
Latein! oder Tabak und Knaben
I. Akt
II. Akt
Anhang
Personen- und Sacherläuterungen
Meiner Mutter und meinem Vater
… den vorbildlichsten Vorfahren
Willkommen bei Paperweight. Meine erste Amtshandlung muß in der Warnung bestehen, daß es Wahnsinn wäre, dieses Buch wie einen packenden Roman oder eine erbauliche Biographie in einem Rutsch durchlesen zu wollen. Auf dem Festmahl der Literatur erstrebt Paperweight nicht mehr, denn als eine Art literarische Guacamole angesehen zu werden, in die müde und hungrige Leser von Zeit zu Zeit einen Tortillachip ihrer Neugierde dippen mögen. Ich will nicht für die geistigen Verdauungsbeschwerden zur Verantwortung gezogen werden, die zwangsläufig aus dem Versuch resultieren müßten, das Ding als Ganzes herunterzuschlingen. Snackbücher sind in Sachen Stil vielleicht nicht der letzte Schrei, doch bei jenen, die Trüffeln und Fleischklöße der Meisterköche der einen Küche übersättigt und aufgebläht zurückgelassen oder denen Whopper und Big Macs von den Schnellimbißköchen der anderen Leibwinde verursacht haben, mag Paperweight gerade recht kommen.
Möglicherweise erteilt uns allerdings auch das andere Ende des Verdauungstrakts Aufschluß darüber, wie mit diesem Buch zu verfahren sei: Seine eigentliche Heimat könnte es im Badezimmer finden, neben Das Beste aus der Far Side Collection, einer alten, shampoobefleckten Ausgabe des Sloane-Ranger-Handbuchs und, jedermanns Kloakalfavoriten, den Gesammelten Briefen von Rupert Hart-Davis. Womöglich hätte jeder Artikel in diesem Buch mit einer Zahl oder einem Symbol versehen werden sollen, die oder das den Zeitraum bezeichnet hätte, den er zur Lektüre beansprucht, wobei Zahl oder Symbol dem Eingeweidebefinden eines Lesers entsprochen hätten. Damit könnte letzterer entscheiden, welche Abschnitte seiner Diät und allgemeinen Darmbeschaffenheit zufolge zu lesen wären. Auf diese Weise ließe sich das ganze Buch bewältigen, ohne daß dem Kunden je kostbare Zeit geraubt würde. Aber egal, welche Anwendung Sie für Paperweight finden, ob Sie einem strikten Toilettenregime gehorchen, ob Sie es als Briefbeschwerer benutzen oder ob Sie lediglich das Photo des ekelerregenden Menschen auf dem Umschlag zu verunstalten belieben, ich jedenfalls wünsche Ihnen Jahre problemlosen, fleckenabweisenden Gebrauchs.
Den Bohrschmant von sechs oder sieben Jahren gelegentlicher Plackerei in den Fabrikhallen von Journalismus und Rundfunk zu sammeln (eine absurde Metapher und von jener Sorte, die Belletristen anscheinend einfach nicht lassen können … inwiefern gleicht das Verfassen von Texten auch nur im entferntesten der Plackerei in einer Fabrikhalle? Komm gefälligst zur Sache!), mag als Ausfluß unerträglicher Arroganz erscheinen. Darauf kann ich nur entgegnen, daß die verlegerische Scheußlichkeit, die Sie gerade in der Hand halten, in Wirklichkeit Ausfluß einer hoffentlich ertragreichen Arroganz ist. Zu ihr ist es gekommen, weil ich im Laufe der Jahre zahlreiche Briefe von Lesern und Hörern erhalten habe, die darum baten, daß ihnen ein dauerhaftes Dokument jener Artikel und Radiosendungen, die ich einer skeptischen Öffentlichkeit so rücksichtslos aufgedrängt habe, verfügbar gemacht werde – vermutlich mit dem Hintergedanken, ihren Kindern damit eins hinter die Löffel zu geben oder das so entstandene Buch bei schwarzen Messen als Reliquisiten zu benutzen. Jedenfalls ist Paperweight das Ergebnis solchen Flehens, und ich denke doch, den Verantwortlichen wird es eine Lehre sein.
(Was soll dieses »daß ihnen ein dauerhaftes Dokument verfügbar gemacht werde« und »das Ergebnis solchen Flehens«? Warum bist du dir nicht zu schade für diesen traditionell schmierigen Vorwortstil? Und was soll eigentlich diese ganze falsche Bescheidenheit? »Diese verlegerische Scheußlichkeit …, die ich Ihnen so rücksichtslos aufgedrängt habe.« Widerwärtig!)
Meine ersten Exkursionen in jene Gegenden des Schreibens, die in diesem Buch wiedergegeben werden (Exkursionen? Exkursionen? Was ist denn das für ein Wort? Reiß dich zusammen!), begannen 1985, als Ian Gardhouse, ein Hörfunkredakteur der BBC von bis dahin untadeligem Charakter, mich bat, etwas zu einer seiner Serien namens Colour Supplement beizutragen. Ein oder zwei Folgen, mit denen ich mich an diesem kurzlebigen Unternehmen beteiligt habe, sind jetzt im »Radio«-Abschnitt dieses Bandes enthalten.
Colour Supplement wurde von Loose Ends abgelöst, bei deren erster Folge ich eine Figur namens Professor Trefusis vorstellte. Das war Ian Gardhouses Idee gewesen. In der Woche, bevor wir zum ersten Mal auf Sendung gingen, war offenbar ein Akademiker aus dem richtigen Leben von der Regierung beauftragt worden, ein Gutachten über Sex und Gewalt im Fernsehen zu erstellen. Gardhouse fand, ich sei genau der Richtige, als jener Akademiker zu sprechen, der seine Meinung zu einem Medium abgeben soll, in dem er als weltfremder Don völlig unbewandert ist. Ich machte daraus einen ältlichen Cambridge-Philologen von liebenswertem, mitunter jedoch gehässigem Wesen namens Donald Trefusis.
