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Dantes Göttliche Komödie ist eine der dichterischen Grosstaten, welche die Weltliteratur aufzuweisen hat. Vor 600 Jahren entstanden, übt das gewaltige Werk noch heute seinen berückenden Zauber auf den andächtigen Leser aus, ob nun die Schauer des Jenseits, das zunächst den Stoff des Gedichtes bildet, den religiös Empfindenden rütteln, ob die unvergleichliche Gestaltungskraft des Künstlers die Bewunderung des Geniessenden weckt, oder ob die blendende Fülle theologisch-politisch-historischen Wissens und die farben- und figurenreiche Schilderung der damaligen Verhältnisse Italiens und der das Land zerrüttenden Kämpfe den Wissenden in Staunen versetzen.
Zweifellos enthält die Göttliche Komödie zahlreiche Stellen, deren stofflicher und poetischer Reiz ohne weiteres seiner Wirkung gewiss ist. Aber wenn schon unmittelbar nach dem Tode des Dichters die Kommentierung des Werkes begann und öffentliche Erklärer angestellt wurden, so leuchtet es ein, dass eine Ausgabe ohne begleitende
Anmerkungen eine halbe Arbeit wäre.
Die vorliegende Wiedergabe der Göttlichen Komödie ist ein Abdruck der Übersetzung, die der berühmte Danteforscher, Professor Dr. Karl Witte, der Begründer und langjährige Vorsitzende der deutschen Dante-Gesellschaft, herausgegeben hat. Im Jahre 1875 in dritter, vielfach umgearbeiteter Auflage erschienen, ist sie das Werk eines wohl 50jährigen Forschens und Versenkens in die grossartige Dichtung. Die hier wiedergegebenen Erläuterungen des gelehrten Übersetzers ermöglichen das Verständnis der durch ihre Knappheit und Kürze oft dunklen sowie an Beziehungen und Anspielungen unendlich reichen Sprache des Dichters und der zahllosen persönlichen und sachlichen Anführungen. Die vorliegende Ausgabe besitzt daher ihren bleibenden Wert nicht nur für den lediglich den Genuss in der Dichtung suchenden Leser, sondern auch für den Studierenden und den Nichtfachgelehrten, der das im wesentlichen von der immer weiterstrebenden Forschung Anerkannte hier findet, mögen auch über die Deutung und Bedeutung einzelner Namen, Stellen und Absichten des Dichtwerkes andere Ansichten als die unseres Übersetzers und Erklären vorgetragen werden.
Dante Alighieri ist im Jahre 1265 in Florenz als Spross eines angesehenen, wenn auch wohl nicht adligen Geschlechts geboren. Von seinem Bildungsgang ist uns wenig bekannt. Wiederholt hat er sich an kriegerischen Unternehmungen seiner Vaterstadt beteiligt. Die Parteikämpfe zwischen den Guelfen und den Ghibellinnen, den Päpstlichen und den Kaiserlichen, die ganz Italien zerrissen, zogen auch ihn in ihren Bereich und wurden die Quelle seines Unglücks, eines unruhvollen, unsteten Umherwanderns fern der Heimat. Wir finden Dante als Mitglied des demokratischen Rates der Hundert, von wo aus er in das Kollegium der Prioren gelangte, die, alle zwei Monate wechselnd, die exekutivische Gewalt ausübten.
Von dem benachbarten Pistoja war um jene Zeit ein innerhalb der guelfischen Partei ausgebrochener Hader nach Florenz getragen worden; die feindlichen Gruppen schieden sich in die Weissen (Bianchi) und die Schwarzen (Neri); jene fanden bei der Florentiner Familie der Cerchi, diese bei den Freunden des alteingesessenen Geschlechts der Donati Aufnahme und übertrugen ihre Parteinamen demnächst auf die florentinischen Parteiungen. Die Kämpfe zwischen den beiden Gruppen endeten zunächst mit der Entfernung des Corso Donati und der ihm befreundeten Parteihäupter. Nun aber bewogen die Neri den Papst Bonifaz VIII., den Bruder Philipps des Schönen, Karl von Valois, als „Friedensstifter“ nach Florenz zu entsenden. Dieser benutzte seine Sendung zu wüsten Erpressungen und Gewalttätigkeiten. Bald darauf kehrte Corso Donati in die Stadt zurück, die im Amt befindliche Signorie, der gerade Dante angehörte, trat zurück, es folgten zahlreiche Anklagen und Verurteilungen. Auch Dante wurde der Prozess gemacht: Erpressung, Unterschleif, Bestechlichkeit, Agitation gegen den Papst, Karl von Valois, den friedlichen Zustand der Stadt und der guelfischen Partei wurden ihm zur Last gelegt und er zur Zahlung einer grossen Geldsumme, zum Verlust aller seiner Güter und zur Verbannung verurteilt. Im Jahre 1302 wurde er ausserdem noch zum Feuertode verdammt.
Die vertriebenen Bianchi vereinigten sich mit den Ghibellinen und unternahmen bewaffnete Versuche gegen die Stadt. Aber Dante fühlte sich von dem Parteigetriebe abgestossen, er bildete, nach seinem stolzen Wort, seine eigene Partei. Nachdem die Waffen der Verbannten unterlegen waren, ging er im Jahre 1303 nach Oberitalien, wo er am Hofe des Bartolomeo della Scala zu Verona eine Zuflucht fand. Bartolomeo starb im Jahre 1304, sein Nachfolger Alberto scheint dem Dichter weniger günstig gesinnt gewesen zu sein, und wir finden ihn fortan auf der Wanderschaft in Bologna, Padua und Ravenna. Vom Jahre 1306 ab verliert sich seine Spur; es wird angenommen, dass er damals nach Frankreich, bis Paris, gezogen sei.
Der Nachfolger des Papstes Bonifaz VIII., Benedikt XI., hatte inzwischen wiederholt Frieden zwischen den feindlichen Parteien der Stadt Florenz zu stiften versucht, aber immer ohne Erfolg. Im Jahre 1307 war die Hoffnung der Verbannten völlig niedergebrochen; Dante irrte herum, oft von wirklicher Not bedrückt. Seine Irrfahrten führten ihn fast durch alle Länder der italienischen Zunge, unter den Städten, wo er geweilt hat, werden jetzt Padua, Sarzano und Lucca genannt.
Als im September 1310 der 1308 gewählte Kaiser Heinrich mit einem Heer über die Alpen herabstieg, begrüsste Dante ihn als den von Gott gesandten Erlöser. Die langwierigen lombardischen Kämpfe des Kaisers, seine Romfahrt und die Belagerung von Florenz verfolgte er mit leidenschaftlicher Teilnahme, aber der Traum, seine Heimat wiederzusehen, wurde nicht verwirklicht. Im Jahre 1313 starb Kaiser Heinrich. Florenz erneute 1315 das Verbannungsdekret gegen den Verbannten. Eine im folgenden Jahre vom Grafen Guido di Battifolle ihm angebotene Amnestie lehnte er ab, weil die Erlaubnis zur Rückkehr an erniedrigende Bedingungen geknüpft war. Das Ende seines Lebens verbrachte der Dichter in Ravenna, wo er an Guido Novelli, dem Herrn der Stadt und Neffen der berühmten Francesca da Rimini, einen Gönner gefunden hatte. Vorher hatte er kurze Zeit in Verona bei dem Bruder des Bartolomeo della Scala, Cangrande della Scala, verbracht, dem hervorragendsten unter den ghibellinischen Fürsten Italiens, den Kaiser Heinrich zum Reichsvikar von Verona ernannt und auf den Dante die grössten Hoffnungen gesetzt hatte.
