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Noch nie war Finn so erleichtert gewesen, als sich die Bustüren hinter ihm schlossen.

»Gerade noch geschafft«, brachte er hervor. Er war total außer Atem. Die letzten fünfhundert Meter waren sie gerannt, um den Bus noch zu erwischen. Gerade heute war er überpünktlich.

Tim schien Finns Erleichterung nicht ganz zu verstehen. »Wir hätten auch einen späteren nehmen können. Wir sind doch früh dran.« Er rückte seine grüne Baseballmütze zurecht. Es war ihm deutlich anzusehen, dass es für ihn noch viel zu früh am Morgen war.

Der Bus war halb leer. Finn quetschte seine riesige Sporttasche oben ins Gepäckfach. Tim platzierte seine auf den Knien. Noch bevor sie sich in die Sitze fallen gelassen hatten, setzte der Bus sich in Bewegung.

»Hast du alles dabei?«, erkundigte sich Finn.

Tim nickte, zippte aber trotzdem den Reißverschluss seiner Sporttasche auf. »Trikot, Schuhe, Schienbeinschoner …«, zählte er auf, »ich hab sogar noch mein altes Ersatzpaar eingepackt. Man weiß ja nie.«

Finn nahm sein Handy hervor. »Das musst du dir ansehen.«

Auch wenn er es seit gestern Abend schon mindestens zehn Mal angeklickt hatte, schaffte er es immer noch kaum, die Aufnahme anzusehen. Es war einfach zu brutal! »Dieser Schuss ist so was von krass«, murmelte er. Er hatte ihn gestern auf YouTube entdeckt. »Niemand im Stadion rechnet damit, dass der Ball das Tor trifft, und dann schießt er ihn nur einen Bruchteil von einem Millimeter über den Kopf des Torwartes ins Netz. Er hat sogar seine Haare gestreift.«

Er war schon wieder ganz kribbelig. So etwas musste seine Mannschaft auch mal liefern. Er wollte gerade Play drücken, da rief jemand von hinten: »Heute machen wir euch fertig!«

Tim und Finn drehten sich überrascht um. In der Reihe hinter ihnen saß ein blonder Typ in ihrem Alter und grinste sie hämisch an. Tim und Finn warfen sich irritierte Blicke zu. Was war denn das für einer?

»Ich hab euch gleich erkannt. Auch wenn das Foto schon etwas älter ist.«

Finn machte ein Gesicht, als wäre er damit beschäftigt, eine schwierige Matheaufgabe zu lösen: der Mund halb geöffnet, die Augen zusammengekniffen, der Kopf leicht schräg. Auch Tim verstand noch immer nur Bahnhof.

»Das Mannschaftsbild in eurem Facebook-Profil!«, half ihnen der Blonde auf die Sprünge. »Wir spielen in einer Stunde miteinander, oder besser gesagt: gegeneinander. Ich war neugierig, wer ihr seid.«

»Ja, und jetzt?«, fragte Finn.

»Da seid ihr baff, was?« Der Junge lachte. »Wird sicher ein toller Vormittag heute. Übrigens, ich bin Gustav.«

Tim und Finn nannten ihre Namen.

»Nach dem Spiel müssen wir dann unbedingt etwas trinken gehen, um uns noch ein bisschen kennenzulernen«, sagte Gustav, »so viele Leute – das wird sicher eine Bombenstimmung.«

»Warum nicht?«, meinte Tim. »Vorausgesetzt, beiden Gruppen ist nach dem Spiel die Lust nicht vergangen.«

Aber Finn sah nicht ein, weshalb er mit diesem Typen einen auf besten Kumpel machen sollte – in knapp einer Stunde standen sie als Gegner auf dem Platz. Es ging hier um Fußball und nicht um Vergnügen.

An der Bushaltestelle wartete Tyler auf sie, die Sporttasche hatte er auf die Wartebank gestellt. Er trug bereits das orange Trikot. Und sofort fühlte sich Finn großartig: Sie hatten die neuen Trikots erst seit vier Wochen, die Software-Firma von Tylers Vater hatte sie gesponsert, nachdem Finn ihn unter Einsatz seines ganzen Charmes überzeugt hatte. Als Tyler die beiden Jungs entdeckte, winkte er aufgeregt mit einer Colaflasche.

