001

Inhaltsverzeichnis
 
Titel
Impressum
Lehrer unter Druck
 
Vom Versagen zum Erfolg: Die Rolle der Schulinspektionen bei der Verbesserung ...
Überblick
Einleitung
Was wird geprüft?
Evaluation der allgemeinen Leistungsfähigkeit - die Kriterien
Schulen, die Anlass zur Sorge geben
Merkmale schlechter Schulen
Was hilft schlechten Schulen, sich zu verbessern?
Die Auswirkungen der Inspektion
Das Medieninteresse
Problemschulen: Wie viele davon gibt es?
Die Schlussfolgerungen für Deutschland
 
Aktuelle Methoden der individuellen Leistungsfeststellung bei Lehrern
Überblick
Einführung
Lehrerleistung und Lehrerkompetenzen
Entwicklung von Kompetenzlisten für Lehrer
Kompetenzlisten in den Vereinigten Staaten
Wie können Schulleiter sich über die Leistung einzelner Lehrer informieren?
Wie kann die Schulleitung vorhandene Informationen über Lehrerleistungen in ...
Literatur
Anmerkung
 
Von der Last und der Lust, ein Lehrer zu sein
Schwierige Schüler, große Klassen
Einzelkämpfer statt Team
Ausgebrannt und resigniert
Lehrer und Gesellschaft - ein schwieriges Verhältnis
Schlechtes Image?
Entschuldigung, ich bin Lehrer
Souveränität und Begeisterung fürs Fach
Anmerkung
 
Schulleiter als Dienstvorgesetzte von Lehrern
Überblick
Hilflose Schulleiter?
Gleichheitsmythos und Führungsloch - zur Sozialpsychologie von Lehrerkollegien
Trend zu Dienstvorgesetzten-Regelungen
Direkte und indirekte Führung
Lehrerführung als Teamleistung
Umgang mit Defiziten
Reformen sollten früh ansetzen
Literatur
 
»Es reicht heute nicht mehr aus, nur intelligent organisiertes Wissen zu vermitteln«
 
Lehrerbildung im Wandel Überlegungen zu Studienstruktur, Organisation und Eignungsfeststellung
Überblick
Einleitung
Die Lehrerbildung aus Sicht der Hochschulen
Studienstruktur im Wandel - Orientierung am Ergebnis tut not
Die Lehrerbildung muss in den Universitäten organisiert werden
Selbsterkenntnis als Weg zum Lehramt
Das Ziel: Lehrer als Lernexperten und Vorlerner
Literatur
 
Schlechte Lehrer, schwierige Schüler - Woran die Schule wirklich leidet
 
Qualitätssicherung und die Motivation der Lehrkräfte
Überblick
Einleitung
Eine pragmatische Theorie der Schulentwicklung
Der Aufbau beruflicher Kompetenzen von Lehrkräften
Motivation und Schulentwicklung
Schluss
Literatur
Anmerkungen
 
Rechtliche Reaktionen auf ineffizientes Lehrerverhalten
Überblick
Vorbemerkungen
Ineffizientes Lehrverhalten von Lehrern im Beamtenverhältnis
Lehrer im privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis
Die Bedeutung von Probezeiten
Literatur
Anmerkungen
 
