Auf der Insel St.-Nephelius herrscht nach dem Überfall der Malecorax noch immer große Unruhe. Und nicht nur dort: Auf der ganzen Welt ereignen sich mysteriöse Katastrophen und Unfälle. Lilith Parker und die Bewohner von Bonesdale müssen dringend handeln! Sie sehen nur noch einen Ausweg zu ihrem eigenen Schutz vor den Dämonen: Das Schattenportal muss gesprengt werden. Doch dabei wird die Insel schwer erschüttert, schwarzer Schnee rieselt auf Bonesdale nieder und eine seltsame Krankheit breitet sich aus. Nun ist es an Lilith, als Anführerin der Nocturi, ihr Volk zu retten.

image

© Terzo Algeri

Janine Wilk wurde am 07.07.1977 als Kind eines Musikers und einer Malerin in Mühlacker geboren. Schon von Kindesbeinen an war die Literatur sehr wichtig für sie, mit elf Jahren schrieb sie ihre ersten Geschichten. Mit Anfang zwanzig begann sie mit der Arbeit an ihrem ersten Buch und schon bald folgten die ersten Veröffentlichungen im Bereich Lyrik und Kurzprosa. Janine Wilk lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in der Nähe von Heilbronn.

Mit zweistündiger Verspätung hielt der Reisebus am Fuße eines beschaulichen Berges, der mit saftig grünen Wiesen und Bäumen bewachsen war.

»Wir sind nun an unserem nächsten Ziel angelangt«, bellte der pummlige Reiseleiter ins Mikrofon und machte eine spannungsvolle Pause. »Dem Randecker Maar auf der Schwäbischen Alb! Hierbei handelt es sich um einen ehemaligen Vulkanschlot, der vor rund 17 Millionen Jahren entstand. Wir begeben uns jetzt umgehend an den Albaufstieg, meine lieben Freunde. Auf in die Natur!«

Die japanischen Touristen strömten schwatzend und lachend aus dem Bus ins Freie, schulterten ihre Rucksäcke und folgten dem Reiseleiter, der mit enthusiastischer Miene vorauslief.

Zurück blieben nur ein Mann und sein etwa zehnjähriger Sohn, der den anderen enttäuscht hinterherblickte.

»Ich verstehe nicht, warum wir nicht mitgehen können«, maulte er.

Sein Vater Wataru verstrubbelte ihm liebevoll die Haare. »Das weißt du doch, Maiko! Ich bin ein Feuer-Oni und es besteht die Gefahr, dass ich den Vulkan mit meinen Kräften zum Ausbruch bringe.«

Maiko deutete auf die friedliche Umgebung. »Der Vulkan ist doch längst erloschen! Er ist seit Ewigkeiten nicht mehr ausgebrochen.«

»Ich weiß, aber ich muss mich an die Regeln der Feuer-Oni halten, und gerade bei einem untätigen Vulkan wäre es fatal, solch ein Risiko einzugehen. Was denkst du, wie die Menschen reagieren würden, wenn es plötzlich zu einem Ausbruch käme, der sich wissenschaftlich nicht einmal im Ansatz erklären ließe? Selbst rationale Menschen würden ins Zweifeln geraten und womöglich etwas Übernatürliches vermuten. Deswegen muss ich hier unten bleiben, aber du kannst gerne mit den anderen hochwandern. Schließlich hast du dich noch nicht gewandelt.«

Maiko kickte einen Stein zur Seite und schüttelte störrisch den Kopf. »Ohne dich will ich nicht gehen.«

Sein Vater ließ sich von seiner schlechten Laune offensichtlich nicht die Stimmung vermiesen. »Dann lassen wir uns jetzt einfach hier unser Mittagessen schmecken! Hör doch mal, wie schön die Vögel zwitschern und wie herrlich frisch die Luft ist.« Wataru atmete demonstrativ ein und aus, wobei eine kleine Rauchwolke vor seinem Mund entstand. Dann lief er zielstrebig zu einer Holzbank und breitete auf dem Tisch den Inhalt der Lunchpakete aus, die ihnen das Hotel zusammengestellt hatte.

Widerwillig folgte Maiko ihm. »Was gibt es denn zu essen?«

Gerade als sein Vater antworten wollte, ertönte über ihnen ein lautes Krächzen, das alle anderen Vögel verstummen ließ. Einen Augenblick lang herrschte eine gespenstische Stille. Maiko hob den Kopf und entdeckte über sich auf den Ästen der Eiche einige Krähen. Sie schienen ihn und seinen Vater genau zu beobachten und ihr intelligenter, wissender Blick ließ Maiko frösteln.

»Sind das vielleicht Maleco…«

»Nein«, schnitt sein Vater ihm das Wort ab und fuhr sich sichtlich nervös über die Lippen. »In dieser Gegend wurden noch nie welche gesichtet, ich habe mich extra darüber informiert. Das müssen ganz normale Krähen sein.«

Maiko rutschte unruhig auf der Bank hin und her. Der Appetit war ihm plötzlich vergangen. Zweifelnd schaute er wieder nach oben: Die Krähen ließen ihn und seinen Vater keine Sekunde aus den Augen. Jede Faser in Maikos Körper schien sich anzuspannen und sein Instinkt riet ihm, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.

Falls sein Vater das Gleiche empfand, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Wataru öffnete gerade den Mund, um genüsslich in sein Thunfisch-Sandwich hineinzubeißen – in diesem Moment tauchte ein schwarzer nebelhafter Körper hinter seinem Rücken auf und schlängelte sich seinen Hals hinauf. Es war ein Ätherion, ein gestaltloser Dämon!

Maikos Augen weiteten sich vor Schreck. »Papa, Achtung!«, schrie er auf.

Doch ehe sein Vater reagieren konnte, drängte sich das Wesen schon durch Watarus geöffneten Mund. Innerhalb eines Atemzugs war der Dämon vollständig im Inneren seines Körpers verschwunden. Panisch sah sich Maiko nach jemandem um, der ihnen helfen konnte, doch es befand sich niemand mehr auf dem Parkplatz, sie waren völlig allein. Ohne ein Wort von sich zu geben, fiel Wataru bewusstlos von der Bank.

Maiko stürzte zu ihm. »Papa, was ist mir dir? Kannst du mich hören?« Der Körper seines Vaters wurde von schweren Krämpfen geschüttelt und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Tränen liefen Maiko über die Wangen und er hielt Wataru fest umklammert. »Bitte, stirb nicht!«, schluchzte er. »Lass mich nicht allein!«

Urplötzlich ließen die Krämpfe nach und Wataru schlug so abrupt die Augen auf, dass Maiko zusammenzuckte.

»Papa?«

Wataru rappelte sich auf, ohne seinen Sohn eines Blickes zu würdigen. Seine Haltung hatte sich verändert und auch seine Art zu gehen, war nicht mehr dieselbe. Er eilte über den Parkplatz.

»Papa?«, rief Maiko. »Wo willst du denn hin?«

Er versuchte, mit seinem Vater Schritt zu halten, der nun entschlossen den Weg zum ehemaligen Vulkanschlot einschlug. Dorthin, wo er sich eben noch so standhaft weigerte hinzugehen.