»Ich kann es kaum erwarten!« Das Fieber hatte ihn schon total gepackt.

»Bis später«, verabschiedete sich Gustav und marschierte an den Jungs vorbei in Richtung Klubheim, dessen ausgebleichtes Blau in der Morgensonne etwas frischer wirkte, als es wirklich war.

»Wer war denn das?«, fragte Tyler.

Finn zuckte mit den Schultern. »Ein Spieler der Mannschaft, gegen die wir heute antreten.«

Finn erzählte, wie er sie im Bus zugetextet hatte. »Und der hat echt vorgeschlagen, dass beide Mannschaften nach dem Spiel noch irgendwo hingehen«, schloss er, »gemeinsam etwas trinken.«

Doch Tyler fand die Idee gar nicht so schlecht. »Cool«, meinte er und nahm einen Schluck von seiner Cola, »warum habt ihr ihn nicht gleich gefragt, ob sie zum Bowlen mitkommen?«

Tyler hatte beim letzten Training den Vorschlag in die Runde geworfen, sich mit der ganzen Mannschaft direkt nach dem heutigen Spiel im Bowlingcenter zu treffen. Das hatten sie schon öfter gemacht.

»Warten wir erst mal das Spiel ab«, sagte Finn, »wir wissen ja noch gar nicht, wie die so drauf sind.« Gut möglich, dass das totale Angeber waren.

Tyler grinste. »Und sonst? Hat er etwas preisgegeben? Haben sie eine Strategie oder so?«

»Keine Ahnung«, meinte Tim. So wichtig war das doch nicht. Oder glaubte Tyler wirklich, Gustav hätte ihnen brühwarm die Pläne seiner Mannschaft aufgetischt? Seit Tyler sich mit Verschwörungstheorien beschäftigte, witterte er hinter allem etwas Verdächtiges oder Mysteriöses, das er ans Licht bringen musste.

Als sie beim Spielfeld angekommen waren, blieb Finn abrupt stehen und ließ die Tasche auf den Rasen fallen. Mit stolzgeschwellter Brust rief er: »Hier sind wir! Wurde Zeit, dass wir wieder mal spielen.«

Tim und Tyler warfen sich amüsierte Blicke zu. Finn tat wieder so, als würden sie in einem großen Stadion stehen und das in die Jahre gekommene Klubheim, das schon längst hätte komplett renoviert werden müssen, wäre das piekfeine Zuhause der besten Spieler.

»Finn ist bereit für den UEFA-Super-Cup«, zog Tyler ihn auf, »heute lehrt er David Beckham das Fürchten.«

Dafür kassierte er von Finn einen Stoß in die Magengrube. Aber es war ihm anzusehen, dass auch er Tylers Bemerkung witzig fand. Es war ein offenes Geheimnis, dass Tyler vor allem wegen der Mannschaft und weniger wegen des Fußballs mitmachte. Tyler war erst seit etwa einem halben Jahr dabei und zwar nur, weil Tim ihn mehrere Wochen lang bearbeitet hatte. Tim wiederum war auf Finns Initiative zum Team gestoßen. Damals hatten sie akuten Nachwuchsmangel und Finn, der schon seit der Grundschule Fußball spielte, hatte alles daran gesetzt, dass seine Mannschaft nicht wegen Spielermangels aufgelöst wurde.

»Es würde nicht schaden, wenn ihr euch auch ein bisschen mehr identifizieren würdet«, sagte Finn zu den beiden. Sie liefen den Kiesweg hinunter, der zum Klubheim führte, und steuerten auf den Garderobeneingang zu. Als sie die Tür öffneten, kam gerade ihr Trainer heraus.

»Ihr seid die Ersten. Von der anderen Mannschaft sind schon fast alle da.«

Finn seufzte. Wenn bloß alle rechtzeitig hier aufkreuzten!