In Ravenna vollendete Dante seine Komödie, und hier starb er am 14. September 1321.
Die bitteren Erfahrungen seines Lebens, ein tiefwurzelnder Hass gegen seine Parteigegner und Widersacher, die Empörung über die verrotteten politischen Zustände und den sittlichen Verfall seiner Vaterstadt finden fast in jedem Gesang der Göttlichen Komödie ihren Ausdruck, und gerade diese fortgesetzten Beziehungen auf wirkliches Erleben geben dem Dichtwerk eine ganz ausserordentliche Frische und Lebendigkeit. Aber nicht minder stark wirkte in Dante ein innerliches Erleben, seine Liebe zu dem schönen und reinen Mädchen, dessen verklärtes Abbild die Beatrice seiner Dichtung ist. Als 8jähriges Kind soll er sie bei einer Festlichkeit erblickt haben — dass sie die Nachbarstochter Beatrice Portinari gewesen sei, glaubt die neuere Danteforschung nicht mehr — selbst nur ein Jahr älter als sie, und diese Liebe, die seine Knaben- und Jünglingsjahre beherrschte, erlosch nicht, als das Mädchen die Gattin eines andern wurde, ja nicht einmal, als Dante selbst eine Vernunftehe schloss, welche ihm vier Kinder bescherte. In späteren Jahren ist das Gedenken an seine einzige wahre Liebe vielleicht zeitweilig durch eine oder die andere Frauengestalt verdunkelt, aber niemals völlig verlöscht worden, und in der Göttlichen Komödie ist die Beatrice genannte verklärte Lichtgestalt von solchem Himmelsglanz umflossen, dass wohl niemals Dichterliebe einem Weibe eine ähnliche Huldigung dargebracht hat.
Die Göttliche Komödie schildert zunächst den Zustand der abgeschiedenen Seelen im Jenseits, was im Mittelalter ein beliebtes Thema geistlicher Schauspiele war. Die drei Reiche der jenseitigen Welt, die Hölle, das Fegefeuer und den Himmel, bevölkert Dante mit Gestalten aus dem Altertum und der antiken Mythologie, dem mittelalterlichen Sagenkreise und dem Volksglauben, dem Alten und dem Neuen Testament, der Heiligengeschichte, nicht zum wenigsten aber aus der ihn unmittelbar berührenden Zeitgeschichte. Die Platzanweisung, die er den einzelnen Personen zuteil werden lässt, gibt dem Dichter die Möglichkeit einer alles überragenden Kritik, die nicht nur Freunde und Gegner richtet oder belohnt, sondern auch über politische Anschauungen, wissenschaftliche Probleme, philosophische Streitfragen und die tiefstgründigen theologischen Untersuchungen ein Urteil findet. Dabei fällt dem modernen Leser am meisten einerseits die Leidenschaft des ehrlichen Hasses gegen die Widersacher und anderseits die Lauterkeit der Moral auf, die den Dichter auszeichnen. Vor allem aber steht Dante auf dem Boden der strengsten Katholizität; der Reinheit und Grösse der katholischen Kirche gilt sein frommes Sorgen, und wenn er die der Simonie und anderer Verbrechen schuldigen Kirchenfürsten, seien sie noch so hochgestellt, in der Hölle büssen lässt, so kommt darin sein Kummer über die Vergewaltigung der katholischen Kirche zu ergreifendem Ausdruck.
Die Örtlichkeiten — namentlich Hölle und Fegefeuer, die nach des Dichters Darstellung noch Teile dieser Erde sind — werden mit grösster Deutlichkeit, ja unter Angabe genauer Masse geschildert, so dass manche Herausgeber und Erklärer des Werkes die Stätten der Strafe und der Busse in topographischen Aufnahmen vorzuführen versucht haben. Der Höllentrichter beginnt unter der Erdoberfläche, als deren Mitte Jerusalem gedacht wird, und erstreckt sich in vielfachen Abstufungen, in deren einzelnen Kreisen die verschiedenen Sünden vergolten werden, bis in den Mittelpunkt der Erde, den Satan, der Höllenfürst, innehat. Der Hölle gegenüber, in der Wasserwüste, die dem Mittelalter, für das Amerika noch nicht entdeckt war, auf der westlichen Halbkugel erschien, ragt der Berg der Läuterung empor, auf dessen höchster Spitze das irdische Paradies liegt. Die Reiche des himmlischen Paradieses, zu dem sich die Seele von dem höchsten Kreise des Läuterungsberges emporschwingt, liegen auf den Sternen, alle aber sind sie umschlossen und gekrönt von dem Empyreum, dem Kristallhimmel, in dem der Urgrund aller Dinge und das Sehnsuchtsziel alles Geschaffenen, Gott selbst, thront.
Diese Reiche zu schauen, ward dem Dichter vergönnt, und er berichtet von seiner Fahrt, nicht nur, um Gesehenes zu schildern, sondern um Strafe, Busse und Heiligung für den Christenmenschen wirksam zu machen. Dass ihm die Aufgabe gelingt, ist ein Ausfluss der göttlichen Gnade, die sich ihm infolge der Fürbitte der Beatrice erschliesst. Für das Höllenreich und das Fegefeuer dient ihm als Führer Virgil, der Sänger der Höllenfahrt des Äneas, der dem Mittelalter als der weiseste unter den Dichtern des Altertums galt und dem eine Vorahnung des Christentums zugeschrieben ward. Vor dem irdischen Paradies verabschiedet Virgil sich von dem Dichter, und ein holdes Weib, Matelda geheissen, übernimmt die Führung, die aber im himmlischen Paradiese an Beatrice abgetreten wird. Symbolisch wird diese holde Frau auf die Philosophie, die Weltweisheit gedeutet, der Dante sich eine Zeitlang verschrieben hatte; nur die Religion aber, der Glaube, die Gottesgelehrtheit, die in Beatrice leben, vermag das Werk der Läuterung bis zur Heiligung und zum Anschauen Gottes zu vollenden.
Jedem der drei Reiche sind 33 Gesänge gewidmet; der Einleitung, welche schildert, wie Dante in der Mitte seines Lebens — das Erdenwallen dauert 70 Jahre, er ist also 35 Jahre alt, und man schreibt das Jahr 1300 — in einem dichten Wald vom rechten Wege abgeirrt, drei Untieren, dem Panther, dem Löwen, dem Wolf, d.h. der Wollust, dem Hochmut, der Habgier gegenübersteht und, um ihnen zu entgehen, unter der Führung des Äneas die Fahrt ins Jenseits machen muss, dient 1 Gesang. Das ganze Gedicht umfasst somit 100 Gesänge von annähernd gleicher Länge. Dante wählte für die Darstellung die Terzinen, fünffüssige Jamben, die sich mit dem Reim nach dem Schemaa b a b c b c dschmücken. Die Wittesche Übersetzung stellt Treue und Verständlichkeit über die Beibehaltung des kunstreichen Reimbaus. Der Leser wird aber dem genialen Übersetzer die Anerkennung nicht versagen, dass auch der reimlose Jambus, den er gewählt, den „majestätischen Wellenschlag des Danteschen Verses“ in unübertroffener Weise wiedergibt.
D r.F r i e d r i c hR a m h o r s t
Zeuch auf die Segel, um nun bessre Fluten,
O Schifflein meines Geistes, zu durchschneiden,
Das hinter sich so grimmes Meer zurücklässt.