»Aber du hast doch gesagt, dass du dich dem Vulkan nicht nähern darfst!« Maiko klammerte sich an den Arm seines Vaters und stemmte die Füße in den Boden, um ihn aufzuhalten. »Papa, was hast du vor?«

»Ich werde jetzt einen kleinen Vulkan zum Brodeln bringen«, antwortete er mit einem grausigen Lachen und schüttelte Maiko so rabiat ab, dass dieser zu Boden fiel.

Maiko nahm den Schmerz nicht einmal wahr, stattdessen erfüllte ihn nur eiskaltes Grauen. Erst jetzt begriff er, dass dieser Mann nicht mehr sein Vater war. Der Dämon hatte von ihm Besitz ergriffen.

»März, erster Tag nach Neumond.

Wetter: ein dreifaches Dämonenjuche! Heute hat es endlich aufgehört zu regnen, allerdings nur für zwanzig Minuten. Danach kam ein Sturm mit regnerischen Orkanböen auf.

Mahlzeiten: Meine Ladyschaft nötigt mich zu einer strengen Diät, weil meine Hautlappen mittlerweile aussähen wie zum Platzen gefüllte Schwimmringe. Musste stinkiges, erwärmtes Wasser trinken, nennt sich angeblich Kohlsuppe. Frage mich, wann der Hauptgang endlich fertig ist?

Gesundheitslage: Heute Abend schmerzhaftes Rumoren im Magen, gefolgt von üblen Flatulenzen, die meine Kerkerspinne Rüdiger ohnmächtig aus ihrem Spinnennetz haben kippen lassen. Das ist selbst für meine Verhältnisse außergewöhnlich. Ist das ein Symptom für eine schlimme Erkrankung? Bin ernsthaft besorgt.

Tätigkeiten: Heute im Fernsehen ›Supertalent‹ gesehen und beschlossen, ein Bewerbungsvideo hinzuschicken.

Habe mich dafür entschieden, aus meinem neuesten Lyrikwerk zu rezitieren und mich als ›Dichtender Dämon‹ zu vermarkten.

Hier ein kurzer Auszug:

Sehet dort, die Krähen ziehen übers Land!

Oh, Brüder, erzählt mir von der Heimat!

Bin hier ganz allein im Menschen-Wunderland.

Bin ein Fremder unter Freunden,

glücklich und doch sehnsuchtsvoll,

oft gedenke ich der Meinen still im Herzen

und singe düstre Lieder in as-Moll.

Der Erzdämon, der blöde Sack,

der mich verbannt von euch für immer,

soll schmoren im Feuer des Tessorack,

bis er kross ist wie ein Schiffszwieback.«

Eintrag aus Strychnins Dämonen-Tagebuch

Lilith lehnte im Rittersaal von Nightfallcastle an einer Säule und beobachtete Emma, die gerade ihre Gästeliste zum ungefähr hundertsten Mal umschrieb. In wenigen Tagen stand der fünfzehnte Geburtstag ihrer besten Freundin bevor, und da Emma sich nichts sehnlicher wünschte als eine richtig große Party, hatte Lilith ihre Tante dazu überreden können, dass die Feier bei ihnen auf der Burg stattfand.

»Jetzt habe ich alle«, verkündete Emma, strich sich ihre braunen Haare aus dem Gesicht und betrachtete kritisch die Namen, die sie sich auf ihrem Block notiert hatte. »Willst du mal hören?«

»Als deine offizielle Partyassistentin hoffe ich, dass du mittlerweile mehr als elf Gäste zusammenhast!« Lilith hob die Hand und ließ sie durch den weitläufigen Raum schweifen, wo neben den Ritterrüstungen und den Schaukästen zur Geschichte Bonesdales auch noch die Stühle und Tische von der letzten Dorfversammlung herumstanden. »Womöglich spielen wir ansonsten ungewollt den ganzen Abend Verstecken. Oder besser noch: ›Such die Party!‹«

»Am Anfang habe ich mich eben in Bescheidenheit geübt«, verteidigte sie sich, »und nur die Freunde aufgeschrieben, die ich unbedingt dabeihaben möchte.«

Lilith zog vielsagend eine Augenbraue hoch. »Gut zu wissen. Wenn ich mich recht erinnere, stand mein Name ja nicht auf dieser Liste, oder?«

»Da die Party bei dir zu Hause stattfindet, kann ich dich wohl schlecht nicht einladen.« Emma stieß einen betont selbstmitleidigen Seufzer aus. »Außerdem könntest du ruhig etwas mehr Verständnis zeigen! Es hat schließlich nicht jeder das Glück, an Halloween Geburtstag zu feiern. Du musstest dir jedenfalls nicht den Kopf darüber zerbrechen, wen du einladen willst, weil in Bonesdale ohnehin eine riesige Party stattfindet.«

Lächelnd dachte Lilith an ihren fünfzehnten Geburtstag vor einigen Monaten zurück. Mittags hatte sie auf der Burg mit ihrer Tante, den Bewohnern des Seniorenstiftes und ihren Freunden gefeiert und bei Einbruch der Dunkelheit waren sie alle gemeinsam hinunter ins Dorf gegangen, wo das große Halloweenspektakel stattfand. Es war ein Riesenspaß gewesen, und als ihr Vater pünktlich kurz vor Mitternacht angerufen hatte, um Lilith gleich als Erster zu gratulieren und sie zu seiner neuesten Ausgrabungsstätte einzuladen, war ihr Glück perfekt gewesen.

»Um meinen Geburtstag standesgemäß zu begehen, haben die Nocturi um Mitternacht sogar extra ein Feuerwerk veranstaltet«, erinnerte sich Lilith selbstzufrieden.

»Hör auf, das ständig zu behaupten!«, rief Emma empört aus, sodass ihre Stimme durch den Saal hallte. »Das Feuerwerk gab es nur wegen der Touristen.«

Lilith grinste und versetzte ihrer Freundin einen leichten Stoß. »Nun sag schon: Wie viele Leute möchtest du jetzt einladen?«

»Bisher habe ich fünfunddreißig.« Emma begann, eine Reihe von Namen herunterzuleiern, wobei die meisten davon aus ihrer Schule kamen oder Schulabgänger vom letzten Jahr waren. Lilith fiel auf, dass Emma bei dem Namen »Dean Fisher« eine unmerkliche Pause einlegte und sich ein verräterisches Funkeln in ihre Augen stahl. Dean hatte die Schule bereits abgeschlossen, war bis vor Kurzem Mitglied im Bonesdaler Gremium gewesen und jobbte momentan noch bei Emmas Vater im Restaurant »Frankenstein«, wodurch sich Emma und er näher kennengelernt hatten.

»… und dann noch Rebekka«, endete Emma schließlich. Sie blickte fragend zu Lilith. »Meinst du, sie kommt?«

»Schwer zu sagen.« Ihre Miene wurde ernst, wie immer, wenn die Sprache auf Rebekka kam. Zwar hatte Lilith sich mit ihrer Tante, die nur wenige Jahre älter war als sie selbst, nie besonders gut verstanden, doch das Schicksal, das Rebekka bewältigen musste, brach einem fast das Herz. »Manchmal scheint es ihr kurzzeitig besser zu gehen, doch dann schließt sie sich wieder tagelang in ihrem Zimmer ein. Ihre Mutter hat erzählt, dass Rebekka für André sogar eine Art Altar aufgebaut hat mit Fotos und Erinnerungsstücken an ihre gemeinsame Zeit in Chavaleen.«

»Die Arme!«, stieß Emma mitfühlend aus. »Es muss schwer sein, jemanden zu verlieren, den man liebt.«

»Mit Andrés Tod hat sie ihre einzige Liebe verloren«, verbesserte Lilith sie leise.