Ich mochte Trefusis. Sein fortgeschrittenes Alter und seine noch weiter fortgeschrittene Exzentrik ließen gepfefferte Kommentare und ungehemmte Grobheiten zu, die nie und nimmer durchgegangen wären, wenn man sie mit der normalen Stimme eines aufstrebenden Komikers unter dreißig gesprochen hätte. Über die nächsten zwei oder drei Jahre lieferte ich weitere Folgen von Trefusis’ »Hörfunkstunden« für Loose Ends. Eine großzügige, für manchen vielleicht überreichliche (wieder diese schmalzig-falsche Bescheidenheit … obwohl du es fausse humilité nennen würdest, wetten?) Auswahl hat in diesem Band Aufnahme gefunden. Gelegentlich erlaubte ich mir dort auch Auftritte in der Gestalt einer Rosina, Lady Madding, eines verblühten Gesellschaftsschönchens, bis Arbeitsüberlastung mich zwang, einen so flatterhaften Zeitvertreib einzuschränken. (Bist du jetzt bald fertig?)
Von allem anderen abgesehen, habe ich die wenigen Stunden, in denen ich nicht auf Bühnen oder in Fernsehstudios herumhüpfte, damit verbracht, eine wöchentliche Kolumne für die inzwischen verblichene Zeitschrift ›Listener‹ zu schreiben. Ihr vorletzter Herausgeber, der unvergleichliche Alan Coren (gut, »unvergleichlich« ist in Ordnung, nehm’ ich an … wenigstens hast du nicht gesagt, »der unübertrefflich famose Kerl, Alan Coren«), hatte mich aus den Literaturseiten weggelobt, wo ich ab und zu eine Kritik für die zuständige Redakteurin Lynne Truss verfaßt hatte. Ein paar dieser Buchkritiken und eine Auswahl der Kolumnen sind hier im Abschnitt »The Listener« versammelt. Zur Weihnachtsausgabe 1987 hatte ich eine Sherlock-Holmes-Geschichte beigesteuert, die ich mir ebenfalls hier aufzunehmen erlaubt habe (was soll das heißen, »die ich mir erlaubt habe«? Das ist dein verdammtes Buch, hab’ ich recht? Was brauchst du da irgendeine Erlaubnis? Nicht zu fassen!). Eine Anzahl Essays (du meinst »zwei«), die ich für die Zeitschrift ›Arena‹ geschrieben habe, bilden den Abschnitt »Rezensionen und Restposten«, zusammen mit einigen Stücken, die ich für den ›Tatler‹ unter der Herausgeberschaft jener inzwischen beklagenswerterweise heimgegangenen, herausragenden Persönlichkeit Mark Boxers abgefaßt habe. Außerdem habe ich einige Texte aufgenommen, die ich als Fernsehkritiker der ›Literary Review‹ geschrieben habe.
1989 wechselte der ›Listener‹ den Verlag, Alan Coren ging, und ich dann auch. Bald darauf wurde die Zeitschrift endgültig eingestellt. (Da sollen wir wohl einen Zusammenhang herstellen, oder?)
Wenige Monate später schickte mir Max Hastings, der liebenswürdige und bescheidene Herausgeber des ›Daily Telegraph‹ (du magst einfach jeden, nicht wahr?), eines Nachmittags ein Billett zu Händen des Bühneneingangs vom Aldwych Theatre, wo ich in einem der bedeutendsten Flops der Spielzeit auftrat, einem Stück namens Look Look. Er fragte, ob ich mir vorstellen könne, für seine Zeitung eine Kolumne zu schreiben. Zufällig hatte ich ein paar Monate zuvor als Leser vom ›Independent‹ zum ›Telegraph‹ gewechselt. Obwohl ich kein Konservativer bin, fühlte und fühle ich mich auf den Seiten dieser Zeitung immer noch mehr zu Hause als bei jeder anderen, also stimmte ich bereitwillig und glücklich zu. (Ach, ist das aufregend!)
Zwei Jahre lang schrieb ich eine Kolumne unter der Überschrift »Fry am Freitag« und gab den Posten erst Ende 1991 auf, als Film- und Schreibarbeit mir zuviel wurden. Jede Woche ein Thema zu finden, erforderte eine Disziplin, die mir ungeheuren Spaß machte, obwohl es Zeiten gab, zu denen ich wöchentlich zehnmal mehr schrieb, um die riesige Briefmenge zu beantworten, die von Lesern des ›Telegraph‹ über mich hinwegschwappte, als die Artikel selbst lang waren. Ich wage zu behaupten, daß die großen Kolumnisten unserer Tage, die Waterhouses, Levins und Waughs, meinen Postsack lachhaft schlapp gefunden hätten, aber für mich waren die herausfordernden, intelligenten, freundlichen und manchmal weniger freundlichen Leserbriefe eine der großen Überraschungen und Freuden dieses Lebensabschnitts. Ich muß zugeben, daß ich mich gegen sein Ende, als meine Zeitknappheit schlechterdings beängstigende Ausmaße angenommen hatte, vielfach außerstande sah, alle Briefe zu beantworten, und ergreife diese Gelegenheit, mich für die flüchtig hingeworfenen Antworten zu entschuldigen, mit denen meine Korrespondenzpartner vorliebzunehmen gezwungen waren (was für ein Schleimscheißer).
Den letzten Teil von Paperweight bildet der vollständige Text meines Theaterstücks Latein! oder Tabak und Knaben. Ich habe das Programm der Aufführung am New End Theatre in Hampstead beigefügt, das den Hintergrund des Stücks erläutern dürfte. Latein! ist, glaube ich, der Grund dafür, warum ich das mache, was ich mache. Geschrieben habe ich es während meines zweiten Jahrs in Cambridge. Das Ergebnis war, daß Hugh Laurie, der es in Edinburgh gesehen hatte, Emma Thompson bat, mich ihm vorzustellen, in der Hoffnung, ich würde mit ihm zusammen etwas für eine Footlights-Revue schreiben. Ich habe mit ihm und mit Unterbrechungen die letzten elf Jahre über geschrieben und hoffe, dies noch viele Jahre lang tun zu können.
Ich möchte meinen Dank daher ihm, Emma Thompson, Alan Coren, Max Hastings, Ian Gardhouse, Ned Sherrin, Lynne Truss, Nick Logan von ›Arena‹, Emma Soames (quondam editrix der ›Literary Review‹) und dem verstorbenen Mark Boxer abstatten. Mein Dank gilt auch Lisa Glass von Mandarin Books für ihre Geduld und Jo Foster, die mir die disiecta membra so vieler Jahre aufzuspüren half. (Du konntest es einfach nicht lassen, was? Du mußtest mit einer verdammten lateinischen Floskel aufhören. Was für ein Schwachkopf. Und wo hast du bloß diese »quondam editrix« her? Du lieber Himmel!)