»Lehren und Erziehen sind untrennbar miteinander verbunden«
 
»Ein guter Lehrer muss sich pädagogisch überflüssig machen«
 
»In ihren Erziehungsvorstellungen ist die Gesellschaft nach wie vor gespalten«
 
Die Autoren

001

Lehrer unter Druck
Die deutsche Schule ist reformbedürftig. Das ist nicht nur ein hinlänglich bekanntes Ergebnis aus internationalen Vergleichsstudien wie PISA. Die Notwendigkeit, Schule zu verändern und Schule zu verbessern, zeigt sich jeden Tag - im Unterricht, im Lehrerzimmer und nicht zuletzt in den Statistiken der Schulabbrecher sowie der nicht vermittelbaren Bewerber für Ausbildungsstellen.
Dort, wo Schüler heute für eine multikulturelle, globale und mobile Gesellschaft befähigt werden sollen, reicht es oftmals nicht mal mehr für die Vermittlung grundlegendster Kenntnisse und Kompetenzen. Klassen und Schulen mit hohem Migrationsanteil bilden dabei nur einen Faktor, der erfolgreichen Unterricht erschwert und bisweilen vollständig verhindert. Zahlreiche Schüler verfügen über einen persönlichen und familiären Erfahrungshintergrund, der den Schulalltag zum Teil stark belastet. Immer mehr Eltern überschreiben schließlich - zumeist aufgrund eigenen Unvermögens - ihren Erziehungsauftrag gleich ganz der Institution Schule.
Die Erwartungen, was Schule alles leisten soll, sind entsprechend hoch und vielfältig. Und der Druck von außen nimmt zu. Medien zeigen Schule - bevorzugt in Sachen Missstände -, wie sie ist, und deutlich seltener, wie sie idealerweise sein soll. Die Öffentlichkeit verlangt nach Reformen und die Politik versucht zu reagieren, wobei die Diskussionen sich schnell in unproduktiven Debatten über Strukturänderungen festfahren.
Doch ist es an dieser Stelle zu kurz gegriffen, allein in einer Reform des Schulsystems die Lösung aller Probleme zu sehen. Denn mittendrin im »System Schule« oder der »Schule als Ganzem« stehen die Lehrer. Sie sind die »vor Ort« handelnden Personen, die den Bildungsauftrag der Schule jeden Tag umsetzen. Sie sind die am leichtesten fassbaren Adressaten für Kritik von außen. Druck auf die Schule bedeutet deshalb in der Regel auch Druck auf die Lehrer.
Grund genug, sich eingehender mit dem Beruf des Lehrers im Kontext aktueller und zukünftiger Gesellschaftsbedingungen zu beschäftigen.
Ebenso wenig wie sich die Verhältnisse an einer Schule einfach auf eine andere Schule übertragen lassen, lässt sich die Unterrichtssituation eines Lehrers mit der eines anderen Lehrers vergleichen. Zu unterschiedlich sind die fachlichen Voraussetzungen, individuellen Kompetenzen und persönlichen Einstellungen. Zu unterschiedlich ist die jeweilige Situation in der einzelnen Klasse. Es bedarf deshalb einer differenzierten Betrachtung, um zunächst einmal festzustellen, ob wir in der Schule auch immer die richtigen Personen an der richtigen Stelle haben.
Überlegungen dazu müssen bereits bei der Ausbildung zum Lehrerberuf beginnen. Wie können wir zum Beispiel sicherstellen, dass nur die jungen Menschen sich im Studium und in der Praxis erfolgreich qualifizieren, die auch am besten dafür geeignet sind? Eine rein auf das Lehrfach bezogene, inhaltliche Kompetenz reicht hier bei Weitem nicht mehr aus. Doch wie soll - am besten schon vor Studienbeginn - eine sinnvolle Auswahl von Interessenten und späteren Lehramtsanwärtern erfolgen? Auf welche Weise kann ihnen eine praxisnahe und praxisgerechte Ausbildung ermöglicht werden?
Diese Fragen setzen sich im Schulalltag sowohl für Lehrer als auch für Schulleiter fort. Sie müssen sich an dem Ort, an dem sie unseren Kindern Wissen, Kompetenzen und Werte als Grundlage für alle nachfolgenden Generationen vermitteln, auch auf sich verändernde Gesellschaftsstrukturen und Anforderungen einstellen können.
Welche Möglichkeiten der Fortbildung und des Kompetenzerwerbs werden den Lehrern dafür geboten? Wie lassen sich berufliche Motivation und persönliches Engagement dauerhaft hochhalten oder im Zweifel wieder aufbauen? Welche Unterstützung erfahren Lehrer, die ihre bisher noch nicht genutzten Potenziale ausbauen wollen; und wie geht Schule schließlich mit Lehrern um, die entweder bestimmte Leistungen verweigern oder gar nicht mehr in der Lage sind, notwendige Leistungen zu erbringen?
All dies sind nur wenige Facetten aus einem komplexen Berufsumfeld, welches vor allen Dingen eines immer zu berücksichtigen hat: die darin handelnden Personen. Schulen sind keine uniformen Produktionsstätten, die am Ende normgerechte Werkstücke bereitstellen. Schulen sind vielmehr geprägt durch die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der an ihr beteiligten Menschen - ob Schulleiter, Lehrer, Schüler oder Eltern. Das aber ist zugleich auch die größte Herausforderung der Institution Schule, und es ist der Umstand, aus dem für die Lehrer der meiste Druck resultiert.
Die vorliegende Publikation bringt die Vielfalt der an Schule Beteiligten und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Lehrer bereits durch die Auswahl der verschiedenen Autoren zum Ausdruck. Sie beleuchtet die aktuelle Situation der Lehrer und des Umfelds Schule aus sehr unterschiedlichen Perspektiven - sei es aus Sicht von Schulleitern, Schulinspektoren, Gewerkschaftsvertretern, Bildungsexperten, Schülern oder auch der Lehrer selbst.
Aus seiner langjährigen Berufspraxis als Schulinspektor in Großbritannien berichtet zum Beispiel Timothy Key. Er erläutert nicht nur das dortige Inspektionssystem, welches im europäischen Vergleich bereits eine lange Tradition hat, sondern stellt auch dar, welche Rolle der Schulinspektion bei der Verbesserung von Schule grundsätzlich zukommt. Sein Beitrag beschreibt die Kriterien, nach denen englische Schulen bewertet werden, nennt kennzeichnende Merkmale »schlechter« Schulen und arbeitet heraus, was Schulen bei ihrer Verbesserung und Weiterentwicklung helfen kann.
Key zeigt auch eine Besonderheit im unmittelbaren Umfeld britischer Schulen und Schulinspektionen auf. So stehen diese mit ihren Ergebnissen und Leistungserfolgen im direkten Fokus der Medien. Sowohl regionale als auch überregionale Medien beobachten fortlaufend den Leistungsstand einzelner Schulen, was eine englische Kultur der Transparenz widerspiegelt. In seinen Schlussfolgerungen fasst Timothy Key schließlich zusammen, inwieweit Deutschland vom englischen Inspektionsmodell lernen kann.