Als sie vor eineinhalb Jahren gemeinsam mit Matt und Rebekka nach Chavaleen, in die unterirdische Stadt der Vampire, aufbrach, hätte Lilith niemals damit gerechnet, dass André, der sympathische Vampir und zukünftige Träger des Blutstein-Amuletts, sich ausgerechnet in Rebekka verlieben würde. Er hatte tatsächlich das Wunder vollbracht, Rebekkas verborgene liebenswerte Seite zu wecken, und so waren die beiden schnell unzertrennlich geworden. Rebekka hatte ihm sogar ihren ersten Kuss geschenkt, was bei einer Banshee gleichzeitig bedeutete, dass sie nie wieder in der Lage sein würde, einen anderen als ihn zu lieben. Natürlich konnte zu diesem Zeitpunkt niemand wissen, dass Andrés älterer Bruder Nikolai ein bösartiges Komplott geschmiedet hatte und nicht einmal davor zurückschreckte, seinen eigenen Bruder zu ermorden.

»Haben wir noch jemanden vergessen?«, riss Emmas Stimme sie aus ihren trüben Gedanken.

Ihre Freundin blickte angestrengt auf die Liste und nagte an ihrem Bleistift. »Ach ja, Matt könnte ich noch einladen. Wäre das für dich okay?«

Unwillkürlich versteifte sich Lilith. »Das ist deine Party, du kannst einladen, wen du willst«, antwortete sie tonlos.

Wenn er zu der Party kam, verbrachte er sicherlich wieder den ganzen Abend mit dieser Angelina, die ihn permanent anschmachtete wie ein blauer Fossel eine gut durchblutete Nocturi-Wade. Lilith wurde jedes Mal ganz schlecht, wenn sie die beiden zusammen sah.

Emma pfefferte den Bleistift auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen?«, fragte sie säuerlich. »Seit ihr aus Rumänien zurückgekommen seid, benehmt ihr euch wie Feuer und Wasser, redet nur noch das Nötigste miteinander und geht euch aus dem Weg. Ich will endlich wissen, was dort passiert ist!«

Lilith presste unwillig den Mund zusammen. Sie wünschte wirklich, dass Emma damit aufhören würde, permanent auf dieser Sache herumzureiten. »Das habe ich dir doch schon hundert Mal erzählt: Wir haben uns dort die ganze Zeit gestritten, dank mir befand er sich wieder einmal in höchster Lebensgefahr, und als er dann erfahren hat, dass ihr euch beim Einfall der Dämonen nicht um seine Mutter gekümmert habt, ist er total ausgeflippt. Er brauchte einen Sündenbock und ich kam ihm da offenbar gerade recht.«

Na schön, diese Version entsprach nicht ganz der Wahrheit, doch leider sah Lilith keine andere Möglichkeit, als Emma anzulügen. Eigentlich hatten sie sich in Chavaleen überhaupt nicht gestritten, im Gegenteil: Lilith und Matt waren sogar kurz davor gewesen, sich zu küssen, und das, obwohl Lilith wusste, dass ihre beste Freundin bis über beide Ohren in Matt verliebt war. Natürlich hatte Lilith zu diesem Zeitpunkt nicht geahnt, dass sie sich damit für den Rest ihres langen Nocturi-Lebens an Matt gebunden hätte, und sie war davon genauso überrascht gewesen wie Matt, als sie durch Rebekka davon erfahren hatte.

Emma starrte versonnen ins Leere. »Ich vermisse die alten Zeiten, als Matt, du und ich fast jeden Nachmittag zusammen waren. Weißt du noch, wie wir uns mit einer Leiter heimlich Zutritt zu Nightfallcastle verschafft und uns diese grässlichen Gargoyles wieder verjagt haben?«

Lilith musste schmunzeln, als sie daran zurückdachte. Sie hatten die Abenteuer und Katastrophen geradezu magisch angezogen. »Das war ganz schön knapp! Zum Glück hat Matt Strychnin und mich in letzter Sekunde über die Mauer gezogen.«

Wie aufs Stichwort stieg ihr ein leichter Schwefelgeruch in die Nase und Lilith blickte sich suchend um. Eigentlich immaterialisierte sich Strychnin kaum noch, da seine Dämonenkräfte dies nicht mehr zuließen. Trotz des anhaltenden Schwefelgestanks konnte sie ihn allerdings nirgendwo entdecken. Stattdessen öffnete sich die Tür zum Rittersaal und Tante Mildred kam herein.

»Ich war Erster!«, krähte es in diesem Moment von oben.

Lilith legte den Kopf in den Nacken und sah Strychnin bäuchlings auf dem schwankenden Kronleuchter liegen. »Was machst du denn da oben?«

»Ich habe mit der Tante der Ladyschaft gewettet, dass ich schneller als sie bei Euch sein werde, um Euch über eine Besucherin zu informieren, die eine Audienz wünscht.« Er warf Mildred einen triumphierenden Blick zu. »Schließlich bin ich Euer höfischer Terminator, meine holde Bösartigkeit, und nicht Eure Tante.«

Mildred stemmte die Hände in ihre schlanke Taille. »Erstens bin ich auf deine Wette überhaupt nicht eingegangen und zweitens hast du gesagt, du würdest dich zu Lilith immaterialisieren und nicht auf einen Kronleuchter.«

»Das war Absicht!«, kreischte Strychnin, doch die Lüge war unüberhörbar. »Von hier aus kann ich den Raum viel besser überblicken.«

Mildred seufzte auf und wandte sich den beiden Mädchen zu. »Tut mir leid, wenn ich euch bei der Partyplanung störe …«, begann sie.

»Aber Lutmilla Honigfleck ist gerade aus London angekommen und will Euch sprechen, meine Ladyschaft!«, fiel Strychnin ihr übereifrig ins Wort.

»Die Zirkelanführerin der Hexen?« Lilith runzelte die Stirn. Dass Lutmilla Honigfleck ohne Ankündigung in Bonesdale erschien, verhieß nichts Gutes.

Auch Mildred wirkte besorgt. »Scrope ist schon mit ihr im Empfangssalon und Arthur sagt gerade Rebekka Bescheid.«

»Hoffentlich kommt sie auch«, meinte Lilith zweifelnd.

Die meisten Termine, bei denen es um die politischen Entscheidungen der Nocturi ging, nahmen Lilith und Rebekka gemeinsam wahr. Auch die Nocturi waren mit dem Arrangement der beiden Nephelius-Erbinnen zufrieden, sodass Scrope mittlerweile nur noch als ihr Berater fungierte und seinen Platz im Rat der Vier geräumt hatte. Natürlich besaß Lilith als Trägerin des Bernstein-Amuletts die alleinige Entscheidungsgewalt und Rebekka konnte lediglich ihre Meinung äußern, doch Lilith tat es gut, sie an ihrer Seite zu wissen. Während Lilith sich meist von ihren Gefühlen leiten ließ und gerne aus dem Bauch heraus entschied, verfügte Rebekka in solchen Dingen über eine erstaunliche Cleverness und strategische Weitsicht. Allerdings nur, wenn man zufällig einen ihrer guten Tage erwischte.

