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Paul Bokowski / Hinark Husen / Robert Rescue /
Frank Sorge / Volker Surmann / Heiko Werning

Geschichten aus der Müllerstraße

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ebook im be.bra verlag, 2013

© der Originalausgabe:
be.bra verlag GmbH
Berlin-Brandenburg, 2013
KulturBrauerei Haus 2
Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin
post@bebraverlag.de
Lektorat: Marijke Topp, Berlin
Umschlaggestaltung und Foto: Manja Hellpap, Berlin
Schrift: Stempel Garamond 10/14 pt
ISBN 978-3-8393-0112-8 (epub)
ISBN 978-3-89809-108-4 (print)

www.bebraverlag.de

Inhalt

Untere Müllerstraße

Walpurgisnacht WeddingHeiko Werning

Die sieben Hürden der Müllerstraße (1–3)Volker Surmann

Zukunftsvision 2015Robert Rescue

Zeichen und WunderPaul Bokowski

Leopoldplatz

Neulich am LeopoldplatzHinark Husen

StimmungenFrank Sorge

BankgeflüsterPaul Bokowski

Szene auf der MüllerstraßeVolker Surmann

Ku’damm des Nordens

Wie man Auswärtigen den Wedding erklärt: Der Kiosk im City Point CenterRobert Rescue

Mal nett sein, schönHinark Husen

Im Bürgeramt WeddingRobert Rescue

Internationaler FührerscheinHeiko Werning

Ein sehr guter KaffeeHinark Husen

MüllerstraßenfestHeiko Werning

Müller-/Ecke Seestraße

ZweckinteresseFrank Sorge

Die Kinder zum HofPaul Bokowski

Francis, der mehr macht, als er sollRobert Rescue

Das fiel mir aufFrank Sorge

Wie ich in Berlin einmal fast gesteinigt wurdeVolker Surmann

Ostern in der MüllerstraßePaul Bokowski

Wir wartenFrank Sorge

Dichter und CurrywurstHeiko Werning

Obere Müllerstraße

Huhn ist ihr GemüseFrank Sorge

Das Zwei-Pfennig-Stück und die schwule AmselHinark Husen

Die sieben Hürden der Müllerstraße (4–7)Volker Surmann

Die Trägheit der MasseRobert Rescue

Mein WeddingHinark Husen

Die Autoren

Untere Müllerstraße

Heiko Werning

Walpurgisnacht Wedding

Erstaunt stehe ich vor einem dieser großen, grauen Kästen, die überall herumstehen und in denen irgendwas mit Strom oder Telefon drin ist. Auf diesem Kasten hier, auf dem Mittelstreifen, mitten im Wedding, prangt ein neues Plakat: In zeitloser Optik steht eine weiße Faust auf schwarzem Grund, in roter Schrift steht daneben: »Nimm, was dir zusteht!« Ach, mir wird ganz warm ums Herz. Lange nicht mehr gesehen: Echte Autonomen-Folklore. Was dem Bayern Oktoberzelt und Lederhose und dem Rheinländer der Rosenmontag, sind dem Berliner bekanntlich seine putzigen Antikapitalisten samt zugehörigem Karnevalszug, der hier traditionell am Mai-Feiertag abgehalten wird. Man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen. Und im fortgeschrittenen Frühjahr ist es auf jeden Fall erheblich wärmer als beim doch oft ungemütlich kalten Karneval, da haben die Autonomen einen Sinn fürs Praktische bewiesen.

Was mich allerdings irritiert, ist die Ortsangabe auf dem Plakat: Geladen wird zur Molotowcocktailparty, anlässlich der Walpurgisnacht diesmal nicht nach Prenzlauer Berg oder Friedrichshain, sondern, tatsächlich, in den Wedding. Was wollen die denn hier?