Von jenem zweiten Reiche will ich singen, (4)
Wo sich der Geist der Abgeschiednen läutert
Und würdig wird, zum Himmel aufzusteigen.
Doch hier erhebe ich die tote Dichtkunst, (7)
O heil'ge Musen, denn ich bin der Eure,
Und höher schwinge sich Calliope,
Mein Lied mit jenem Klange zu begleiten, (10)
Der so die armen Pieriden traf,
Dass des Verzeihens Hoffnung sie verloren.
Des indischen Saphires schöne Farbe, (13)
Die sich im Anblick dieser, bis zum ersten
Der Kreise lautren, Luft gesammelt bot,
Gewährte meinen Blicken neue Wonne, (16)
Sobald ich aus der toten Luft hervortrat,
Die mir betrübt so Brust als Augen hatte.
Der ganze Morgenhimmel lacht' im Glanze (19)
Des schönen Wandelsterns, der Liebe fördert,
So dass die Fisch' erblichen, die ihn hegten.
Als ich, nach rechts mich kehrend, jenem Pole (22)
Mein Augenmerk zuwandte, sah vier Stern' ich,
Die seit den ersten Menschen niemand sah.
Zu freun schien sich der Himmel ihrer Flämmlein. (25)
Wie bist du, mitternächtig Land, verwaiset,
Weil dieser Sterne Anblick dir versagt ist!
Von ihrem Anschaun wandt' ich meine Blicke (28)
Ein wenig mehr dem andren Pole zu,
An dem der Wagen unsichtbar geworden.
Da sah, mir nächst, ich einen Greis allein stehn; (31)
Nach seinem Aussehn solcher Ehrfurcht würdig,
Wie grössre nie ein Sohn dem Vater schuldet.
Lang trug den Bart er, der, dem Haupthaar ähnlich, (34)
In reichlichem Gemisch von weissen Haaren
Zur Brust herab in Doppelstreifen wallte.
Sein Angesicht umleuchteten die Strahlen (37)
Der heiligen vier Lichter so mit Klarheit,
Dass ich ihn sah, als wie im Licht der Sonne.
Wer seid ihr, die, dem dunklen Bach entgegen, (40)
Entflohn ihr seid dem ewigen Gefängnis? —
So redend, regt' er die ehrwürd'gen Haare.
Wer war euch Führer, wer hat euch als Leuchte (43)
Gedient, als ihr herausstiegt aus der Nacht,
Die stets das Höllental bedeckt mit Dunkel?
Ist das Gesetz des Abgrunds so gebrochen, (46)
Hat neuer Ratschluss obgesiegt im Himmel,
Dass, als Verdammt', ihr kommt zu meinem Felsen? —
Bei diesen Worten fasste mich mein Führer (49)
Und hiess mit Worten, Hand und Winken mich,
Durch Aug' und Kniee Ehrfurcht ihm beweisen.
Dann sagt' er: Nicht von freien Stücken kam ich; (52)
Vom Himmel stieg ein Weib, auf deren Bitte
Ich diesem Beistand lieh durch mein Geleite.
Doch weil dein Wunsch es ist, dass ich genauer, (55)
Wie sich's mit uns verhält, dir offenbare,
Kann nicht der meine sein, es zu verschweigen.
Noch nimmer sah den letzten Abend dieser; (58)
Doch bracht' ihn seine Torheit ihm so nahe,
Dass gar geringe Zeit noch daran fehlte.
Gesendet ward ich, wie du schon vernommen, (61)
Um ihn zu retten, und zum Ziele führte
Von allen Wegen der nur, den ich einschlug.
Schon zeigt' ich ihm die Sünder all und denke (64)
Ihm nun die andren Seelen auch zu zeigen,
Die unter deiner Obhut hier sich läutern.
Viel Zeit bedürft' es, wollt' ich dir erzählen, (67)
Wie ich ihn hergebracht; durch Kraft von oben
Führt' ich ihn her, zu sehn dich und zu hören.
Geneige denn, sein Kommen gutzuheissen. (70)
Nach Freiheit strebt er, deren Wert am besten
Versteht, wer ihrethalb das Leben aufgab.
Du weisst es, denn nicht scheutest du den Tod (73)
In Utica für sie, wo das Gewand
Du liessest, das am grossen Tag wird leuchten.
Wir brachen nicht die ewigen Gesetze, (76)
Denn dieser lebt, und ich bin, frei von Minos,
In jenem Kreise, wo die schönen Augen
Von deiner Marcia sind, die noch den Wunsch hegt, (79)
O heil'ges Herz, dass du für dein sie haltest.
So sei uns, ihr zuliebe, denn gewogen,
Lass deine sieben Reiche uns durchwandeln. (82)
Erlaubst du, dass dort unten man dich nenne,
So werd' ich unsren Dank ihr überbringen. —
So angenehm war Marcia meinen Augen, (85)
Solang ich jenseits weilte, sagt' er drauf,
Dass jeden ihrer Wünsch' ich ihr gewährte.
Doch, seit sie jenseits weilt des argen Flusses, (88)
Berührt sie mich nicht mehr nach dem Gesetze,
Das aufgerichtet ward, als ich dort ausging.
Doch wenn, wie du mir sagst, ein Weib vom Himmel (91)
Dich gehn hiess und dich lenkt', bedarf's kein Schmeicheln;
Dass ihrethalb du bittest, muss genügen.
So geh und sorge, dass mit schlichter Binse (94)
Du diesen kränzest und vom Angesicht,
Ihn rein'gend, jede Schmutzesspur du tilgest;
Denn ungeziemend würd' es sein, mit Augen, (97)
Die Nebel noch umfingen, vor den ersten
Der Paradiesesdiener hinzutreten.
Es trägt ringsum an ihrem untren Ende, (100)
Wo Wellen sie bespülen, diese Insel
Der Binsen viel auf ihrem grünen Ufer.
Nicht würde ein Gewächs, das sich belaubte (103)
Und Holz ansetzte, dort am Leben bleiben,
Weil es der Welle Schlägen sich nicht fügte.
Nicht: bierher mögt ihr dann zurück euch wenden. (106)
Die Sonne, die gleich aufsteigt, wird euch weisen,
Wo ihr den Berg in mindrer Steile angreift. —
Damit verschwand er, aber ich erhob mich (109)
Und schloss mich schweigend eng an meinen Führer,
Auf den ich aufmerksam die Augen wandte.
Darauf begann er: Folge meinen Schritten, (112)
Und kehren wir zurück, denn diese Ebne
Neigt dorthin sich zu ihrem untren Ende. —
Schon wich die Dämmerung der Morgenhelle (115)
Und floh gen Westen, so dass aus der Ferne
Des Meeresspiegels Zittern ich erkannte.
Wie wer zum Weg, den er verfehlte, umkehrt (118)
Und meint, bis zu ihm hin geh' er vergebens,
So schritten wir auf jener öden Fläche.
Als wir dorthin gelangten, wo der Tau (121)
Im Kampf ist mit der Sonne, doch an Stellen,
Wo länger Schatten bleibt nur schwach verdunstet,
Da streifte mit den ausgespannten Händen (124)
Gelinde das betaute Gras mein Meister.
Ich aber, der erriet, was er bezweckte,
Bot ihm die tränenreichen Wangen dar. (127)
Da liess die Farbe, die der Hölle Qualen
An mir verhüllt, er völlig wiederkehren.
Dann kamen wir zum öden Meeresstrande, (130)
Der niemals seine Flut durchschiffen sah
Von einem, der dann heimgekehret wäre.