»Ich ahne schon, was Lutmilla von dir will«, schaltete sich Emma ein. »Bestimmt geht es um das Schattenportal. Seit es beim Einfall der Dämonen versiegelt wurde, konnte sich niemand mehr von den frisch gewandelten Hexen und Magiern mit einem Dämon verbinden, und das sind so langsam ganz schön viele geworden. Selbst die, die den Dämonenpakt schon eingegangen sind, büßen immer mehr ihre magischen Kräfte ein.«

Somit erwartete Lilith wahrscheinlich ein äußerst schwieriges und unerfreuliches Gespräch mit Lutmilla Honigfleck. Dass die Dämonen aus dem Schattenreich den Hexen und Magiern nicht mehr ihre Kräfte zur Verfügung stellten, war natürlich zu erwarten gewesen. Da sie nun keinen Zugang mehr zur Menschenwelt erhielten, hatten sie auch keinen Grund mehr, sich an das Abkommen mit den Hexen und Magiern zu halten. Die Einzige, die das nicht so tragisch nahm, war wohl Emma. Als gewandelte Hexe des siebten Kreises erwartete jeder von ihr, dass sie sich bei nächster Gelegenheit mit einem supermächtigen Dämon verband, wodurch sie der Hexenfluch in ungeahntem Ausmaß treffen würde. Emma verspürte jedoch nicht die geringste Lust, schon in jungen Jahren zu einer buckligen Märchenhexe zu mutieren, sondern wünschte sich nichts sehnlicher, als sich wie ihre Mutter mit einem Heildämon zu verbinden.

»Alberta Frost hat uns bei der letzten Bonesdaler Zirkelversammlung anvertraut, dass sich die Hexen dagegen auflehnen werden und es dabei sogar zu einer Zusammenarbeit zwischen Hexen und Magiern kommen soll – trotz unserer gegenseitigen Abneigung.« Emma hielt inne und schlug sich die Hand vor den Mund. »Verflixt, das hätte ich wahrscheinlich nicht ausplaudern sollen.«

»Keine Sorge«, beruhigte Lilith sie. »Offen gestanden haben wir damit schon gerechnet, das war nur eine Frage der Zeit.«

Mildred legte ihr die Hand auf die Schulter. »Am besten du bleibst Lutmilla Honigfleck gegenüber verständnisvoll und versuchst, sie zu vertrösten. Vielleicht finden wir eine Lösung, mit der alle zufrieden sind.«

»Okay! Ich werde mein Bestes geben.« Lilith holte tief Luft und wandte sich zum Gehen. »Dann werde ich die anderen mal nicht länger warten lassen.«

»Hey, hallo?«, hallte eine Stimme durch den Saal. »Ihr könnt mich hier oben doch nicht einfach zurücklassen! Hallo? Eure Ladyschaft?«

Lilith blieb stehen und stieß einen leisen Fluch aus, ehe sie sich wieder umdrehte. Dass ein eigener Diener so viel Arbeit verursachte, war kaum zu glauben.

Lilith stand vor der schweren Holztür des Empfangszimmers, strich sich über die langen schwarzen Haare und kontrollierte kurz ihre Kleidung. Wie immer vor solchen Terminen verspürte sie ein unangenehmes Ziehen in der Magengrube.

»Soll ich Euch ankündigen, Fürstin der Finsternis?«, bot Strychnin an.

»Nicht nötig. Gib mir nur noch ein paar Sekunden, dann bin ich so weit.«

Eigentlich grenzte es fast schon an Ironie, dass sie sich jedes Mal die Worte ins Gedächtnis rief, die ausgerechnet Scrope einmal zu ihr gesagt hatte, um ihr klarzumachen, wie bedeutend ihre Rolle für das Volk der Nocturi war: Du bist ihr Herzschlag, ihr Mut und ihre Stärke. Damals hatte Lilith dies mit Furcht vor ihrer schweren Aufgabe erfüllt, doch nun erinnerte es sie daran, wie wichtig ihre Entscheidungen für die Nocturi sein konnten und dass es um mehr ging als ihre eigene Person. Trotz ihres jungen Alters führte sie ein magisch begabtes Volk an und das war in diesen dunklen Zeiten alles andere als leicht. »Gut, auf in den Kampf«, murmelte sie und öffnete die Tür.

Das Empfangszimmer sollte den Besuchern sowohl ein Gefühl des Willkommens vermitteln als auch die Macht der Nephelius-Familie verdeutlichen. Es gab einen schweren dunkelroten Teppich, die Möbel waren antik und auf Hochglanz poliert und an den Wänden hingen zwei gerahmte Fahnen, die in kunstvoller Handarbeit mit den Wappen der Nocturi und der Nephelius-Familie bestickt waren. Rebekka saß bereits neben Scrope auf einem der viktorianischen Sofas und schon auf den ersten Blick wusste Lilith, dass es eindeutig keiner ihrer guten Tage war. Rebekka war blass und ungeschminkt, ihr Haar völlig zersaust und ihre Augenringe so tief, dass sie ohne weitere Vorbereitungen als Darstellerin im Spukhaus am Marktplatz hätte auftreten können. Sie schaute nicht einmal auf, als Lilith an sie herantrat.

»Lilith, schön, dass du so schnell kommen konntest!« Scrope sprang trotz seiner Leibesfülle sofort in die Höhe und bot ihr seinen Platz an. Schon allein an seiner rötlichen Gesichtsfarbe konnte Lilith erkennen, wie aufgeregt er wegen dieses Treffens war.

»Darf ich euch einander vorstellen: Lutmilla Honigfleck, die oberste Zirkelanführerin Großbritanniens. Lilith Parker, die Trägerin des Bernstein-Amuletts und Enkelin des Baron Nephelius.«

Lutmilla Honigfleck nickte ihr mit einem knappen Lächeln zu. Lilith begegnete der Zirkelführerin heute zum ersten Mal und sie konnte ihre Überraschung kaum verbergen. Zwar konnte man Lutmilla Honigfleck nicht als atemberaubende Schönheit bezeichnen, doch sie schien ganz offensichtlich nicht unter dem Hexenfluch zu leiden. Sie war schlank, trug ein enges beigefarbenes Kostüm, eine blonde modische Kurzhaarfrisur und selbst ihre Gesichtszüge wirkten völlig normal. Keine Spur von einer überlangen Hexennase, behaarten Warzen oder einem Hexenbuckel. War sie vielleicht nur eine Hexe des ersten Kreises? Aber wie hätte sie dann Zirkelanführerin werden können? Dank Emma hatte Lilith sich schon ein Bild von der harten Rangordnung unter den Hexen machen können, und für gewöhnlich behandelten sie die talentlosen Hexen des ersten Kreises recht abfällig.