Endlich standen alle auf dem Feld. Andreas’ Freundin und zwei andere Mädchen waren gekommen. Sie lehnten sich über ein altes Werbeplakat einer Versicherung und winkten ihnen aufgeregt vom Spielfeldrand aus zu.

»Mit Chearleaderpompons hätte es noch cooler ausgesehen«, kommentierte Tyler. Die Mädchen kicherten. Der hatte Vorstellungen! Sie waren hier ja nicht bei einem Baseballspiel. Auch wenn Tyler nur die ersten vier Jahre seines Lebens in den USA verbracht hatte, ließ er immer wieder mal den Ami raushängen. Außer den drei Mädchen gab es nicht viel Publikum. Zwei ältere Herren standen an der anderen Seite und diskutierten. Finn kannte sie. Weißhaarige Fußballveteranen, die sich kein Spiel entgehen ließen. Sie gehörten zu diesem Fußballplatz wie das Flutlicht, das noch nie funktioniert hatte. Ihr Trainer gesellte sich gerade zu ihnen und klopfte ihnen auf die Schulter. Finn sah sich um. Auf der anderen Seite war alles grün-weiß. Die Trikots sahen ziemlich neu aus. Trotzdem nicht so toll wie die orangen Trikots von Finns Mannschaft. Gustav war also der linke Verteidiger. Finn hätte ihm eher den Stürmer gegeben. Er zwinkerte Finn zu und zeigte mit dem rechten Daumen nach oben. Der Schiedsrichter rannte aufs Feld. Finn hatte ihn noch nie gesehen. Er blies in seine Trillerpfeife. Das Spiel begann. Und sofort legten sich alle ins Zeug. Finn schaffte gleich zu Beginn einen beeindruckenden Pass, mit dem Tyler beinahe ein Tor schoss. Doch der Torwart von Gustavs Mannschaft konnte den Ball mit einem Sprung nach links gerade noch auffangen.

»Cool«, ermunterte Tyler Finn, »das nächste Mal packen wir es.«

Jetzt spielte Finn den Ball Tim zu. Aber dieser schaffte es nicht, ihn zu halten. Er kam nur ein paar Meter weit, dann wurde er von Gustav abgedrängt.

Tim zuckte mit den Achseln. »Ging mir zu schnell, sorry.«

Finn stöhnte. »Das wäre die Chance gewesen!«

Gustav versuchte, das Tor anzupeilen, aber er wurde schnell gestoppt. Wieder flog der Ball zurück auf die andere Hälfte des Spielfelds. Endlich hatte Andreas den Ball an sich gerissen.

»Hier!«, machte Finn auf sich aufmerksam. Er stand gerade allein, keine Gegner in unmittelbarer Nähe. Das war die Chance! Aber Andreas nahm zu Tim Blickkontakt auf und schon schoss der Ball in seine Richtung. Dieser schnappte ihn, sprintete ein paar Meter nach vorne, bis sich ihm zwei Gegenspieler in den Weg stellten. Er versuchte noch, den Ball an Andreas zurückzuspielen, aber der Schuss misslang, sodass die Gegnermannschaft wieder das Kommando übernahm.

Finn fluchte. »Spinnst du?«, fuhr er Tim an. »Das wäre doch nicht so schwierig gewesen. Ich stand ganz allein. Ich hätte locker ein Tor schießen können.«

»Hatte ich nicht geschnallt«, verteidigte sich Tim, »Andreas stand gerade so ideal …« Finn hörte sich den Rest nicht mehr an. War doch alles sinnloses Geschwätz. Er verzichtete darauf, dem Ball zu folgen. Da waren schon genug andere Spieler. Auch Tim beobachtete aus der Entfernung, wie sich die anderen Spieler um den Ball rangelten. Es dauerte eine Weile, bis sich Finn wieder nützlich machen konnte.

»Tim!«, schrie er, um seinen Kumpel vorzuwarnen. Denn Tim stand in der Nähe des Tors und mit ein bisschen Glück würde es ihm gelingen, den Ball zu versenken. Aber obwohl Finn ihm den Ball elegant zuspielte, verfehlte Tim das Tor.