Sie wollen, so entnehme ich später einem Aufruf, gegen die Gentrifizierung demonstrieren. Da ist es natürlich klug, dorthin zu gehen, wo es noch gar keine Gentrifizierung gibt. Quasi prophylaktisch. Es gebe allerdings, informiert mich der Aufruf, deutliche Anzeichen für Gentrifizierung auch im Wedding. Das würde mich ja mal etwas genauer interessieren. Was meinen die da bloß?

Zum Essen bin ich mit Bernhard im Saray verabredet. Ich berichte ihm von der bevorstehenden revolutionären Walpurgisnacht.

»Die nennen das wirklich Walpurgisnacht?«, wundert er sich, »das Wort kennt hier doch keine Sau!«

In der Tat, hier scheint ein gewisser Zielgruppenkonflikt zu herrschen. Dabei ist der Aufruf zur »Walpurgisnacht Wedding« sogar eigens auch in Türkisch, Arabisch und noch irgendwelchen Sprachen gehalten. Walpurgisnacht. Dafür gibt’s doch auf Arabisch bestimmt gar kein Wort. Na ja, wer weiß, was da tatsächlich steht. Vielleicht ja was gegen Gentrifizierung. Ich frage Ahmed, der uns ein Bier bringt: »Steht da Walpurgisnacht?«

Er staunt.

»Was ist Walpurgisnacht?«

»Walpurgisnacht ist gegen Gentrifizierung«, informiert Bernhard ihn gelangweilt.

»Was ist Gentrifizierung?«, fragt Ahmed.

»Gentrifizierung ist, wenn Leute mit Geld hierher herziehen.«

»Das ist gut!«, sagt Ahmed, »wenn mehr Leute mit Geld herziehen, können wir mehr Döner verkaufen. Aber hier ist niemand mit Geld. Hier ist Wedding.« Wir zucken mit den Schultern.

Der türkische Satz auf dem Flugblatt lautet dann übrigens doch nur »Gegen soziale Diskriminierung und rassistische Provokation«, übersetzt Ahmed für uns. Gegen die Gentrifizierung sollen offenbar nur die Deutschen demonstrieren, wahrscheinlich, weil der türkische und arabische Teil der Bevölkerung gar nichts gegen ein bisschen Gentrifizierung hätte, wenn man sie fragen würde.

»Gentrifizierung!«, knurrt Ahmed, »wo soll denn hier Gentrifizierung sein?«

»Vielleicht«, mutmaßt Bernhard, »das L’Escargot? Da gibt’s wirklich gutes Essen!«

»Na ja«, gebe ich zu bedenken, »aber das L’Escargot gab’s 1991 auch schon, als ich hierhergezogen bin. Und da war das Essen auch schon gut.«

»Aber da hieß das noch nicht Gentrifizierung«, beharrt Bernhard, »da hieß das noch gutes Essen.«

»Hier auch gutes Essen!«, merkt Ahmed zu Recht an. »Aber hier nicht Gentrifizierung.« Kopfschüttelnd verlässt er unseren Tisch.

Im Tagesspiegel ist die Route des Demonstrationszugs veröffentlicht. Sie verläuft direkt hier über die Müllerstraße und dann noch etwas durch die umliegenden Wohngebiete.

»Scheiße«, knurrt Bernhard, »das ist mitten auf meinem Nachhauseweg von der Kneipe. Und das vorm 1. Mai! Da hört der Spaß aber mal auf, wenn da dann alles abgesperrt ist wegen den antikapitalistischen Kasperln.«

Ich bin auch nicht sicher, ob der Bewegung hier sehr große Sympathie entgegenschlagen wird. Gut, sie rechnen wahrscheinlich gar nicht groß damit, dass Weddinger bei der Party mitmachen. Dafür spricht auch der Treffpunkt S-Bahnhof Wedding, praktisch die Direktverbindung nach Friedrichshain/Kreuzberg. Ein weiterer Flyer empfiehlt den Teilnehmern, vermummt zu erscheinen. »Und dann …«, gibt sich der Zettel geheimnisvoll, aber das Rätsel ist nicht sehr schwierig, das beigefügte Foto von Steine werfenden Vermummten lässt die Intention auch den ungeübten Betrachter leicht verstehen.