Internationale Vergleiche zwischen Deutschland und anderen Ländern zieht auch der niederländische Bildungsexperte Johan C. van Bruggen. Er befasst sich in seinem Beitrag mit einem sensiblen Thema, das für Lehrer eng mit dem Gefühl des Drucks von außen verbunden ist: van Bruggen diskutiert aktuelle Methoden der individuellen Leistungsfeststellung bei Lehrern.
Leistungskontrolle im schulischen Bereich ist ein Instrument, das zunächst die Schüler betrifft. Viele Lehrer fühlen sich interessanterweise schon unter Druck gesetzt, wenn ihre eigenen Leistungen regelmäßig erfasst und bewertet werden sollen - was in einem Lernumfeld eigentlich ein Paradoxon darstellt. Autor van Bruggen illustriert anhand eines Beispiels aus den Niederlanden, dass diese Form der Beurteilung aber durchaus im Interesse und von Vorteil für jede einzelne Lehrkraft ist. So bietet sie den Lehrern wichtige Orientierung im Hinblick auf ihre eigenen Stärken und Schwächen sowie die damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten bzw. -anforderungen. Darüber hinaus liefert eine regelmäßige Leistungsbestimmung die notwendige Grundlage zur Ermittlung des Status quo schulischer Arbeit sowie zur Formulierung von Qualitätsstandards, Kompetenzanforderungen und Entwicklungszielen.
Ein besonderes Augenmerk van Bruggens liegt auf den grundlegenden Kompetenzen, die für die Lehrerausbildung und den Lehrerberuf definiert und gefordert werden. So stellt der Bildungsexperte verschiedene Kompetenzlisten aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien sowie den Niederlanden vor und zeigt neben zahlreichen Parallelen auch interessante Besonderheiten auf, welche die Kompetenzanforderungen einzelner Länder auszeichnen.
Besonders für Schulleiter bedeuten die abschließenden Ausführungen van Bruggens einen zentralen Beitrag innerhalb der gesamten Publikation. Hier erläutert der Autor detailliert die verschiedenen Möglichkeiten, die ein Schulleiter zur individuellen Leistungsermittlung bei Lehrern zur Verfügung hat und welche Vor- und Nachteile mit diesen im Einzelnen verbunden sind.
Was aus der Lust am Lehrerberuf eine Last werden lässt, beleuchtet Katja Irle, Redakteurin der »Frankfurter Rundschau«. Sie lässt in ihrem Bericht verschiedene Lehrer zum Alltag und zu den gesellschaftlichen Bedingungen von Schule Stellung nehmen und führt auf, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Berufsund Stresssituation bei Lehrkräften existieren.
Der Pauschalkritik und den Vorurteilen gegenüber Pädagogen versucht die Journalistin mit einem differenzierten Bild des Lehrerberufes entgegenzutreten. Dabei bleiben Probleme auf Lehrerseite bzw. mit einzelnen Lehrern aber nicht ungenannt, wie beispielsweise fehlende Kommunikationsbereitschaft oder mangelnde Teamfähigkeit bis hin zu gezieltem Mobbing im Lehrerzimmer.
Problemen mit Lehrern widmet sich auch Bildungsforscher Hans-Günter Rolff in seinem Kapitel über Schulleiter und ihrer Rolle als Dienstvorgesetzte von Lehrern. Neben einer einführenden Betrachtung ihrer Position in der Schule - und speziell im Lehrerkollegium - diskutiert Rolff die unterschiedlichen Kompetenzen, Pflichten und Befugnisse von Schulleitern. Er setzt diese in Beziehung zum weit verbreiteten beruflichen Selbstverständnis der Lehrer, wonach Lehrerkollegien weitestgehend hierarchiefrei und Lehrer sowie Schulleiter grundsätzlich gleichgestellt sind. Rolff macht deutlich, inwieweit aus diesem falschen »Kollegialitätsprinzip« sowie auch dem tabuisierten Umgang mit Unterschieden zwischen einzelnen Lehrern Führungsdefizite und verpasste Chancen zur Verbesserung von Schule resultieren.
Der Beitrag zeigt jedoch nicht nur bestehende Defizite und Problembereiche auf, sondern bietet auch Lösungsansätze, insbesondere im Hinblick auf mögliche Führungsformen von Schulleitern oder den konsequenten Umgang mit Defiziten bei Lehrern.
Der Alltag in der Schule wird am besten von Akteuren aus der Schule kommentiert. Karl-Heinz Heinemann, Fachjournalist für Bildungsthemen, hat sich deshalb mit Schulleiterin Claudia Langer vom Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Bünde getroffen und sie interviewt. Seine Fragen berühren zahlreiche Themen aus der Praxis, die im vorliegenden Buch aus verschiedenen Perspektiven auch von den anderen Autoren angesprochen werden.
Dazu zählen ebenso die veränderten Bedingungen von Schule und schulischer Arbeit über die letzten Jahre wie auch der Umgang mit engagierten oder demotivierten und desinteressierten Kollegen. Heinemann fragt nach, wie eine Schulleiterin von heute sich das Schulsystem von morgen vorstellt und welche grundsätzliche Haltung sie zu Themen wie »Personalführung«, »Leistungskontrolle«, »Arbeitszeitmodelle« oder aber »Qualitätsentwicklung« in der Schule hat.
Wer beim Thema »Schulentwicklung« auf die Qualität der Lehrer setzt und defizitäre Leistungen in der Schule eingrenzen will, der muss auch dafür sorgen, dass im Lehramtsbereich die richtigen Studierenden nachrücken. In direkter Folge müssen diese dann eine gute Ausbildung erhalten.
Die Sozialwissenschaftler Florian Buch und Detlef Müller-Böling untersuchen und erörtern in ihrem Beitrag den aktuellen Stand und die Entwicklungen im Bereich der Lehrerbildung. Sie befassen sich dabei ebenso mit der Studienstruktur wie auch mit der Organisation von Lehrerfortbildung. Dazu gehören neben der Definition von Ausbildungsstandards auch die Zuordnung von Kompetenzen sowie die Einbindung von Fort- und Weiterbildung in den Berufsalltag von Lehrern. Buch und Müller-Böling beschließen ihr Kapitel mit der Diskussion um individuelle Eignungsfeststellungen im Rahmen von Lehramtsstudium und Lehrerberuf.
Weitere schulische Erfahrungen aus erster Hand greift »Zeit«-Redakteur Jan-Martin Wiarda auf. In seinem Beitrag zum Alltag im Klassenzimmer kommen vor allem Eltern- und Schülervertreter zu Wort und berichten von manch befremdendem Ansatz pädagogischer Alltagsarbeit, wie er hinter einigen verschlossenen Klassentüren praktiziert wird. Wiarda knüpft an diesen Beispielen an und fragt auch hier, ob wir in der Schule mit den vorhandenen Lehrern überhaupt die richtigen Personen haben? Ist eine Generalschelte für den Berufsstand der Lehrer wirklich gerechtfertigt oder sind es einzelne unbegabte und unmotivierte Pädagogen, die das Gesamtbild prägen?
