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Alexandra Grund (Hrsg.)

Opfer, Geschenke, Almosen

Die Gabe in Religion und Gesellschaft

Verlag W. Kohlhammer

 

 

 

 

 

 

 

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Reproduktionsvorlage: Andrea Siebert, Neuendettelsau

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-024199-2

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-024200-5

epub:    ISBN 978-3-17-024201-2

mobi:    ISBN 978-3-17-024202-9

 

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Inhalt

  1. Vorwort
  2. Alexandra Grund
  3. Bindekraft und Polyvalenz der Gabe.
    Zur Einführung in diesen Band
  4. Bernd Janowski
  5. „Womit soll ich JHWH entgegentreten?“ (Mi 6,6)
    Gabetheologische Aspekte der alttestamentlichen Kultkritik
  6. Angela Standhartinger
  7. Zweierlei Gabekulturen?
    Jesu Speisung der Fünftausend im Kontext des antiken Euergetismus
  8. Micha Brumlik
  9. Rabbinische Theologie des Opfers
  10. Stefan Weninger
  11. ‚Gabe‘ in der klassischen christlichen Literatur Äthiopiens.
    Viele augenscheinliche Synonyme und die Möglichkeiten zu ihrer Disambiguierung
  12. Albrecht Fuess
  13. „Verrichtet das Gebet und bezahlt die Armensteuer“.
    Zur islamischen Konzeption der Almosengabe
  14. Bärbel Beinhauer-Köhler
  15. „So waren sie in der Lage, am Festtag selbst zu schlachten“.
    Modi des Opfers im Islam
  16. Martin Repp
  17. Opfergaben und Opferpraxis in der einheimischen Religion Japans („Shintō“)
  18. Hans-Jürgen Greschat
  19. Vom Almosen im Buddhismus
    Geben ist gut, achtsam geben ist besser
  20. Veronika Hoffmann
  21. Die Eucharistie: Gabe und Opfer?
  22. Siegfried Keil
  23. Vom Almosen zum Rechtsanspruch – zum Paradigmenwechsel in der bundesrepublikanischen
    Sozial- und Familienpolitik. Vom Almosen zum Rechtsanspruch Acht Thesen
  24. Thomas Noetzel
  25. Milde Gaben in der Politik
  26. Autorinnen und Autoren
  27. Sachregister

Vorwort

 

 

Der vorliegende Band geht auf eine interdisziplinäre Ringvorlesung unter dem Titel „Milde und andere Gaben in Religion und Gesellschaft“ im WiSe 2012/13 an der Universität Marburg zurück. Die Idee hierzu entstand im Anschluss an meine Antrittsvorlesung an der Philipps-Universität Marburg im Juni 2010, nach der eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen von eigenen Forschungen aus dem Bereich der aktuellen Gabediskussion berichteten. Im Rahmen des Marburger „Zentrums für interdisziplinäre Religionsforschung“ (ZIR) fiel es leicht, weitere Referentinnen und Referenten für diese Kooperation zu gewinnen, hinzu kamen Vortragszusagen von Prof. Dr. Bernd Janowski und Prof. Dr. Veronika Hoffmann. Zur Publikation dieses Bandes hat erfreulicherweise Prof. Dr. Micha Brumlik einen Artikel beigesteuert. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus Marburg, Tübingen, Heidelberg, Frankfurt / Berlin und Erfurt / Siegen war mir eine große Freude.

Großer Dank gebührt der Sparkasse Marburg-Biedenkopf, der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und der Evangelischen Kirche von Hessen-Nassau für großzügige Druckkostenzuschüsse. Ohne ihre Gaben wäre diese Publikation nicht möglich gewesen. Herzlich zu danken habe ich auch Herrn Jürgen Schneider und Herrn Florian Specker für die professionelle verlegerische Betreuung des Bandes, und nicht zuletzt Dr. Ruth Poser, stud. theol. Julia Nikolaus und stud. theol. Christoph Karn für die Hilfe bei den Korrekturen, beim Erstellen der Druckvorlagen und des Registers.

Marburg, im Januar 2015

Alexandra Grund

Bindekraft und Polyvalenz der Gabe

Zur Einführung in diesen Band

Alexandra Grund

„Was wäre unsere Gesellschaft ohne die Bereitschaft vieler Menschen, etwas Kostbares zu opfern für andere Menschen? Sei es eine ansehnliche Summe Geldes oder knappe Zeit für eine gute Sache – jedes Mal wird etwas Eigenes freiwillig weitergegeben, weil die Sache eine gute ist, weil man weiß, dass Leben ohne solche gegenseitigen Geschenke nicht möglich ist. […] Ohne die Bereitschaft, etwas von seinen Lebensressourcen wegzugeben, ohne diese alltäglichen Opfer kann es kein gutes Leben geben.“1

Wo Menschen etwas Kostbares geben, spenden oder opfern, wie Niklaus Peter es hier beschreibt, stehen nicht selten existentielle und religiöse Beweggründe im Hintergrund. Welche Rolle spielen religiöse Motive und Traditionen bis heute, wo es um Gaben für andere geht? Welche Bedeutung haben Gaben – Opfer, Wohltätigkeit, Spenden – in Religionen, und welche gesellschaftliche und soziale Bedeutung kommt ihnen bis heute zu? Um diese Fragen geht es in den Beiträgen des vorliegenden Bandes.

Wer Fragen nach der sozialen und religiösen Bedeutung von Gaben aufwirft, kann auf einen Blick auf die gabetheoretische Diskussion der letzten Jahrzehnte nicht verzichten. Als ihr Ausgangspunkt gilt nach wie vor der „Essai sur le don“ (1925) des französischen Ethnologen Marcel Mauss,2 der in traditionalen und antiken Gesellschaften herausarbeitete, dass kulturübergreifend „Austausch und Verträge in Form von Geschenken statt[finden], die theoretisch freiwillig sind, in Wirklichkeit jedoch immer gegeben und erwidert werden müssen“3. Die Logik des Gabentauschs in traditionalen Kulturen ist der des Warentauschs oder des Kaufs aber nahezu entgegengesetzt: Bei ersterem symbolisiert die Gabe die gegenseitige Anerkennung des jeweils anderen und dient dazu, Fremdheit oder Feindschaft zu überwinden und soziale Netze zu knüpfen.