Stephen Fry
Norfolk, 1992
Abschnitt eins
Der folgende Text ist die erste Trefusis-Folge aus Loose Ends. Wie in der Einleitung erläutert, bezieht er sich auf den Kabinettsbeschluß, einen Akademiker einzuladen, ein Jahr lang fernzusehen und dann zu entscheiden, ob die auf unseren Bildschirmen gezeigte Gewalt der Öffentlichkeit und insbesondere natürlich den lieben Kindlein dieses Landes schadet.
STIMME: Dr Donald Trefusis, Senior Tutor am St Matthew’s College, Cambridge, und Carnegie-Professor für Philologie, wurde letztes Jahr von der Regierung darum gebeten, einen Großteil der Fernsehproduktion der BBC zu kontrollieren und speziell gewalttätigen Szenen Aufmerksamkeit zu widmen, die kleine Kinder verstören oder beeinflussen könnten. Heute berichtet er, was er in Erfahrung gebracht hat.
Mein Auftrag, die Weiterverbreitung von Gewalt auf den Fernsehkanälen der BBC zu inspizieren, war einerseits ein Greuel für einen unbeirrbaren Liebhaber des Hörfunks, andererseits von gewissem Charme für einen passionierten Beobachter und Chronisten der modernen Gesellschaft, und war andererseits schmeichelhaft für jemanden, der – oje, mein Blatt scheint drei Seiten zu haben, macht nichts, es mag genügen, wenn ich sage, daß ich mit frohem, gleichwohl klopfendem Herzen an meine Aufgabe heranging.
Mein Vorgänger auf dem hiesigen Queen-Anne-Lehrstuhl für angewandte Moraltheorie1 vertrat zeitlebens die Auffassung, daß Television, ohnedies ein in sich etymologisch hybrides Kompositum aus dem griechischen »tele« und der lateinischen »visio«, eine soziale Hybride sei, eine Chimäre, die einen auf dem Kreuzzug sowie dem Rücken eines Pegasus des 20. Jahrhunderts befindlichen Bellerophon der Jetztzeit erwarte, der sie dahinschlachten möge, bevor sie unsere Kultur in ihren schleimigen, stinkenden, eiternden Schlund hinabreißt.
Ich hingegen, der ich im Grunde ein Mann des Volkes bin, einer, der seine wachen und eifrigen jungen Finger stets am energischen, vibrierenden Puls unserer Zeit hat, ich neige nicht zu solch unmäßigen Ansichten. Für mich stellt das Fernsehen eine Herausforderung dar, eine Hoffnung, eine Chance – oder, mit T. E. Hulmes Worten, »einen konkreten Fluß interpenetrierender Intensitäten«. Und mit diesem aufgeräumten Herzen wollte ich meine Pflicht tun, die zu erfüllen mich meine Regierung gerufen hatte. Um ehrlich zu sein, als der junge Peter aus dem Innenministerium mir im Rauchersalon des Oxford and Cambridge Club sein Anliegen vortrug, mußte ich gestehen, daß ich eigentlich noch nie ferngesehen hatte. Man hat ja so viel zu tun. Aber Peter, von dem ich voller Stolz sagen darf, ihn 1947 auf den altsprachlichen Tripos vorbereitet zu haben, war der Ansicht, ein unvoreingenommener Geist sei genau das Richtige für dieses Problem: Also setzte ich mich, von keinerlei Wissen belastet und mit der beseligenden Freude gänzlicher Unerfahrenheit, vor meinen funkelnagelneuen Sony Trinitron, um von den reichen Gaben der Sendeanstalt zu kosten.
Gewalt umfaßt, wie ich einem Radiopublikum kaum werde in Erinnerung rufen müssen, sprachgeschichtlich den Gegensatz einer Kraftfülle, die jeden Widerstand niederzwingt, und einer Machtanwendung, die das Recht beugt. Die Gewalt, welche zur Strecke zu bringen ich beauftragt worden war, war indes ein ganz anderes Paar Ballettschuhe. Ich werde Sie nicht länger im dunkeln tappen lassen und enthüllen, daß das, was ich da zu sehen bekam, mich bis ins Mark meines Wesens erschütterte und in einer Weise bestürzte, der Ausdruck zu verleihen ich mich außerstande sehe. Sendung auf Sendung gewalterfüllt, grauenhaft und mit potentiell ruinösen Auswirkungen auf die weichen, noch leicht formbaren Seelen unserer Jugend.
Die erste Sendung, auf die ich stieß, hieß The Late, Late Breakfast Show und wurde moderiert von – doch nein, es gehört nicht zu meinen Aufgaben, mich hier auf das Niveau der Verleumdung einzelner herabzulassen –, wurde moderiert, sagen wir, von einer Person, die ich weder in dieser noch in irgendeiner anderen Welt wiederzusehen wünsche. In dieser Sendung wurde sämtlichen Regeln des Anstands, der Ehrbarkeit, des Umgangs, der Höflichkeit, des Geschmacks, der Menschlichkeit und der Menschenwürde, die ich zeit meines Lebens hochzuhalten und zu befördern bestrebt war, Gewalt angetan. Allesamt wurden sie auf Arten und Weisen verletzt, die zu barbarisch, zu grotesk, zu verkommen waren, um sie hier auszuführen. Ich hoffe sehr, nie wieder Zeuge einer solch obszönen Orgie der Vulgarität, Niedertracht und Ignoranz werden zu müssen. Die Seele des jungen Menschen wird zu der Annahme verleitet, laute, marktschreierische Derbheit sei bewundernswert; rüpelhaftes, unzivilisiertes Zotenreißen auf Kosten weiblicher Würde sei amüsant; und pubertäres, banausenhaftes Posieren und Possenreißen sei unterhaltsam. Unter dem Motto »Ich mach’ doch bloß Spaß« wird hier ein Banner so schändlicher, unverzeihlicher Primitivität aufgepflanzt, daß es jegliche Vorstellungskraft übersteigt. Wenn das Fernsehen ist, so spürte ich, dann muß der Gewalt, die es der Empfindsamkeit unserer Jugend antut, unverzüglich Einhalt geboten werden, ehe es zu spät ist. Ein ganzer Strom sinnloser und abstoßender Quizsendungen folgte dieser Scheußlichkeit auf dem Fuße: Die ganze Woche über wurde ich mit brutalstem Schmutz und Schund bombardiert. Eine Sendung, in der fortlaufend Brieffetzen eingeblendet wurden, die von schamlosen Zuschauern eingesandt worden waren, tat dem guten Ruf dieses Landes in puncto Alphabetisiertheit, Intelligenz, Rechtschreibung, Schönschrift, Urteilsvermögen und Bescheidenheit solche Gewalt an, daß ich befürchtete, geradewegs in Ohnmacht zu fallen.