Lilith wurde bewusst, wie unhöflich sie Lutmilla Honigfleck anstarrte. »Sehr erfreut!«, sagte sie hastig.

»Bevor wir beginnen, müssen wir uns leider noch an das Sicherheitsprotokoll halten.« Scrope nahm einen Käfig vom Tisch und entfernte das Tuch, das über ihm lag. Eine etwa handtellergroße Glyocula-Schnecke kam zum Vorschein, die an ihren langen Fühlern zwei riesige Augen besaß, mit denen sie Scrope nun schläfrig anglotzte.

Strychnin, der sich bisher bemerkenswert ruhig verhalten hatte, richtete sich sofort auf und ein dämonisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

»Ich warne dich«, zischte sie ihm zu. »Mach keinen Blödsinn!«

»Was denn?« Strychnin zog eine Schnute und klimperte mit seinen kaum vorhandenen Dämonenwimpern. Er war ein Bild der reinsten Unschuld.

»Keine Reaktion!«, verkündete Scrope.

Er reichte den Käfig an Rebekka weiter, die gleichgültig auf die Schnecke starrte, und Lilith hätte kaum sagen können, wer von beiden den ausdrucksloseren Blick aufgesetzt hatte. Bei Lutmilla Honigfleck jedoch begann die Schnecke sofort zu hüsteln und sich mit einem Fauchen ins hinterste Eck ihres Käfigs zurückzuziehen. Die Schnecke reagierte instinktiv auf den Dämon, mit dem sich Lutmilla verbunden hatte, um wie jede Hexe ihre magischen Kräfte zu verstärken. Bei einem besessenen Nocturi wäre das panische Verhalten der Schnecke jedoch deutlich heftiger ausgefallen. Sir Elliot hatte Lilith dies damit erklärt, dass der Körper eines Besessenen eine bestimmte Art von Abwehrpheromon ausströmte, die die Schnecke als unangenehm empfand. Als Beweis hatte er die Schnecke zum Werwolfsreservat im Schattenwald gebracht, wo das arme Tier beim Anblick eines Werwolfs sofort in Ohnmacht gefallen war. Auch die Hexen und Magier bildeten in abgeschwächter Form diese Abwehrpheromone, da sie immer damit zu kämpfen hatten, den Dämon in ihrem Körper ihrem Willen zu unterwerfen.

»Nun du, Lilith.«

Lutmilla übergab ihr den Käfig und Liliths Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich. Wie jedes Mal, wenn sie sich prüfen lassen musste, fragte sie sich, ob die Schnecke wohl ihre geheimen dämonischen Kräfte wittern konnte. Seit die Malecorax und die Ätherionen durch das Schattenportal in ihre Welt gekommen waren, musste sich bei einem offiziellen Termin jeder dieser Sicherheitsmaßnahme unterziehen – ohne Ausnahme. Natürlich hätte Lilith darauf pochen können, dass das Bernstein-Amulett sie gegen eine Inbesitznahme durch die Dämonen ausreichend schützte, doch dies hätte unweigerlich die Frage aufgeworfen, weshalb Lilith sich gegen eine harmlose Überprüfung durch die Glyocula-Schnecke so sehr sträubte. Zwar konnten die Dämonen durch den Schwur Zebuls immer noch keine Menschen ihrem Willen unterwerfen, doch bei allen Angehörigen der Untotenwelt war dies jederzeit möglich. Dummerweise sah man dem Besessenen nicht unbedingt an, dass ein Dämon seinen Körper übernommen hatte, und diese Tatsache erleichterte das Zusammenleben der verschiedenen Wesen nicht gerade: Wohin man auch ging, überall herrschte Misstrauen, und sobald sich jemand in den Augen der anderen nicht »normal« verhielt, wurde der vermeintlich Besessene umgehend mit Fackeln und Mistgabeln aus dem Dorf vertrieben.

Lilith gab sich einen Ruck und blickte der Glyocula-Schnecke in die riesigen Glupschaugen.

Keine Reaktion. Lilith musste sich bemühen, nicht erleichtert den Atem auszustoßen. Allerdings hatte sie damit auch erneut den Beweis dafür erhalten, dass sie tatsächlich reines dämonisches Blut in sich trug. Ob sie diesem Rätsel wohl jemals auf die Spur kommen würde?

»Wie ich feststellen darf, ist niemand in diesem Raum von einem Dämon besessen.« Scrope setzte sich auf einen Stuhl, wischte sich hastig mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn und wandte sich an Lutmilla Honigfleck. »Wir können also davon ausgehen, dass jeder von uns seine eigene, freie Meinung vertritt. Deshalb schlage ich vor, dass Sie uns den Grund Ihres Kommens verraten, Verehrteste.«

»Ich schätze, mein Besuch ist keine großartige Überraschung.« Lutmilla Honigfleck schlug ihre Beine übereinander und entfernte einen unsichtbaren Fussel von ihrem Rock. »Als oberste Zirkelanführerin ist es meine Aufgabe, die Interessen der Hexen zu vertreten, und in diesem besonderen Fall spreche ich auch für die Seite der Magier. Ich muss bestimmt nicht extra darauf hinweisen, dass diese beiden Parteien fast die Hälfte des Nocturi-Volkes ausmachen.«

Rebekka gähnte verstohlen, weshalb Lilith ihr mit dem Ellbogen einen Stoß versetzte. Ein derart unhöfliches Verhalten machte bei Lutmilla Honigfleck kaum einen guten Eindruck, und Lilith ahnte schon, dass dieses Gespräch genauso unangenehm werden würde, wie sie befürchtet hatte.

»Und um was für einen besonderen Fall geht es denn?«, fragte Lilith überfreundlich.

»Um das Schattenportal beziehungsweise die Tatsache, dass es schon seit eineinhalb Jahren versiegelt ist. Mit jedem Tag büßen wir mehr von unseren magischen Kräften ein, unser Nachwuchs kann sich nicht mit einem Dämon verbinden und somit bleibt auch deren Ausbildung auf der Strecke. Wir sind nicht länger bereit, dies hinzunehmen! Deswegen übergebe ich heute der Führerin der Nocturi eine Petition, mit dem dringenden Rat, ihr den gebührenden Ernst beizumessen.« Die Zirkelanführerin schnippte mit dem Finger und wie aus dem Nichts erschien vor Scrope, Rebekka und Lilith eine schwebende Pergamentrolle, die mit unzähligen Namen beschrieben war.

Gegen ihren Willen musste sich Lilith eingestehen, dass sie beeindruckt war. Lutmilla Honigfleck verstand es, sich effektvoll in Szene zu setzen.

»Alle wichtigen Persönlichkeiten und Führungsmitglieder des Hexen- und Magiervolkes haben unterschrieben. Wir verlangen, dass das Portal wieder geöffnet wird!«

»Und warum sollten wir das tun?«, meldete sich Rebekka in schnippischem Tonfall zu Wort. »Wie Sie vielleicht nachvollziehen können, haben wir kein Interesse daran, dass plötzlich wieder Horden von Dämonen in Bonesdale einfallen. Außerdem finde ich, dass Sie da etwas kurzfristig denken. Meiner Meinung nach zaubert es sich nämlich relativ schlecht, wenn man gerade von einem Dämon getötet worden ist, oder nicht?«

Scrope riss erschrocken die Augen auf und öffnete mehrmals seinen Mund, doch er brachte kein Wort über die Lippen. Offensichtlich fahndete er fieberhaft nach einer Idee, wie er Rebekkas flapsige Antwort gegenüber der Zirkelanführerin abmildern konnte.