Dort kränzt' er mir die Stirn nach jenes Willen, (133)
Und, Wunder! jede unscheinbare Pflanze,
Die er erkor, wuchs an derselben Stelle,
Wo er sie ausriss, gleich in alter Weise. (136)
Schon nahte jenem Horizont die Sonne,
Des Mittagskreis in seinem höchsten Punkte
Jerusalem bedeckt, die hochgebaute,
Und, die die Erd' ihr gegenüber umkreist, (4)
Die Nacht stieg aus dem Ganges mit der Wage,
Die ihrer Hand entfällt, wenn sie erstarket;
So dass die roten und die weissen Wangen (7)
Der lieblichen Aurora, wo ich war,
Vor Alter sich allmählich gelber färbten.
Noch waren nahe wir dem Strand des Meeres, (10)
Gleich Leuten, die, den Weg sich überlegend,
Im Herzen gehn, doch mit dem Leib verweilen.
Da sieh, wie überrascht vom Morgengrauen (13)
Im fernen Westen, nah dem Meeresspiegel,
Rotglühend Mars durch dichte Dünste schimmert,
So schien mir (möcht' ich einst es wiedersehen!) (16)
Ein Licht so eilig übers Meer zu kommen,
Dass keines Vogels Flug an Schnell' ihm gleich ist.
Als ich das Aug' ein wenig abgewendet, (19)
Nur um vom Führer Auskunft zu erbitten,
War grösser es und leuchtender geworden.
Dann sah ich Weisses ihm zu beiden Seiten; (22)
Nicht wusst' ich, was es sei, jedoch allmählich
Ward unten andres Weiss noch offenbar.
Noch schwieg mein Meister; aber als das Weisse, (25)
Das wir zuerst sahn, sich als Flügel zeigte,
Und er den Fährmann sicher nun erkannte,
Da rief er: Beuge, beuge schnell die Kniee (28)
Und sieh, die Hände faltend, Gottes Engel!
Nur solche Diener wirst fortan du treffen.
Die Mittel, die der Mensch bedarf, verschmäht er; (31)
Du siehst: kein Ruder führt er, und die Flügel
Sind über weites Meer sein einzig Segel.
Sieh, wie er aufrecht sie gen Himmel kehret; (34)
Die Luft mit ewigem Gefieder schlagend,
Das sich nicht ändert, wie das Haar des Menschen: —
Je mehr der Gottesvogel nun herankam, (37)
Um so viel leuchtender erschien sein Strahlen,
So dass von nahem nicht das Aug' ihm standhielt,
Und ich es senkte. Jener aber führte (40)
Heran den schnellen Nachen, der so leicht war,
Dass nichts davon das Wasser in sich aufnahm.
Am Steuer stand der gottentsandte Schiffer, (43)
So schön, dass seine Schildrung schon beseligt,
Und innen sassen mehr als hundert Geister.
Sie sangen insgesamt mit einer Stimme; (46)
„Da Israel hinauszog aus Ägypten“
Und was in jenem Psalme mehr geschrieben.
Als dann er mit dem Kreuze sie gesegnet, (49)
Warf sich ein jeglicher bebend ans Ufer;
Er aber ging, so schnell als er gekommen.
Fremd schien der Menge, welche nun zurückblieb, (52)
Der Ort; denn zweifelnd blickten sie umher,
Gleich einem, der da probt, was ihm noch neu ist.
Nach jeder Seit' entsendete die Sonne (55)
Den Tag, und hatte mit den lichten Pfeilen
Den Steinbock von des Himmels Höh' vertrieben.
Zu uns erhoben da die Neugekommnen (58)
Ihr Angesicht und sagten: Wisst ihr ihn,
So zeigt den Weg uns zu des Berges Aufstieg. —
Virgil erwiderte: Vermutlich denkt ihr, (61)
Wir sei'n des Ortes kundig; doch wir sind
Fremdlinge hier, nicht anders, als auch ihr seid.
Nur kurz vor euch sind wir auf andrem Wege (64)
Als ihr gekommen, und so schwierig war er,
Dass uns des Bergs Ersteigung nun ein Spiel dünkt. —
Die Seelen aber, die an meinem Atmen (67)
Erraten hatten, dass ich lebend sei,
Verwunderten sich so, dass sie erblassten.
Wie wohl, um Neues zu vernehmen, Leute (70)
Entgegenziehn dem Boten mit dem Ölzweig
Und sich vor dem Gedränge keiner fürchtet,
So hafteten an meinem Anblick diese (73)
Beglückten Seelen alle und vergassen,
Den Schmuck der Reinigkeit sich zu erringen.
Und aus der Seelenschar hervor trat eine, (76)
Mich zu umarmen mit so grosser Liebe,
Dass zur Erwiderung sie mich bewog.
O Schatten, wesenhaft nur für das Auge! (79)
Dreimal umwand ich hinter ihm die Hände
Und dreimal führt' ich sie zur Brust zurück.
Vor Staunen glaub' ich, dass ich mich verfärbte, (82)
Weshalb der Schatten lächelnd von mir wich,
Und als ich vorwärts schritt, um ihm zu folgen,
Mich sanft und freundlich abzustehn ermahnte. (85)
Da ward ich, wer er sei, gewahr und bat ihn,
Dass er mit mir zu reden etwas weile.
Wie ich im Leib, der sterblich war, dich liebte, (88)
Erwidert' er, lieb' ich von ihm getrennt dich.
Darum verweil' ich; aber warum gehst du? —
Hierher zurückzukehren, mein Casella, (91)
Sagt' ich darauf, schritt ich zu dieser Reise.
Doch was hat dir so viele Zeit genommen? —
Und er darauf: Wenn, der da abruft, wen er (94)
Und wann er will, mir diese Überfahrt
Mehrfach verwehrt, geschah mir drum kein Unrecht;
Denn aus gerechtem Willen fliesst der seine. (97)
Hat er doch seit drei Monden aufgenommen,
Wer einzugehn verlangt' in rechtem Frieden.
So wurde denn, zum Meeresstrand gewendet, (100)
Wo sich der Salzflut mischt das Tiberwasser,
Auch ich wohlwollend von ihm aufgenommen.
Zu jener Mündung spannt er jetzt die Flügel; (103)
Denn eingesammelt wird zu allen Zeiten
Dort, wer nicht niedersteigt zum Acheron. —
Raubt dir kein neu Gesetz, sagt' ich dagegen, (106)
Des liebevollen Sanges Brauch und Kenntnis,
Der all mein Sehnen zu beruh'gen pflegte,
So wolle meiner Seele, die begleitet (109)
Vom Leib hierherkam und sich schwer beklemmt fühlt,
Ein wenig Labsal durch dein Lied bereiten. —
„Die Liebe, die zu mir im Geiste redet“, (112)
Hub er darauf so süss zu singen an,
Dass noch die Süssigkeit mir innen nachtönt.
Mein Meister, sowie ich und jene Seelen, (115)
Die mit ihm kamen, schienen so beseligt,
Als läge keinem sonst etwas im Sinne.
Wir gingen ganz vertieft in seine Töne; (118)
Da stand der würd'ge Greis vor uns und schalt:
Was soll das heissen, ihr säumsel'gen Geister?