Der Bericht illustriert dabei sowohl die Hilf- und Machtlosigkeit auf Seiten der Eltern und Schüler als auch die Erkenntnis, dass viele Lehrer häufig mit einem ähnlichen Gefühl der Ohnmacht ihren Job ausüben. Auch Lehrer sind direkt von Inkompetenz und Leistungsdefiziten im Kollegenkreis betroffen, und Wiarda macht deutlich, wie mühsam es für alle Akteure in der Schule ist, gegen das daraus resultierende Bild des unfähigen Pädagogen anzugehen.
Der tägliche Druck auf Lehrer - egal ob tatsächlich vorhanden oder nur persönlich empfunden - hat Folgen. Selbst Lehrer, die engagiert ins Berufsleben starten, können unter den Bedingungen des zuweilen grauen Schulalltags langfristig ihre Motivation verlieren. Die Zahl der Lehrer mit physischen und psychischen Problemen ist hoch. Immer weniger Lehrkräfte erreichen das reguläre Pensionsalter. Wie lassen sich Motivation und Leistungsbereitschaft von Lehrern auch noch nach Jahrzehnten im Beruf aufrechterhalten oder zumindest wieder zurückgewinnen? Dieser Frage geht der Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers nach.
Wenn alle Bemühungen um einen guten Start ins Berufsleben langfristig scheitern, Weiterbildungsmaßnahmen nicht greifen und Inspektionen, Leistungsbeurteilungen oder Evaluationen nicht helfen, muss es in letzter Konsequenz Lösungen für den Fall geben, dass Lehrer entweder nicht willens oder aber nicht fähig sind, gute Leistungen zu erbringen. In welcher Form kann individuellem Lehrerversagen jedoch angemessen und mit Aussicht auf Erfolg begegnet werden? Welche rechtlichen Reaktionen auf Lehrerversagen sind möglich und im Einzelfall notwendig?
Auf diese und weitere Fragen rund um die Leistungserbringung sowie Pflichterfüllung von Lehrkräften geht Rechtsexperte Helmut Schnellenbach in seinem Beitrag ein. Dabei erläutert er ebenso innerschulische Instrumente zur Begegnung defizitären Verhaltens wie auch arbeitsrechtliche Folgen, die mit Leistungsverweigerung oder beständig unzureichender Leistung verbunden sind.
In drei Einzelinterviews der Journalistin Sybille Wilhelm schildern schließlich Verbands- und Gewerkschaftsvertreter ihre Sicht von der beruflichen Situation der Lehrer. Wie wirkt sich ihrer Meinung nach der gesellschaftliche Wandel auf die allgemeine Berufssituation in der Schule aus? Was für Folgen hat dieser für die Lehrer und welche Unterstützung von außen erfahren sie innerhalb einer sich auch verändernden Schule? Wie sehen die Gewerkschaften die Lehrerausbildung in der Zukunft? Welchen Beitrag leisten die Gewerkschaften zur Veränderung der Lehrerprofessionalität? Welche Unterstützungs- und Anreizsysteme müssen geschaffen werden? Zu Wort kommen dabei Marianne Demmer, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ludwig Eckinger, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), sowie Heinz-Peter Meidinger als Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes.
Lehrer stehen seit jeher »an der Front« der Institution Schule und müssen sich an den Leistungserfolgen ihrer Schüler messen lassen. Die damit verbundene Verantwortung der Lehrer ist nicht neu, ebenso wenig wie die mit dem Lehrerberuf verknüpften grundsätzlichen Anforderungen. Das Buch räumt in diesem Zusammenhang entschieden mit dem Vorurteil auf, dass jedes neue Instrument zur Schul- und Lehrerentwicklung bzw. jede neue, den Umständen notwendigerweise angepasste Anforderung an den Lehrerberuf gleich auch eine ungerechtfertigte Belastung und somit Druck darstellt. Die Bildungsexperten differenzieren deutlich, welche Veränderungen dringend notwendig sind und inwieweit diese sogar eine Chance für die Lehrer sowie Schule als Ganzes bedeuten.
Ein Bildungssystem, das auch in Zukunft den gesellschaftlichen Anforderungen genügen will, muss schließlich die gleiche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zeigen, die es von seinen Akteuren (Schülern, Lehrern usw.) erwartet. Das gilt insbesondere für die Bereiche Lehrerausbildung und -fortbildung. Denn nur hier können gesellschaftliche Veränderungen und Anforderungen aufgenommen, bildungsrelevant adaptiert und nachfolgend auch in den Berufsalltag von Lehrern integriert werden.
Durch Positivbeispiele aus anderen Ländern illustriert das Buch, welche dauerhaften Erfolge durch unterschiedliche Methoden und Instrumente zur Qualitätsverbesserung und Schulentwicklung erzielt werden können. Somit bietet es eine Motivation für alle an Schule Beteiligten, die ihr Engagement oder auch ihre anfängliche Begeisterung erhalten haben. Den anderen, die ihre innere Kündigung bereits ausgesprochen haben bzw. die nur noch ihre Zeit bis zur Frühpensionierung absitzen, führt es vor Augen, dass für sie in einer Schule von heute - und erst recht in einer Schule von morgen - kein Platz mehr sein kann.
Lehrer müssen also ihre Scheu oder Distanz gegenüber neuen bzw. bisher noch nicht angewendeten Anforderungen und Methoden ablegen. So sind zum Beispiel Leistungskontrollen und Evaluation als Instrumente individueller und systemischer Qualitätsentwicklung auch Bestandteile zahlloser weiterer Berufe, und auch dort erstrecken sie sich über alle Hierarchieebenen.
Last but not least: Defizite im System bzw. in der Institution Schule können von Lehrern allein weder aufgefangen noch kompensiert werden. Dieser Punkt wird häufig übersehen, wenn Eltern oder Medienvertreter individuelles oder kollektives Schülerversagen bei den vermeintlich »zuständigen« Lehrern reklamieren. Umgekehrt stehen einzelne Lehrer oder einzelne Schulen nicht für das ganze Bildungssystem. Hier ist gerade bei der Suche nach Verantwortlichkeit oder Zuständigkeit eine differenziertere Betrachtung notwendig. Erst eine ganzheitliche Sicht in der Bildungspolitik auf regionale Bildungslandschaften mit ihren vielen Akteuren und Schnittstellen zur Jugendhilfe und Sozialhilfe kann zu einem produktiven Umgang mit der Differenzierung und Vielfalt vor Ort führen.
 
