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Das Buch:

Vielfältige Charaktere sind in diesem Klassiker in einem Spiel auf Leben und Tod verbunden. Nie geht die Spannung verloren, die Reise mit dem Schiff ist für Jim Hawkins eine Möglichkeit, in die Welt zu kommen und sich zu bewähren. Er ordnet sich nicht unter und geht immer wieder eigene Wege.

Es wird auch gezeigt, wie die Gier nach Gold und Geld manche Menschen zu Übeltätern und Bestien macht. Es wird auch klar, wie manche Menschen am Alkohol scheitern – selbst der Lange John Silver, der Anführer der Piraten, warnt seine Kumpane vergeblich.

Der Autor:

Dirk Walbrecker, geboren in Wuppertal, Wahl-Münchener, Studium der Literatur- und Theaterwissenschaft, Regie-Assistent, Aufnahmeleiter, Drehbuchschreiber, Kinder- und Jugendbüchern mit zahlreichen Veröffentlichungen, Leseveranstaltungen in Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Türkei – und auch Pädagoge. Er war als Lehrer tätig und weiß genau, wie man die verschiedenen Altersgruppen ansprechen kann und was wirklich spannend ist und wie man die Lust weckt, durch Literatur gehaltvoller, spannender und auch humorvoller leben zu können.

Hörbuch:

Der Text dieses Buches ist auch als Hörbuch in der Reihe „Klassiker für Kids“ erschienen:

Die Schatzinsel

nacherzählt und gesprochen von Dirk Walbrecker,

Hörbuch auf 3 Audio-CDs, ISBN 978-3-942270-59-5

Klassiker für die ganze Familie

Die Schatzinsel

von Robert Louis Stevenson

nacherzählt von Dirk Walbrecker

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Impressum

ISBN: 978-3-942270-75-5

© Kuebler Verlag GmbH,

Lampertheim – Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung Daniela Hertel,

www.grafissimo-design.de,

Bildmaterial © fotalia.com

Kuebler Verlag im Internet:

www.kueblerverlag.de

www.klassiker-fuer-die-familie.de

Kapitel 1

Der alte Seebär im „Admiral Benbow“

Die Geschichte, die ich euch zu erzählen habe, beginnt an dem Tag, als ein braungebrannter alter Seebär an unsere Kneipentür klopfte.

Meine Eltern waren damals Besitzer eines ziemlich heruntergekommenen Gasthauses, das den Namen „Admiral Benbow“ trug. Es lag direkt an der Küste, und dieser Alte mit der Narbe im Gesicht und dem langen Seemannszopf war nicht die erste merkwürdige Gestalt, die bei uns auftauchte. Eines kann ich allerdings versichern: Niemals zuvor weilte ein solcher Rabauke unter unserem Dach. Und erst recht hatte nie vorher ein Besuch so dramatische Folgen.

Noch heute sehe ich ihn vor mir, wie er vor unserem Haus stand: groß, kräftig und mit einem fleckigen alten Mantel, seine Hände rissig und narbig und mit schwarzen, brüchigen Nägeln.

Gleich hinter ihm kam ein Gehilfe mit einem Handkarren, auf den eine riesige Seemannskiste geladen war.

„Fünfzehn Mann auf des Toten Truh' – Jo-ho-ho – und 'ne Pulle voll Rum!“ sang der Seebär mit seiner zittrigen Stimme. Dann pochte er erneut an unsere Tür.

Mein Vater wagte sich als erster nach draußen. „Rum!“, rief der Alte barsch. „Sofort einen Rum für eine verdurstete Kehle!“

Vater, der damals schon nicht mehr gut auf den Beinen war, gehorchte sofort.

Der Seebär drehte sich um und ließ den Blick über unsere Bucht gleiten. „Ein gemütlicher Schlupfwinkel“, brummte er, als mein Vater mit einem kräftig eingeschenkten Glas Rum erschien. „Gibt's viele Gäste hier?“

„Leider sehr wenig Kundschaft, leider“, sagte mein Vater bedauernd.

„Dann ist's gerade der richtige Ankerplatz für mich“, knurrte der Alte und rief den Mann mit dem Karren zu sich.