Finn schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Was ist denn mit dir heute los? Hast du Tomaten auf den Augen?«

»Sorry, habe ich nicht absichtlich gemacht«, murmelte Tim und bewegte sich in Richtung Mittellinie.

Aber Finn stellte sich ihm in den Weg. »Jetzt nimmst du dich aber zusammen. Oder willst du uns das bewusst vergeigen?« Er gab Tim einen leichten Schubs.

Dieser zeigte ihm den Vogel. »Spiel dich nicht so auf.«

Aber Finn schüttelte nur den Kopf und wandte sich ab.

»Hallo?«, rief Tyler über das Spielfeld. »Bitte nicht so aggro! Damit verdirbst du hier allen noch die Stimmung.«

Auch wenn Tim in den nächsten Minuten keine Missgeschicke mehr passierten, wurde Finn immer gereizter. Sonst war Tim doch auch nie so drauf! Er wusste genau, dass Tim mehr konnte. Sonst beeindruckte er ja auch bei fast jedem Training mit ein paar unerwarteten technischen Tricks. Wenn das hier ein Training gewesen wäre, hätte Finn ja noch damit leben können. Aber sie waren hier mitten in einem Spiel und er hatte keine Lust, von der gegnerischen Mannschaft und dem Schiedsrichter bloßgestellt zu werden. Sie hatten sich doch heute fest vorgenommen, zu gewinnen. Wenn sie jetzt den Kürzeren zogen, war das keine gute Ausgangslage für die nächsten Spiele.

Bis zum Ende der ersten Halbzeit wurden keine weiteren Tore erzielt. Die beiden Mannschaften steuerten die Sitzbänke hinter dem Spielfeld an. Tim setzte sich in den Schatten der Bäume und zog eine Wasserflasche aus seiner Sporttasche.

Finn baute sich vor ihm auf. »Was sollte das?«

Tim sah ihn verständnislos an.

»Spiel nicht den Naiven«, entfuhr es Finn.

Die anderen Spieler beobachteten ihn neugierig. Auch die Jungs von Gustavs Mannschaft spitzten die Ohren.

»Unsere heutigen Gegner sind echt tough«, warf Andreas ein. »Wir müssen jetzt unbedingt auf mehr Teamplay setzen, sonst haben wir keine Chance.«

»Das musst du nicht mir sagen«, erwiderte Finn, »sondern unserem Träumer!«

Tim sprang auf. »Spiel dich nicht so auf.« Er warf die Flasche in seine Sporttasche und verschwand.

Finn verdrehte die Augen und da ihn Andreas fragend ansah, sagte er: »Der wäre heute besser zu Hause geblieben. Davon hätten wir mehr gehabt.«

Buchinfo:

Hast du das auch schon erlebt? Du lernst jemanden kennen und plötzlich ist alles anders: Du gehst wie auf Wolken, könntest die ganze Welt umarmen und plötzlich probierst du Dinge aus, an die du nie vorher gedacht hast.

Hier finden sich Geschichten und Gedichte, die zeigen, wie schön und bereichernd, aber auch wie verletzlich die Liebe sein kann, und was für eine Beziehung wichtig ist.

Autorenvita:

Imageauthor

© Thienemann Verlag GmbH

Stephan Sigg, Jahrgang 1983, studierte Theologie in Chur und lebt heute in Rheineck (Ostschweiz). Inzwischen hat er mehrere Bücher für Kinder und Jugendliche veröffentlicht. www.stephansigg.com

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Inhalt

Vorwort

1000 verrückte Ideen

Perfekt

Schokokuchen mit rosa Glasur

Tausend Dank

Nicht im Pyjama

Dick & Dünn

Mit 180 Sachen

Das richtige Wort

So kompliziert!

Beim Kiosk, im Morgengrauen

Überraschungen

Auch im Herbst

Jagdfieber

Miss Kann-alles sucht Mister Wunderbar

Immer wieder

1000 Meilen weit

Pflaster

Zwei Tickets

Traumhotel in der Karibik

Nonstop

Nackt durch die Geisterbahn?