Schließlich glitzerten auf diesem Misthaufen der Entweihungen, des Ruins und Entsetzens aber doch ein paar Hoffnung machende Perlen. Aus amerikanischer und hiesiger Produktion gab es zahlreiche Sendungen, in denen Schauspieler sich als Polizisten verkleideten oder als Verbrecher ausgaben und dann unterhaltsame Darstellungen von Kampfhandlungen und Feuergefechten lieferten. So manches Auto explodierte in dieser Phantasiewelt auf fröhliche und aufregende Weise. Besonders gut gefiel mir bald ein Paar namens Starsky und Hutch, das unaufhörlich Schießereien und Schlägereien simulierte. Diese heiteren, einfältigen und klamaukhaften fiktionalen Zerstreuungen waren, wie Fiktionen das immer gewesen sind und immer sein werden, harmlos, lehrreich und reizend. Ich empfehle, sie unangetastet zu lassen, wie es allem Drama und aller Fiktion gebührt. Doch jene Gewalt, die Gewalt, die es in den monströsen Erscheinungsformen auf unsere Jugend abgesehen hat, die zu beschreiben ich versucht habe, diese Gewalt mit der Wurzel auszurotten, zu beseitigen, zu dezimieren, zu vernichten und zu zerstören, werde ich keine Anstrengungen scheuen.
Guten Morgen.
Der erste dreier Monologe von Rosina, Lady Madding, die auf Loose Ends ausgestrahlt wurden. Stellen Sie sich eine Stimme vor, die etwa so klingt wie jemand, der beim Einatmen spricht.
STIMME: Rosina, Lady Madding, zu Hause in Eastwold House.
Ich wohne hier allein in dem, was man in meiner Mädchenzeit das Witwenhaus nannte. Ich nehme an, technisch gesehen bin ich eine Witwe, obwohl mein Sohn Rufus, der vierte Graf, noch unverheiratet ist. Ich liebe es hier auf dem Lande, es ist so friedlich. Ich bin umgeben von Photographien aus meiner Vergangenheit. Auf dem Klavier habe ich ein Photo, auf dem ich mit David, dem Prinzen von Wales, tanze – nachmals natürlich Edward der Achte und schließlich Herzog von Windsor. David war ein sehr schlechter Tänzer, immer trat er einem auf die Zehen, und ich weiß noch, wie er einmal einer meiner Geliebten den Mittelfußknochen zertrat – diskreter Lesbianismus war zu der Zeit in Mode.
Das hier ist eine Aufnahme von Noël Coward – Liebling Noël nannten wir ihn immer. Er war ein sehr geistreicher Mensch, wissen Sie – diese Seite von ihm kennen die wenigsten. Ich erinnere mich an eine Begebenheit, als ich bei Marios in der Greek Street die Tanzfläche betrat und ein sehr gewagtes Kleid trug, ein Kleid, das mehr von meiner Décolletage preisgab, als man damals für schicklich hielt – heute, wage ich zu behaupten, würde es kaum noch mehr als eine Augenbraue hochbringen, aber für jene Zeit war es geradezu verrucht. Ich betrat das Parkett, Liebling Noël näherte sich mir und sagte »Rosina« – er nannte mich immer Rosina – so heiße ich, müssen Sie wissen. »Rosina«, sagte er mit dieser Stimme, »Rosina, wo haben Sie bloß diesen verführerisch tief ausgeschnittenen Body gefunden?« So war Noël eben, wissen Sie.
Das Portrait über dem Kamin wurde angefertigt, als ich in Paris war – mein Gatte Claude war in den späten Zwanzigern Botschafter. Ich pflegte in der Botschaft sehr literarische Partys zu veranstalten – Plum und Duff Cooper, Scott und Garrett Fitzgerald, der gute Geoffrey Chaucer natürlich, Adolf Hitler und Unity Mitford, Gertrude Stein und Alice B. Topless, Radclyffe Hall und Angela Brazil – auf ihr Erscheinen konnte man sich immer verlassen. Und natürlich auf O. Henry, James Joyce, Cary Grant. Ich erinnere mich, daß F. E. Smith, später bekanntlich Lord Birkenhead, da drüben ist ein Bild von ihm, direkt unter der Dartscheibe, F. E. also sagte immer: »Alle Welt geht mit ihrem Liebhaber zu Rosinas Partys«, was mir sehr schmeichelte.
Als Claude und ich später nach Indien zogen, um die Vizeregentschaft zu übernehmen, habe ich Gandhi kennengelernt, mit dem ich regelmäßig französisches Cricket spielte – er war schrecklich gut beim Cricket, das mußte man ihm lassen. Claude sagte immer: »Was die Leinentuchindustrie gewonnen hat, das verlor die Wickethüterindustrie.« Pandit Nehru war auch ziemlich beeindruckend, aber wenn man Edwina Mountbatten Glauben schenken darf, dann war seine Weite zu unregelmäßig, als daß er je Einlaß in die indische Ruhmeshalle der Legspinwerfer gefunden hätte.
Der große Männerakt aus Bronze, der auf dem Synthesizer steht, stellt Herbert Morrison dar, den Minister. Daran hänge ich jetzt meine Armreifen auf, wann immer ich mich ans Keyboard begebe. Ich verbringe viel Zeit in diesem Zimmer und denke an die Vergangenheit. Silly Poles Hartley, L. P. Hartley, Sie wissen schon, hat einmal gesagt, die Vergangenheit sei ein fremdes Land, aber das finde ich nicht. Das Essen war natürlich besser, und die Leute rochen nicht so. Ich bekomme oft zu hören, ich gehörte zu einer verdorbenen Generation, reich, schön, müßig, parasitär. Es stimmt, daß ich im Laufe meines Lebens mit jedem erdenklichen Luxus überschüttet worden, vielen berühmten und einflußreichen Menschen begegnet bin, viele aufregende Gegenden gesehen habe und niemals etwas Anstrengenderes zu tun hatte, als große Feste zu organisieren. Aber wissen Sie, trotz alledem, wenn ich noch einmal von vorn anfangen könnte, ich würde alles wieder genauso machen. Was ich bereue? Nur weniges. Ich hätte dem lieben T. E. Lawrence nicht mein Motorrad leihen sollen. Jetzt bin ich müde. Lassen Sie mich essen.
