Gunther Müller, geboren 1980 in Dresden, hat in Frankfurt am Main Politik-, Sozialwissenschaft und Sozialpsychologie studiert und arbeitet im PR-Bereich. In Die Krone der Schöpfung widmet er sich respektlos den Schattenseiten der menschlichen Intelligenz und zeigt, dass das Dummsein nicht nur ein individuelles Problem ist.
Gunther Müller
Die Krone der
Schöpfung
Die größten Irrtüme
über uns Menschen
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Copyright © 2013/2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Marion Hertle, München
Titelbild: Christina Seitz, Berkheim unter Verwendung von Motiven von
© shutterstock/Ivan Ponomarev;
shutterstock/Eric Isselee; shutterstock/jannet
Umschlaggestaltung: © Christina Seitz, Berkheim
Datenkonvertierung E-Book:
hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-8387-2496-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Einleitung
Beipackseite
1 Die Dummheit der Gattung
Nackedei aus Faulheit
Aggressivität statt Intelligenz
Zombie-Vorfahren
Rambo-Denke
Fucking everything!
Krieg für den Frieden
Let’s talk about sex
Flüssige Kulturessenz
Widerlich moralisch
Kirche der Arroganz
Parasit an Bord
Die allgemeine Grenze des Intelligenzzuwachses
Hirnverlust
Wirkungsgrad der Dummheit
Aus der olympische Traum
Zuckerverblödung
Rückläufige Läufe
Die Grenze des Willens
Gewohnheitstiere
Sprachwelten
Sprachdiät
Oben angelangt
Ende der Entdeckungen
Erkenntnisunfähig
Intelligenz nervt
Schlaumeier-Organ
Denkgeschwür
Absurdität menschlicher Existenz
Rote Liste gefährdeter Arten
Der Die-Schöne-und-das-Biest-Effekt
Midlife-Crisis Forever
2 Die Dummheit des Einzelnen
Verinnerung
Die Einfachheit der Gehirnwäsche
Inception im wahren Leben
Der menschliche Kopierer
Ich, die schweigende Mehrheit
Typisch ich
Der eigene Gott
Dummheitsgenius
The Walking (Brain-)Dead
Der Fluch der Unkreativität
Veränderungsblindheit
Triviale Wichtigkeit
Lernen unmöglich
Ungeahnte Risikolust
With a little help from my (evil) friend
Freundesfeindlichkeit
Einsamkeitsparadox
Geschmacksschlichtheit
Bäumchen wechsel dich
Denkbewegung
Tastaturdenken
Pussy-Riot-Effekt
Ideenzement
Glückskrüppel
Empathielücke
Selbstbehinderung
Optimismus bis zum Abgrund
Tragikspaß
Das Glück des Traumas
Gefühlsblindheit
Paar-Syndrom
Immer-wieder-Sehen = Immer-mehr-Mögen
Die dunkle Variante der Liebe auf den ersten Blick
Unglückliche Doppelgänger
Lachmaske
Die Ignoranzkette
Korrekturresistenz
Informationsfilter
Gedanken-Monogamie
Perspektivwechsel
K.o. des Unbewussten
3 Die Dummheit der Vielen
Alkoholische Wirtschaftsförderung
Das Paradox der Wahl
Das Konkurrenzparadox
Intelligenzvergleiche machen dumm
Die geistige Elite ist auch nur Mittelmaß
Schwarmdummheit
Schlechtmenschen statt Gutmenschen
Wir Lemminge
Freiheitsasymmetrie
Der gute Feind
Me, Myself and Stalin
Moralisch geblendet
Den Abzug am Finger
Stupidity and the City
Negativausschläge nach oben
Selbstbetrüger-Überflieger
Verhalten schafft Bewusstsein
Harte Arbeit zahlt sich nicht aus
Selbstgemachte Stereotypen
Sarrazin-Effekt
Unglücksschmied
Macht kaputt, was kaputt macht, was euch kaputt macht!
Opfer-Abo
Ist der Mensch prinzipiell ersetzbar?
Die Krone der Schöpfung?
Danksagung
Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.
Bertrand Russell
Die Wissenschaft ist dafür da sicherzustellen, dass die Natur uns nicht dazu verführt, zu denken, wir wüssten etwas, das wir in Wirklichkeit nicht wissen.
Robert Pirsig
Ich kann die Bewegung der Himmelskörper berechnen, aber nicht das Verhalten der Menschen.