Doch Mauss ging es in seinen gabetheoretischen Schriften nicht allein um die bindende Kraft des Gabentauschs in traditionalen Gesellschaften, sondern um Grundlagen einer allgemeinen Sozialtheorie, um ein Modell für eine zeitgenössische Erneuerung des Sozialvertrags. Und so übt der nicht-wirtschaftliche Charakter der Gabe, der zur moderne Gesellschaften und ihre Mentalität prägenden Geldökonomie im Gegensatz steht, nicht nur in Ethnologie und Kulturanthropologie4, sondern auch in Sozialwissenschaften5 und Philosophie6 seit längerem eine große Faszination aus. In jüngerer Zeit spielen hier, angesichts zunehmender Ökonomisierung und Entsolidarisierung in modernen Gesellschaften, die mit dem Geben verbundenen anerkennungstheoretischen Implikationen eine besondere Rolle.7

Die sozialphilosophische Diskussion lässt zuweilen jedoch auch problematische Vereinheitlichungen des an sich facettenreichen Begriffs „der“ Gabe erkennen, die durch Äquivokation in Missverständnisse oder in einen fruchtlosen Kampf um die Deutungshoheit über einen im Vorhinein zu homogen gefassten Gabebegriff führen. So zielt etwa der von Mauss beschriebene zeremonielle Gabentausch auf ein jenseits der (Handels-)Ökonomie angesiedeltes soziales Geschehen, während die vor einer Erwiderung und damit vor der Infektion und Korruption durch Ökonomie nicht zu schützende Gabe bei Derrida8 hingegen von einer individuellen, oblativen Gabe ausgeht; diese rein wohltätige Gabe wird bei Derrida durch ihre Idealisierung zur Unmöglichkeit eliminiert. Der enorme kulturelle Abstand zwischen ritueller, intertribaler Gabepraxis traditioneller Gesellschaften und interpersonalen Gaben in modernen, individualisierten Gesellschaften gerät somit vielfach aus dem Blick, was durch Hénaffs strikte Unterscheidung zwischen wohltätigen, solidarischen und zeremoniellen Gaben eingeholt werden soll.9

Gerade wenn ein kulturgeschichtlich großes Spektrum von Gabeformen in den Blick genommen wird, wie es im vorliegenden Band geschieht, kann ihre Diversität kaum genug betont werden. Es empfiehlt sich also ein weiter Gabebegriff, bei dem auf Vorentscheidungen verzichtet wird – etwa ob eine Gabe nur als einseitiges (Derrida) oder als wechselseitiges Geschehen (Hénaff) in den Blick kommt oder ob auch ökonomische oder nur anökonomische Gabeformen10 als Gabe anerkannt werden. Es genügt nicht zu betonen, dass es „die“ Gabe als Abstraktum nicht gibt, es ist zugleich die Abhängigkeit von Gabesituationen vom jeweiligen kulturellen und religiösen Deutungsrahmen, vom sozialen Status, aber auch von individuellen Intentionen und Erwartungen der Beteiligten kenntlich zu machen.

So ist bei einem Gabegeschehen mit einer ganzen Reihe nahezu unvermeidlicher Ambiguitäten zu rechnen: Wer sich einem Gabegeschehen zu entziehen sucht, muss nicht nur auf Partizipation verzichten. Verweigerte Gabe, Annahme oder Gegengabe kann vielmehr als Ablehnung des anderen aufgefasst werden und in ernsthafte Konflikte führen.11 Doch auch wer in ein Gabegeschehen eintritt, muss mit Ambiguitäten rechnen. So wohnen einer ersten Gabe eine Reihe von Ambivalenzen inne, die M. Godelier so beschrieben hat: „Das Geben stellt anscheinend zu gleicher Zeit eine doppelte Beziehung zwischen dem, der gibt, und dem, der annimmt, her. Eine Beziehung der Solidarität, da derjenige, welcher gibt, das, was er hat, ja sogar das, was er ist, mit demjenigen teilt, welchem er gibt, und eine Beziehung der Superiorität, da derjenige, welcher die Gabe empfängt und sie annimmt, sich gegenüber demjenigen, der ihm etwas gegeben hat, in eine Schuld begibt.“12 So kann auch eine der Intention nach wohltätige, ‚reine‘ Gabe vom Empfänger – noch ohne dass er sie erwidert – als verpflichtend, als Herausforderung oder als Erniedrigung verstanden werden.13 Das Wissen um den situativen Kontext, die Absichten der Akteure und den Zustand der Beziehung, in denen sich ein Gabegeschehen abspielt, ist für dessen gelungene Deutung meist notwendig. Doch auch wenn Gebende wie Erwidernde ihre Absichten gut kennen und sich im Geben als frei erleben, kann ihr Tausch auf der verobjektivierenden Deutungsebene als durch internalisierte Normen (erlernte Dankbarkeit o. ä.) zustandekommender Automatismus verstanden werden.14 Auch bei einem Gabegeschehen gibt es den Streit der Interpretationen, wer mit seiner Deutung im Recht ist – die Tauschpartner oder die Gabetheoretiker, die den unvermeidbaren Gewinn des Gebers an sozialem Kapital und die Verpflichtung zur Erwiderung beim Empfänger offenlegen.

Es liegt auf der Hand, dass das Geben auch in Religionen eine herausragende Rolle spielt: Sei es, dass Leben, Heil und Segen als Gaben Gottes oder der Götter verstanden werden, sei es, dass ihnen etwas – Opfer, Dank, ein rechtschaffenes Leben – dargebracht wird, sei es, dass Menschen einander aus religiösen Beweggründen etwas darbringen. Zentrale Themen der Religionswissenschaft und Theologie können von Perspektiven und Einsichten der gabetheoretischen Diskussion aus neu bedacht und weiter erhellt werden, und so wurde die Gabediskussion in jüngerer Zeit auch auf diesem Gebiet entdeckt.

So widmete sich der von der römisch-katholischen Theologin V. Hoffmann herausgegebene Sammelband „Die Gabe. Ein ‚Urwort‘ der Theologie“15 aus dem Jahr 2009, der sich bewusst dem ökumenischen Gespräch öffnet, systematisch-theologischen Implikationen der Gabediskussion. Im Jahr 2013 ist die systematisch-theologische Habilitationsschrift von V. Hoffmann „Skizzen zu einer Theologie der Gabe“16 erschienen, die die gabetheoretische Diskussion umfassend rezipiert, auf theologische Anschlussstellen befragt und von hier aus zentrale Themen der Theologie (Rechtfertigung, Opfer, Eucharistie, Gottes- und Nächstenliebe) neu durchdenkt. Neben dem ebenfalls 2013 publizierten, von M. Satlow herausgegebenen Band „The Gift in Antiquity“17, der religiöse wie profane Gabeformen in der griechisch-römischen Antike untersucht, wurde im gleichen Jahr auch Band 27 des Jahrbuchs für Biblische Theologie „Geben und Nehmen“ von B. Hamm und B. Janowski herausgegeben, der nach einem sozial- und literaturwissenschaftlichem Eingangsportal die Gabethematik durch alle Disziplinen der Theologie verfolgt.18 Schließlich hat sich im vergangenen Jahr auch das Heft 2 des Journals für Religionsphilosophie mit soziologischen, philosophischen und theologischen Beiträgen dem Themenschwerpunkt „Gabe – Alterität – Anerkennung“ gewidmet.19