STIMME: Donald Trefusis, Professor für Philologie an der Universität Cambridge, stellt sein berühmtes Weihnachtsrätsel. Halten Sie Bleistift, Papier oder Kassettenrecorder bereit.
Menschliche Wesen, die, wie ich annehmen muß, auch heute wieder einen Großteil meiner Hörerschaft ausmachen, sind häufig auf ihre Art und Weise ungeheuer konkurrenzorientiert. Im allgemeinen ist dies eine Eigenschaft, die es zu tadeln und nicht zu ermutigen gilt; dem industriellen und ökonomischen Wohlergehen unseres Landes ist es offensichtlich unzuträglich, wenn eine große Zahl aggressiver, konkurrenzsüchtiger Leute miteinander um Geld oder Märkte wetteifern oder um was für Lappalien Figuren aus der Wirtschaft nun einmal wetteifern, wenn sie nicht gerade kostbare Sitzplätze in Zügen besetzt halten.
Der Konkurrenzgeist ist ein Ethos, das Universitäten wie die, an der zu arbeiten und mich zu bewegen ich die Ehre habe, unterdrücken und neutralisieren müssen. Wir unterhalten uns oft über unsere nationale Malaise, was sich mitnichten, wie oft angenommen, auf die uns willkommenen Immigranten aus Malaysia bezieht, sondern den entsetzlichen und ungebrochenen Trend beschreibt, daß intelligente junge Männer und Frauen an die Universitäten kommen und dort ermuntert werden, in die Industrie zu gehen. Geborene Naturwissenschaftler, Altphilologen und Linguisten werden schon in früher Kindheit mit Technologie, Management (was immer man sich darunter auch vorstellen mag) und Wirtschaft vertraut gemacht. In Anbetracht dieser düsteren Tatsache brauchen wir wohl nicht länger nach Gründen zu forschen, welche die Talfahrt dieses Landes erklären. Wie soll diese Nation sich im Spannungsfeld der internationalen Beziehungen behaupten, wenn sie nicht einmal imstande ist, die Medialformen von λυω zu konjugieren oder die Aussage des Endymion zusammenzufassen? Eine Generation von Bürgern, die Hosenbügelpressen und Aktenkoffer aus rotem Leder mit Zahlenschloß kauft, aber im Unwissen um das metrische Schema der Faerie Queene verharrt, ist nicht imstande, eine Führungsrolle in der Welt zu übernehmen. Das ist indes nicht Hauptthema meiner heutigen Erörterung. Ich wollte lediglich den Hintergrund meiner Leinwand mit obigen Farben von der Palette meiner Beschwerden kolorieren, bevor ich im Vordergrund die Formen und Rhythmen meiner eigentlichen Komposition abbilde.
Wiewohl ich also meine Studenten zu Recht nicht zu einander ausstechen wollenden Gesinnungen ermutige, pflege ich doch zu Weihnachten ein kleines Rätsel zu veranstalten. Teilnehmen kann jeder Universitätsangehörige, der mich in den vorangegangenen zwölf Monaten irgendwann zu einer Keksparty mit Madeira eingeladen hat. Beachtlicher internationaler Druck ist auf mich ausgeübt worden, diesen traditionellen kleinen Katechismus meiner mithörenden Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Studentenpreis, ein ziseliertes, filigran gearbeitetes Etui aus der Zweiten Republik mit dem eingravierten Namen des Gewinners und einer kleinen Menge hochwertigen Kokains, wurde bereits gewonnen, ich fürchte daher, ich kann dem Gewinner unter Ihnen lediglich ein signiertes Exemplar eines meiner Bücher seiner Wahl anbieten, und dazu eine ebenfalls mit persönlichem Autogramm versehene Ausgabe von Ned Sherrins letzter amüsanter Kollektion humoriger Theateranekdoten mit dem Titel Larry ist ein derartiger Namedropper.
Das Rätsel ist in zwei Kategorien aufgeteilt, die ich, sehr treffend, wie ich meine, Abschnitt A und Abschnitt fünf genannt habe. Zunächst also der Ordnung halber Sektion fünf. Halten Sie geeignete Schriftwerkzeuge parat oder Instrumente zur magnetischen Klangaufzeichnung.
FRAGE 1: Was haben die folgenden Wörter gemeinsam: almost, biopsy, chintz? Ich wiederhole: almost, biopsy, chintz.
FRAGE 2: Was haben die Premierminister Lord Pelham und Lord Grenville mit Lord Ickenham und Lord Sidcup zu tun? Ich wiederhole: Lords Pelham und Grenville, Lords Ickenham und Sidcup.
FRAGE 3: In welcher Verbindung steht der BBC-Korrespondent Martin Bell mit dem Kreuzworträtsel der ›Times‹?
FRAGE 4: Was haben die Lyriker Andrew Marvell, Philip Larkin und Stevie Smith gemeinsam, abgesehen von ihrem Ableben?
FRAGE 5: Was haben Poles und Staples mit Garnelen und Schränken zu tun?
Das war Abschnitt fünf. Abschnitt A ist der Tie-break und erfordert mehr kreatives Bemühen des Teilnehmers.
AUFGABE A: Denken Sie sich ein Telegramm mit zwölf Wörtern an eine imaginäre Herzogin aus, deren Couchée Sie zu versäumen gezwungen sind. Es sollte so aufgesetzt werden, daß kein Zweifel daran bleibt, daß Sie die Verabredung platzen lassen, weil Sie die Dame und ihre Freunde abstoßend, abscheulich und absurd finden.
AUFGABE B: Beugen Sie sich vor und berühren Sie jedes Knie mit Ihrer Nasenspitze.
AUFGABE C: Tragen Sie helle, fröhliche Farben und legen Sie ein liebenswürdiges Wesen an den Tag.
AUFGABE D: Wo machbar, benutzen Sie ein Kondom.
AUFGABE E: Ehren Sie das Alter und seien Sie höflich, charmant und rücksichtsvoll der Jugend gegenüber.
AUFGABE F: Wenn Sie populäre Musik mögen, gehen Sie los, kaufen Sie fünf Klassikplatten und hören Sie sich diese eine Woche lang fünfmal täglich an.