Isaac Newton
Der Glaube an die menschliche Vernunft ist unvernünftig. Vernunft ist eine in der Regel gefährliche und teure Illusion, vernünftige Pläne nichts als kostspielige Trugschlüsse, vernünftige Ideen nichts als rosarote Luftschlösser. Eigentlich ließe sich das als »Vernunft-Tourette« bezeichnen. Vernunft ist eine Art neurologisch-psychiatrische Abnormalität, die, wie Tourette, durch das Auftreten von Intelligenz-Tics charakterisiert ist. Vernunft-Tics sind unwillkürliche, unregelmäßig auftretende Denkbewegungen, die mit schlauen Äußerungen und genialen Werken verbunden sind – der Rest ist Dummheit.
Der »kluge Mensch« ist ein Oxymoron. Die Wissenschaft belegt, dass wir meist weniger Ahnung haben, als wir denken. Fehler- und irrtumsfreies Denken ist nicht unsere Stärke. Was man als »Ratio« bezeichnet, ist nicht mehr als eine Notration. Nicht nur Vorurteile und Faustregeln navigieren uns unbewusst durch die Welt. Noch mehr sind es allzu menschliche kognitive Verzerrungen, Gedächtnisfehler, Paradoxien und Fehlleistungen. Wahn und Irrationales bestimmen den menschlichen Alltag in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und sogar in der Wissenschaft. Es gelten folgende Regeln: Verzichte darauf, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, denn du bist dazu nicht in der Lage. Wage es nicht, weise zu sein. Denn frisch gewagt ist halb geirrt! Wer erst mal begonnen hat, hat schon zur Hälfte falsch gehandelt!
Zu oft noch meint der Mensch – ja auch Sie, lieber Leser – trotz zuwiderlaufender Fakten, seine Wahrnehmung sei zuverlässig und genau, seine Einschätzungen seien objektiv und akkurat, seine Entscheidung profund und durchdacht und sein Erinnerungsvermögen reproduktiv und wahr.
Zeit für eine große Desillusionierung. Ich behaupte: Der Mensch ist kaum mehr als die Summe seiner Irrtümer und unlogischen Interpretationen. Der Mensch ist ein Vernunftkrüppel. Wahrscheinlich ist er auch nur zufällig auf seiner jetzigen Entwicklungsstufe angekommen. Zumindest ist seine Entwicklungsgeschichte eine Aneinanderreihung absurder evolutionärer Zufälle.
Ich denke, also bin ich? Wohl kaum! Ich irre, also bin ich? Wohl eher! Nicht die Tatsache, dass der Mensch denkt, ist der Beweis für seine Existenz, wie dies einst Descartes formulierte. Das Denken ist dann doch nicht so mächtig, und der Mensch spielt dabei nur eine Nebenrolle. Denn auf das Was und Wie des Denkens haben die Menschen nur wenig Einfluss.
Der Mensch ist dem Menschen kein Wolf, wie man bei Plautus und dann bei Thomas Hobbes liest. Der Mensch ist dem Menschen ein Esel. Der Mensch trachtet dem Menschen nicht nach dem Leben, sondern nach dem Verstand. Und die Welt, sie ist ein gefährlicher Ort, ein Schauplatz der Verblödung.
Vielleicht sind es die hier beschriebenen Dummheiten, die die Menschen als universale und zeitlose Gemeinsamkeit besitzen. Daher ist die Akzeptanz der eigenen Dummheit vielleicht der einzig gangbare Weg, sich als Menschheit friedlich zu einen. Nur wer die eigene Dummheit akzeptiert, der kann auch die der anderen ertragen.
In diesem Buch geht es um die unterhaltsame Revision einer sich seit der Aufklärung unaufhaltsam weiter verbreitenden Selbstwahrnehmung, der Mensch sei im Prinzip ein sich selbst verbesserndes Verstandeswesen und damit einzigartig. Der Mensch ist jedoch weder ein Genie noch zur Selbstvervollkommnung in der Lage. Beobachtet man genau, lässt sich erkennen, dass der Mensch den Kopf nicht nur zum Denken besitzt, sondern vor allem zum Schütteln – als Geste ungläubigen Staunens über allerlei Dummheit.
Hier geht es um die Erkundung einer inneren Wüste, der Blödnis – die Ödnis des Geistes. Diese freizulegen und zu beschreiben ist die zentrale Aufgabe des Buches.