Dr. Johannes Meier
Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung
 
Gütersloh, im Januar 2007

Vom Versagen zum Erfolg: Die Rolle der Schulinspektionen bei der Verbesserung von Schulen
Timothy Key

Überblick

Einer der wesentlichen Erfolge der englischen Behörde für Bildungsstandards (Ofsted - Office for Standards in Education) innerhalb der letzten zehn Jahre war die Identifizierung und Verbesserung von Problemschulen (»Failing Schools«) im eigenen Land. Dieser Beitrag, geschrieben von einem Schulinspektor, beschreibt die Kriterien, nach denen englische Schulen bewertet werden, nennt die kennzeichnenden Merkmale »schlechter« Schulen und arbeitet heraus, was diesen Schulen bei ihrer Verbesserung und Fortentwicklung helfen kann.

Einleitung

Auch noch die schwächsten Schulen eines Landes verbessern zu wollen ist eine wichtige, aber auch schwierige Aufgabe, die in einigen Fällen zudem ein langwieriges Unterfangen bedeutet. In England hat man erkannt, dass die schulischen Leistungen aller Schüler verbessert werden müssen, wenn das Niveau des eigenen Bildungssystems im internationalen Vergleich verbessert werden soll. Ebenso deutlich war auch die Erkenntnis, dass die Schülerleistungen an Englands schwächsten Schulen einen ernsten Grund zur Sorge bedeuten.
Seit September 1993 müssen alle Schulinspektoren melden, wenn sie im Rahmen ihrer Inspektionen feststellen, dass eine Schule den notwendigen Anforderungen nicht mehr genügt und für diese Schule »besondere Maßnahmen« ergriffen werden müssen. Der Status »besondere Maßnahmen erforderlich« bedeutet zunächst nur, dass für eine Schule die höchste Dringlichkeitsstufe in Sachen Verbesserungsbedarf besteht. Er umfasst inhaltlich noch keine konkreten Maßnahmen, da diese von Schule zu Schule verschieden sind. Eine genauere Erläuterung zur Einstufung in diese Kategorie erfolgt etwas später.
Die Kriterien dafür, dass eine Schule nicht in der Lage ist, ihren Schülern akzeptable Bildungsstandards zu bieten, sind seitdem klar definiert. Auch der Begriff »Failing« ist mittlerweile als Terminus in der Gesetzgebung verankert. Er bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Schulen und Colleges, nicht aber auf Lehrer oder Dozenten - denn die Verantwortung für die Lehrer liegt bei den Schulen und nicht bei Ofsted.
Die Entscheidung, ob im Fall einer Schule besondere Maßnahmen erforderlich sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst einmal führt in der Regel nicht nur ein Faktor zu einer solchen Entscheidung. Es gibt jedoch typische Merkmale in Bezug auf die erreichten Bildungsstandards, die die Durchführung gesonderter Maßnahmen indizieren. Dazu gehören u. a. ein grundsätzlich geringes Leistungsniveau, geringe Lernfortschritte, auf breiter Ebene nicht zufrieden stellender Unterricht, schlechtes Benehmen der Schüler und auch schwache Managementleistungen von Seiten der Schulleitung.
Wird eine Schule als schlecht eingestuft, hat sie 40 Arbeitstage für die Vorbereitung eines Aktionsplans, in welchem sie darlegt, wie sie den im Inspektionsbericht aufgeführten Schwachstellen und Defiziten begegnen will. Der Aktionsplan muss dem Staatssekretär und der Schulinspektion vorgelegt werden. Die Kommunalbehörde hat dann weitere zehn Tage Zeit, innerhalb derer sie den Aktionsplan kommentieren und ihre eigene Vorgehensweise erläutern kann. Sie muss u. a. angeben, inwieweit von Behördenseite aus Handlungsbedarf besteht und welche zusätzlichen Anstrengungen die Behörde hinsichtlich der Problemschule unternehmen muss.
Die Führungseigenschaften und Managementqualitäten des Schulleiters haben entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Schule. Müssen im Fall einer Schule besondere Maßnahmen ergriffen werden, ist häufig mangelnde Führung einer der Gründe, die maßgeblich dazu beigetragen haben. Werden wirklich Führungsdefizite festgestellt, hat das in der Regel zur Folge, dass der Schulleiter abwägt, ob er über die notwendigen Fähigkeiten zur Verbesserung der Situation verfügt. In vielen Fällen verlässt der Schulleiter an diesem Punkt die Schule. Wenn das passiert, hilft die Kommunalbehörde zumeist dadurch, dass sie einen erfahrenen Schulleiter an die betroffene Schule entsendet.

