Kosmos
Umschlagillustration von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
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© 1999, 2012, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-13184-8
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Neugierig erhob sich Justus und klopfte den Sand von seiner Badehose. »Und der soll wirklich für uns sein?«, fragte er.
Der kleine Junge nickte und streckte ihm den Umschlag entgegen. Braunes Packpapier, etwas größer als ein normaler Brief. Was Justus aber am meisten daran interessierte: Auf die Vorderseite des Umschlags waren unübersehbar drei große Fragezeichen geschrieben, das Erkennungszeichen der drei Detektive. Justus nahm den Umschlag an sich und drehte ihn in den Händen. Er war mit einem breiten Klebeband verschlossen. Ein Absender stand nicht darauf. Das dicke Papier knisterte in Justus’ Händen. Fragend schaute der Erste Detektiv zu dem kleinen Jungen hinunter, der ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. »Wer hat dir gesagt, dass du uns diesen Umschlag bringen sollst?«
»Ein Mann. Ich habe ihn vorher noch nie gesehen. Er sah aus wie …« Der Junge blickte sich am Strand um und zuckte schließlich mit den Schultern. »… halt wie ein Mann.«
»Aha.« Justus verzog den Mund. An diesem sonnigen Nachmittag befanden sich am Strand von Rocky Beach hunderte von Männern. »Geht es vielleicht ein ganz klein bisschen genauer? Größe, Haarfarbe, Alter, Kleidung …«
Bob, der bis jetzt im Sand gehockt und zugehört hatte, sprang auf. »Mensch, Just, nun mach mal halblang. Es hat eben nicht jeder so ein detektivisch geschultes Beobachtungsvermögen wie du. Und sogar du hast mal klein angefangen.« Dann wandte er sich an den Jungen. »Wie heißt du denn?«
»Chris. Äh … ihr seid Detektive?« Der Junge, ungefähr sieben Jahre alt, sah Bob interessiert an.
»Klar, Chris! Wir nennen uns die drei ???. Das hier ist Justus, ich bin Bob. Und wir übernehmen jeden Fall.«
Der Junge riss die Augen auf »Ihr … ihr seid die drei ???, die berühmten Detektive? Deswegen stehen die Fragezeichen auf dem Umschlag! Aber wo ist der Dritte von euch?« Er deutete an Bob vorbei. »Ist es der da?«
Bob drehte sich zu der Sonnenschutzplane um, unter der sich ihr Freund im Sand räkelte. »Ja, das ist Peter. Er ist etwas müde heute. Normalerweise ist er natürlich der Sportlichste von uns dreien.«
Aus Peters Richtung ertönte ein leichtes Grunzen.
»Chris, du musst ihn entschuldigen.« Bob grinste. »Peter hat sich einen Virus eingefangen.«
»Quatsch«, widersprach Justus. »Er war gestern Abend mit seiner Freundin Kelly zu lang unterwegs. Und jetzt hat er Kopfschmerzen, leidet an Schlafmangel und sieht trotz seiner Bräune reichlich blass aus.«
Bob nickte. »Gegessen hat er heute auch noch nichts. Sehr merkwürdig«, sagte er betont laut.
Wieder drang ein Grummeln unter der Sonnenplane hervor.
»… wir haben zu lange … Fernseher …«, waren die einzig verständlichen Worte.
Bob kickte eine Ladung Sand auf Peters Beine. »Na, soll ich dir das glauben? Was gab es denn Spannendes in der Glotze?«
Keine Antwort.
Bob schüttelte den Kopf. »Sei bloß froh, dass dich deine Eltern heute Morgen nicht erlebt haben. Sonst müsstest du jetzt das Bett hüten und Kamillentee schlürfen – statt hier am Strand herumzuhängen …«
»… und dich in unserem kostbaren Schatten breitzumachen.« Justus blinzelte Bob zu. »Noch nicht einmal für die tollsten Mädchen hat er heute Augen. Es muss wirklich ernst um ihn stehen …«
»Na, offenbar hat ihm der Abend mit Kelly den Rest gegeben …« Bob sprang sicherheitshalber einen Schritt zur Seite. Doch Peter hustete bloß und drehte ihnen den Rücken zu. »Haltet endlich die Klappe! Immer diese blöden Kommentare, nur weil ihr Gurken keine Chancen bei den Mädchen habt!«
Chris hörte dem Schlagabtausch schweigend zu. Bob grinste ihn an. »Das ist also unser Peter. Aber nun erzähl doch mal. Was hat der Mann mit dem Briefumschlag zu dir gesagt?«
»Dass er nicht selbst zu euch kommen könnte. Außerdem hat er mir zur Belohnung ein Eis ausgegeben.«
»Schau dich doch noch mal um. Vielleicht beobachtet er uns ja gerade. Siehst du ihn irgendwo?«
Chris ließ den Blick über das bunte Treiben am Strand von Rocky Beach schweifen. Schließlich zuckte er ratlos mit den Schultern. »Nein, ich sehe ihn wirklich nicht. Er ist nicht mehr da. Er hatte dunkle Haare, schwarz oder braun oder …«
»Vielleicht der Typ da, der gerade zu uns herübersieht?«, unterbrach ihn Justus.