Das Buch trägt die skurrilsten, absurdesten und komischsten menschlichen Fehlleistungen zusammen – und wie man ihnen wissenschaftlich auf die Schliche kam. Dieses Buch berichtet mit Genuss über die wissenschaftlichen Ergebnisse und Theorien zu diesen Fehlentwicklungen, mentalen Täuschungen und Paradoxien, fasst sie zusammen und erklärt deren praktische Bedeutsamkeit. Warum? Wenn wir schon Mitspieler in einem Spiel sind, das wir nicht verstehen, dann können wir wenigstens darüber lachen.
Der Autor singt hier kein menschenkritisches Klagelied, er macht sich keine Sorgen und weiß auch keinen Rat, was dagegen zu tun sei. Sie halten kein Ratgeberbuch versteckt in weißem Kittel in der Hand – Die Krone der Schöpfung ist wohl eher so etwas wie ein Schwarzbuch des Menschlichen und Allzumenschlichen. Das Einzige, was der Autor mit dem Leser teilen will, ist vielleicht die spöttische Freude, sich als Mensch zwar nicht vollständig im Griff zu haben, aber wenigstens das Gefühl zu haben, sich zu durchschauen. Ein kleines und kurzes Aufbegehren. Ein Aufbegehren aber, das durchaus Spaß macht.
Viel Skurrilität der in diesem Buch beschriebenen Phänomene, Tendenzen und blinden Flecken ist der vom Autor oft gehandhabten Methode der kalkulierten Übertreibung zuzurechnen; sie ist nötig, um ein Quäntchen Wahrheit aufleuchten zu lassen. Der in der Übertreibung liegende Witz soll auch dafür sorgen, dass der wahre Kern des Ganzen nicht ganz so schmerzt. Denn was skurril erscheint, ist teilweise ernsthaft bedenklich.
Das Buch sammelt akribisch all die großen und kleinen Beweise für die stupide Natur des Menschen – als Gattung, Individuum und Kollektiv. Und das Dumme ist dummerweise eine Grundkonstante des menschlichen Seins. Das ganz normale Dumme eben.
Aber dann doch noch eine kleine Ehrenrettung: Es ist nicht so, dass wir nur unberechenbar, chaosanfällig, trüb und repetitiv sind. Der Mensch ist kein »animal irrationale«. Vielmehr sind wir nur fehlerhaft rational. Nur weil der Mensch eigentlich so intelligent ist, kann er auch zuständig für den Unverstand auf Erden sein. Und dieses Spannungsverhältnis ist lustig. Der Mensch ist eben nicht halb dumm, sondern halb klug!
Der Mensch ist die wohl unterhaltsamste Störung der belebten Welt, die sich die Schöpfung hätte ausdenken können. Es darf deshalb, zwischen Erkenntnis und Katastrophe, beruhigt geschmunzelt werden. Aber eine Erkenntnis bleibt: Vernunft ist nur eine nebensächliche Minifunktion des Gehirns. Das Killerfeature des Gehirns ist und bleibt die Dummheit. Lernen Sie in diesem Buch, ruhig Blut gegenüber dem Unterschied zwischen klug und dumm zu bewahren. Der Verstand jedenfalls ist Teil der Kraft, die stets das Kluge will und doch stets Blödsinn schafft.
Und dann doch noch ein kleiner Trost: Wenn man mal nichts Blödes tut, dann ist die Dummheit nicht da, und ist die Dummheit da, dann merkt man die Blödheit nicht – was interessiert uns also unsere Dummheit?
Gunther Müller
Menschliches Verhalten und die damit verbundenen Aspekte sind hochkomplex, sie lassen sich nicht unter dem Mikroskop oder im Reagenzglas erforschen. Das wissenschaftliche Personal ist stets überschaubar, die Facetten menschlicher Existenz nicht. Infolgedessen sind die hier präsentierten Studien zwangsläufig unvollständig und im Grunde Werkstattberichte von Forschern, deren Ergebnisse trotz raffinierter Methodik und rigoroser Wissenschaftlichkeit nur so lange gültig sind, bis andere Forscher diese widerlegen. Diese Unsicherheit und Vorläufigkeit findet sich prinzipiell überall in der Wissenschaft. Nach der Studie ist vor der Studie.
Da es dem Autor vor allem darum ging, Beweise für die menschliche Dummheit und Unzulänglichkeit zu finden, ignorierte er durchaus alle Beweise für das Gegenteil. Das nennt man »Rosinenpickerei« und dient hier ausschließlich der Unterhaltung. An sich ist das Buch damit auch nur ein Denkfehler selektiver Aufmerksamkeit.