»Walpurgisnacht«, kommt Ahmed noch einmal zu uns zurück, »ist das nicht das vorm 1. Mai, wo die immer alles kaputt machen?«

»Genau, so will es das Brauchtum«, erklären wir und zeigen ihm den gelben Flyer.

Ahmed schaut verständnislos: »Aber hier ist doch schon alles kaputt. Warum bleiben die nicht im Prenzlauer Berg?« Wir wissen es nicht.

»Vielleicht ist die Party insgesamt nicht mehr so angesagt wie früher und sie hoffen auf Verstärkung durch die Weddinger Jugendgangs?«, spekuliere ich.

»Aber woher wollen die denn wissen, dass die da mitmachen?«, erwidert Ahmed. »Das sind doch alles Türken und Araber! Die lassen sich doch nicht von aus Westdeutschland zugezogenen Friedrichshainern vorschreiben, wann sie hier zu randalieren haben! Außerdem spielt an dem Abend Galatasaray gegen Besiktas in der Süper Lig, da sitzen doch sowieso alle hier vorm Fernseher.«

Ich denke, wir bleiben gelassen. Der Weddinger Bevölkerung wird der merkwürdige Aufzug in der Nacht zum 1. Mai so egal sein wie alles andere auch. Und auf ein paar Verrückte mehr kommt es hier letztlich auch nicht an, viel Schaden können sie ohnehin nicht anrichten.

Das Einzige, was mich tatsächlich besorgt: Geboren wurde die antikapitalistische Walpurgisnacht in Prenzlauer Berg, danach marodierte sie durch Friedrichshain. Ergebnis: Beide Bezirke sind inzwischen total gentrifiziert. Sind es gar nicht, wie immer behauptet wird, die Künstler, die Hipster, die Studenten, die die Speerspitze der Gentrifizierung bilden? Sind es am Ende die revolutionären Antikapitalisten, die den Boden erst bereiten, die eine Gegend erst aufregend und interessant machen, sodass sich anschließend eben mit dem üblichen Zeitverzug der Rattenschwanz an Nachfolgern dorthin begibt? Ist nicht so eine antikapitalistische Walpurgisnacht bereits vollendete Gentrifizierung im Kleinformat: Eine Bande neunmalkluger Zugereister fällt über einen Kiez her, weiß alles besser, macht den dicken Maxe und sorgt dafür, zumindest hier im Wedding, dass sich garantiert kein einziger Einheimischer in der Nähe blicken lässt? Aber dass dafür die ganze Gegend groß in die Medien kommt? Und andere erst richtig auf sie aufmerksam werden?

Aber der Wedding ist stärker. Mein Blick fällt durch die Scheibe des Saray auf die große neue Leuchtreklame vom Imbiss zur Mittelpromenade direkt gegenüber. Mehrfach schon habe ich darüber nachgedacht, was die wohl bedeuten mag. Ob sich da schon einer auf die neuen autonomen Besucher eingestellt hat? Auf knallig gelbem Grund leuchtet ein großer Schriftzug über die Müllerstraße: »You kill it, we grill it«. Dann mal einen schönen Tanz in den Mai, liebe revolutionäre Antikapitalisten.

Volker Surmann

Die sieben Hürden der Müllerstraße (1–3)

Kraftfahrer Du, voll Wagemut,

Die Müllerstraße zollt Tribut.

Erst hinter den sieben Hürden,

nach den sieben Bürden

der Wagenlenkerei,

fährst Du dann gen Tegel – frei.

Als Autofahrer muss ich gestehen: Die Müllerstraße ist meine drittunliebste Straße Berlins. Nach der Neuköllner Karl-Marx-Straße, einem Fahrweg, der sich aus einem Paralleluniversum in unser Hier und Jetzt verirrt hat und in welchem vermutlich ein paar physikalische Axiome hinsichtlich Raum und Masse, auf jeden Fall aber jegliche Verkehrsregeln außer Kraft sind. Und nach der Schönhauser Allee, an der man nie dann links abbiegen darf, wenn man gerade möchte – ein Phänomen, das man sonst nur aus der Stadt Köln kennt, die auch nur deshalb eine knappe Million Einwohner hat, weil die Menschen einfach nicht mehr herausgefunden haben. Ich versuche daher, die Müllerstraße stets weiträumig zu umfahren, doch nicht immer lässt sich das einrichten.