„Ich leg hier an. Bring die Kiste an Land!“ befahl er. „Ich bin ein anspruchsloser Mensch“, erklärte der Seebär meinem Vater. „Rum, Eier und Speck sind alles, was ich brauch'. Dazu die Klippe da hinten, um nach den Schiffen Ausschau zu halten. Hier!“ Er warf drei Goldmünzen auf die Türschwelle. „Wenn ich das aufgebraucht hab, gebt mir Bescheid.“

Ohne dass ihn jemand danach gefragt hätte, gab er bekannt: „Übrigens könnt ihr mich Käpt'n nennen!“ Und in der Tat, obwohl seine Kleider nicht gerade die feinsten waren und seine Redeweise ziemlich grob, sah der Kerl nicht gerade aus wie jemand, der nur vor dem Mast gesegelt war. Er mochte vielleicht der Käpt'n eines kleineren Schiffes oder ein Steuermann gewesen sein. Jedenfalls wirkte er wie jemand, der Gehorsam verlangte.

Der Mann mit dem Karren erzählte, der Käpt'n sei am Vortag mit der Postkutsche vor dem „Royal George“ eingetroffen. Dort habe er sich nach den Gasthäusern entlang der Küste erkundigt. Und nachdem er von der etwas abgeschiedenen Lage des „Admiral Benbow“ gehört habe, sei sofort die Entscheidung für unser Gasthaus gefallen.

Die ersten Tage seiner Anwesenheit war der Käpt'n ein ausgesprochen schweigsamer Mensch. Tagsüber trieb er sich am Strand oder auf den Klippen herum, stets mit seinem Messingfernrohr bewaffnet. Abends hockte er am Feuer in der Gaststube und trank Rum mit Wasser – meistens sehr stark.

Selbst wenn er angesprochen wurde, sagte er kein Wort. Stattdessen stierte er dann sein Gegenüber wütend an und blies dazu so kräftig durch die Nase, als ob sie ein Nebelhorn wäre. Kein Wunder also, dass wir und unsere Gäste den seltsamen Alten in Frieden ließen.

Einmal am Tag allerdings unterbrach der Käpt'n sein Schweigen. Immer wenn er von seinen Streifzügen am Meer zurückkehrte, wollte er genau wissen, ob wir irgendwelche Seeleute auf der Straße gesichtet hätten. Zunächst nahmen wir an, der Alte fühle sich einsam und sehne sich nach seinesgleichen. Doch mit der Zeit wurde uns klar, dass das Gegenteil der Fall war: Der Käpt'n wollte eine solche Begegnung möglichst verhindern! Denn jedes Mal, wenn sich wirklich einmal ein Seemann zu uns verirrt hatte, so kam der Käpt'n nicht einfach in die Wirtsstube. Nein! Zuvor lugte er misstrauisch durch den Türvorhang.

Manchmal hingegen, wenn sich der alte Seebär schon kräftig einen hinter die Binde gegossen hatte, wurde er laut. Dann saß er da und sang alte, wilde, böse Seemannslieder und scherte sich um niemand. Oder er gab eine Runde aus und nötigte die Anwesenden, in seinen Gesang einzustimmen. Dann wackelte das ganze Lokal vom „Jo-ho-ho – und 'ne Pulle voll Rum!“ Und wehe, einer der Anwesenden weigerte sich mitzusingen! Da wurde der Käpt'n wütend und hieb mit der Faust auf den Tisch und war nicht mehr zu bändigen.

Mein Vater fürchtete schon um den guten Ruf unseres Hauses. Er prophezeite, irgendwann würden alle unsere Gäste ausbleiben, weil sie es satt hatten, sich niederbrüllen und drangsalieren zu lassen. Aber ich sah das Gegenteil. Die meisten empfanden es als eine angenehme Abwechslung in ihrem langweiligen Landleben. Und einige Jüngere bewunderten den Alten sogar.

Eines Tages plötzlich zog mich der Käpt'n beiseite: „Jim Hawkins“, sagte er, „willst du dir jeden Monat ein silbernes Vierpennystück verdienen?“ Bevor ich eine Antwort geben konnte, redete der Alte weiter: „Halte die Augen auf und melde mir umgehend, wenn du einen Seemann mit einem Bein siehst! Mit einem Bein, verstanden?“

Mit einem Bein? Wie schrecklich! Aber was blieb mir anderes übrig, als zu gehorchen? Der Alte war unberechenbar. Und ich konnte das Geld dringend gebrauchen.