Welch Säumen ist das, welche Lässigkeit? (121)
Zum Berge eilt, die Hülle abzustreifen,
Die offenbar euch Gott nicht werden lässt! —
Wie Tauben, die versammelt sind zum Futter, (124)
Schweigsam und ohne den gewohnten Hochmut
Die Haferkörner picken, oder Trespen,
Sobald, was ihnen Frucht bringt, sie gewahren, (127)
Weil sie nun Wichtigres zu sorgen finden,
Ablassen alsobald von ihrer Atzung,
So sah ich jene neugekommne Schar (130)
Sich vom Gesange ab zum Berge wenden,
Wie, wer nicht weiss, wohin sein Weg ihn führe.
Und unser Aufbruch war nicht minder eilig. (133)
Obwohl die schnelle Flucht die andren alle
Weithin verstreute über jene Fläche
Zum Berg hin, wo Gerechtigkeit uns züchtigt,
Schloss ich mich doch dem treuen Führer an; (4)
Wie wär' ich ohne ihn auch vorgegangen,
Wer hätte mich den Berg hinaufgeleitet?
Es schien mir, dass ihn sein Bewusstsein schelte. (7)
O unbeflecktes, würdiges Gewissen,
Wie ist ein kleiner Fehl dir herber Vorwurf!
Als sich der Eile seine Füss' entschlugen, (10)
Die jeder Handlung raubt den rechten Anstand,
Erschloss mein Geist sich, der bisher gebannt war,
Begierig neue Dinge wahrzunehmen, (13)
Und zu dem Berge wandt' ich meine Blicke,
Der mehr als einer aus dem Meere auftaucht.
Und was in meinem Rücken rötlich glühte, (16)
Das Sonnenlicht, war vor mir unterbrochen
In der Gestalt, in der mein Leib es hemmte.
Als nur vor mir ich dunkel sah die Erde, (19)
Da kehrt' ich voller Schrecken mich zur Seite,
Weil ich verlassen mich vom Führer wähnte.
Doch, der mir Stütze war und Trost, begann, (22)
Mir gänzlich zugekehrt: Warum misstraust du,
Glaubst du mich fern und dass ich dich nicht führe?
Schon sinkt der Abend dort, wo meinen Körper, (25)
In dem ich Schatten warf, Neapel hegt,
Das ihn den Brundusinern hat entnommen.
Ist denn kein Schatten jetzt vor mir zu sehen, (28)
So wundre dich's nicht mehr, als dass ein Himmel
Dem andren keinen Strahl des Lichts verdecket.
Um Qualen zu erdulden, Frost und Gluten, (31)
Gibt Leiber, jenen ähnlich, die wir hatten,
Die Kraft uns, die geheimhält, wie sie schaffe.
Betört ist, wer mit menschlichem Verstande (34)
Den Weg ohn' End' erspähn will, den ein Wesen
In drei Personen geht in seinem Wirken.
Begnügt, ihr Menschen, euch bei dem „So ist es!“; (37)
Denn, wäret alles zu verstehn ihr fähig,
So brauchte nicht Maria zu gebären;
Wohl saht vergeblich solche ihr verlangen, (40)
Die, wenn je einer, Frucht erwarten durften
Der Sehnsucht, die für sie nun ew'ge Qual ist.
Den Aristoteles und Plato mein' ich (43)
Und andre mehr. — Alsdann senkt' er die Stirne
Und schwieg, nachhängend traurigen Gedanken.
Zum Fuss des Berges waren wir gelangt; (46)
Doch war der Felsenhang von solcher Steile,
Dass fruchtlos blieb des Beins Behendigkeit.
Die wüstesten, die jähsten Felsensteige (49)
Dort von Turbia bis gen Lerici
Sind im Vergleiche gar bequeme Treppen.
Wenn man nun wüsste, wo der Berg sich senket, (52)
Begann mein Meister, seine Schritte hemmend,
So dass, wer keine Flügel hat, hinaufkann. —
Und während er, den Blick zur Erde senkend, (55)
Des Wegs Beschaffenheit noch untersuchte,
Und an der Felsenwand empor ich schaute,
Sah eine Schar von Geistern linkerhand (58)
Ich ihre Füsse auf uns zu bewegen;
Jedoch so langsam, dass man's kaum gewahr ward.
Erhebe, sagt' ich da, dein Auge, Meister; (61)
Dort sind, wenn du nicht selber Auskunft findest,
Die ob des Weges uns belehren werden. —
Er blickte auf und mit entschlossnem Tone (64)
Erwidert' er: So komm; die gehn gar sachte,
Du aber hoffe sicher, lieber Sohn! —
Wir mochten Schritt gegangen sein, (67)
Und jene Geisterschar war uns nur noch
Um eines guten Wurfes Weite fern,
Als an die harte Wand des hohen Ufers (70)
Sich drängend alle unbeweglich standen,
Wie wer, des Wegs unsicher, spähend stehnbleibt.
Ihr wohlgestorbnen, schon erkornen Seelen, (73)
Also begann Virgil, bei jenem Frieden,
Der euer aller, wie ich glaube, wartet,
Sagt uns, wo sich des Berges Steile senket, (76)
So dass hinaufzusteigen möglich werde.
Zeit zu verlieren scheut zumeist der Kluge. —
So wie die Schäflein aus der Hürde kommen (79)
Zu zweien oder drei'n, indes die andren
Furchtsam so Aug' als Schnauze niedersenken,
Und was der erste tut, das tun die andren; (82)
Einfach und still und das Warum nicht wissend,
Stehn sie, ihm angedrängt, sobald es stehnbleibt.
Also sah damals ich die Spitze jener (85)
Beglückten Herde zögernd sich bewegen,
Im Antlitz schamhaft und im Gange ehrbar.
Als nun das Sonnenlicht zu meiner Rechten (88)
Am Boden unterbrochen sahn die vordern,
So dass der Schatten fiel von mir zum Fels hin,
Da standen sie und traten scheu zurücke; (91)
Die andren aber hinter ihnen taten
Das gleiche, ob sie wohl den Grund nicht kannten.
Bevor ihr fraget, will ich euch bekennen, (94)
Dass dieser hier ein Menschenkörper ist;
Drum ist das Sonnenlicht vor ihm gespalten.
Erstaunet nicht und seid vielmehr versichert, (97)
Dass er nicht ohne Kraft, gewährt von oben,
Bestrebt ist, diese Felswand zu erklimmen. —
Also mein Meister, und die werten Seelen, (100)
Mit umgekehrter Hand uns winkend, riefen:
Kehrt um; dort vorwärts findet ihr den Eingang. —
Und einer aus der Schar begann: Wer immer (103)
Du seiest, schaue her, indes du wandelst,
Ob jemals du dort jenseit mich gesehn hast. —
Ich wandte mich ihm zu mit scharfem Blicke; (106)
Blond war und schön er und von edlem Ansehn,
Doch hatt' ein Hieb gespalten eine Braue.
Als ehrerbietig ich darauf verneinet, (109)
Ihn je gesehn zu haben, sprach er: Sieh dann!
Und zeigt' hoch auf der Brust mir eine Wunde.
Dann lächelt' er und sagte: Ich bin Manfred, (112)
Der Enkelsohn der Kaiserin Constanza.
Drum bitt' ich dich, wenn zu der Welt du heimkehrst,
Zu meiner schönen Tochter, die die Mutter (115)
Von Arragons und von Siziliens Ruhm ist,
Zu gehn, statt Lüge Wahrheit ihr zu künden.
Als mir durchbohrt von zweien Todeswunden (118)
Der Körper war, da übergab ich weinend
Dem Herren mich, der willig zu verzeihn ist.
Entsetzlich waren meine Sünden; doch (121)
So gross ist Gottes Gnadentum, dass jeden,
Der reuig sich ihm zukehrt, er ergreifet.