Bitte warten!

Samstags, 9:37

Mit allen

Nachwort

Rezept: Ivans Schokoladenkuchen

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Vorwort

Du lernst jemanden kennen und plötzlich ist alles anders: Du gehst wie auf Wolken, könntest die ganze Welt umarmen und zerspringst beinahe vor Glück. Dann wieder ist die Sehnsucht unheimlich groß, weil die Freundin/der Freund so weit weg ist oder so gar nichts von einem wissen will. Ein Leben ohne Liebe? Einfach unvorstellbar! Auch wenn man wegen ihr vielleicht mal schlaflose Nächte verbringt oder auch ein paar Tränen vergießt: Es gibt wohl kein schöneres Thema, mit dem man sich beschäftigen könnte – die Liebe ist das größte Geschenk in unserem Leben!

Schon immer hat die Liebe die Menschen in Atem gehalten. So hat die Liebe auch in der Bibel einen zentralen Stellenwert. Der bekannteste biblische Text, der sich mit der Liebe beschäftigt, ist das Hohe Lied der Liebe. Genau genommen gibt es das Hohe Lied zwei Mal: einmal im Alten Testament und ein zweites Mal im Neuen Testament.

Doch worauf kommt es an bei der Liebe? Wie findet man sie und wie wird man langfristig glücklich? Was ist in einer Beziehung wichtig? In meinen Geschichten, Gedichten und Gebeten zeige ich die verschiedensten Facetten der Liebe. Mehr über die Bedeutung des Hohen Lieds der Liebe und dessen Aussage findet ihr im Nachwort.

Ich wünsche euch viel Spaß mit meinen Texten

Euer Stephan Sigg

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1000 verrückte Ideen

Die ganze Nacht wach gelegen,
mich hin und her gewälzt,
mit dem Gedanken an dich.

Mir so vieles vorgestellt:
Liebst du mich auch?

Genauso? Oder nur halb so fest?

Wieder mal total überrascht,

wie wahr der Satz an meiner Wand ist:

Die Liebe ist die Kraft
aus heiterem Himmel,
die dich schweben lässt,

die deine Fantasie zu Höchstleistungen anspornt,
und dir 1000 verrückte Ideen schenkt.

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Perfekt

Mein großes Kompliment – sie ist 1a!
Perfekt hast du sie geschaffen,
jedes Detail an ihr ein Wunder,
danke für ihre Schönheit,
die mir immer wieder neu den Atem raubt!

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Schokokuchen, mit rosa Glasur

Und dann stürzte er mit lautem Karacho die Stufen hinunter. Ivan schaffte es gerade noch, einen Sprung zur Seite zu machen. Der Tisch rumpelte und rumpelte, bis er am Fuß der Treppe zu liegen kam. Zum Glück bestand die Treppe nur aus drei Stufen. Sonst wäre das übel ausgegangen. Der Tisch war uralt, seine Mutter hatte ihn auf einem Trödelmarkt entdeckt und war seither total vernarrt in ihn.

»Alles okay?«, hörte Ivan Jens von oben rufen.

Ivan gab Entwarnung und nahm den Tisch unter die Lupe. Alle vier Beine waren noch dran, die Platte hatte keinen Sprung. Auch bei ihm schien der Sturz keine Spuren hinterlassen zu haben.

»Ist das Ding schwer!«, stöhnte Jens. »Ich muss irgendwo hängen geblieben sein, plötzlich konnte ich ihn nicht mehr halten.«

Er kam die drei Stufen herunter und dann hoben sie den Tisch wieder in die Höhe und trugen ihn unter den Baum.

»Puh«, seufzte Ivan, als sie endlich am Ziel angekommen waren. Der Schweiß rann ihm über den Rücken. Sein Atem ging schnell. Aber dies hier war wirklich der schönste Fleck des ganzen Gartens! Jetzt mussten sie nur noch die Stühle von der Terrasse heruntertragen. Um die weiteren Details konnte er sich dann alleine kümmern.

Stirnrunzelnd betrachtete Jens eine Weile den Apfelbaum. Dann brach er in lautes Gelächter aus.