Doch ich sage es gleich: Alles Ausschauhalten nützte nichts. Der einbeinige Seemann ließ sich nicht blicken. Stattdessen hatte ich Ärger mit der Bezahlung. Denn jeden Monat trennte sich der Käpt'n nur sehr missmutig von dem versprochenen Geldstück.

Auch das mit der Bezahlung für sein Zimmer klappte nicht gut. Nun lebte der alte Käpt'n (oder was immer er sein mochte) schon viele Monate bei uns, und das Geld, das er bei seiner Ankunft bezahlt hatte, war längst aufgebraucht. Wenn sich dann mein Vater endlich ein Herz fasste und um Nachzahlung bat, dann, ja dann blies unser Gast so kräftig durch die Nase, dass es Vater fast aus dem Zimmer wehte. Und ich bin mir sicher: Dieser Ärger trug mit dazu bei, dass mein armer Vater krank wurde.

Eines Tages allerdings gab es einen Zwischenfall. Doktor Livesey war am Spätnachmittag gekommen, um nach meinem Vater zu schauen. Er hielt sich ziemlich lang in dessen Schlafzimmer auf. Dann kam er mit besorgter Miene in den Gastraum. Ausnahmsweise waren an diesem Tag ziemlich viele Gäste da. Einer davon war unser Käpt'n. Und der hatte schon einen kräftigen Rumrausch.

Doktor Livesey setzte sich und mich packte die die Neugierde. Ich wollte diese beiden Herren nebeneinander in einem Raum sitzen sehen:

Hier der ordentlich und elegant gekleidete Arzt, mit frisch gepuderter Perücke und natürlich mit betont guten Manieren, die schwarzen Augen lebhaft und freundlich.

Dort, inmitten von ausgelassenem Landvolk, unser Schreckgespenst von Seebär – aufgedunsen, ungewaschen und in vergammelter Kleidung.

Auch heute schien den Alten irgendwas zu reizen. Denn wieder einmal begann er plötzlich sein unverschämtes Lied zu grölen:

„Fünfzehn Mann auf des Toten Truh' – jo-ho-ho – und 'ne Pulle voll Rum! Saufen, und der Teufel sorgte für Ruh' – jo-ho-ho – und 'ne Pulle voll Rum!“

Die meisten der Anwesenden kannten das Lied schon. Man gönnte dem Angetrunkenen seinen Auftritt und führte seine eigenen Gespräche einfach weiter.

Einer allerdings fühlte sich offenbar sehr gestört: Doktor Livesey! Er blickte für einen Moment höchst verärgert zu dem anderen Tisch hinüber, setzte dann aber sein Gespräch mit seinem Nachbarn fort.

Der Käpt'n hingegen hatte zunehmend Vergnügen an seiner eigenen musikalischen Darbietung. Plötzlich aber unterbrach er das Gegröle. Mit der flachen Hand donnerte er auf den Tisch, dass die Gläser nur so durcheinander purzelten. Und jeder wusste, was das bedeutete: Der Käpt'n wünschte Ruhe, absolute Ruhe!

Und siehe da, alle folgten dem Befehl und schwiegen umgehend. Bis auf einen: Doktor Livesey! Der redete einfach weiter. Selbstverständlich und gelassen, und nach jedem zweiten oder dritten Satz zog er genüsslich an seiner Pfeife.

Der Käpt'n konnte es nicht fassen. Er glotzte den Doktor eine Weile an, dann hieb er mit der Hand erneut auf den Tisch und glotzte noch mehr: Der Doktor redete nämlich immer noch weiter!

„Ruhe auf dem Zwischendeck!“, brüllte der Käpt'n ganz außer sich. Dabei schien er den Doktor mit seinem Blick durchbohren zu wollen.

„Reden Sie mit mir?“ fragte der Arzt gelassen.

„So ist es, du schäbige Landratte!“, brüllte der Käpt'n.

Doktor Livesey blieb die Ruhe selbst: „Darauf habe ich nur eines zu sagen. Wenn Sie so weiter trinken, wird auf dieser schönen Erde bald ein Lump weniger leben.“

Die Wut des Alten war fürchterlich. Er sprang auf, zog ein Klappmesser, ließ die Klinge springen und wog das offene Messer auf der Handfläche.

„Ich werde Sie an die Wand nageln, Sie Maulheld!“ schrie der Käpt'n voller Zorn und machte einen wackeligen Schritt auf den Doktor zu.