Der vorliegende Band nun nimmt insbesondere die Bedeutung von Gaben in den Blick, die in monotheistischen und in fernöstlichen Religionen in religiösen Kontexten gegeben werden. Dabei handelt es sich vorwiegend um Opfer und um Wohltätigkeit, in traditionellen oder in modernen Formen wie der Sozialgesetzgebung. Auch wenn die Beiträge oft nur paradigmatische Einblicke in Gabeformen der so unterschiedlichen kulturellen und religiösen Kontexte gewähren können, so stellen sich doch nahezu in jedem religiösen und kulturellen Kontext die Fragen nach der Haltung, den Intentionen und den Auswirkungen des Gebens auf die Beziehungen der am Gabegeschehen Beteiligten.

Die Beiträge dieses Bandes sollen nun nicht im Einzelnen vorgestellt werden – ein Abstract ist jedem der Beiträge beigegeben. Vielmehr sollen, wo dies bei aller Unterschiedlichkeit der kulturellen Kontexte möglich ist, thematische Linien zwischen den Beiträgen und ihre Bezüge zur neueren Gabediskussion aufgezeigt werden.

Gleich mehrere Beiträge nehmen als wesentliche religiöse Gabeform das Opfer in den Blick. Nun kann man durchaus fragen, inwiefern sich das vielgestaltige und umstrittene Phänomen des „Opfers“ überhaupt so umfassend als „Gabe“ verstehen lässt, zumal in der neueren Ritualforschung von der Multivalenz von Opferritualen ausgegangen wird und damit „alle Versuche fraglich [werden], das ‚Wesen‘ des Opfers auf eine einzige Definition zu reduzieren“20. Nach einflussreichen, eher an der Gewaltproblematik orientierten opfertheoretischen Entwürfen21 rückt in jüngerer Zeit jedoch der Gabecharakter der Opfer zumindest im alten Israel stärker in den Mittelpunkt.22 So bestimmt B. Janowski in seinem alttestamentlichen Beitrag zu diesem Band das Opfer als „eine Gabe, die der Gottheit entgegengebracht wird, um mit ihr zu kommunizieren, sie in ihrer Souveränität anzuerkennen und die kreatürliche Abhängigkeit von ihr zu bekräftigen.“23 Dass das Opfer als materielles Element der symbolischen Kommunikation zwischen der sakralen und der profanen Welt angesehen werden kann, bekräftigt auch M. Repp für die Opfer in der einheimischen Religion Japans, die er „als die zentrale Vermittlung zwischen Göttern und Menschen“ versteht.24

Es ist daher kein Zufall, wenn beim Opfer der Aspekt der Annäherung25 von Gott und Mensch untereinander eine hervorgehobene Rolle spielt, der sowohl beim biblisch-hebräischen Begriff qorbān „Darbringung“ als auch beim etymologisch verwandten arabischen Ausdruck qurbān zentral ist. Letzterer wird ebenso für das Opfer des islamischen Opferfestes verwendet wie von arabischen Christen für die Eucharistiefeier.26

Doch mit welchen Absichten geschieht diese materiell vermittelte symbolische Kommunikation? Der Verdacht, dass Opferkult – in seinen verschiedenen Ausprägungen – im Sinne eines do ut des auf Gott und Götter Einfluss zu nehmen versucht, gilt als eine der klassischen Anfragen an diese – neuzeitlichem Denken ohnehin fremde – religiöse Praxis. Für die Opfer der einheimischen Religion Japans ist diese Deutung, so M. Repp, allerdings unzutreffend. Opfer gelten vielmehr als ein „Tribut“, der den Gottheiten (kami) als Mächtigeren ohnedies zu bringen ist. Wo „Menschen Gaben des Lebens empfangen in dem Bewusstsein, dass sie auf Kosten anderer Lebewesen leben“27, symbolisiert das religiöse Opfer nach M. Repp auf rituelle Weise einen Ausgleich. Und nach der alttestamentlichen Opfertheologie, repräsentiert durch das Altargesetz Ex 20,24–26, kommt der Gott Israels anlässlich eines Opfers zu seinem Volk, und zwar „nicht in Feindseligkeit, so dass man ihn – wie immer wieder behauptet wird – gnädig stimmen müsste, sondern um die Gastfreundschaft seines Volkes anzunehmen und um es zu segnen.“28

Dennoch können Opfer der Kritik verfallen oder relativiert und transformiert werden. Dabei spielen gesellschaftlicher Kontext, Lebenswandel und Absichten der Darbringenden eine wesentliche Rolle. In der Shintō-Religion etwa wurde, wie M. Repp ausführt, unter buddhistischem Einfluss das Tieropfer abgeschafft.29 Im alten Israel konnte, wie B. Janowski zeigt, das Opfer wie der gesamte Gottesdienst grundsätzlicher Kritik anheimfallen, insbesondere, wenn fehlende Solidarität mit den sozial Schwachen im gesellschaftlichen Alltag eine authentische Begegnung mit dem Gott Israels im Kult verunmöglichte. In diesen prophetischen Überlieferungen kann das Ethos der Gottes- und Nächstenliebe an die Stelle des Opfers, ja des ganzen Opferkultes treten. Auf diese Tradition baute, wie M. Brumlik in seinem Beitrag aufweist, die rabbinische Theologie auf, die auf diese Weise den Verlust des Tempels verarbeitete. Während im Christentum die Vergebung menschlicher Schuld allein Gott zugestanden wird, ist aus Sicht des rabbinischen Judentums die tatsächliche Aussöhnung mit dem geschädigten Nächsten Bedingung für die Sühne am Versöhnungstag: Im Modell dieser „aufgeklärten, intersubjektiven Theologie der Versöhnung“30 führt kein kultisches Geschehen an der Versöhnung mit dem Nächsten vorbei. Dennoch lässt sich auch im Judentum ein Nachleben des Opfers erkennen, und zwar unter verschiedenen Weisen der Transformation: Indem in jüdisch-orthodoxem Brauchtum Sünde symbolisch auf Tiere oder andere Materie geladen wird, leben Sühnopfer- und Eliminationsriten fort, und in der Legende vom Martyrium des zur Konversion gedrängten Rabbi Amnon werden christologische Motive gebraucht, freilich in kritischer Wendung gegen eine gewaltsam missionierende mittelalterliche Kirche.