Dabei bin ich gar kein notorischer Autofahrer. Doch in den Wedding fahre ich fast immer mit dem Pkw, da ich die leidige Erfahrung gemacht habe, dass man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwar gut in den Wedding hineinkommt, aber umso schlechter wieder heraus. So betrachtet ist der Wedding das Köln Berlins.

Es scheint, als hätten S-Bahn und BVG irgendwann beschlossen, den Wedding zu isolieren. Hin kommt man immer, zurück nimmer. Im öffentlichen Nahverkehr ist unter den Berliner Stadtteilen der Wedding die Venusfliegenfalle. Die Weisung dazu kommt sicher von ganz oben. Der Hohe Rat der Verkehrsplaner Berlins scheint nach dem Prinzip zu verfahren: Wer sich nach Einbruch der Dunkelheit im Wedding aufhält, bleibt sich selbst überlassen. Hauptsache, die Weddinger befallen nach Anbruch der Nacht nicht das restliche Stadtgebiet. Abendliche Besucher sind in diesem Konzept nicht vorgesehen, sondern der Kollateralschaden. Wer sich als Auswärtiger abends dorthin wagt, soll da bitteschön bleiben, sich ausrauben lassen, wie sich das gehört, oder notfalls ein Casino an der Müllerstraße eröffnen. Die Stadtoberen trauen dem Wedding nicht. Nur so lässt sich erklären, dass der Grenzübergang zwischen Berlin-Mitte und Wedding zukünftig von einer eigens errichteten BND-Zentrale bewacht wird.

Für mich bedeutete die Wedding-Verschwörung des ÖPNV immer: Zu den Brauseboys hin brauche ich nur fünfundzwanzig Minuten, von den Brauseboys weg fast eine Stunde. Robert Rescue, der mal in meiner Friedrichshainer Nachbarschaft lebte, hielt das nicht länger aus, zog in den Wedding und hat ihn seitdem nicht ein Mal verlassen. Aber der hat auch kein Auto.

Ich habe ein Auto und brauche zwischen Wedding und Friedrichshain, egal welche Fahrtrichtung, knapp zwanzig Minuten. Die Müllerstraße liegt nicht auf meiner Stammstrecke, doch komme ich nicht umhin, sie regelmäßig zu fahren, etwa wenn ich das Domizil von Heiko Werning ansteuere oder hoch zu einer Kollegin in Konradshöhe oder an die Seen in Tegel will. Doch Vorsicht, eine Warnmeldung: Vorher steht dem auf Höhe des Weddings die Müllerstraße entgegen. Fahren Sie bitte äußerst vorsichtig und umfahren Sie alle Hindernisse weiträumig.

Erste Hürde: Der Anfang

Egal, wie man auf der Müllerstraße landet, ob man von Hauptbahnhof und Tiergartentunnel auf sie einbiegt oder von der Chausseestraße hinauffährt, sofort wird alles anders. Verkehrsströme vermischen und vermengen sich. Wer aus Richtung Hauptbahnhof kommt, will gern weiter gen Reinickendorfer Straße; wer von der Chausseestraße kommt, will nicht selten abbiegen gen Moabit und Charlottenburg. Hier kreuzen sich also Verkehrsströme – etwas, das die Metapher überfordert und auch den Kraftfahrer, gilt es doch, auf weniger als hundert Metern zahlreiche Spurwechsel zu bewältigen, bis man auf dem richtigen Abbiegestreifen ist. Und wer es nicht geschafft hat, biegt halt trotzdem ab. Wäre der Verkehrsstrom eine Elektrizitätsmetapher, dann sprühten am Beginn der Müllerstraße stets die Funken eines Kurzschlusses. Hier scheppert es häufig, und es kann kein Zufall sein, dass sich genau hier einer der größten Auto-Ersatzteilhändler der Stadt angesiedelt hat und im Laufe der Jahre durch einen gesamten Häuserblock metastasierte.