Was wird geprüft?

Von Gesetzes wegen evaluieren und berichten Inspektoren über:
• die Bildungsarbeit der Schule und inwieweit diese die unterschiedlichen Bedürfnisse der guten sowie schlechten Schüler berücksichtigt
• die Bildungsstandards, welche die Schule erfüllt
• die Führungsqualität und das Management der Schule
• die geistige, moralische, soziale und kulturelle Entwicklung der Schüler
• den Beitrag, den die Schule zum allgemeinen Wohlergehen ihrer Schüler leistet
Mittlerweile liegt allen Inspektionsurteilen das gleiche Bewertungsschema zugrunde. Früher war dies noch eine 7-Punkte-Liste mit der Note 1 für »ausgezeichnet« und der Note 7 für »ungenügend«. Doch zeigte die Praxis schnell, dass nur sehr selten auch wirklich alle Bewertungsstufen verwendet wurden. Aus diesem Grund wurde die Bewertungsskala für alle Inspektionsurteile im September 2005 auf vier Punkte reduziert:
• Note 1: hervorragend
• Note 2: gut
• Note 3: befriedigend
• Note 4: mangelhaft
Das endgültige Urteil, das ein Inspektionsteam über eine Schule fällt, bezieht sich auf die »allgemeine Leistungs- und Funktionsfähigkeit« dieser Schule. Die Frage danach zielt auf den Unterricht sowie alle damit in Verbindung stehenden Leistungen ab und berücksichtigt, inwieweit diese den Bedürfnissen der Schüler entsprechen.
Das Urteil zur allgemeinen Leistungsfähigkeit wird erst am Schluss einer Inspektion gefällt, da es die Bewertung aller anderen Leistungskriterien einer Schule mit einbeziehen muss. Die Inspektoren legen im Rahmen ihrer Bewertung auch dar, welche weiteren Schritte sie für eine Verbesserung des Unterrichts für nötig erachten. In ihren Berichten bringen sie schließlich deutlich zum Ausdruck, warum sie gerade für diese oder jene Schule zu einem bestimmten Gesamtergebnis gekommen sind.

Evaluation der allgemeinen Leistungsfähigkeit - die Kriterien

Ein allgemeines Regelwerk für Inspektionen (zu finden auf der Webseite von Ofsted unter www.ofsted.gov.uk) listet alle Kriterien auf, die von den Inspektoren bei der Beurteilung der allgemeinen Leistungsfähigkeit verwendet werden. In zusammengefasster Form sind dies:
• Hervorragend (Note 1)
Eine Schule mit dieser Bewertung ist eine außergewöhnliche Schule. Fast alle Bereiche der schulischen Arbeit sind mindestens gut, maßgebliche Teile davon vorbildlich.
• Gut (Note 2)
Inspektoren bewerten eine Schule mit »gut«, wenn in allen Bereichen der Schularbeit grundsätzlich starke Leistungen zu verzeichnen sind und wenn auf der Grundlage bisheriger Entwicklungen ein ausgeprägtes Potenzial im Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungen erkennbar ist.
• Befriedigend (Note 3)
Die Leistungen einer mit »befriedigend« bewerteten Schule sind in keinem wichtigen Bereich mangelhaft und können in verschiedenen Aspekten gut sein.
• Mangelhaft (Note 4)
Eine Schule ist im Ganzen als eher »mangelhaft« zu bewerten, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte als mangelhaft eingestuft werden: erreichte Standards, persönliche Entwicklung und Wohlbefinden der Schüler, allgemeine Qualität des Unterrichts sowie Führung und Management.

Schulen, die Anlass zur Sorge geben

Wird im Rahmen einer Inspektion die allgemeine Leistungsfähigkeit einer Schule als mangelhaft beurteilt, wird sie in eine von zwei Kategorien eingestuft:
• Besondere Maßnahmen sind erforderlich: Dies ist der Fall, wenn eine Schule die akzeptablen Bildungsstandards nicht erreicht und wenn die für die Leitung oder das Management der Schule zuständigen Personen nicht über die Fähigkeit verfügen, die notwendigen Verbesserungen in der Schule sicherzustellen.
• Es besteht erheblicher Verbesserungsbedarf: In diese Kategorie werden Schulen eingeordnet, die zwar keiner speziellen Maßnahmen bedürfen, die sich in ihren Leistungen aber doch erheblich schlechter darstellen, als es unter den gegebenen Umständen von ihnen erwartet werden kann. Diese Schulen erhalten eine Art Verbesserungsbescheid.

Merkmale schlechter Schulen

Erreichte Standards

Schlechte Schulen verzeichnen - im Hinblick auf einzelne Schülergruppen oder auch die Mehrheit der Schüler - typischerweise ein niedriges Leistungsniveau und geringe Erfolge bei der Einhaltung der Lehrpläne. Auch wenn das Leistungsniveau absolut betrachtet vielleicht gut ist, können Inspektoren die Fortschritte der Schüler als unzureichend einstufen. In England kann mit Hilfe konkreter Daten festgestellt werden, welchen Beitrag eine Schule daran hat, dass Schüler von einer Leistungsstufe auf die nächste gelangen. Dies geschieht auf Grundlage der Ergebnisse nationaler Lehrplanbeurteilungen. Anhand dieser Vergleichswerte können auch Schulen identifiziert werden, die oberflächlich gesehen zunächst ganz gut abschneiden, deren Leistungen aber den Daten nach besser sein sollten.