Auch im entstehenden Islam wurden die altarabischen Opferkulte weitestgehend abgeschafft und vor allem durch Gebet und Wohltätigkeit abgelöst. Dennoch gibt es, wie der Beitrag von B. Beinhauer-Köhler zeigt, auch hier auf verschiedene Weise ein Nachleben des Opfers. Beim islamischen Opferfest, bei dem der Bereitschaft Abrahams zur Hingabe (arab. islām) seines Sohns gedacht wird, ist zwar der gemeinschaftstiftende Charakter dominant; doch dass dem Schlachten und dem materiellen Teilen eine irreduzible Bedeutung zukommt, wird deutlich, wenn Bedürftigen zum Fest ein eigenes Tier gespendet wird, damit diese selbst schlachten können. Ein Weiterleben opferähnlicher ritueller Gabepraktiken ist auch beim Deponieren materieller Gaben an heiligen Stätten oder bei Anfertigung, Transport und Anbringung einer Ummantelung für die Kacba erkennbar.

Die Opfertheologie des Alten Testaments / des Tanakh wurde im Christentum in Opfermetaphorik transformiert, etwa bei der Deutung des Todes Jesu sowie in der – interkonfessionell umstrittenen – römisch-katholischen Deutung der Eucharistie31 als Opfer. Nach der Deutung von V. Hoffmann, die aus römisch-katholischer Perspektive eine ökumenische Annäherung anstrebt, handelt es sich bei der Eucharistie um eine symbolisch-rituelle Repräsentation der Selbsthingabe Christi. Die Gabe, die die Gemeinde in der Eucharistie bringt, ist demnach Jesus Christus selbst, welches die menschliche Ohnmacht, etwas anderes darzubringen, zum Ausdruck bringen und jeden etwaigen Werkcharakter vermeiden soll.

Auch diese durch Grundlegung von Hénaffs Gabetheorie nahegelegte Deutung des Herrenmahles32 als eines Anerkennung symbolisierenden rituellen Spieles mag in den christlichen Konfessionen vermutlich strittig bleiben. Im Neuen Testament zielen Abendmahlstexte und Speisungserzählungen33 nicht auf eine Rückgabe an Gott (sei sie ethischer oder kultischer Art),34 sondern auf das Weitergeben vom Empfangenen.35 Auch katholischerseits wird jüngst der theologie-nahe36 gabetheoretische Entwurf Derridas, durch den bereits der Impuls zur Rück-Gabe in zweifelhaftes Licht geraten war, durch O. Fuchs auf erhellende Weise rezipiert und weitergeführt, um die reine Gabe Gottes an die Menschen zu beschreiben: „Die reine Gabe erwartet keine Gegengabe. So muss Gott auch kein Tausch angeboten werden und er braucht ihn auch nicht. Denn jeder Tausch signalisiert eine Bemächtigung.“37 Auch der Verdacht einer herablassenden (Selbsthin-) Gabe Gottes kann vermieden werden, denn: „Eine wirklich liebende Beziehung lässt das Gefühl der Schuldigkeit des Dankes gar nicht entstehen, weder beim Geber noch beim Empfänger.“38

Es wird in den drei großen monotheistischen Religionen eine deutliche Tendenz erkennbar, der mildtätigen Gabe den Vorzug vor dem Opfer zu geben, wenn auch das Opfer – in sprachlich-metaphorischen und in rituellen, oft auch volkstümlichen Formen – durchaus weiterlebt. Die Wohltätigkeit gegenüber den Armen gilt jedoch vielfach geradezu als Grundlage des Ethos: Nach den jüdischen Sprüchen der Väter (Pirqē ābōt) beruht die Welt auf drei Dingen: Auf der Weisung (Torah), auf dem Gottesdienst („Aboda“) und auf dem barmherzigen Handeln („Gemillut chassadim“).39 Und ṣalāt wa-zakāt, „Gebet und Armenspende“, gilt als formelhafte Zusammenfassung islamischer Ethik.40

Immer wieder wird dabei die Haltung der Gebenden bei einer wohltätigen Gabe hervorgehoben. Nach islamischem Ethos des Gebens wird beim Geben die „mentale Selbstentäußerung“ hervorgehoben und betont, man wolle, ohne nach dem Verdienst bei Allah zu schauen, einfach Freude schenken.41 Die Armensteuer zu geben ist nicht nur religiös motiviert, sie hat vielmehr selbst eine „spirituelle Dimension“, sie ist ein dem Gebet vergleichbarer „religiöser Akt“42. Christlicher Gabepraxis wird seit ehedem 2 Kor 9,7 ins Gewissen geschrieben: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“. Besonders im Buddhismus spielt die Geisteshaltung der Gebenden eine entscheidende Rolle: Zu den von H. J. Greschat in seinem Beitrag43 genannten Formen gehört das Geben mit Achtsamkeit, mit Wissensklarheit, ohne Begierde, mit Gleichmut, unverblendet, mit Anstrengung. Entsprechend dem Gebot, Leben zu geben, kann es im Buddhismus zur Hingabe des eigenen Lebens kommen, doch einem Opfer anderen Lebens kann nicht zugestimmt werden.

Wohltätige Stiftungen dienen, entsprechend der Ambiguität der Gabe, vermutlich in allen Kulturen sowohl dem Gemeinwohl oder der Armenfürsorge als auch auch dem sozialen Prestige der Wohltätigen, falls diese nicht anonym bleiben. Besonders ausgeprägt war eine Kultur wohltätiger Stiftungen im antiken „Euergetismus“, dessen Vielgestaltigkeit A. Standhartinger entfaltet und als Hintergrund der neutestamentlichen Speisungserzählungen aufweist. Dabei wird deutlich, dass deren Besonderheit weder in der Wundertätigkeit Jesu noch dem Ausmaß der Speisung oder der Großzügigkeit des Spenders bestehen, sondern im völligen Verzicht auf soziale Differenzierung der Teilnehmenden, in der Sättigung aller, der puren Notwendigkeit der Speisung und der Rolle der Jüngerinnen und Jünger bei der Verteilung.