Doktor Livesey rührte sich nicht von der Stelle. Er erhob seine Stimme, laut und deutlich, dass jeder im Lokal es hören konnte: „Falls Sie nicht umgehend das Messer einstecken, verspreche ich Ihnen eines: Am nächsten Gerichtstag werden Sie hängen!“

Es folgte ein langer Blickwechsel, ein wahrer Zweikampf mit den Augen. Dann gab der Käpt'n klein bei, steckte das Messer ein, ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen und knurrte wie ein geschlagener, beleidigter Hund.

„Und noch eins!“, fügte der Doktor mit seiner ruhigen Stimme hinzu. „Da ich jetzt weiß, was für ein Bursche sich hier in meinem Bezirk aufhält, werde ich ein entsprechendes Auge auf Sie haben. Tag und Nacht, das verspreche ich Ihnen! Und falls nur irgendeine Kleinigkeit vorfällt, zum Beispiel so etwas wie heute Nachmittag, werde ich keine Sekunde zögern, Sie in Gewahrsam zu nehmen. Ich bin nicht nur der Arzt hier am Ort, sondern auch Amtsperson, merken Sie sich das!“

Da wurde das Pferd von Doktor Livesey gebracht. Der Arzt verabschiedete sich und ritt davon.

Unser Gast, der Seebär, war an diesem Abend ziemlich kleinlaut. Und so blieb er auch an den folgenden Abenden.

Meine Mutter und ich hatten fortan aber andere Sorgen. Meinem Vater ging es zusehends schlechter. Wir mussten uns aufs Schlimmste gefasst machen.

Es war in diesem Jahr ein bitterkalter Winter mit hartem Frost und schweren Stürmen, und die Widerstandskraft meines Vaters wurde mit jedem Tag geringer. Für meine Mutter und mich bedeutete das harte Arbeit: Von morgens bis abends mussten wir das Gasthaus allein versorgen.

Und eines Tages war es dann plötzlich soweit. Mit einem Schlag sollte sich unser Leben verändern. Nicht nur durch den Tod meines Vaters, das Schicksal hielt noch andere Widrigkeiten für uns bereit.

Kapitel 2

Besuch vom Schwarzen Hund

und vom Blinden

Es geschah an einem frostigen Januarmorgen. Die Bucht war mit Raureif überzogen. Die Sonne stand noch tief und fern über der See. Und die Wellen plätscherten sanft und matt über die Kiesel.

Der Käpt'n war früher als sonst aufgestanden und hatte sich auf den Weg zum Strand gemacht. Wie gewöhnlich hatte er sein Messingfernrohr dabei und ein Entermesser baumelte am Gürtel seines abgetragenen Rockes.

Schon bald darauf passierte es. Meine Mutter war oben, um sich um Vater zu kümmern. Ich war gerade damit beschäftigt, den Frühstückstisch für den Käpt'n zu decken. Da betrat ein Mann die Gaststube, den ich nie zuvor gesehen hatte. Mein erster Blick galt seinen Beinen: er hatte zwei!

Stattdessen stellte ich mit einem zweiten Blick fest: An der linken Hand fehlte bei zwei Fingern das erste Glied! Ansonsten wirkte er einigermaßen normal. Sein Gesicht war blass und aufgedunsen. Seine Kleidung ließ ahnen, dass er etwas mit der Seefahrt zu tun hatte. Und das Messer an seinem Gürtel war bei solchen Typen nicht unüblich.

„Womit darf ich dienen?“ fragte ich den Gast und tat sehr beschäftigt.

„Rum!“ war die knappe Antwort, während der Gast sich an den Tisch setzte, den ich gerade für den Käpt'n deckte.

Ich servierte das Getränk und wollte mich sogleich wieder verziehen. Aber der Kerl winkte mich mit einem Finger zu sich: „Bleib mal hier, Söhnchen! Ich hab 'ne Frage an dich.“

Ich ließ mich zwar nicht gern so anreden, gehorchte aber trotzdem.

„Ist dieser Tisch etwa für meinen alten Kameraden Bill gedeckt?“, wollte der Gast wissen und sah mich misstrauisch an.