AUFGABE G: Wenn Sie klassische Musik mögen, gehen Sie los, kaufen Sie fünf Popmusikplatten und hören Sie sich diese eine Woche lang fünfmal täglich an, und jetzt Schluß mit dem Quatsch.
AUFGABE H: Stellen Sie sich vor, Sie wären Robert Maxwells Verteidiger. Versuchen Sie, ein Schwurgericht davon zu überzeugen, daß Ihr Mandant nicht durch und durch größenwahnsinnig ist.1
AUFGABE I: Schreiben Sie ein Gedicht in ottava rima über das Thema Mundgeruch.
Das wär’s. Eifrigen Teilnehmern dürfte es keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Um sie zu ermutigen, kann ich verraten, daß vier Fünftel meiner Studenten 98 Prozent dieses Rätsels oder mehr geschafft haben. Die Namen aller erfolgreichen Kandidaten werden in mein zerknittertes, samtenes Hausbarett gelegt, und ein glücklicher Name wird am Heiligabend vom gegenwärtigen Generaldekan am St Matthew’s College, Sir Neville Sowjetspion, gezogen werden.
Ihnen allen viel Glück, und wenn Sie früher mal, bin ich froh, daß Sie aufgehört haben.
Lösungen zu Abschnitt fünf von Trefusis’ Weihnachtsrätsel
Wirklich höchst erfreuliche und außergewöhnliche Reaktionen auf mein Rätsel. Die Lösungen lauten wie folgt: almost, biopsy und chintz sind die einzigen englischen Wörter mit sechs Buchstaben, die, ohne sich zu wiederholen, in alphabetischer Reihenfolge stehen. Die Lords Sidcup und Ickenham haben folgendes gemeinsam mit den ehemaligen Premierministern Lords Pelham und Grenville – beide waren sie Schöpfungen von P. G. Wodehouse, dessen volle Vornamen bekanntlich Pelham und Grenville waren. Martin Bells Verbindung mit dem ›Times‹-Kreuzworträtsel besteht darin, daß sein Vater Adrian, der Schriftsteller und Journalist, das allererste ›Times‹-Rätsel ausheckte. Andrew Marvell, Philip Larkin und Stevie Smith haben alle die Stadt Hull gemeinsam. Zum Schluß fragte ich nach der Verbindung zwischen Poles und Staples und Garnelen und Schränken. L. P. Hartley schrieb natürlich Die Garnele und die Anemone, und sein zweiter Vorname war Poles, während Clive Staples Lewis der Autor von Der Löwe, die Hexe und der Schrank war. Das war’s. Ich schätze mich glücklich, bekanntgeben zu dürfen, daß vierzehntausend unter Ihnen Lösungen eingeschickt haben, die bis in jede Einzelheit richtig waren. Der Gewinner war ein Mr J. Archer, im Alten Pfarrhaus, Grantchester.
Ebenfalls in Colour Supplement gesendet.
STIMME: Diese Woche spricht Men at Work mit Sir Jeremy Creep, Direktor des London College of Architects in Rohan Point, Putney.
Architektur bietet ganz außergewöhnliche Gelegenheiten zur Förderung des Gemeinwohls, zur Verschönerung der Landschaft, zum Schutz der Umwelt und zum Fortschritt der Menschheit – der erfolgreiche Architekt muß also ausgebildet werden, um diesen Fallstricken zu entgehen und endlich echtes Geld verdienen zu können. Alle möglichen Schulabgänger und Universitätsabsolventen kommen zu mir, und meine Arbeit ist außerordentlich abwechslungsreich. Zuvörderst ist sie natürlich visuell. Junge Menschen gebrauchen ihre Augen – um im heutigen Britannien ein guter Architekt zu werden, genügt es jedoch nicht, wenn Sie Ihre Augen gebrauchen; Sie müssen sie operativ entfernen lassen. Aber Sie müssen nicht nur blind sein, um ein moderner Architekt zu werden, Sie müssen ein lebhaftes Gefühl der Verachtung für Ihre Mitmenschen entwickeln, frühzeitig mit Stadtplanern und Baudezernenten konfrontiert zu werden ist daher unabdingbar.
Als nächstes bedarf es eines sorgfältig strukturierten Systems von Seminaren der Vernunftlenkung, wie wir sie zu nennen pflegen. Dort zeigen wir unseren Studenten Filme alter Gebäude, alter Dorfkerne, Interviews mit anerkannten Denkmalschützern wie dem seligen John Betjeman und Seiner Königlichen Hoheit Prince Charles. Durch den Einsatz von geringen Dosen Giftgas und leichten Elektroschocks erzeugen wir ein Gefühl von Ekel, Übelkeit und akutem körperlichen Schmerz, der im Lauf der Zeit mit jenen Bildern assoziiert wird. Als nächstes führen wir Filmmaterial von großen Glaskästen vor, schweren Sichtbetontürmen und riesigen Stahlträgern, wobei die Studenten die ganze Zeit über durch sanfte Vibrationen und gefällige Mozartklänge stimuliert werden, während sie alten Bordeaux trinken und teure Zigaretten rauchen. Auf diese Weise kann äußerst effektiv Abneigung gegen herkömmliche architektonische Formen und liebevolle Akzeptanz des Neuen konditioniert werden.
Die Aufmerksamen unter Ihnen werden bemerkt haben, daß ich vorhin sagte, wir entfernten unseren Schützlingen die Augen und dann zeigten wir ihnen Filme. Ich hätte selbstredend erwähnen sollen, daß ein Architekt lügen können muß. Er (oder sie) muß in der Lage sein, in der Öffentlichkeit leicht und ohne Stocken zu lügen. »Dieses Gebäude wird noch in zehn Jahren stehen«, »St Paul’s Cathedral ist häßlich und muß von schönen Objekten umgeben werden«, »Dieser Wohnblock ist auf menschliche Dimensionen und Bedürfnisse zugeschnitten«, »Architektur ist in erster Linie für die Menschen da«. Ich bin mir sicher, daß selbst der ausgefuchsteste Lügendetektor keine dieser Aussagen, so spinnennetzartige Litaneien, Kataloge und Potpourris aus Lügen sie auch sein mögen, anzweifeln würde.
Ein bestürzender Trend zum Neomanierismus in der Büro- und Verwaltungsarchitektur der achtziger Jahre hat uns in letzter Zeit dazu veranlaßt, unsere Umerziehungsprogramme zu verschärfen. Es ist daher jetzt die Regel, daß bei Aushändigung des Diploms dem erfolgreich Examinierten mit einem Strohhalm das Gehirn ausgesaugt wird, bevor er uns verläßt.