»Geil! So etwas habe ich noch nie gesehen!«

Er setzte sich auf die Wiese und kugelte sich vor Lachen.

Was sollte an dieser Überraschung so witzig sein? Ivan hatte gestern etwas Ähnliches in einem Video- Clip auf YouTube entdeckt und gedacht, dass Lisa das gefallen könnte.

»Du musst unbedingt mal einen Liebesfilm drehen«, rief Jens, bevor die nächste Lachsalve folgte. »Da können alle Schnulzen-Regisseure einpacken!«

»Dir muss es ja nicht gefallen«, entgegnete Ivan. Er hatte es für Lisa gebastelt.

Jens sah den Baum nochmals genau an, dann drehte er sich um. »Ich verstehe das einfach nicht, irgendwie einfach nur verrückt.«

Ivan setzte gerade zum Protest an, aber da piepste sein Handy. Lisa. Sie war total aus dem Häuschen. »Ich krieg mich nicht mehr ein! So was Tolles habe ich noch nie bekommen.«

»Ist doch nur eine CD«, winkte Ivan ab.

»Eine CD?!«, rief Lisa. »Diese Idee muss man erst mal haben! Ich habe nicht schlecht gestaunt, als die heute Morgen am Frühstückstisch auf meinem Teller lag. Was hast du nur vorbereitet? Kann ich nicht schon eher kommen?«

»Nein!«, rief Ivan wie aus der Pistole geschossen. »Um 14.00 Uhr und keine Minute früher. Ich hole dich an der Bushaltestelle ab.« Geräusche eines schmatzenden Kusses, dann legte er auf.

»Du hast ihr eine CD geschenkt?«, fragte Jens.

Ivan grinste. Er hätte sein Moped darauf verwettet, dass diese Frage kam.

»Das muss schon eine besondere CD gewesen sein, dass sie sich so darüber freut.« Jens zeigte zum Baum hinauf. »Nach dieser Aktion hätte ich jetzt schon etwas Ausgefalleneres erwartet.«

»Nur eine Kleinigkeit. Ich hab einfach einen Geburtstagsgruß aufgenommen und auf CD gebrannt und ihr mitgeteilt, dass sie um 14.00 Uhr bei mir eine Überraschung erwartet.«

»Was?« Jens sah ihn ungläubig an. »Und dafür hast du dir so viel Arbeit gemacht?«

Ivan zuckte mit den Schultern. »Ich hätte auch eine SMS schreiben können, aber ich habe gedacht, dass so etwas viel besser zu meinem Plan passt. Und ich wollte Lisa halt total überraschen.«

Jens deutete zum Tisch. »Was müssen wir noch alles vorbereiten?«

Die Stühle. Danach hatten sie eine Pause verdient.

Jens leerte gleich zwei Eistee-Gläser hintereinander. Neugierig scannte er die Küche. Hier hatte Ivan schon alles für später vorbereitet.

»Einfach krass«, murmelte Jens und drückte an der Packung mit Mehl herum. »Sieht nach Großbäckerei aus.«

»Nicht so wild«, beschwichtigte Ivan. Geplant war ein Schokokuchen. Lisa liebte den über alles. Ehrensache, dass er nicht einfach einen kaufte, sondern selber einen buk. Er hatte das zwar noch nie gemacht. Es war schon ein paar Jahre her, dass er überhaupt etwas gebacken hatte. Aber das sollte schon irgendwie klappen. Zunächst hatte er seine Mutter um Hilfe bitten wollen, aber das war ihm doch zu feige vorgekommen. Und im schlimmsten Fall hätte sie ein Küchenverbot ausgesprochen. So kompliziert konnte das nicht sein! Er hatte im Internet ein paar Rezepte gefunden.

»Warum gehst du mit ihr nicht einfach zu McDonald’s? Ist doch auch nett! Und vor allem stressfrei.«

Ivan seufzte. »Zu McDonald’s kann man immer, das ist nichts Besonderes. Ich möchte, dass sie einen einmaligen Geburtstag erlebt.«