Ein etwaiges Gefälle des sozialen Status der Beteiligten spielt für das Verständnis eines Gabegeschehens eine grundlegende Rolle; die Sensibilität hierfür ist freilich kulturell unterschiedlich ausgeprägt. Der Gebrauch der zahlreichen Gabebegriffe in der altäthiopischen Literatur etwa nimmt, wie die von S. Weninger durchgeführten Wortfeldanalyse von Gabebegriffen des Altäthiopischen zeigt, auf bemerkenswerte Weise Rücksicht auf die jeweilige soziale Stellung der Gebenden und Empfangenden.44 Dabei sind Gabe-Akte von oben nach unten, kaum zufällig, mit viel geringerer Verbindlichkeit ausgestattet als solche von unten nach oben. Kulturübergreifend werden Abgaben und Tribute mindestens von den Empfängern gerne als freiwillige Gaben dargestellt;45 dieses zeigt sich auch für den euphemistischen Gebrauch des Gabe-Begriffs gada.46

Wie bereits notiert, kann jede noch so gut gemeinte Gabe als erniedrigend empfunden werden, insbesondere wenn sie einen bedürftigen Status des Empfangenden enthüllt.47

Dieser Umstand hat zu den negativen Assoziationen beim Begriff „Almosen“ beigetragen, bei dem – im Unterschied zum positiv bis neutral konnotierten Begriff der Spende – an eine herablassende Haltung des Gebenden und an die Bekräftigung des niedrigeren sozialen Status des Empfangenden gedacht wird. Diesem Verständnis vorzubeugen, gehört zu den bleibenden Herausforderungen wohltätiger Spenden. So wird in manchen religiösen Traditionen explizit dafür Sorge getragen, dass „milde Gaben“ die Empfangenden nicht in entwürdigende vertikale Gabebeziehungen verwickeln. So soll nach der rabbinischen Literatur dem bedürftigen Mitmenschen nicht gespendet, sondern nur geliehen, später aber nicht zurückgefordert werden, um dem Gebot der Wohltätigkeit nachzukommen.48

Die Problematik wird da entschärft, wo Gebende und Empfangende einander nicht persönlich kennen, vor allem aber auch da, wo Bedürftigen durch den Staat ein Rechtsanspruch auf eine erträgliche materielle Subsistenz zugestanden wird. Durch die Institutionalisierung wird zwar die Freiwilligkeit des Gebens ausgesetzt, jene gewährt aber nicht nur eine Erwartungssicherheit der Armenfürsorge, sondern schützt auch die Würde der Bedürftigen.

In staatlicher Armenfürsorge kommen auch in der Gegenwart vielfach religiöse Traditionen zur Geltung. So wurde und wird in islamischen Staaten durch die Armensteuer zakāt) eine religiös begründete Wohltätigkeit gepflegt, wie der Beitrag von A. Fuess ausführt. Die Armensteuer unterstreicht, als eine der fünf Säulen des Islam, die große Bedeutung der Wohltätigkeit und zielt auf einen – für den Zusammenhalt der islamischen Gemeinschaft – notwendigen Ausgleich zwischen der „Schuld“49 des Reichen gegenüber dem Armen. Auch wegen Schwierigkeiten der Praktikabilität ging die staatliche zakāt -Erhebung in mittelalterlicher Zeit zurück, doch erlebt sie in der Moderne, in der Rückwendung zu traditionell-islamischen Formen der Armenpflege, eine neue Popularität, die von islamischen Wohlfahrtsorganisationen vermittelt wird.50 Die staatliche Einziehung von zakāt wirft aber in der Umsetzung nach wie vor religionsrechtliche und praktische Probleme auf.

Auch die Sozial- und Familienpolitik der Bundesrepublik Deutschland wurde, wie S. Keil in seinem Beitrag aufweist, nicht unwesentlich durch christliche Traditionen beeinflusst, insbesondere die katholische Soziallehre und darin die Almosenlehre des Thomas von Aquin, nach der Wohlhabende nur von ihrem Überfluss (Superfluum) den Armen etwas abgeben müssen. In der staatlichen Gesetzgebung, in der die Steuern an die Stelle des Almosen getreten sind, war der Familienlastenausgleich daher lange Zeit nur auf einen Ausgleich zwischen kinderreichen und kinderarmen Familien innerhalb einer Schicht, nicht auf einen Ausgleich zwischen Arm und Reich ausgerichtet, wie etwa die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen (EAF) forderte. In den 1990er Jahren erhoben der Rat der EKD und die Katholische Bischofskonferenz in einer gemeinsamen Denkschrift die Forderung, dass auch „diejenigen, die nicht in der Lage sind, ihre eigene ausreichende Arbeitsleistung zur Wirtschaft beizusteuern, von der Gesellschaft so viel erhalten, daß sie menschenwürdig leben können“.51 Auch hierin manifestiert sich das Umdenken im Verständnis der Sozialfürsorge – weg vom Almosen zum Anrecht auf eine menschenwürdige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Dabei zeigt sich die Bedeutung gabetheoretischer Einsichten auch für die Gegenwart, auch wenn etwa in der Soziologie umstritten ist, wie weit diese über Phänomene wie privates Schenken und Einladen hinaus für moderne Gesellschaften tragfähig sind.52 Entsprechend wenig thematisiert wurde „die Gabe“ bislang in politikwissenschaftlichen Beiträgen, zumal der rein interaktionsbezogene Gabentausch einen theoretischen Rahmen benötigt, der der Komplexität und Differenzierung moderner Gesellschaften gerecht wird.53 Einen solchen politologischen Zugang zur Gabe verschafft der Beitrag von Th. Noetzel. Ihr politischer Charakter wird bereits greifbar bei Gaben für Clanchefs in tribalen Gesellschaften, die materiell deren Anerkennung symbolisieren und auf diese Weise Herrschaft konstruieren. Doch auch hier tritt die irreduzible Ambivalenz und Kontingenz von Gaben hervor: Kehrseite ihrer Annahme durch Machthabende ist die Möglichkeit der Gabenverweigerung, die die Angewiesenheit der Herrschenden auf die mit ihr geschenkte Anerkennung signalisiert. Auch in modernen Gesellschaften bleibt es dabei, dass die Durchsetzung von Macht kontingent bleibt und von Legitimitätsentzug, dass Macht somit stets von Ohnmacht bedroht ist. „Selbstdarbringungen“ wie bei Hungerstreiks, Selbstverbrennungen oder auch Selbstmordattentaten stellen besonders machtvolle Gaben der „Ohnmächtigen“ dar, weil diese nicht abgelehnt werden können, auch wenn sie nicht angenommen werden: „Die Dynamik der Opferung, des Gebens der Existenz, schafft eine Kommunikation, der sich nicht entzogen werden kann.“54

Es ist kein Zufall, dass bei der gesellschaftlichen Bedeutung von Gaben, neben säkularisierten Formen des Opfers, wiederum ihre Bindekraft zugleich mit ihrer Ambivalenz in den Blickpunkt kommt. Auf diese Weise schließt sich der Kreis unserer Überlegungen. Noch unabgeschlossen ist freilich die interdisziplinäre gabetheoretische Diskussion, zu der dieser Band einen eigenen Beitrag liefern möchte. Man darf gespannt sein auf ihren weiteren Verlauf.