Le Corbusier, dieser großartigste aller Architekten (haben Sie’s gemerkt? nicht der geringste Ausschlag der Polygraphennadel), sagte einmal: »Ein Mensch ist eine Maschine, die zum Leben in einem meiner Häuser konstruiert wurde«, und wenn dieses Land eine blühende und gedeihende, glückliche, gutbezahlte, wohlgenährte und wohlbehauste Architektenzunft haben soll, dann müssen wir diesen Grundsatz verinnerlichen.
Lassen Sie mich mit einem weiteren Zitat schließen, diesmal von Sir Nikolaus Pevsner: »Ein Haus ist die Einfriedung des Raums; Architektur ist die ästhetische Einfriedung des Raums.« In der Bibliothek meiner umgebauten georgianischen Wassermühle hier draußen in Hampshire greife ich nach dem Wörterbuch des Architekten, Band I, »Asbest bis Bogenfries«, und schlage das Wort »ästhetisch« nach. Ich finde folgenden Eintrag: »ästhetisch, obs. vulg. Herkunft unbekannt«. Das paßt auf den modernen Architekten, nicht wahr? Obs. vulg. Herkunft unbekannt. Obszöner, vulgärer Bastard. Guten Abend.
Gutes Hallo Ihnen allen. Ich muß gleich zu Beginn dieses kleinen Schwatzes betonen, mit ehrlicher, mannhafter Direktheit, daß ich kein Snob bin. War nie einer, will nie einer werden. Robbie Burns und ich gehen, wie dieser Tage so oft, völlig d’accord, wenn wir tirilieren, Rang sei der Münze Prägung nur trotz alledem und alledem. Gute Herzen, so hört man mich oft vor mich hin murmeln, wenn ich bei irgendeiner Vollversammlung der wappentragenden Familien des Reiches durch den Ballsaal schlendere, gute Herzen sind mehr als Kronen, und schlichter Glaube mehr als Norman Tebbit. Trotz alledem bin ich ein alter Mann mit wenigen mir verbliebenen fleischlichen Genüssen, solange man das Abfeilen von Hühneraugen nicht für sinnliche Schwelgerei hält, und wenn die Ballsaison beginnt, macht es mir Spaß, um die Fleischtöpfe der Haute volée herumzustreunen, hier der Uniauswahl vom »Diamond Skulls« in Henley aus zuzujubeln und dort einen schlanken Adelssproß zum Queen-Charlotte-Ball zu eskortieren. Zugegeben, es ist schwer, mein Entzücken an derlei Festivitäten mit meinem proudhonistischen Syndikalismus einerseits und meiner nahezu allumfassenden Verachtung der Oberklasse in toto andererseits in Einklang zu bringen. Die Schönheit der Anlässe eux-mêmes wird von der nahezu vollständigen Verdorbenheit und Selbstüberschätzung der Anwesenden besudelt. Es ist beispielsweise schwer, im Zuschauerbereich von Henley den Inhalt eines Bechers Pimms zu verspritzen, ohne damit jemanden zu treffen, der nicht die geringste Ahnung von der Kunst des Rudersports hat. Lassen Sie auf der Mitgliedertribüne von Lord’s eine Ratte von der Leine, und Sie scheuchen ein Dutzend Leute auf, von denen keiner Ihnen auch nur Grundbegriffe des Crickets darlegen könnte. Aber meine eigentliche Lieblingsveranstaltung während der Ballzeit ist und bleibt Glyndebourne. Sieht man über seine Preziosität und Privilegiertheit einmal hinweg, zollt der Selbstgefälligkeit der Anwesenden keinen Tribut und läßt den fürchterlichen Luxus der ganzen Angelegenheit außer acht, so ist dies ein herrliches Ereignis. Malen Sie sich also aus, wie hocherfreut ich war, als Anfang dieser Woche einer meiner ehemaligen Studenten, heute ein international agierender Spion von wachsendem Ansehen, mich einlud, ihn dort zu treffen und mir eine Neuinszenierung von La Traviata anzusehen, unter der Regie von Sir Peter, Sir Peter, Sir Peter irgendwas.
Ich vermochte kaum stillzuhalten und Glambidge, meinen Adlatus, meine Binde binden, meine Kragenknöpfe knöpfen und meinen Gürtel gürten zu lassen, so aufgeregt war ich, als der Tag gekommen war. Ich liebe das Anlegen vollen Festwichses; eine junge Amerikanerin verriet mir einst, daß ich darin »irngwie sexy« aussehe, und so etwas vergißt man nicht. Mein persönlicher Alptraum ist, die Eleganz zu übertreiben, und Glyndebourne hat wenigstens den Vorteil festgelegter Garderoberegeln. Smoking oder gar nichts. Allerdings nehme ich an, gar nichts würde mit einem Stirnrunzeln bedacht, wenn nicht mit Ausschluß geahndet.
Glambidge und ich kamen gerade noch rechtzeitig an, um den ersten Akt zu versäumen. Glambidge trifft keine Schuld, er holte das Äußerste aus dem Wolseley heraus. Dummerweise scheint dieses Äußerste bei neunundzwanzig Kilometern pro Stunde zu liegen. Wie dem auch sei, wir konnten uns vor der Pause noch fünf Minuten lang die Zeit vertreiben, Minuten, in denen ich das Gelände sondierte und mir Gedanken über die besonders durchdringende Qualität feinen, kalten, sommerlichen Fahrtregens machte. Der Akt endete zu gegebener Zeit, und die Zuschauer strömten aus dem – na ja, dem Zuschauerraum heraus.
Meine Damen und Herren, Mutter, Freunde: Stellen Sie sich meine Verlegenheit vor, veranschaulichen Sie sich meine Verzweiflung, denken Sie sich meine Bekümmerung. Dieses Opernpublikum, jeder einzelne Herr Hans und jede einzelne Frau Grete, trug etwas, das ich nur als die allerentsetzlichste Ansammlung von Alltagskleidung beschreiben kann. Die einzigen sichtbaren schwarzen Binder schlangen sich um die Hälse des Saalpersonals. Mein ehemaliger Student eilte auf mich zu. »Aber Herr Professor«, gellte er, »wofür haben Sie sich denn bloß so herausgeputzt? Das ist heute doch die Generalprobe – ich dachte, Sie wüßten Bescheid.«
Ich war zur öffentlichen Generalprobe in Abendgarderobe erschienen.