„Nein“, sagte ich trocken. „Hier speist ein Herr, der Dauergast bei uns ist, sich Käpt'n nennt und wohl auch einer ist.“

„Mit 'ner großen Kerbe im Gesicht?“, fragte der Kerl. „Und recht trinkfreudig obendrein?“

Ich konnte nicht anders, als leicht mit dem Kopf zu nicken.

Der Gast grinste zufrieden. „Hab ich mir gedacht, dass er sich Käpt'n nennt, hab ich mir gedacht“, sagte er mehr zu sich. Dann sah er mich plötzlich scharf an, und auch seine Stimme wurde kälter: „Und wo ist mein guter, alter Bill gerade? Ist er oben?“

„Nein!“ sagte ich kurz. „Er macht einen Spaziergang.“

„Und wohin, mein Söhnchen, wenn ich fragen darf?“

Ich gab ihm bereitwillig Auskunft, diesem seltsamen Kerl, der gar nicht so gefährlich aussah, aber mir dennoch Angst einjagte.

„Er wird sich über ein Schnäpschen freuen, wenn er zurückkommt!“ sagte der Kerl grinsend, ging zur Tür und schaute zum Strand hinüber.

„Irgendetwas stimmt hier nicht! Der Kerl führt etwas im Schilde!“, ging mir durch den Kopf. Sollte ich zu meiner Mutter hinauf? Oder lieber das Haus verlassen?

Ich entschied mich für letzteres.

„Hiergeblieben, mein Söhnchen!“ Der Kerl packte mich einfach an der Schulter und zog mich in den Hausflur zurück. „Nun sind wir mal ganz gehorsam und warten hier auf den, der sich so nett Käpt'n nennt. Da hinten kommt er ja schon!“

Ich zitterte! Ich gebe es zu.

Der Kerl neben mir griff nach seinem Entermesser und lockerte die Klinge in der Scheide. Dann zog er mich noch mehr in das Dunkel des Hausflurs.

„Es soll eine kleine Überraschung sein!“, flüsterte er. Im selben Augenblick hörte ich die schweren Schritte unseres Seebären. Ahnungslos betrat er den „Admiral Benbow“, schlug wie üblich die Tür hinter sich zu und ging geradewegs zu seinem Tisch.

„Bill!“ sagte der Kerl neben mir, und ich merkte, wie er um eine feste Stimme bemüht war.

Der Käpt'n drehte sich auf dem Absatz um. Er starrte uns an. Er wurde fahl wie ein ausgebleichtes Segel. Er war sprachlos und schien schlagartig um Jahre zu altern.

„Na, mein lieber Bill, kennst du deinen alten Schiffskameraden noch?“

„Schwarzer Hund …“ knurrte der Käpt'n und hielt sich dabei am Tisch fest.

„Wer sonst, alte Fregatte?“, sagte der Kerl und ließ mich los. „Lang nicht mehr gesehen, sehr lang! Das letzte Mal, als ich meine schönen Fingerchen verlor, nicht wahr, Bill?“

Die Stimme des Fremden klang drohend. Zugleich aber war auch etwas Unsicheres, sogar Ängstliches in seinem Ton.

„Okay, du hast mich entdeckt“, brummte der Käpt'n. „Was hast du mit mir zu besprechen?“

„Ach weißt du, Bill“, sagte der fremde Kerl, „ich glaube, du hast etwas mit mir zu besprechen, oder?“ Er schien sich jetzt etwas sicherer zu fühlen und steuerte langsam auf den Tisch seines alten Bekannten zu. „Ich schlage vor, wir trinken ein Gläschen zusammen, und dann klappt das schon.“

Er gab mir einen Wink, zu servieren.

Ich eilte hinaus. Ich war völlig durcheinander. Am liebsten hätte ich um Hilfe gerufen.

Als ich mit zwei bis zum Rande gefüllten Gläsern wieder in die Gaststube kam, saßen die beiden Seebären fast einträchtig beieinander an dem Tisch des Käpt'ns, der Schwarze Hund allerdings näher zur Tür und wie zum Sprung bereit.

„Mein Söhnchen“, redete mich dieser Kerl wieder in seiner herablassenden Art an, du gehst jetzt mal schön nach draußen, lässt die Tür weit offen und sorgst dafür, dass uns niemand belauscht!“

Ich zog mich gehorsam in den Schankraum zurück. Trotzdem versuchte ich mitzubekommen, was sich diese beiden merkwürdigen Gestalten zu sagen hatten.