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Köpping, K.-P., Gabe, in: Chr. Wulf (Hg.), Der Mensch und seine Kultur, Köln 2010, 822–839

Levi-Strauss, C., Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft, Frankfurt a. M. 1981 [1949]; A. Weiner, Inalienable Possessions: The Paradox of Keeping-while-Giving, Berkeley [u. a.] 1992

Liebsch, B., Zum Dank – oder nicht? Zur „Ökonomie“ der Gabe in intergenerationeller Hinsicht – Ausgehend von J.-L. Marion, L. Hyde und J. Derrida, Journal für Religionsphilosophie, Nr. 2 (2013) 31–45

Mauss, M., Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Frankfurt a. M. 1968 [frz.: Essai sur le don, 11925]

Marx, A., Art. Opfer. Religionsgeschichtlich, 1. Alter Orient und Altes Testament, RGG4 6 (2003) 572–575

Moebius, S., Geben, nehmen, erwidern, opfern und anerkennen. Zur Soziologie und Diskussion von Marcel Mauss’ Essai sur le don, in: Geben und Nehmen, JBTh 27 (2013) 3–21

Ostmeyer, K. H., Nehmen ist seliger denn Geben. Das Reich Gottes als Gabe im Neuen Testament, in: Geben und Nehmen, JBTh 27 (2013) 207–226

Peter, N., Geben und Leben. Was wäre die Gesellschaft ohne unsere Bereitschaft zu geben?, in: Geben und Nehmen, JBTh 27 (2013) 365–367

Ricœur, P., Wege der Anerkennung, Erkennen, Wiedererkennen, Anerkanntsein, Frankfurt a. M. 2006

Caillé, A., Anthropologie der Gabe (Theorie und Gesellschaft 65), Frankfurt 2008

Sahlins, M., Zur Soziologie des primitiven Tauschs, Berliner Journal für Soziologie 9 (1999) 149–178 [Orig.: The Sociology of Primitive Exchange, in: M. Banton (Hg.), The Relevance of Models for Social Anthropology, London 139–236; Übertragung ins Deutsche: O. F. Raum]

Satlow, M. L., The gift in Antiquity, Malden 2013

Simmel, G., Exkurs über Treue und Dankbarkeit, in: ders., Soziologie. Untersuchung über die Formen der Vergesellschaftung, Frankfurt a. M. 1992, 652–670 [Leipzig 1908, 581–598]

Stoellger, Ph., Von realer Gegenwart im Abendmahl, in: V. Hoffmann (Hg.), Die Gabe. Ein „Urwort“ der Theologie, Frankfurt a. M. 2009, 73–97

Theobald, M., „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37). Aspekte einer eucharistischen Theologie der Gabe im Neuen Testament, in: Geben und Nehmen, JBTh 27 (2012) 151–186

Volz, F. / Kreuzer, Th., Die verkannte Gabe. Anthropologische, sozialwissenschaftliche und ethische Dimensionen des Fundraisings, in: C. Andrews u. a. (Hg.), Geben, Schenken, Stiften – theologische und philosophische Perspektiven (Fundraising-Studien 1), Münster 2005, 11–31

Wendte, M., Ansprechende Gabe. Luther und das Gabetheorem: Intrinsische Verbindungen, weitere Kontaktpunkte und neue Impulse, in: Geben und Nehmen, JBTh 27 (2013) 321–339

Wölfle, G., Opfer als Gabe, Journal für Religionsphilosophie, Nr. 2 (2013) 68–84

1      Peter, Geben, 366.

2      Mauss, Gabe.

3      Mauss, Gabe, 17.

4      Lévi-Strauss, Strukturen; Weiner, Possessions; Godelier, Rätsel; Sahlins, Soziologie.

5      Blau, Exchange; Bourdieu, Vernunft; Gouldner, Reziprozität; Berking, Schenken; Adloff / Mau, Geben; Godbout, Homo Donator; vgl. vor Mauss bereits Simmel, Exkurs.

6      Derrida, Falschgeld; Ricœur, Anerkennung; Caillé, Anthropologie; Hénaff, Preis.

7      Vgl. Hoffmann, Eucharistie, 156–159 (in diesem Band); Kaufmann, Gabe, 6. Für einen detaillierten Überblick über die gabetheoretische Diskussion sei an dieser Stelle verwiesen auf die Forschungsüberblicke u. a. bei Moebius, Geben; Hoffmann, Skizzen, 27–191.

8      Derrida, Falschgeld, 22f. u. passim.

9      Hénaff, Ceremonial Gift-giving; ders., Zeremonielle Gabe.

10    Vgl. die bei Hoffmann, Opfergabe, 296f. aufgezeigten Alternativen.

11    Köpping, Gabe, 828.

12    Godelier, Rätsel, 22.

13    Godelier, Rätsel, 22 u. a.

14    Vgl. Bourdieu, Praktische Vernunft, 164; zum Versuch der Auflösung dieser Spannung Ricœur, Wege, 286ff.

15    Hoffmann, Gabe.

16    Hoffmann, Skizzen.

17    Satlow, Gift.

18    Hamm / Janowski, Geben und Nehmen.

19    Arbeitsgemeinschaft Religionsphilosophie Dresden e.V., Journal für Religionsphilosophie.

20    Eberhart, Opfer, 95.

21    Burkert, Homo necans; Girard, Das Heilige.

22    Vgl. Eberhart, Studien, 400 u. ö. Marx, Opfer; Dahm, Opfer; Janowski, Homo ritualis und zuletzt wieder Eberhart, Opfer; Wölfle, Opfer. Vgl. auch die Forschungsüberblicke bei Hoffmann, Opfergabe, 299ff.; Hoffmann, Eucharistie, 164–167 (in diesem Band). Zu den strukturellen Ähnlichkeiten von Opfer und Gabe s. Grund, Homo donans, 67.

23    Janowski, Gabetheologische Aspekte, 141 (in diesem Band).

24    Repp, Opfergaben, 133 (in diesem Band).

25    Vgl. Eberhart, Opfer, 114f.

26    Vgl. Beinhauer- Köhler, Modi des Opfers 110f. (in diesem Band) sowie Weninger, Gabe, 78 mit Anm. 3 (in diesem Band).

27    Repp, Opfergaben, 141 (in diesem Band).

28    Janowski, Gabetheologische Aspekte, 28 (in diesem Band).

29    Repp, Opfergaben, 135f. (in diesem Band).

30    Brumlik, Theologie des Opfers, 73 (in diesem Band).

31    Kritisch zum Begriff Eucharistie Bayer, Ethik, 349: „Wer das Herrenmahl als ganzes Eucharistie nennt, wer es ganz und gar als solche, als Danksagung, versteht, nimmt in das anabatische Lobopfer die katabatische Gabe und Zusage so hinein, daß die Danksagung die Gabe in sich aufhebt.“

32    Vgl. für eine gänzlich andere, phänomenologisch-sprachphilosophisch orientierte Deutung des Abendmahls aus evangelischer Perspektive Stoellger, Gegenwart. – Aus evangelischer Perspektive wird man darauf hinweisen, dass die Beziehung zwischen Gott und Mensch, wie sie neutestamentlich bezeugt ist, die zur Beschreibung des Gabegeschehens beim Herrenmahl geeigneten gabetheoretischen Konzepte bestimmen muss, und nicht umgekehrt.