Wörter, Tausende von Wörtern trudeln mir durch den Kopf, manche englischen, viele andere exotischen Zungen entpflückt; keines davon, nicht ein einziges ist imstande, ein Fünkchen eines Jotas eines Schattens einer Spur eines Grans eines Bruchteils eines Hauchs eines Zehntels eines Teilchens meines Entsetzens, meiner Beschämung und bemitleidenswerten Verzweiflung zu beschreiben. Ich bin absolut überzeugt, daß unter sämtlichen Fauxpas, Fettnäpfen, Taktlosigkeiten, Schnitzern und magenumdrehend fürchterlichen Böcken, die man schießen kann, übertriebene Eleganz das Feld mit einer satten Achtelmeile Vorsprung anführt.
Ichabod, ohimé, eheu, aïee! Gleich einem Eisvogel tauchte ich in die Örtlichkeiten ab, schmiß die Tür hinter mir ins Schloß und gab mich dort die nächsten zweieinhalb Stunden meinen Tränen hin. Jeder einzelne halb mitleidige, halb verächtliche Blick, der mir während meiner Flucht in dieses Refugium zuteil geworden war, spulte sich erneut vor meinen gequälten Augen ab. Alle hatten sie mich angestarrt wie einen neureichen armenischen Millionär, der auf einer Soiree der British Legion gekaufte Orden trägt, oder wie einen frisch arrivierten Bürgermeister, der nicht einmal in der Badewanne seinen Ratsherrenornat ablegt. Hätte ich bloß Glambidge nicht erlaubt, nach Lewes zu fahren und seine Frau zu besuchen, die dort etwas außerhalb in einem Irrenhaus lebt, wäre ich wenigstens imstande gewesen, mich nach Hause fortzustehlen. Wie es nun aber stand, krümmte ich mich die volle Spiellänge im Schweiß meiner Schande.
Jetzt jedoch, im kalten Lichte der Vernunft, frage ich mich, ob ich nicht womöglich ein wenig überreagiert habe. Hätte nicht vielleicht ein besonnenerer Mann das ganze Mißverständnis mit einem wegwerfenden Lachen abgetan? Hatte ich nicht doch etwas von einem Snob an mir, indem ich meine Selbstverachtung auf die anderen projizierte? Falls jemand dort gewesen ist und mich gesehen hat, könnte er mir vielleicht schreiben und mich erleichtern.
Indessen haben Sie Geduld bewiesen. Viele unter Ihnen werden sich über meine Traurigkeit wundern und über deren Bedeutungslosigkeit angesichts des wirklichen und ernsthaften Lebens da draußen, doch die Intelligenteren werden im Wissen um das zu diesen Wahlzeiten über alle politischen Themen verhängte Schweigegebot den Subtext meiner kleinen Reminiszenz verstehen, die deutlichen Signale der ihr zugrundeliegenden Allegorie erkennen und wissen, was zu tun ist. Hinaus und hinauf, los geht’s: Wenn Sie schon haben, setzen Sie sich.
Ebenfalls ein Auszug aus Colour Supplement.
ANSAGER: Sidney Gross, Reiseveranstalter bei »Urlaub für traurige Menschen«, spricht öffentlich über seine Verbrechen.
Ich finde, das eigentlich Großartige bei dem Ferienangebot meiner Gesellschaft ist, daß sie Menschen mit einem IQ zwischen achtzehn und dreißig ermöglicht, mal so richtig auf ihre Kosten zu kommen. Die meisten unserer Urlauber stammen aus Milton Keynes, Telford, Wales, Peterborough, Warrington-Runcorn – jenen Gegenden des Vereinigten Königreichs, die Reklame machen müssen, damit da überhaupt jemand hinzieht. Wir schätzen, ein Mensch, der es schön fände, wenn alle Städte aussähen wie Milton Keynes, kommt dafür in Frage, eine unserer Pauschalreisen so richtig zu genießen.
Wir interessieren uns für junge, pfiffige, attraktive, unternehmungslustige Leute, aber die interessieren sich nie für uns, also müssen wir mit traurigen, alten, verzweifelten Alkoholikern und Lüstlingen vorliebnehmen, die in der vergeblichen Hoffnung eine unserer Reisen buchen, mit jemandem ins Bett gehen zu können, bevor sie fünfzig sind.
Auf unseren Broschüren haben Sie bestimmt schon die Hochglanzphotos von barbusigen Mädchen, knackigen Männern beim Surfen und vergnügten Paaren beim Spielen am Strand gesehen, und es ist tatsächlich absolut normal, daß unsere Reisegruppen genau solche Aktivitäten beobachten können. Auf unseren Inseln veranstalten wir Busausflüge zu den teureren Schickeriastränden, wo sie den ganzen Tag lang fröhlichen jungen Menschen aus dem Bus heraus zuschauen können.
Ich habe die Schnauze wirklich gestrichen voll von Leuten, die dem Club Med IQ 18-30 vorwerfen, eine Art Zuhälter mit Gewerbeschein zu sein. Wir haben durchaus keinen Gewerbeschein. Haben wir gar nicht nötig. Jenen Kritikern, die da behaupten, unsere Ferienangebote appellierten an die widerlicheren Seiten des menschlichen Wesens, unsere Urlauber brächten Briten im Ausland in Verruf, denen erwidere ich, schauen Sie sich unsere Rücklaufquoten an, schauen Sie sich an, wie viele Genußsüchtige immer wieder an unseren Reisen teilnehmen, stets auf der Suche nach Spaß im Leben. Und wer weiß, beim dritten oder vierten oder fünften Trip finden Sie vielleicht welchen. Wir arbeiten schließlich in der Wunderbranche.
Entschuldigung
Nach der Aufzeichnung dieses jungen, geschmacklosen, sitten- und pietätlosen Kerls hat die BBC in Erfahrung gebracht, daß der Club Med IQ 18-30 die Zusammensetzung seiner Reiseangebote grundlegend überarbeitet hat und daß jetzt auch Menschen mit einem deutlich über dreißig liegenden IQ zugelassen sind. Für etwaig stattgehabte Beleidigungen möchten wir uns entschuldigen. Entschuldigen möchten wir uns außerdem für die Ausdrücke »Verkommenheit« und »kleinster gemeinsamer Nenner«, die soeben in dieser Entschuldigung aufgetaucht sind. Vielen Dank.