»Der verrückte Mike? Nein, der doch nicht.«
Bob nickte. »Klar, den hättest du ja auch erkannt. Schließlich kennt den jeder in Rocky Beach. Der taucht doch immer am Strand auf und verwickelt die Leute in komische Gespräche. Aber er ist schon in Ordnung. Auch wenn ich ihm nicht abnehme, dass er eine Praxis als Psychologe hat.«
»Stimmt«, pflichtete Justus seinem Freund bei. »Zumindest hat er keine Praxis angemeldet. Ich habe das irgendwann mal überprüft.«
Aus Peters Richtung war ein leises Schnarchen zu hören.
»Heh, Peter!« Bob kitzelte ihn am Fuß. Keine Reaktion. »Also gut, Chris. Danke für den Brief«, sagte Justus und machte eine Pause. Es klang wie ein Rausschmiss.
Chris schaute ihn fragend an. »Ja, bitte. Macht ihr ihn denn nicht auf?«
»Doch, natürlich, später.« Justus warf den braunen Umschlag neben Peters Surfbrett, das einsam und verlassen im Sand steckte. Enttäuscht wandte Chris sich ab.
»Komm, Justus, lass ihn doch«, sagte Bob und rief dann: »Chris, warte einen Moment. Wir öffnen den Umschlag zusammen!«
»Ich bin mir sicher, dass da ein neuer Fall lauert!«, widersprach Justus und bohrte den Fuß in den Sand. »Und das ist schließlich eine Sache für Profis.«
»Fall? Wo gibt es einen neuen Fall?« Peter saß plötzlich aufrecht im Sand. Doch die Bewegung war wohl etwas zu ruckartig gewesen. Er fasste sich sofort an den Bauch. »Ouhh …«
»Ja, einen Fall, Peter«, sagte Justus gedehnt. »Aber schlaf dich erst einmal aus.«
»Vielleicht hätten wir dich doch mit unserer Klasse nach Schottland schicken sollen«, sagte Bob. »Ein paar kleine Wanderungen an der schottischen Bergluft hätten dir sicher gutgetan, und deine Wangenfarbe könnte …«
Peter holte tief Luft. »Jetzt reicht’s mir aber mit eurem Gequatsche! Immer noch besser, hier in Kalifornien herumzuhängen, als sich in diesem saukalten und verregneten Schottland einen abzufrieren. Außerdem wimmelt es da doch nur so von Gespenstern und Geistern – da bin ich wirklich nicht besonders scharf drauf. Nein, ich beneide unsere Klassenkameraden nicht. Und spätestens morgen bin ich auch bestimmt wieder fit!«
»Bravo, Peter! Ein richtig langer Satz!« Bob klatschte in die Hände. »Seine Lebensgeister kehren zurück! Allerdings wäre der Schüleraustausch von unserem Spezialkurs ›Europäischer Regionalismus‹ bestimmt spannend geworden. Denn ICH stehe auf Gespensterschlösser.«
»Das kann nicht sein!« Peter ließ sich zurückfallen und schaute in den Himmel. »Ich will das kalifornische Meer rauschen hören. Ich will Sonne. Ich will genießen. In diesem bescheuerten Politikkurs war ich doch nur wegen Justus und dir. Für so ein abgefahrenes Thema interessiert sich hier in Rocky Beach doch keine Menschenseele. Ich bin echt froh, dass wir zu Justus gehalten haben und nicht mit nach Schottland gefahren sind. Auch wenn Just gerade mal wieder ziemlich eklig zu mir war!«
»Hm …« Justus Jonas gab zu diesem Thema lieber keinen Kommentar ab. Sein Onkel Titus hatte das Geld für den Besuch bei der schottischen Partnerschule nicht erübrigen können. Der Schrottplatz, auf dem die drei ??? ihre detektivische Einsatzzentrale eingerichtet hatten, warf zurzeit nicht besonders viel Geld ab. Und der Fördermitteletat der Schule war bei einem Sportturnier anlässlich des 75-jährigen Schulbestehens restlos aufgebraucht worden. Bob und Peter hatten sich deshalb dazu entschlossen, ebenfalls in Rocky Beach zu bleiben. Peters Vater hatte zwar angeboten, das Geld vorzustrecken, doch das wollten weder Justus noch sein Onkel Titus annehmen. So war der Kurs ohne sie nach Europa geflogen und Justus, Peter und Bob hatten dafür eine Woche schulfrei.