»Ich nehme die Petition dankbar entgegen«, kam ihm Lilith hastig zuvor. »Und verspreche Ihnen, dass wir über das Anliegen der Hexen und Magier nachdenken und beraten werden.« Sie schnappte sich das Pergament aus der Luft, rollte es zusammen und legte es sich demonstrativ auf den Schoß. »Wie Rebekka schon angedeutet hat, gilt es dabei jedoch, alle möglichen Folgen genau abzuwägen. Wir wollen schließlich niemanden in Gefahr bringen.«

Lutmilla Honigfleck zog eine ihrer perfekt geformten Augenbrauen in die Höhe. »Ich verstehe offen gestanden nicht, was für gefährliche Folgen eine Öffnung haben sollte. Alle Dämonen, die in jener Nacht durch das Portal gekommen sind – egal ob Malecorax oder Ätherionen –, sind entgegen aller Erwartungen nicht über die Nocturi auf dieser Insel hergefallen und haben sich sofort in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Es gab nur vereinzelte Kämpfe und in allen Fällen waren es die Nocturi, die die Dämonen angegriffen haben – nicht andersherum. Alles, wovor wir uns immer fürchteten, ist nicht eingetreten.« Sie warf einen kritischen Blick in die Runde. »Abgesehen davon vielleicht, dass wir uns seither in ein paranoides Volk von Angsthasen verwandelt haben. Wir denken deshalb, dass es an der Zeit ist, das Portal wieder zu öffnen. Vor allem, da die Versiegelung ohne die Zustimmung des gesamten Volkes durchgeführt wurde.«

»Hätten wir die Dämonen vielleicht erst einmal zu einem Tee einladen sollen?«, fragte Rebekka sarkastisch und schnippte mit dem Finger, als hätte sie gerade eine Eingebung gehabt. »Scrope, warum sind Sie eigentlich nicht auf diese grandiose Idee gekommen? Sie hätten den Dämonen auch ein Gastgeschenk überreichen können. Zum Beispiel das Buch ›Die Kunst des Krieges‹ oder das Brettspiel ›Risiko‹, da hätten die Dämonen gleich mal in der Theorie das Erobern unserer Welt durchspielen können.«

Während Scrope gequält aufstöhnte, musste Lilith sich auf die Zunge beißen, um nicht zu lachen. Rebekka hatte es mit ihrem unverschämten Konter absolut treffend auf den Punkt gebracht.

»Wenn wir die Versiegelung aufheben, könnten wir einen Roulettetisch direkt vor das Schattenportal stellen«, fuhr Rebekka unerbittlich fort. »Vielleicht finden die Dämonen Gefallen am Glücksspiel? Wer spielt, kämpft nicht, sagt immer Grunzus Plattus, der alte Wurzelgnom, der die ›Spielhölle‹ in der Crepusculelane betreibt.«

Lutmilla Honigfleck schien Rebekkas Humor offensichtlich nicht zu teilen. Sie richtete sich stocksteif auf. »Wir sprechen hier über ein ernstes Thema!«, sagte sie empört und wandte sich mit zusammengekniffenen Augen Lilith zu. »Hättest du das Bernstein-Amulett in Chavaleen nicht aus den Händen gegeben, wäre es überhaupt nie so weit gekommen. Warum sollen die Hexen und Magier für einen Fehler büßen, den du in deiner Naivität begangen hast? Ich verlange, dass du das wiedergutmachst!«

Nicht zum ersten Mal hörte Lilith diesen Vorwurf, allerdings hatte sich noch niemand getraut, ihn ihr gegenüber so offen und direkt auszusprechen. Mittlerweile wusste Lilith natürlich, dass sie Andrés Bruder Nikolai niemals hätte vertrauen dürfen. Aber wie hätte sie auch ahnen sollen, dass der älteste Sohn des Vampirführers mit Belial zusammenarbeitete? Die beiden benutzten den Altar, an dem die Amulette einst für den Eid der Vier zusammengefügt worden waren, um einen Teil der magischen Schutzvorkehrungen am Schattenportal unwirksam zu machen. Zum Glück hatten Nikolai und Belial nicht alle Amulette in ihrem Besitz, sodass sie den Eid der Vier nicht vollständig aufheben konnten – was Belials eigentliches Ziel war.

»Ich weiß, dass ich einen schweren Fehler begangen habe, und wenn ich könnte, würde ich ihn sofort wieder rückgängig machen«, sagte Lilith, ohne Lutmilla Honigflecks bohrendem Blick auszuweichen. »Da Rebekka und ich uns damals noch in Chavaleen aufhielten, blieb Scrope keine andere Wahl, als das Portal auf eigene Faust zu versiegeln, um den Einfall der Dämonen zu stoppen. Es war unser großes Glück, dass die Vorbereitungen dafür schon getroffen waren. Nun müssen wir mit den Tatsachen zurechtkommen und gemeinsam nach einer Lösung suchen!«

»Ich für meinen Teil kenne die Lösung bereits. Ihr solltet dankbar sein, dass die Hexen und Magier bereit sind, den formellen Weg einzuschlagen.« Sie beugte sich vor und ihre Augen verengten sich. »Wir könnten unsere Forderung auch jederzeit auf andere Weise und ohne offizielle Zustimmung durchsetzen«, fügte sie drohend hinzu.

Scrope zuckte sichtlich zusammen und auch Lilith musste sich Mühe geben, sich ihren Schrecken nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Natürlich wussten sie alle, dass die Hexen und Magier unter der derzeitigen Situation litten. Aber Lilith hätte nicht damit gerechnet, dass sie ernsthaft in Betracht zogen, sich offen gegen den Rest der Nocturi zu stellen. Dies war in der Tat eine ganz neue Wendung. Sie fragte sich, ob Lutmilla Honigfleck insgeheim schon Kontakt zu den Dämonen aufgenommen hatte, um mit ihnen zu verhandeln. Belial wäre sicher äußerst beglückt über die Möglichkeit, die Nocturi auf diese Art und Weise zu entzweien. Immerhin war es ihm schon gelungen, das Bündnis mit den Vampiren zu zerstören. Lilith rieb sich über die Stirn und bemühte sich, Ordnung in ihre Gedanken zu bekommen. Nun hieß es, Vorsicht walten zu lassen und jedes Wort gegenüber der Zirkelanführerin genau abzuwägen.

Ein hohes Kreischen durchschnitt die angespannte Stille. Zum absolut ungünstigsten Zeitpunkt war es Strychnin in den Sinn gekommen, sich an den Käfig der Glyocula-Schnecke heranzupirschen. Nun hüpfte er wie ein kleiner Teufel davor herum und streckte der Schnecke die Zunge raus, was diese in helle Aufregung versetzte. Bebend saß sie da, maß den Dämon mit weit aufgerissenen Augen und hustete ununterbrochen. Schließlich übergab sie sich sogar in einer Ecke des Käfigs.