Wenn dieses Blatt im Worte Gottes besser (124)
Der Hirte von Cosenza, welchen Clemens
Jagd auf mich machen hiess, gelesen hätte,
So ruhten die Gebeine meines Leibes (127)
Noch jetzt bei Benevent am Fuss der Brücke,
Behütet von den aufgehäuften Steinen.
Jetzt schlägt der Regen und zerstreut der Wind sie (130)
Jenseits der Grenze nah dem Verdestrande,
Wohin er bei verlöschtem Licht sie brachte.
Wem sie geflucht, ist drum nicht so verloren, (133)
Dass nicht, solang die Hoffnung nicht verdorrt ist,
Die ew'ge Lieb' ihm wiederkehren könnte.
Wer ungehorsam stirbt der heil'gen Kirche, (136)
Muss, endet er auch reuig, dreissigmal
Solang, als er in seinem Trotz beharrte,
Von diesem Felsenufer ausgeschlossen (139)
Verweilen, wenn die so bestimmte Frist
Durch wirksames Gebet ihm nicht gekürzt wird.
Erkenne nun, ob du mir wohltun kannst, (142)
Enthüllst du meiner wackeren Constanze,
Wie du mich fandest und was mich hier festhält.
Gar förderlich sind hier uns die dort drüben. — (145)
Wenn unsre Seel' in Freuden oder Schmerzen,
Die eine unsrer Kräft' in Anspruch nehmen,
Ausschliesslich dieser einen Kraft sich zukehrt,
So scheint sie taub für jeden andren Eindruck. (4)
Das widerlegt den Irrtum, welcher wähnet,
Dass Seel' auf Seele sich in uns entzünde.
Deshalb vergeht, und man bemerkt es nicht, (7)
Die Zeit, gewahrt man oder hört man Dinge,
Die mächtig unsre Seele an sich ziehen;
Denn eine ist die Fähigkeit, die aufmerkt, (10)
Und die der ganzen Seele ist die andre;
Die erste frei, gebunden aber diese.
Hiervon hatt' ich lebendige Erfahrung, (13)
Als voll Verwundrung jenem Geist ich lauschte;
Denn, ohne dass ich's wahrgenommen, war
Die Sonne fünfzig Grad emporgestiegen. (16)
Einstimmig riefen da die Seelen alle:
Hier ist der Ort; hier ist, was ihr begehret. —
Oft ist die Öffnung grösser, die der Landmann (19)
Mit einer Gabel voller Dornen zuschliesst,
Wenn seine Trauben sich im Herbste bräunen,
Als jener Kluft, durch welche, meinem Führer (22)
Nachfolgend, ich nun einsam aufstieg, Eingang,
Indes die Seelenschar sich von uns trennte.
Zum Kulm Bismantovas steigt man hinauf, (25)
Geht nach San Leo, steigt nach Noli nieder
Auf eignen Füssen; doch hier gilt's zu fliegen
Mit heisser Sehnsucht kräftigem Gefieder, (28)
Dem sicheren Geleit des Führers folgend,
Der, Hoffnung reichend, mir den Pfad erhellte.
Wir kletterten in jenes Felsens Spalte, (31)
Durch das Gestein gehemmt von jeder Seite,
Auch forderte der Boden Händ' und Füsse.
Als zu des hohen Ufers letztem Rande (34)
Gelangt wir waren, zu der offnen Tenne,
Begann ich: Meister, welche Richtung wählst du? —
Bergab gewandt sei deiner Schritte keiner, (37)
Sagt' er darauf; mir folgend, strebe aufwärts,
Bis ein des Weges Kund'ger uns begegnet. —
Der Berg stieg höher, als das Auge reichte, (40)
Und steiler war sein Abhang, als die Linie,
Die von dem Zentrum führt zum Halbquadranten.
Ermattet war ich, als ich so begann: (43)
Ach, süsser Vater, wende dich und siehe,
Wie ich zurück, wenn du nicht weilest, bleibe. —
Er sagte: Nur bis dorthin schleppe dich — (46)
Und wies auf einen Vorsprung wenig höher,
Der rings den Berg an dieser Stell' umgürtet.
Gespornt von seinem Wort, rafft' ich mich auf, (49)
Bis ich, ihm nach auf allen vieren kletternd,
Des Berges Ring mit meinem Fuss betreten.
Wir setzten, hingewandt woher wir kamen, (52)
Uns beide, unser Aug' gekehrt gen Morgen,
Wohin zu blicken Heil zu bringen pflegt.
Erst schaut' ich abwärts zu dem niedren Ufer, (55)
Dann blickt' ich auf zur Sonn', und wie erstaunt' ich,
Als ihre Strahlen uns von links her trafen.
Wohl ward gewahr der Dichter, wie ich ganz (58)
Befremdet nach des Lichtes Wagen starrte,
Der zwischen uns und Norden sich bewegte.
Drum sagt' er mir: Wenn Castor sowie Pollux (61)
Jetzt im Geleite jenes Spiegels wären,
Der auf- und abwärts seine Strahlen spendet,
So sähst den Tierkreis, von der Sonn' entflammet, (64)
Noch näher an den Bärinnen du kreisen,
Falls den gewohnten Weg er nicht verliesse.
Willst du imstande sein, dies zu erkennen, (67)
So denk', in dich gekehrt, dir auf der Erde
Sich gegenüber diesen Berg und Zion.
Drum haben sie verschiedne Hemisphären, (70)
Doch einen Horizont, und du begreifst nun,
Wenn aufmerksam dein Geistesauge hinblickt,
Warum der Weg, den Phaeton verfehlte, (73)
Liegt er dort drüben auf der einen Seite,
Hier auf der andren muss vorüberführen. —
Gewiss, mein Meister, sprach ich, nimmer sah ich (76)
Mit solcher Klarheit, als ich nun er kenne,
Wo meine Fasskraft unzureichend schien.
Der Mittelkreis der himmlischen Bewegung, (79)
Der zwischen Sonne stets und Winter weilt,
Und den in einer Kunst man nennt Äquator,
Muss, um wieviel gen Mittag die Hebraer (82)
Ihn sahen, aus dem Grunde, den du nanntest,
Von hier gen Mitternacht gelegen sein.
Doch, wenn es dir beliebt, vernähm' ich gerne, (85)
Wie weit sich unser Weg erstreckt; die Höhe
Steigt weiter auf, als meine Blicke reichen. —
Drauf sagt' er: Dieser Berg ist so beschaffen, (88)
Dass schwierig er beim untren Anfang deucht
Und leichter wird, je höher man emporsteigt.
Wird dir der Berg dann einst so eben scheinen, (91)
Dass schwerer nicht dir aufzusteigen vorkommt,
Als günst'gen Windes mit dem Strom zu fahren,
So bist gelangt du zu des Pfades Ende (94)
Und magst von allen Müh'n der Ruhe pflegen.
Mehr sag' ich nicht; doch dies weiss ich als Wahrheit.
Und als sein Wort er kaum beendet hatte, (97)
Erscholl uns nah: Wer weiss, ob du zuvor
Dich auszuruhen nicht Bedürfnis fühlest? —
Bei diesem Worte wandten wir uns beide (100)
Und sahn ein Felsenstück zu unsrer Linken,
Das weder er noch ich zuvor gewahrte.
Dort wandten wir uns hin und fanden Leute, (103)
Die in dem Schatten so bequem sich's machten,
Wie wer vor Lässigkeit der Ruhe pfleget,
Und einer, welcher mir besonders müde (106)
Erschien, umarmte sitzend seine Knie,
In deren Mitt' er hängen liess sein Haupt.