Google Maps sagt, dass der Platz neben diesem kurzen Müllerstraßenabschnitt »Weddingplatz« heißt. Nie gehört, und ich möchte auch jede Wette eingehen, dass der gewöhnliche Weddinger diese Perle städtebaulicher Tristesse ebenfalls nicht als »Weddingplatz« kennt, sondern bestenfalls als »Da vor ›tip Auto … Teile‹« – und das ist eine angemessen hilflose Bezeichnung für dieses Weddinger Kleinöd.

Zweite Hürde: Die Baustelle vor der S-Bahnbrücke

Seit ich mich erinnern kann, wird auf der Müllerstraße zwischen Bayer-Schering und S-Bahnbrücke gebaut. Und wenn mal gerade nicht gebaut wird, kündet ein Schild von baldigen Bauarbeiten. Sei es, dass unterirdische Wasseradern am esoterischen Fundament der Müllerstraße knabbern oder Bayer-Schering an dieser Stelle etwas in die Kanalisation einleitet, das regelmäßig die Rohre wegätzt, irgendeinen Grund muss es geben, dass hier ständig gebaut wird. Oder handelt es sich um eine von Berlins »Retro-Baustellen«, die nur aus purer Nostalgie aufrechterhalten werden? Vielleicht steht sie auch schon unter Denkmalschutz.

Als Kraftfahrer muss man hier besondere Obacht walten lassen, denn durch die Baustelle ändert sich regelmäßig die Verkehrsführung. Auf dem Asphalt konkurrieren zeitweise die reguläre Fahrbahnmarkierung und die gelben Verschwenkungen der Fahrstreifen mit blassgelben Fragmenten früherer Verschwenkungen sowie mit den eingefahrenen Gewohnheiten jedes Weddinger Fahrzeuglenkers. Was summa summarum bedeutet: Es gibt hier keine Verkehrsführung, jeder Fahrer folgt seiner individuellen Linie, bremsen können die anderen; zur Not ist »tip Auto … Teile« ja noch nicht außer Sicht.

Dritte Hürde: Der Leopoldplatz

Als Autofahrer hat man hier die Qual der Wahl zwischen Pest und Cholera. »Pest« sind hierbei Linksabbieger in die Schulstraße, »Cholera« Taxifahrer. Letztere lungern rechts vor Karstadt, um plötzlich Fahrertüren in den fließenden Verkehr zu werfen oder blinde Kavalierstarts auf die Mittelspur zu machen.

Die gemeinen Linksabbieger tarnen sich zunächst harmlos als Geradeausfahrer auf der linken Spur, um mitten auf der Kreuzung abrupt auf null abzubremsen und mit links eingeschlagenem Lenkrad als Hindernis rumzustehen. Der Stadtteil ist bekanntlich arm; die Weddinger haben ja nichts. Nicht mal Blinker. Nur tiefergelegte Golf GTIs mit dunkellackierten Scheiben und schwarze 3er BMWs. Typisch dürfte im Weddinger Autohandel folgendes Verkaufsgespräch sein:

»Hassu dicke BMW für misch?«

»Habisch 3er BMW, Coupé.«

»Auch gut.«

»Is voll tiefergelegt mit Alufelgen, Dolby Surround und weißes Nappaleder.«

»Nappaleder? Is’ das von Kuh oder von Schaf?«

»Weiß nisch, Alter. Vermutlich von weiße Nappas.«

»Was soll kosten?«

»Zwanzischtausend.«

»Zwanzischtausend? Hab isch nich, Alter.«

»Geht auch billiger, wenn isch lass Alufelgen und Dolby Surround weg.«