Die geistige, moralische, soziale und kulturelle Entwicklung der Schüler

Zu den Merkmalen von Schwächen in diesen Bereichen der Schülerentwicklung gehören:
• regelmäßig störendes Verhalten
• Disziplinlosigkeit oder häufige Verweise von der Schule
• ausgeprägte fremdenfeindliche Spannungen und Übergriffe
• die Gefahr körperlicher und emotionaler Übergriffe durch Schüler oder Erwachsene in der Schule
• scharfer Ton sowie durch Konfrontation geprägter Umgang zwischen Lehrern und Schülern
• nachgewiesene Fälle von Schikanierung und Drangsalierung von Schülern
• Unpünktlichkeit oder Fernbleiben vom Unterricht

Die Qualität der Bildungsvermittlung

In Schulen, in denen die Qualität der Bildungsvermittlung mangelhaft ist, werden typischerweise starke Defizite in den Bereichen Lehrvermögen und Umsetzung der nationalen Lehrpläne registriert.

Management und Leistungsfähigkeit der Schule

Es wird oft behauptet, die Qualität der englischen Schulen stehe und falle mit der Arbeit ihrer Schulleiter. So wurden den Schulen in den vergangenen Jahren beträchtliche Kompetenzen übertragen. Die Verantwortung für die meisten der darin zu treffenden Entscheidungen liegt nun bei den Schulleitern sowie leitenden Schulgremien.
Bedenken, die hinsichtlich des Managements und der Leistungsfähigkeit einer Schule geäußert werden, beginnen fast immer mit der Ansicht, die Schulleitung arbeite ineffektiv. Damit kann auch schon ein beträchtlicher Vertrauensverlust gegenüber der Schulleitung verbunden sein. Dieser Zustand führt in der Regel zur Demoralisierung und Ernüchterung unter den Lehrern, zu einem schlechten Management, zur ineffizienten Nutzung vorhandener Ressourcen und der schließlich damit verbundenen Auffassung, dass die Schule bzw. deren Leistungen ihr Geld nicht mehr wert seien.

Was hilft schlechten Schulen, sich zu verbessern?