Mein teurer Herr, begann ich, o betrachte (109)
Doch diesen, der sich lässiger beweist,
Als wenn die Faulheit seine Schwester wäre. —
Da wandt' er sich zu uns und, uns bemerkend, (112)
Erhob die Augen er entlang dem Schenkel
Und sprach: Geh nur hinauf, wenn du so stark bist. —
Da sah ich, wer er sei, und die Beklemmung, (115)
Die etwas mir den Atem noch beeilte,
Verhinderte mich nicht, zu ihm zu gehen.
Nur wenig hob er, als ich ihn erreichet, (118)
Das Haupt und sagte: Hast du wohl gesehn,
Dass hier die Sonne links den Wagen lenket? —
Die läss'ge Weise und die kurzen Worte (121)
Bewegten etwas meinen Mund zum Lächeln:
Belacqua, sagt' ich dann, so ist die Sorge
Um dich mir nun gehoben; aber sage, (124)
Was du hier weilst? Erwartest du Gefährten?
Hat dich die alte Unart neu befallen? —
Ach Bruder, sagt' er drauf, was hilft das Steigen? (127)
Mich liesse ja zur Büssung doch nicht gehen
Der Gottesvogel, der dort an der Tür sitzt.
So lange muss zuvor mir ausser ihr (130)
Der Himmel kreisen, als er tat im Leben,
Weil gute Seufzer bis zum End' ich aufhob,
Wenn früher Hilfe nicht Gebete bringen (133)
Aus einem Herzen, das in Gnade steht;
Nutzlos sind andre, nicht erhört im Himmel. —
Schon aber stieg vor mir der Dichter weiter (136)
Und sagte: Komme nun, denn schon berühret
Den Mittagskreis die Sonne, und vom Strand aus
Bedeckt die Nacht mit ihrem Fuss Marokko. (139)
Schon war von jenen Schatten ich geschieden
Und folgte weiter meines Führers Spuren,
Als einer hinter mir, gehobnen Fingers:
So seht doch, ausrief, wie der Strahl der Sonne (4)
Nicht leuchtet zu des Untren linker Seite
Und wie er sich gebart, als ob er lebe. —
Bei dieser Worte Laut wandt' ich die Blicke (7)
Und sah wie sie nach mir, nach mir nur starrten
Und nach dem Lichtstrahl, der durch mich gehemmt war.
Was lässt du dir den Geist so sehr befangen, (10)
Begann mein Meister, dass im Gehn du nachlässt?
Was kümmert dich, was dort geflüstert wird?
Komm, folge mir und lass die Leute reden. (13)
Steh fest gleich einem Turme, dessen Spitze,
Wie auch die Winde toben, nicht erzittert;
Denn wer in sich Gedanken auf Gedanken (16)
Aufschliessen lässt, entfernt sich nur vom Ziele;
Des einen Ungestüm schwächt ja den andren. —
Was konnt' ich wohl erwidern, als: Ich komme. — (19)
Ich sagt' es, angehaucht von jener Farbe,
Die oft dem Fehlenden Verzeihung einbringt.
Inzwischen kam den Abhang quer hernieder, (22)
Nur wenig vor uns, eine Seelenschar,
Die wechselweise sang: „Gott sei mir gnädig.“
Als sie bemerkten, dass den Sonnenstrahlen (25)
Mein Körper durchzudringen nicht gestatte,
Ward ihr Gesang zum langen, heisren Oh!
Und zwei von ihnen liefen als Gesandte (28)
Der andren uns entgegen mit der Frage:
Wollt über euren Zustand uns belehren. —
Mein Meister sagte drauf: Geht denn zurücke (31)
Und saget denen, die euch hergesendet,
Der Körper dieses hier sei Fleisch und Bein.
Sind also, weil sie seinen Schatten sahn, (34)
Sie stehngeblieben, so genügt die Antwort!
Sie haben ihn zu ehren allen Anlass. —
Nie sah entflammte Dünst' ich so geschwinde (37)
Den Himmel beim Beginn der Nacht durchstreifen,
Noch, wenn die Sonn' im Sinken, Sommerwolken,
Dass schneller rückgekehrt nicht diese wären. (40)
Kaum waren sie dort angelangt, als alle
Vereint in jähem Lauf sich zu uns wandten.
Gar zahlreich sind, die hier sich an uns drängen, (43)
Sie kommen dich zu bitten, sprach der Meister,
Doch weile nicht und höre sie im Gehn. —
O Seele, die, um froh zu werden, aufsteigt (46)
Mit den dir von Geburt verliehnen Gliedern,
Halt etwas an, so riefen sie, die Schritte.
Schau' hin, ob je du wen von uns gesehn hast, (49)
Dass Kunde du von ihm hinüberbringest.
Willst du schon gehn? Warum magst du nicht weilen?
Gewaltsam litten alle wir den Tod (52)
Und waren Sünder bis zur letzten Stunde;
Da bracht' ein Himmelslicht uns zur Besinnung,
So dass wir reuig und dem Feind vergebend (55)
Das Leben endeten, versöhnt mit Gott,
Der, ihn zu schaun, die Sehnsucht uns ins Herz legt. —
Und ich: Wie eure Züg' ich auch betrachte, (58)
Zum Heil geborne Geister, kenn' ich keinen;
Doch wünschet ihr, was ich vermag zu leisten,
So sprecht, und ich gelob' es zu vollbringen (61)
Bei jenem Frieden, den mit solchem Führer
Von Welt zu Welt ich zu erlangen strebe. —
Und einer sagte: Ohne dass du schwörest, (64)
Vertraut ein jeder deiner guten Tat,
Wenn nicht Unmöglichkeit den Willen aufhebt.
Drum bitt' ich, der ich vor den andren rede, (67)
Dass, wenn das Land du siehst, das von Romagna
Sich zu dem Königreiche Karls erstreckt,
Du so willfährig mir dein Fürwort spendest, (70)
Dass man für mich in Fano bet', und Zutritt
Ich zu der schweren Sünden Busse finde.
Dort stammt' ich her; allein die tiefen Wunden, (73)
Woraus das Blut, in dem ich wohnte, floss,
Erhielt ich im Gebiet der Stadt Antenors,
Wo ich am sichersten zu sein vertraute. (76)
Geheissen hatt' es der von Este, welcher
Weit mehr, als zu entschuld'gen ist, mich hasste.
Doch wäre nur gen Mira ich geflohn, (79)
Als eingeholt ich ward bei Oriago,
So weilt' ich dort noch heute, wo man atmet.
Ich aber lief zum Sumpf, und Schmutz und Röhricht (82)
Verstrickten mich; ich stürzte, und nun sah ich
Mein Blut am Boden eine Lache bilden. —
Dann rief ein andrer: Ach, wenn das Verlangen (85)
Gewährt dir werde, das dich zieht zum Berge,
So hilf dem meinen du durch gutes Mitleid.
Ich war aus Montefeltro, bin Buonconte; (88)
Nicht denkt Johanna mein und nicht die andren,
Drum geh' gesenkten Haupts ich unter diesen. —
Drauf sagt' ich: Welcher Zufall, welche Macht (91)
Entfernte dich so weit von Campaldino,
Dass nie bekannt ward deines Grabes Stelle? —
Und er: Noch überm Eremo entspringt (94)
Im Apennin ein Bach, genannt Archiano,
Und fliesst dann nieder zu dem Casentino.