»Schottland läuft uns nicht davon«, meinte Justus nach einer kleinen Pause. »Irgendwann fahren wir da auch noch hin. Schließlich sind wir jung und das Leben liegt vor uns wie ein ungelesenes Buch.«
»Manchmal klingst du, als wärst du dein eigener Großvater.« Bob grinste und hob den braunen Umschlag auf. »Aber jetzt machen wir endlich den Brief auf. Denn auch er liegt vor uns wie ein ungelesenes Buch. Komm, Chris.«
Bob kramte ein Taschenmesser aus der Kühltasche hervor und schnitt langsam die untere Seite des Umschlags auf. Eine Vorsichtsmaßnahme, für den Fall, dass mit dem Brief irgendetwas nicht stimmte. Dann zog er aus dem Umschlag ein Blatt Papier heraus, in das ein weiterer Umschlag eingelegt war.
»Überraschung!«, rief Bob und wedelte mit dem zweiten Brief herum. In großen Buchstaben stand darauf ›nicht öffnen‹.
»Komm, mach schon!« Justus riss ihm ungeduldig das lose Blatt aus der Hand und faltete es auseinander. »›Sehr geehrte Herren‹«, las er mit monotoner Stimme vor, »›wie Sie sehen, liegt diesem Schreiben ein Brief bei. Bitte öffnen Sie ihn nicht! Das wäre gefährlich! Da ich bedroht werde, kann ich dieses Schreiben nicht selbst überbringen. Es enthält eine wichtige Botschaft, die für eine bestimmte Person sehr wichtig ist. Diese Person ist in Gefahr! Bitte geben Sie den Brief ungeöffnet weiter. Der Name des Empfängers ist gleichzeitig das Kennwort: ›Johnny‹. Treffpunkt ist Ecke Carey Street/Arden Street, heute Abend um 22 Uhr. Meine Herren, Sie stehen in dem Ruf, ein erfolgreiches Detektivbüro zu führen, und ich setze auf Ihre Diskretion und Zuverlässigkeit. Bei gelungener Übergabe werde ich mich selbstredend erkenntlich zeigen. Entschuldigen Sie, wenn ich aus Sicherheitsgründen meinen Namen nicht nennen möchte. Ich danke Ihnen. Hochachtungsvoll – Der Absender‹.«
»Hm«, sagte Bob nach einer kurzen Pause. »Anonym. Wenn einer schon seinen Namen nicht nennt …«
»Carey Street und Arden Street – die liegen doch im Industriegebiet«, murmelte Justus. »Da ist es abends nicht sehr gemütlich. Was hältst du von der Sache, Bob? Klingt doch merkwürdig!«
»Find ich auch. Außerdem: Woher weiß er, dass wir ein Detektivbüro führen?«
Chris, der die ganze Zeit interessiert zugehört hatte, mischte sich ein. »Die drei ??? sind doch überall bekannt. Ihr habt schließlich schon viele Fälle gelöst. Ich lese davon sogar immer im Internet.«
Bob wurde rot. »Ja, ich weiß, äh … danke für das Lob. Justus, vielleicht sollten wir mal in dem zweiten Brief nachsehen?«
Justus nickte und untersuchte den Umschlag. »Er ist mit Klebstoff zugeleimt. Mit Wasserdampf bekommen wir ihn nicht auf. Man würde es auf alle Fälle bemerken.«
»Nein, wir lassen ihn zu!«, ging Peter dazwischen. Bob und Justus zuckten zusammen. »Ich bin dafür, dass wir alles genau so machen, wie es in dem Brief steht. Freunde, wir stecken doch mitten in einem neuen Fall! Ich finde es spannend!«
»Und wenn das Ganze ein Scherz ist, Peter? Oder wenn die Sache wirklich gefährlich ist?«, fragte Bob skeptisch.
»Nein, nein, wir können doch nichts dabei verlieren! Wir sollten erst einmal mitmachen. Und wenn wir den Brief übergeben haben, verfolgen wir den Empfänger. Wenn es stimmt, dass der Absender und der Empfänger in Gefahr sind, dann können wir ihnen helfen. Vielleicht ging der Brief ja deswegen an uns. Sozusagen ein versteckter Hilferuf. Spätestens heute Abend wissen wir mehr.«
»Aber wenn Skinny Norris mit seiner Bande dahintersteckt?« Bob war immer noch nicht überzeugt. Skinny Norris hatte sie schließlich schon oft geärgert. In letzter Zeit machte er die Gegend mit drei weiteren zwielichtigen Gestalten unsicher.
