Fluchtpläne

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»Der König hat nur einen Mann,
und das ist seine Frau«,

kennzeichnete Graf Mirabeau die Situation jener Monate. »Es gibt für sie keine Sicherheit als in der Wiederherstellung der königlichen Autorität … Ich bin ganz sicher, dass sie ihr Leben ohne Krone nicht behält. Der Augenblick wird kommen, und dies bald, da sie versuchen muss, was eine Frau und ein Kind zu Pferde vermögen.«1 Zu einer Zeit, als das Königspaar seine ganze Hoffnung noch auf die Hilfe von außen setzte, sahen viele Royalisten in der Flucht des Königspaares die einzige Möglichkeit zur Rettung.

Währenddessen beschloss die Nationalversammlung in Paris am 12. Juli 1790, dass Bischöfe und Priester als staatliche Angestellte vom Volk gewählt und einen Eid auf die Verfassung schwören sollten. Immerhin war in Frankreich die katholische Religion Staatsreligion. Der König, dessen Zustimmung nach der neuen Verfassung zu einer solchen Bestimmung erforderlich war, zögerte. Er wollte es sich weder mit dem Volk noch mit dem Papst verderben. Letztlich blieb ihm aber nur die Zustimmung. Die Geistlichkeit selbst war gespalten. Während die meisten einfachen Priester den Eid schworen, weigerte sich die hohe Geistlichkeit. Viele Bischöfe verließen das Land und suchten Asyl in England, Italien oder Österreich.

Der König, dem diese Entscheidung gegen sein eigenes Gewissen furchtbar schwergefallen war, weigerte sich anfangs, die Kommunion aus den Händen eines Priesters zu empfangen, der den Eid auf die Verfassung geschworen hatte. Doch ließ sich dies auf die Dauer nicht durchhalten, schließlich hatte er als König dem Gesetz zugestimmt und konnte sich als Privatmann nun nicht dagegenstellen.

Zunächst aber wurde am 14. Juli 1790 auf dem Marsfeld der Jahrestag der Erstürmung der Bastille zelebriert. Aus allen Teilen des Landes waren Delegierte gekommen. In der Mitte des Platzes hatte man den Vaterlandsaltar aufgebaut, an dem alle den Eid auf die Verfassung ablegen sollten.

Das Königspaar nahm mit seinen Kindern daran teil. Der König, geschmückt mit seinen Orden, kam in einer Zeremonienkutsche und nahm auf seinem Thron Platz, neben sich den Präsidenten der Nationalversammlung. Für diesen einen Tag war er von der Nationalversammlung zum obersten Befehlshaber der Nationalgarden ernannt worden, für einen absoluten Monarchen, dem bislang alle Truppen des Landes unterstanden hatten, eine sehr gewöhnungsbedürftige Situation.

Die Königin, die Kinder und die übrigen Hofmitglieder saßen auf der Tribüne unterhalb des Thrones. Truppen marschierten auf, 200 Musiker spielten zum Donnern der Kanonen. Für die Kinder muss es wie eine ganz normale Truppenabnahme ihres Vaters gewirkt haben.

Ob sie die Tragweite seiner anschließenden Rede verstanden, ist zu bezweifeln: Der König versprach, sich treu an das Gesetz zu halten und mit all seiner Kraft die Artikel der Verfassung zu respektieren. Nach ihm schworen alle Anwesenden den Eid auf die neue Verfassung.2 Es folgten Hochrufe auf den König und die Königin, denn dieser hatte mit seinem Eid das Ende seiner eigenen absoluten Herrschaft legitimiert.

Madame Campan kommentiert die Veranstaltung in ihren Memoiren: »Die Liebe, die man ihm entgegenbrachte, war, außer bei denen, die seinen Ruin wollten, noch mit ganzer Macht in den Herzen der Franzosen …; sie liebten den König so sehr wie die Verfassung, und die Verfassung so sehr wie den König, und in ihren Köpfen und in ihren Herzen konnte man das eine nicht mehr vom anderen trennen.«3


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