33    Theobald, Aspekte. Zur Reich Gottes-Verkündigung vgl. Ostmeyer, Reich Gottes.

34    Auch beim Aufkommen von Opfermetaphorik im frühen Christentum bleiben die Aspekte der Dankbarkeit und der diakonischen Weiter-Gabe bestimmend: „Wenn sehr schnell ab dem Ende des 1. Jh.s unter dem Einfluss des Alten Testaments in die gottesdienstliche Sprache Opferterminologie einströmt, dann dient diese insbesondere der Bezeichnung des Lobopfers der Lippen, der Gebete und Gesänge der Gemeinde, aber auch ihrer Danksagung, die sie Gott in der Liturgie darbringt. … Neben dem Lobpreis der Lippen und mit ihm eng verbunden stehen die Gaben, die in den Gottesdienst mitgebracht und in der ‚Opferung‘ ‚dargebracht‘, das heißt, im Vollzug des LoslassensGott überantwortet werden, um anschließend an die Armen verteilt zu werden. Sie sind nicht in den Zirkel eines do ut des eingebunden, sondern der Ausdruck eines Dankes für alles, was man selbst empfangen hat“; Theobald, Aspekte, 181f.

35    Standhartinger, Gabekulturen, 59–62 (in diesem Band); Theobald, Aspekte, 183 u. ö. Ostmeyer, Reich Gottes, 225. Dies korrespondiert im Übrigen mit Luthers Theologie der Gabe, wonach nicht nur der Mensch als Geber eingeklammert ist, sondern auch die Gabe als solche: „Denn Luther betont, dass Menschen einander weniger Gaben als Gabengeben, sondern vielmehr die Not oder die Freude des Nächsten wahrnehmen und dem Nächsten in dieser Not helfen. … Somit hat der Mensch im Vollzug weder das eigene Geben noch das Gegebene eigens als Moment eines Gabegeschehens im Blick“; Wendte, Ansprechende Gabe, 338.

36    Vgl. hierzu Hetzel, Interventionen, v. a. 274ff.

37    Fuchs, Gott(esglaube), 385.

38    Fuchs, Gott(esglaube), 384.

39    Brumlik, Theologie des Opfers, 75 (in diesem Band).

40    Beinhauer-Köhler, Modi des Opfers, 120 (in diesem Band), vgl. Fuess, Armensteuer, 97 (in diesem Band).

41    Beinhauer- Köhler, Modi des Opfers, 120 (in diesem Band).

42    Fuess, Armensteuer, 101 (in diesem Band).

43    Greschat, Almosen im Buddhismus (in diesem Band).

44    Weninger, Gabe (in diesem Band).

45    Vgl. Grund, Homo donans, 62–64.

46    Weninger, Gabe, 84f. (in diesem Band).

47    Vgl. hierzu auch Beinhauer- Köhler, Modi des Opfers, 120 (in diesem Band).

48    Gardner, Charity Wounds.

49    Fuess, Armensteuer, 98 (in diesem Band).

50    Vgl. hierzu auch Beinhauer- Köhler, Modi des Opfers, 110f. (in diesem Band).

51    Rat der EKD und Katholische Bischofskonferenz, Lage, Ziff. 67 u. 123.

52    Vgl. Grund, Homo donans, 62–64.

53    Noetzel, Milde Gabe, 186f. (in diesem Band).

54    Noetzel, Milde Gabe, 195 (in diesem Band).

„Womit soll ich JHWH entgegentreten?“ (Mi 6,6)

Gabetheologische Aspekte der alttestamentlichen Kultkritik

Bernd Janowski

Gianni Barbiero zum 70. Geburtstag

I.         Was ist ein Opfer? – Vorbemerkungen

Das Opfer, dessen Ende mit dem Aufkommen der modernen Gesellschaften besiegelt wurde,1 das in säkularisierter Form in unserer Sprache aber weiterlebt, gehört als „totales symbolisches Phänomen“2 zu den elementaren Praktiken der menschlichen Kultur. Der Opfernde, der den Göttern Pflanzen, Tiere oder Gegenstände (Schmuck oder Waffen) darbringt, bewegt sich im Kontext regulierter und wiederholbarer Handlungsabläufe (Ritus, Ritual), die als performative Akte die Bewältigung kritischer Situationen ermöglichen und damit Orientierung für das soziale Leben geben. Mit ihnen vollzieht sich ein symbolischer Austausch zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Götter, demzufolge sich die Dinge nicht aus einem Spiel von gleichwertigen Ursachen entwickeln, sondern „aus ihrem Widerstreit oder Gegenteil – wie das Leben aus dem Tod, das Sein aus dem Haben, das Haben aus dem Verlust und die definierte Identität aus dem unbestimmten Chaos“3. Um was also geht es?

1.         Sacrificium und Victima

Im Opfer geht es um eine Gabe, die der Gottheit entgegengebracht wird, um mit ihr zu kommunizieren, sie in ihrer Souveränität anzuerkennen und die kreatürliche Abhängigkeit von ihr zu bekräftigen. Als „symbolischer Operator …, über den die Totalität des sozialen und kulturellen Lebens einer Gruppe verläuft“4, ist das Opfer charakteristisch für die Religionen des antiken Mittelmeerraums und der vorderorientalischen Antike.5 Um seine Bedeutung zu ermessen, sind etymologische und rein begriffsgeschichtliche Erörterungen nur bedingt hilfreich. So ist etwa der Aussagegehalt des deutschen Wortes „Opfer“ ambivalent, weil es sowohl den rituellen Vollzug der Handlung (lat. sacrificiumsacrum facere, „das Heilige vollziehen“, vgl. engl. / frz. sacrifice) als auch ihr passiv-leidendes Objekt (lat. victima, vgl. engl. / frz. victime) bezeichnen kann. Im Übrigen geht das deutsche Wort „Opfer“ auf lat. operari („[mit rituellen Handlungen] beschäftigt sein, handeln“ zurück und fungiert als Generalbegriff für den Vollzug des Rituals bzw. dessen Ergebnis, schematisch dargestellt:

Images

Die Schwierigkeit einer klaren Begriffsbestimmung gilt auch für das Hebräische, das darüber hinaus keinen zusammenfassenden Ausdruck für „Opfer“ besitzt.6 Eine gewisse Ausnahme bilden die Termini minḥāh „Gabe“ (Gen 4,3ff., vgl. 1 Sam 2,17; Mal 1,10–13 u. ö.) und qorbān „Darbringung“ (Lev 1,2, vgl. Ez 20,28; 40,43 u. ö.). Die übrigen Ausdrücke bezeichnen jeweils eine bestimmte, nach der Art der Darbringung (Schlachten, Verbrennen), des Anlasses (Dank, Freiwilligkeit, Gelübde), des Zwecks (Schuld, Sünde), des Termins (morgens, abends) oder der Materie (tierisch, vegetabilisch) unterschiedene Opferart.