Justus schüttelte den Kopf. »Skinny ist heute Vormittag in seinem Internat. Außerdem hätte er den Brief nicht in diesem Tonfall geschrieben. Seht mal, der Absender hat doch eine interessante Wortwahl: ›Erkenntlich zeigen‹, ›hochachtungsvoll‹, ›in dem Ruf stehen‹ – so etwas kann Skinny doch noch nicht mal buchstabieren. Er hätte sich irgendwelche abgefahrenen Sachen ausgedacht.«
Chris meldete sich zu Wort. »Es war keiner von Skinnys Bande. Die kenne ich nur zu gut – leider.« Er deutete auf einen blauen Fleck an seinem rechten Bein. »Außerdem war der Mann älter. Bestimmt schon dreißig.«
»Also gut.« Bob lenkte ein. »Chris, warum bist denn du heute nicht in der Schule?«
»Schwimmen ist ausgefallen!«
»Ah ja.«
Eine Frau, die lautstark den Namen ›Chris‹ rief, stapfte in einiger Entfernung durch den Sand. Sie blieb stehen und blickte sich um.
»Meine Mutter«, erklärte Chris. »Sie sucht mich.« Bevor der Junge losspurtete, notierten sich die drei ??? seine Schulklasse und versprachen, ihm später genau zu berichten, wie die Geschichte ausgegangen war.
Bob winkte Chris noch kurz nach, dann drehte er sich um. »Okay«, sagte er. »Machen wir also bei dem Botenspiel mit. Aber vorher checken wir die Gegend ab. Ich würde sagen, nur einer von uns übergibt den Brief. Einer versteckt sich in der Nähe und einer wartet im Wagen, damit wir schnell die Verfolgung aufnehmen können.«
»Wenn du so ausgiebig für uns planst, dann weißt du bestimmt auch schon, wer von uns der Briefbote ist?«, fragte Peter.
»Ich dachte da an dich!«
»Oh nein, Bob, ich bestehe auf Ausknobeln. Schere, Stein, Papier.«
»Einverstanden«, sagte Justus. »Bob, beug dich der Mehrheit.«
»Wenn’s denn sein muss …«
Erwartungsgemäß verlor Bob. »Elfmeterschießen wäre mir lieber gewesen«, murmelte er leise vor sich hin, doch Peter hatte es genau gehört. Er sprang auf und beschoss Bob mit Sand. »Lass diese bescheuerten Anspielungen«, rief er. »So schlecht geht es mir nicht, dass ich das nicht noch mitbekomme. Du kannst doch sonst einen Golfball nicht von einem Fußball unterscheiden!«
Doch Bob war schon lachend weggesprungen und Peter, in dessen Magen es schon wieder rumorte, gab stöhnend auf hinterherzusprinten. Seit der Zweite Detektiv vor einigen Wochen in einem Elfmeterduell den Ball verschossen und ausgerechnet Bob das Tor getroffen hatte, verfolgte ihn das Thema beinahe täglich. Aber immerhin war er spätestens jetzt wieder hellwach.
Es waren nur noch wenige Minuten bis zehn Uhr. Bob atmete kräftig durch und stieg aus Peters MG. Sie waren eine Weile durch das Industrie- und Bürogelände gefahren und hatten die Gegend unter die Lupe genommen. Aber es war ihnen nichts Besonderes aufgefallen. Dennoch entpuppte sich jetzt das, was sich am sonnigen Strand noch wie ein Kinderspiel angehört hatte, als eine sehr unangenehme Aufgabe. Dunkel und verlassen ragten die Gebäude in die Dämmerung. Auf Bob wirkten sie unheimlich, fast schon bedrohlich. Dann ging plötzlich die Straßenbeleuchtung an. Sie tauchte die Szenerie in ein kühles, fahles Licht. Beklommen nahm Bob seinen Posten ein. Es war einsam hier, seit einer ganzen Weile schon war kein Mensch mehr aufgetaucht.
Bob behielt den Bauplatz auf der anderen Straßenseite im Auge, er erschien ihm besonders suspekt. Dann schaute er zu Peter, der ungefähr hundert Meter entfernt hinter dem Steuer seines Wagens saß. Justus war bereits am anderen Ende des Häuserblocks ausgestiegen, um unauffällig zu einem der Container zu schleichen, die hinter Bob herumstanden. Endlich war der vereinbarte Vogelruf zu hören, Justus hatte seinen Beobachtungsposten erreicht.
