Irene Zimmermann lebt mit zwei Kindern und einer frechen Tigerkatze in Baden-Baden. Sie hat u. a. unter Zimmermann & Zimmermann zahlreiche Bücher veröffentlicht, die in 13 Sprachen übersetzt wurden.
Ich drehe den kaum angebissenen Kirschplunder verlegen hin und her. Dann frage ich: »Würden Sie den eventuell wieder zurücknehmen?«
Ein empörter Blick der dicken Verkäuferin, dann ein entschiedenes Kopfschütteln. »Da könnte ja jeder kommen. Macht einen Euro dreißig«, sagt sie und ich spüre, wie die Kundschaft hinter mir bereits ungeduldig wird.
Ich suche nochmals in allen Taschen: aber vergeblich. Mein Portemonnaie ist sonst wo, jedenfalls nicht hier. Ich überlege, ob ich meine Pudelmütze oder meinen Schal als Pfand anbieten soll, da fängt jemand hinter mir an, demonstrativ zu husten.
»Kann doch jedem mal passieren, dass er sein Geld vergisst«, sage ich wütend und drehe mich um.
Im nächsten Moment würde ich am liebsten im Boden versinken.
Enrico! Der Schwarm aller Mädchen meiner Klasse, ach was, der ganzen Schule! Er steht vor mir und lächelt mich an!
Ich muss aufpassen, dass ich nicht dahinschmelze.
Und dann holt er ganz locker das Geld aus seiner Tasche, legt es mit einem freundlichen Lächeln auf die Theke, und während die Bäckereifachverkäuferin mit offenem Mund dasteht, nehme ich Enrico einfach an der Hand, denn ich weiß: So eine Chance bietet sich nur einmal im Leben.
»Sieh mal, wie toll es schneit«, sage ich, als wir die Bäckerei verlassen. »So richtig weihnachtlich, findest du nicht? Wir könnten doch ein bisschen spazieren gehen.«