Dorthin, wo dessen Name schwindet, kam ich (97)
Auf flücht'gem Fusse mit durchbohrter Kehle;
Es färbte, wie ich floh, mein Blut den Boden.
Da ward mein Auge trübe, und der Name (100)
Marias war mein letztes Wort. Dann fiel ich
Zur Erde, und mein Leib blieb nun allein.
Die Wahrheit red' ich, und du sag' es weiter: (103)
Mich fasste Gottes Engel; doch der Bote
Der Hölle schrie: Raub ist das, du vom Himmel!
Ob eines Tränleins, das ihn mir entrissen, (106)
Trägst du von hinnen sein unsterblich Teil;
So will ich mit dem andren anders schalten. —
Du weisst, wie in der Luft die feuchten Dünste (109)
Sich sammeln, die als Wasser niederfallen,
Sobald zur kalten Schicht sie aufsteigen.
Durch die Gewalt, die ihm verliehn sein Wesen, (112)
Erregte Dunst und Sturm der arge Wille,
Der mit des Geistes Kraft nur Arges sinnt.
Sobald es Nacht ward, überzog mit Nebel (115)
Von Pratomagno bis zum Joch das Tal er
Und liess darüber solche Kält' entstehen,
Dass jene schwangre Luft zu Wasser wurde. (118)
Der Regen fiel, und was das Land nicht aufsog,
Floss nieder in so manchem kleinen Rinnsal.
So angesammelt in den grössten Bächen (121)
Stürzt' er zum Königsstrom hin so gewaltsam,
Dass seinen Lauf kein Hindernis mehr aufhielt.
Archiano, flutenreich, fand meinen Körper (124)
Erstarrt an seiner Mündung; in den Arno
Riss er ihn fort, das Kreuz der Arme lösend,
Das ich gemacht, als mich der Schmerz bewältigt. (127)
Er wälzte mich umher an Grund und Ufern,
Und seine Beute ward mir Hüll' und Decke. —
Ach, wenn du heimgekehrt bist zu der Welt (130)
Und ausgeruht von deiner langen Reise,
So schloss der dritte Geist sich an die Rede
Des zweiten, denke mein, ich bin die Pia; (133)
Mich zeugte Siena, tötete Maremma.
Der weiss es, der zuvor auf meinen Finger
Den Trauring mit dein Edelstein mir steckte. — (136)
Wenn aufgehoben wird das Würfelspiel,
Bleibt, wer verloren, ärgerlich zurück,
Bedenkt die Würf' und lernt, was er versehn hat.
Dem andren aber folgt der ganze Haufen: (4)
Der drängt sich vor, ein zweiter zupft ihn hinten,
Ein dritter macht sich seitwärts ihm bemerklich.
Er aber weilt nicht, hört auf den und jenen; (7)
Wem er die Hand gereicht, ist nicht mehr lästig,
Und so erwehrt er klug sich des Gedränges.
So tat auch ich in jener dichten Schar; (10)
Denn, mein Gesicht bald da, bald dorthin wendend,
Macht' ich mich los von ihnen durch Versprechen.
Der Aretiner, den die grimmen Arme (13)
Des Ghin di Tacco töteten, war da,
Und auch der andre, der gejagt ertrunken.
Da baten mich mit ausgestreckten Händen (16)
Friedrich Novello so wie der Pisaner,
Durch den Marzucco Kraft bewies, der gute.
Graf Orso sah ich und die, wie sie sagte, (19)
Aus Neid und Missgunst, nicht ob eigner Schuld,
Von ihrem Körper losgerissne Seele
Des Peter de la Brosse, und dies bedenke (22)
Die Dame von Brabant, weil sie noch hier ist,
Dass sie nicht ärgrer Herde drum verfalle.
Als ich mich losgemacht von all den Schatten, (25)
Die nur, dass andre beten möchten, baten,
Damit ihr Heiligwerden sich erfrühe,
Begann ich: Du mein Licht, in einem Texte (28)
Scheinst du mit klaren Worten zu verneinen,
Dass je Gebet des Himmels Ratschluss ändre;
Und dennoch bitten diese nur um solches. (31)
Täuscht sie denn ihre Hoffnung, oder
Blieb unklar mir die Deutung deines Wortes? —
Nicht dunkel ist mein Wort, sagt' er dagegen, (34)
Noch trügerisch die Hoffnung dieser Seelen,
Wenn man nur aufmerkt mit gesundem Geiste.
Es beugt sich nicht des Richterspruches Höhe, (37)
Erfüllt im Augenblick das Liebesfeuer,
Was zu bezahlen hat, wer hier verweilet.
Dort aber, wo ich jenen Grundsatz aussprach, (40)
Ward nicht der Mangel ausgefüllt durch Bitten;
Denn losgetrennt von Gott war das Gebet.
Damit begnüge dich, und bis dich jene (43)
Belehrt, die zwischen Wahrheit und Verständnis
Dir Leuchte wird, lass ab von solchem Zweifel.
Verstehst du mich? Von Beatrice red' ich, (46)
Du wirst sie wiedersehn; doch weiter oben,
Auf dieses Berges Gipfel, selig lächelnd. —
O Herr, so sagt' ich, gehn wir denn geschwinder, (49)
Nicht so wie früher werd' ich nun ermatten,
Und sieh, wie Schatten schon der Berg uns bietet. —
Wir wollen vorwärts gehn mit diesem Tage, (52)
Erwidert' er darauf, so weit wir können;
Doch anders steht, als wie du denkst, die Sache.
Denn, die sich hinterm Berge jetzt versteckt hat, (55)
So dass du ihre Strahlen nicht mehr auffängst,
Siehst, eh' wir oben sind, du wiederkehren.
Doch sieh den Schatten, der so ganz allein (58)
Dort weilend nur nach uns das Auge wendet;
Er wird vom nächsten Weg uns Kunde geben. —
Wir kamen näher; o Lombardenseele, (61)
Wie sassest stolz du da und unerschüttert,
In deines Augs Bewegung Ruh' und Würde!
Sie redete mit keinem Wort uns an, (64).
Nur, wie wir gingen, blickte sie nach uns,
Wie wohl ein Löwe tut, wenn er sich ausruht.
Da trat Virgil zu ihr mit dem Begehren, (67)
Dass sie den besten Weg zur Höh' uns zeige;
Sie aber, statt der Bitte zu entsprechen,
Fragt' uns nach Vaterland und Lebensweise. (70)
Aus Mantova, — begann mein süsser Meister;
Da stand, der nur in sich bisher gekehrt war,
Der Schatten auf und sprach entgegeneilend: (73)
O Mantovaner, sieh in mir Sordello,
Aus deiner Stadt! — worauf sich beid' umarmten.
Geknechtetes Italien, Haus der Schmerzen, (76)
Schiff ohne Steuermann in grossem Sturme,
Nicht Länderkönigin, nein Hurenkammer!
Schon bei dem süssen Klange seiner Heimat (78)
War dieser edle Schatten so beeifert,
Den Landsgenossen freudig zu begrüssen;
Doch du! Auch heute sind, die in dir leben, (82)
Nicht ohne Krieg; es hassen sich einander,
Die eine Mauer und ein Graben einschliesst.
Betrachte ringsum deine Meeresküsten, (85)
Du Ärmste, blicke dann in deinen Schoss,
Ob Frieden irgendeinen Teil erfreue.
Was hilft es, dass Justinian den Zügel (88)
Dir hergestellt, wenn ledig bleibt der Sattel;
Geringer wär' die Schande ohne jenen.
Ihr, die verpflichtet wäret, fromm zu sein, (91)