Der Umschlag in Bobs Hemdtasche knisterte. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, ihn nicht zu öffnen? Nervös blickte Bob auf seine Armbanduhr. Nur noch ein paar Sekunden bis 22 Uhr. Und immer noch kein Mensch in Sicht.
Da hörte Bob das Motorengeräusch eines sich nähernden Wagens. Das Auto bog um die Ecke. Ein schwarzer Mercedes. Die Limousine fuhr langsam an Peter vorbei, der sich weggeduckt hatte, und kam nun auf Bob zu. Der dritte Detektiv sah, dass der Fahrer trotz der Dunkelheit eine Sonnenbrille trug. Bob stellte sich sprungbereit hin und spannte die Muskeln an. War es nun so weit? Er hörte, wie Peter sein Auto startete. Der schwarze Wagen verlangsamte sein Tempo noch mehr. Aber er glitt an Bob vorbei. Erst jetzt erkannte der dritte Detektiv, dass eine Frau den Mercedes steuerte. Sie wandte sich ihm kurz zu und Bob fielen ihre rötlichen Haare auf. Dann gab sie wieder Gas. Die Frau mit der Sonnenbrille fuhr weiter.
Hilflos blickte Bob zu Peter, der den Motor wieder ausgestellt hatte. Tausend Fragen schwirrten ihm durch den Kopf: War die Frau im Mercedes der Bote, auf den sie gewartet hatten? War sie ›Johnny‹? War ihr die Situation zu heiß geworden? Aus welchem Grund? Vielleicht wollte sie nur die Lage prüfen und würde wiederkommen. Bob wurde immer nervöser.
Da schreckte ihn ein anderes Geräusch auf. Es kam von oben. Das rhythmische Knattern eines Hubschraubers. Er musste bereits ziemlich tief fliegen, denn der Rotorenlärm war schon sehr laut. Doch noch war nichts zu sehen. Dann tauchte der Hubschrauber plötzlich hinter einer Häuserzeile auf. Ein heller Suchscheinwerfer blitzte auf und leuchtete den Platz zwischen den Gebäuden ab. Kurz fiel der Strahl auch auf Bob. Der dritte Detektiv spürte die durch die Rotoren aufgewirbelte Luft. Aus einem Impuls heraus wollte er wegrennen. Doch dann war der Spuk schon wieder vorbei, so plötzlich, wie er begonnen hatte.
Als schien er zu spüren, dass Bob moralische Unterstützung brauchte, betätigte Peter kurz die Lichthupe. Auch Justus ließ seinen Vogelruf hören. Bob entspannte sich etwas. Die Übergabe war offenbar gescheitert. Sie mussten langsam nach Hause. Gerade als Bob seinen Posten verlassen wollte, hörte er wieder ein Auto näher kommen. Doch es war nicht der Mercedes von vorhin, das konnte Bob am Motorengeräusch erkennen. Der Wagen bog um die Ecke und fuhr an Peter vorbei. Bob sank in sich zusammen. Es war ein Polizeiauto.
Der Wagen stoppte einige Meter entfernt. Ein blonder Polizist stieg aus, der zweite blieb sitzen. Auch das noch, dachte Bob. Wenn ausgerechnet jetzt dieser Johnny kommt, ist die Sache endgültig gelaufen. Hoffentlich verschwinden die bald wieder.
»Abend, junger Mann! Darf ich fragen, was Sie hier zu suchen haben?«
Bob schluckte. »Äh, ’n Abend, Officer, ich, äh, ich warte auf einen Freund.«
»Freund? Vielleicht den da hinten im Wagen?« Der Polizist deutete auf das Auto, in dem Peter saß.
»Äh, ja, genau, auf ihn.«
»Na, dann soll er sich mal in Bewegung setzen, dein Freund.« Der Uniformierte winkte Peter zu sich heran. Peter startete den Wagen und fuhr vor. Er stieg aus und gesellte sich zu ihnen.
»Peter Shaw«, stellte er sich vor.
In dem Moment tauchte von hinten auch Justus auf. »Justus Jonas, angenehm, Sir.«
»Ein Klassentreffen, wie?« Die Stimme des Polizisten wurde sarkastisch. »Wie viele von euch haben sich hier noch versteckt?«
»Niemand mehr«, erklärte Bob.
»Also raus mit der Sprache, was läuft hier?«
»Wir, äh, wir sind Detektive«, antwortete Justus nach kurzem Zögern. »Wir warten auf einen Unbekannten, dem wir eine geheime Botschaft überbringen sollen. Wir wissen selbst nicht genau Bescheid.«