»Witzig!«, kicherte er begeistert. »Eine kotzende Schnecke sieht man auch nicht alle Tage, oder?«

»Hör sofort damit auf, Strychnin!«, befahl Lilith ihm ärgerlich.

Aus einem Grund, den sich auch Sir Elliot nicht erklären konnte, reagierte die Schnecke auf Strychnin ebenso intensiv, als wäre er ein von einem Dämon besessener Nocturi. Es lag in Strychnins Natur, dass ihn die Ursache für dieses merkwürdige Verhalten nicht im Mindesten kümmerte, sondern er sich nur einen Heidenspaß daraus machte, der Schnecke einen Schrecken einzujagen, wann immer es ihm möglich war.

»Ich wollte nur für etwas Erheiterung sorgen, meine holde Herrin«, erklärte er kleinlaut und legte betrübt seine spitzen Dämonenohren an. »Die Stimmung im Raum schien mir etwas gedrückt.«

Scrope räusperte sich vernehmlich und versuchte sich an einem Lächeln. »Nun, verehrte Lutmilla, da hat Liliths Dämon wohl etwas falsch interpretiert. Ich bin mir sicher, dass jegliche Spannungen zwischen uns nur auf einem Missverständnis beruhen und …«

»Es war ganz und gar kein Missverständnis und dieser unzivilisierte Dämon hat die Situation absolut richtig interpretiert«, unterbrach Lutmilla Honigfleck ihn kühl.

Scrope klappte den Mund zu und wechselte einen besorgten Blick mit Lilith. Sie ahnte, was er vorhatte, und nickte ihm auffordernd zu. Ihnen blieb keine andere Wahl mehr, sie mussten die Zirkelanführerin einweihen!

»Ich kann ihnen nicht verübeln, dass Sie die Gefahr durch die Dämonen momentan unterschätzen«, begann Scrope. »Doch es gibt einige Anhaltspunkte, die uns vermuten lassen, dass die entflohenen Dämonen einen perfiden Plan verfolgen, der auf lange Sicht die vollständige Vernichtung der Nocturi zur Folge haben wird. Sie beschwören eine Gefahr herauf, die uns in der Vergangenheit schon einmal fast unsere Existenz gekostet hätte.«

»Anhaltspunkte? Vermutungen?«, wiederholte Lutmilla Honigfleck spöttisch und winkte desinteressiert ab. »Solange es keine stichhaltigen Beweise gibt, können Sie Ihre Vermutungen für sich behalten – sie interessieren mich nicht! Für den Moment zählen für mich allein die Belange der Hexen und Magier. Wir haben wirklich genug Geduld gezeigt!« Sie erhob sich, zum Zeichen, dass das Gespräch von ihrer Seite aus damit beendet war. »Damit alle wissen, wie wichtig uns diese Forderung ist, fertigen die Hexen übrigens ab sofort keine Dämonen-Schutzamulette mehr an. Sollte nach Ablauf von sieben Tagen noch keine Entscheidung gefallen sein, werden die Magier ebenfalls ihre Schutzmaßnahmen einstellen.«

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!« Lilith sprang auf. »Dann sind wir nicht nur den Dämonen, sondern auch den Menschen schutzlos ausgeliefert. Die Vanator könnten uns auf die Spur kommen!«

»Das könnte ganz schön gefährlich werden, nicht wahr?«, erwiderte Lutmilla Honigfleck mit einem grimmigen Lächeln. »Für uns Hexen und Magier selbstverständlich weniger, da wir uns natürlich weiterhin schützen werden. Man sollte es sich einfach nicht mit derjenigen Fraktion verscherzen, die für die Sicherheit eines ganzen Volkes verantwortlich ist.«

Lilith rang mit den Händen. »Aber das ist Erpressung!«

»Erpressung – so ein unschönes Wort. Nennen wir es doch einfach: einen dringend notwendigen Beschluss ein wenig beschleunigen.« Lutmilla Honigfleck zupfte ihr Kostüm zurecht. »Mein Besuch hat mir jedenfalls deutlich gezeigt, in welch fähigen Händen unsere Zukunft liegt.« Der ironische Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören, doch Lilith konnte es der Zirkelanführerin nicht einmal verübeln, dass sie von ihnen einen wenig positiven Eindruck gewonnen hatte: Da war zum einen der beleibte Scrope, dessen Taschentuch mittlerweile schon getränkt war von seinem Panikschweiß, dann Rebekka, die völlig gleichgültig auf dem Sofa lümmelte, und nicht zuletzt sie selbst, die noch minderjährige Trägerin des Bernstein-Amuletts, die es nicht einmal schaffte, ihren eigenen Dämonendiener unter Kontrolle zu halten. Lilith musste sich eingestehen, dass sie heute nicht gerade ein kompetentes Führungstrio abgegeben hatten.

»Können wir nicht noch einmal darüber sprechen?«, bat sie. »Hören Sie sich doch wenigstens unsere Befürchtungen in Bezug auf die Pläne der Dämonen an! Bestimmt finden wir dann einen Kompromiss, mit dem wir alle leben können.«

»Die Zeit für Kompromisse ist vorbei«, antwortete Lutmilla Honigfleck trocken. Sie schnippte erneut mit den Fingern und verschwand im selben Moment.

»So eine Hexe!«, murmelte Lilith sauer.

Rebekka lachte auf. »Manchmal treffen deine menschlichen Schimpfwörter direkt ins Schwarze. Aber die Sache mit dem Fingerschnipsen ist wirklich cool, oder nicht? Dagegen stinken unsere Bansheekräfte total ab.«

Lilith fuhr zu ihr herum. »Hast du überhaupt mitbekommen, was gerade passiert ist? Wir haben riesige Probleme am Hals und du tust so, als ob dich das nichts angeht.«

Rebekka erhob sich mit einem lang gezogenen Seufzen. »Ich tue nicht nur so, es geht mich nichts an. Du bist die Führerin der Nocturi – entscheide, was du willst! Mir ist das alles total egal.«

Sie ließ Scrope und Lilith einfach stehen und ging ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.

»Ich werde aus diesem Mädchen nicht schlau«, meinte Scrope und verzog missmutig das Gesicht. »An einem Tag scheint sie völlig normal zu sein und stürzt sich mit Feuereifer in die Arbeit und am nächsten ist sie plötzlich wie ausgewechselt und interessiert sich für nichts mehr.«

»Sie … sie macht eben schwere Zeiten durch«, erwiderte Lilith im halbherzigen Versuch, Rebekka zu verteidigen. Insgeheim musste sie sich eingestehen, dass sich auch ihre Geduld dem Ende neigte. Sollte Rebekka ihr Leben so langsam nicht wieder im Griff haben? Oder würde sie sich womöglich nie mehr von diesem Schicksalsschlag erholen?

»Ich schätze, fürs Erste können wir jedenfalls nicht auf ihre Unterstützung zählen«, fügte Lilith düster hinzu.