2.         Gabetheologische Aspekte

Wie diese knappen Hinweise zeigen, lässt sich die Frage, was ein Opfer ist, nicht abstrakt beantworten. Sachgemäßer ist es, von konkreten Sachverhalten auszugehen, wie sie in den Texten und Bildern der antiken Religionen überliefert sind. Geht man dabei von einer vertikalen Gott- / Mensch-Beziehung aus, so setzt das Opfer einen Adressaten (Gott), eine an ihn adressierte ‚Sache‘ (Tier, Pflanze, Gegenstand) und einen Absender (Opfernder) voraus. Es handelt sich demnach um eine Dreierstruktur, wie sie auch für die Gabenbeziehung kennzeichnend ist:

„Geben“, so M. Hénaff, „heißt immer jemandem etwas geben; (…) daher ist die Gabenbeziehung … nicht der Transfer eines Guts von einem Partner zum andern, sondern mittels dieses Guts eine Beziehung zwischen ihnen. Doch man muß noch weiter gehen: die zeremonielle Gabe beschränkt sich nicht darauf, einem anderen etwas zu geben (was eher das Vertragsverhältnis definiert …), sie besteht darin, mittels einer Sache einem anderen sich selbst zu geben.“7

Hinter dieser Definition erkennt man unschwer die Überlegungen von M. Mauss, die er in seinem berühmten Essai sur le don8 vorgetragen hat. Danach beruht die Logik der Gabe nicht einfach auf dem Prinzip des Tauschs zwischen Geber und Empfänger, sondern darauf, dass „jedes von dieser Bewegung der Gaben erfasste Gut als Teil der Person des Gebers verstanden wird“9. Was in der Gabe erwidert werden muss, ist „nicht der Gegenstand, sondern der ‚Geist der Gabe‘“10. Und was ist dieser „Geist der Gabe“? „Es ist die Geste der Anerkennung, die zu ihrem Urheber zurückkehren muss.“11

Was aber, wenn dieser „Geist der Gabe“ verfehlt wird? Wenn also der Empfänger in seiner Annahme und Erwiderung auf die Gabe, die ja „gar nicht etwas bezeichnet, keine Sache und kein Ding, sondern einen bestimmten sozialen Gebrauch von Sachen und Dingen bzw. eine bestimmte Kommunikationspraxis12, keinen entsprechenden Gebrauch von der empfangenen Gabe macht? Wo von diesem Gebrauch abgesehen wird, verschwindet auch der mit der Gabe ursprünglich verbundene Gehalt bzw. sein „Geist“. Das ist das Thema der alttestamentlichen Opfer- und Kultkritik. Bevor ich darauf eingehe, soll mit Ex 20,22–26 ein Text zur Sprache kommen, der ein bezeichnendes Licht auf die Bedeutung des alttestamentlichen Opferkults wirft.

II.        Texte und Themen

Beginnen wir mit einer kultgeschichtlichen Vorbemerkung. Das Zentrum des alttestamentlichen Tieropfers ist die rituelle Schlachtung und Verbrennung. Der Ort, an dem sie vollzogen werden, ist der Altar, d. h. der „Ort, an dem geschlachtet wird“ (hebr. mizbeaḥ). Als Opfertiere wurden ausnahmslos Haus- und Arbeitstiere wie Rinder, Ziegen und Schafe verwendet, die für die bäuerliche Existenz von elementarer Bedeutung waren. In besonderen Armutsfällen konnten auch Haus- und Turteltauben geopfert werden. Das Opfertier musste makellos, männlich und mindestens sieben Tage alt sein (Lev 1,3; Dtn 15,21 u. ö.). Was als „Makel“ oder „körperlicher Schaden“ galt, war in Lev 22,17–25 geregelt:

17

JHWH sprach zu Mose folgendermaßen:

18

Sprich zu Aaron, seinen Söhnen und allen Israeliten und sage zu ihnen:

Jeder aus dem Haus Israel und jeder von dem Fremden in Israel, der seine Gabe darbringt bei allen ihren Gelübdeopfern und allen ihren freiwilligen Gaben, die sie JHWH als Brandopfer darbringen

19

zu eurem Wohlgefallen soll es ein einwandfreies, männliches (Tier) vom Rind, von den Schafen oder von den Ziegen sein.

20

Ein Tier, an dem irgendein Makel ist, dürft ihr nicht darbringen, denn nicht zum Wohlgefallen gerät es euch.

21

Wenn jemand ein Heilsmahlsopfer für JHWH darbringt, ob es sich um die Erfüllung eines Gelübdes oder um ein freiwilliges Opfer vom Rind oder Kleinvieh handelt, gerät (nur) ein einwandfreies (Tier) zum Wohlgefallen. Irgendein Makel darf nicht an ihm sein!

22

Blindheit oder Bruch oder Verkrüppelung oder Entzündung oder Krätze oder Flechte – diese sollt ihr für JHWH nicht darbringen, auch ein Feueropfer sollt ihr von diesen nicht geben auf den Altar für JHWH!

23

Ein Rind oder ein Stück Kleinvieh mit einem übermäßig oder unvollständig entwickelten Glied darfst du als freiwillige Gabe herrichten! Aber als Gelübdeopfer findet es kein Wohlgefallen.

24

Ein Tier, dem die Hoden gequetscht, zerstoßen, abgerissen oder abgeschnitten sind, sollt ihr für JHWH (überhaupt) nicht darbringen! In eurem Land sollt ihr es nicht tun!

25

Auch aus der Hand eines Ausländers sollt ihr die Speise eures Gottes nicht von solchen allen darbringen, denn ihr Schaden ist an ihnen, ein Makel ist an ihnen. Sie werden nicht als wohlgefällig angesehen für euch!

 

(Lev 22,17–25)13

Dieser Text ist Vers für Vers vom Vokabular des menschlichen „Darbringens“ (qrb hif. „nahe kommen lassen“) und des göttlichen „Wohlgefallens“ (rāṣôn, rāṣāh)1415