»Dieses Ultimatum ist eine Katastrophe«, jammerte Scrope. »Was machen wir denn jetzt? Wir brauchen die Schutzamulette. Schon jetzt gibt es viel zu wenige davon, weil die Kräfte der Hexen nachlassen. Und wenn auch die Magier ihre Schutzmaßnahmen entfernen, sind wir verloren.«

Genau wie die Magier den Vampiren in Chavaleen geholfen hatten, ihre unterirdische Stadt vor den Vanator versteckt zu halten, so war auch Bonesdale mit zahlreichen Schutzvorrichtungen gesichert. Allerdings wirkten diese sich eher auf die geistige Urteilskraft der Menschen aus: Selbst wenn Besucher der Insel etwas wahrnahmen, das selbst für ein Halloweendorf reichlich merkwürdig erschien, kamen sie zu der Überzeugung, dass sie sich getäuscht haben mussten. Nicht einmal Matts Mutter Eleanor war bisher misstrauisch geworden, obwohl sie nun schon seit Jahren hier lebte. Lilith konnte sich noch gut daran erinnern, wie sehr auch Matt sich dagegen gesträubt hatte, die Wahrheit über die Welt der Untoten zu akzeptieren, als sie ihm damals alles gestanden hatte.

Die weitaus wichtigere Schutzvorkehrung bestand jedoch darin, dass Menschen, die in Bonesdale Unheil stiften wollten wie beispielsweise die Vanator, davon abgehalten werden sollten, auch nur einen Fuß auf die Insel zu setzen. Lilith hatte sich schon immer gefragt, wie diese Abwehrmaßnahme wohl konkret ablaufen würde, doch die Magier machten daraus ein großes Geheimnis und eigentlich legte Lilith keinen gesteigerten Wert darauf, es herauszufinden: Den Vanator wollte sie mit Sicherheit nicht mehr begegnen.

»Ach du meine Güte«, stöhnte sie auf. »Was machen wir denn dann mit den Werwölfen? Ohne den magischen Schutzzaun im Schattenwald könnten sie sich auf der Insel frei bewegen.«

Im Gegensatz zu vielen anderen in Bonesdale vertraute Lilith zwar dem Rudelführer Weromir, aber sie kannte auch die rebellische Vorwitzigkeit der jungen Werwölfe. Lilith konnte sich gut vorstellen, dass sie die Gelegenheit nutzen würden, sich beim Dorfmetzger mit leckerem Frischfleisch zu versorgen oder ein paar Einheimische in Angst und Schrecken zu versetzen. Der Ärger wäre somit vorprogrammiert.

Erschöpft ließ sie sich auf das Sofa fallen und fuhr sich über die Augen. »Immer wenn man denkt, dass man alles gerade im Griff hat, steckt man schon in der nächsten Sekunde bis zum Hals in Problemen.«

Eine kleine Dämonenhand legte sich auf ihren Arm. »Ihr schafft das schon, meine Ladyschaft!«, sagte Strychnin voller Vertrauen. »Die böse Hexe wird noch bereuen, dass sie Euch herausgefordert hat.«

Lilith brachte ein Lächeln zustande und strich ihm dankbar über die Hand. »Hoffen wir es!« Sie richtete sich auf. »Dann schauen wir uns mal die Fakten an: Wenn wir das Schattenportal nicht öffnen, verlieren wir die Unterstützung der Hexen und Magier, die für uns allerdings lebensnotwendig ist. Außerdem wäre das Volk der Nocturi ab sofort geteilt und würde in einem möglichen Kampf nicht mehr gemeinsam auf einer Seite stehen. Wenn wir das Portal jedoch öffnen, riskieren wir, dass die Invasion der Dämonen fortgesetzt wird. Wir haben somit die Wahl zwischen zwei Übeln.«

»Lutmilla Honigfleck klang nicht gerade diskussionsbereit«, stellte Scrope betrübt fest. »Dabei haben wir ihr noch nicht einmal erzählt, dass wir mit dem Gedanken spielen, das Portal aus Sicherheitsgründen zu sprengen. Sie hätte uns wahrscheinlich umgehend den Krieg erklärt! Aber nach wie vor vertrete ich die Meinung, dass wir um diesen Schritt nicht herumkommen.« Scrope ballte entschlossen die Fäuste, eine Geste, die eigentlich überhaupt nicht seinem unsicheren Charakter entsprach. »Es ist unsere einzige Chance, Belial und die Dämonen aufzuhalten. Die Zeit drängt, Lilith. Das Schattenportal muss zerstört werden!«

Er packte ihren Arm und in seinen Augen lag ein fanatischer Glanz, wie immer, wenn das Gespräch auf dieses heikle Thema fiel. Die Sprengung war seine Idee gewesen und trotz Liliths Bedenken beharrte er darauf, dass diese radikale Maßnahme unvermeidbar war. Leider standen auch Mildred und Arthur auf seiner Seite. »Lilith, wir werden es auch ohne die Hexen und Magier schaffen, zu überleben! Lass dich nicht von Lutmilla Honigfleck einschüchtern und vertraue auf unseren Plan!«

Nicht zum ersten Mal wünschte sich Lilith, dass nicht ausgerechnet sie diese undankbare Stellung einnehmen müsste. Ihrem Großvater gegenüber hätte sich Lutmilla Honigfleck niemals derart respektlos gezeigt: Baron Nephelius war ein Erwachsener mit mehreren Hundert Jahren Lebenserfahrung gewesen und vor allen Dingen ein Mann. Wer wollte sich schon einem jungen Mädchen unterordnen, das dazu noch in der Menschenwelt aufgewachsen war?

»Ich glaube, ich setze auf die Demokratie«, sagte Lilith schließlich und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass ihre Stimme so zaghaft klang. »Wir sollten eine außerordentliche Dorfversammlung einberufen! Wenn alle Einwohner Bonesdales daran teilnehmen, gilt eine Abstimmung laut unserem Gesetz für das gesamte Nocturi-Volk. Immerhin haben wir eine konkrete Vermutung, was für einen Plan die Dämonen verfolgen, und im Gegensatz zu Lutmilla Honigfleck müssen sie uns zuhören. Ich möchte wenigstens versuchen, unsere Hexen und Magier davon zu überzeugen, dass wir die Gefahr durch die Dämonen nicht unterschätzen dürfen. Im besten Fall stimmen sie der Zerstörung des Portals zu oder aber sie geben uns wenigstens mehr Zeit.« Sie warf Scrope einen zweifelnden Blick zu. »Hoffen wir, dass sie weise entscheiden werden!«

»Def. Ätherion, allgemein: dem Volk der → Dämonen angehörig. Ein körperloser Dämon, der wegen seiner magischen Stärke gefürchtet ist. Sein Körper besteht aus einem nachtschwarzen, fest umrissenen, oft als feucht und glibberig beschriebenen Nebel, der alle möglichen Formen annehmen und dadurch auch als dünne Nebelschwade in die Körper anderer schlüpfen kann. Es ist ihnen möglich, alle Wesen aus der Untotenwelt in Besitz zu nehmen und unter ihre Kontrolle zu bringen. Früher unterwarfen die Ätherionen auch Menschen ihrem Willen, was ihnen jedoch seit dem Schwur des Rats der Vier unmöglich geworden ist. Doch noch heute ist das Bild eines schwebenden und aus purer Bosheit bestehenden Ätherionen-Dämons in der Mythenwelt der Menschen weit verbreitet.