An keinen zwei Schulen finden sich die exakt gleichen Probleme. Und es gibt auch nicht das eine Zaubermittel, mit dem sich auf einen Schlag alle »Krankheiten« an einer Schule beseitigen ließen. Schließlich ist auch der Zeitraum, den einzelne Schulen zur Bewältigung ihrer Defizite brauchen, sehr unterschiedlich. Vom Zeitpunkt der eigentlichen Schulinspektion an vergehen mindestens zwölf Monate, bevor eine Schule wieder vom Status »Failing School« herunterkommt. Die meisten Schulen sind innerhalb von 24 Monaten in der Lage, wieder akzeptable Bildungsstandards zu erreichen.
Nun lässt sich nicht sagen: »Folge diesem oder jenem Beispiel, und du wirst deine Standards erhöhen.« So einfach funktioniert Schulentwicklung nicht. Wir können uns jedoch anschauen, welche Strategien bereits an anderer Stelle funktioniert haben und inwieweit sie erfolgreich waren. Aus diesen Ergebnissen müssen wir dann lernen.
Jede Schule muss ihren eigenen Weg der Verbesserung finden und sich kritisch mit den erzielten Fortschritten auseinandersetzen. Die Verantwortung der Schulinspektoren liegt bei diesem Prozess darin, die ursprünglich schwachen Schulen in regelmäßigen Abständen zu besuchen, um so die tatsächlichen Fortschritte erfassen zu können. Dabei wird der jeweilige Leistungsstand ebenso überprüft wie auch die Auswirkungen der Hilfestellung durch die lokalen Behörden.
Der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung liegt im Erkennen der wesentlichen Hindernisse, die von der Schule nach der Einstufung als Problemschule überwunden werden müssen. Erst wenn diese erkannt und genau umrissen sind, können sie auch in Angriff genommen werden. In der Regel zählen zu den größten Schwierigkeiten:
• der manchmal lange anhaltende Ärger über das Urteil »Failing School«
• Schwächen in den Managementstrategien des Schulleiters
• der Zeitaufwand für die Besetzung und Etablierung neuer Stellen
• die Selbstgefälligkeit unter den Lehrern - sowohl den neuen Kollegen als auch den alten Kollegen, die vielleicht nicht einsehen, dass sie ihre Unterrichtsweise oder ihren Führungsstil ändern müssen
• inkonsistentes Verhalten von Lehrern gegenüber Schülern
• unzureichende Kenntnisse zur Entwicklung von Lehrplänen
• mangelndes Vermögen, mehr Aufmerksamkeit und Pünktlichkeit im Unterricht durchzusetzen
• geringe Erwartungen an die Fähigkeit der Schüler, höhere Standards überhaupt erreichen zu können
• fehlende Unterstützung von Seiten lokaler Behörden, der Schulbeiräte, der Ausbilder oder auch der Eltern
• die Unfähigkeit zu verstehen, was Leistungserfassung und -bewertung in der Praxis eigentlich bedeuten
Die vielleicht größte Herausforderung einer als schwach eingestuften Schule liegt wohl in der Entscheidung, mit welchen Schritten nun eigentlich begonnen wird. Die Lehrer fühlen sich anfangs oft mit ihren negativen Gefühlen - auch hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten - alleine gelassen. Einige werden vielleicht abstreiten, dass ihre Schule wirklich so schlecht ist, wie in dem Inspektionsbericht aufgeführt. Auch die Schule als Ganzes kann anfangs mit Schock und später auch Ärger reagieren. Das alles sind ganz normale Gefühle, und es ist jetzt entscheidend, insbesondere unter den Lehrern und Schülern wieder ein gesundes Selbstbewusstsein aufzubauen.
Während ich dieses Kapitel schreibe, liegt vor mir der Auszug aus einer aktuellen Ausgabe einer Bildungszeitschrift. Darin wird von einer Schule in einer wohlhabenden Gegend berichtet, an der man eigentlich mit den eigenen Leistungen ganz zufrieden war - bis zu dem Tag, an dem die Ofsted-Inspektion die Fortschritte der Schüler für unzulänglich befand. Als Folge dieser Bewertung wurde die Schule in der Lokalpresse stark attackiert, trat der Schulleiter zurück und musste die Lehrerschaft mit dem Schock zurechtkommen, kritisiert worden zu sein.
Nun stand es mit Blick auf die genauen Daten sowie den Untersuchungsbericht aber völlig außer Frage, dass die Schüler eine unzureichende Leistung zeigten und eigentlich zu weitaus mehr imstande sein müssten.
Der Schule wurde als Erstes ein neuer Schulleiter zugeteilt. Er sollte helfen, das Ruder wieder herumzureißen. In dem Zeitungsbericht wird er wie folgt zitiert: »Als Resultat des Ganzen zeigt sich, dass die Schule jetzt viel stärker geworden ist. Anfangs war das Urteil der Schulinspektoren für das Kollegium ein schwerer moralischer Schlag. Immerhin war diese Schule im Jahr 2000 als herausragend bewertet worden und hatte den Ruf, sehr leistungsorientiert zu sein. Doch Lehrer, Schüler und Eltern unterstützten die Schule, und wir hatten dadurch die Chance, die in dem Untersuchungsbericht aufgeführten Probleme im Führungs- und Managementbereich in Angriff zu nehmen.«
Der Fachleiter für Mathematik, der schon dreiundzwanzig Jahre an der Schule unterrichtete, erläutert: »Es war gut, dass unsere Schule durch diese Sache wachgerüttelt wurde.... Wir waren bequem geworden, und ich glaube, wir drifteten so langsam in Richtung Selbstzufriedenheit. Heute gibt es an unserer Schule viel mehr Optimismus, was die Zukunft betrifft.«
Ein Englischlehrer ergänzt schließlich: »Es war wirklich ein Schock. Wir hatten vielleicht damit gerechnet, uns in einigen wenigen Bereichen verbessern zu müssen. Dass es aber so ernst sein würde, hatten wir nicht gedacht. Nun liegt ein Jahr voller gemischter Gefühle hinter uns - eine wahre Achterbahnfahrt. Es war hart, aber das war es auch wert.«
Der letzte Bericht der Schulinspektoren über die Fortschritte an dieser Schule lobt die »raschen Verbesserungen in der Grundhaltung der Schule« sowie »den aufrichtigen Enthusiasmus und Willen, etwas zu ändern«. Ein echtes Beispiel für »vom Scheitern zum Erfolg«.
Typischerweise gibt es sieben Schlüsselkomponenten für die Verbesserung einer Schule. Das sind:
• eine starke Führung durch den Schulleiter
• effektives Management durch führende Mitarbeiter
• klare Aktionspläne mit präzisen und überprüfbaren Zielen sowie Ergebnissen
• engagierter Einsatz aller Lehrer mit dem gemeinsamen Willen zur Verbesserung
• eine gute Kommunikation zwischen Schule, Eltern und Gemeinde
• striktes Vorgehen gegen schlechtes Benehmen und mangelnde Anwesenheit
• effektive Finanzplanung

Die Auswirkungen der Inspektion

Wie schon erwähnt, werden Problemschulen regelmäßig von den Schulinspektoren kontrolliert. Diese Besuche sind keine vollständigen Inspektionen. Sie dienen in erster Linie der Überprüfung der Fortschritte vor dem Hintergrund der Aktionspläne. Zudem wird eine Art »Gesundheits-Check« durchgeführt, um zu sehen, wo die Schule zu jedem Zeitpunkt steht.
In diesem Zusammenhang werden intensive Diskussionen mit dem Schulleiter und den leitenden Mitarbeitern geführt. Nach dem Besuch durch die Inspektoren erhält die Schule dann einen Bericht darüber, welche Fortschritte tatsächlich erzielt wurden und in welchen Bereichen noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Diese Besuche werden besonders von den Schulen begrüßt und als hilfreich angesehen, die von vornherein auch ihre Entschlossenheit unter Beweis gestellt haben, die Dinge wirklich zu verbessern.
Was in England bis zum heutigen Tag an schulischen Verbesserungen und Weiterentwicklungen vorzuweisen ist, kann sich sehen lassen. Beinahe sechs von zehn Schulen konnten aus der Kategorie »besondere Maßnahmen erforderlich« herausgestuft werden. Bei ihrer nächsten Inspektion waren sie dann teilweise nicht nur als befriedigend, sondern als gut oder besser bewertet worden. Jedes Jahr veröffentlicht die Schulinspektionsbehörde eine Liste herausragender Schulen, und es ist nicht ungewöhnlich, auf dieser Liste auch Schulen zu finden, die einmal als »Failing School« eingestuft worden sind.
Die wesentlichste innerschulische Verbesserung findet in der Regel im Bereich der Führungs- und Managementqualitäten statt. In den meisten Fällen geht das mit einem Führungswechsel in der Schulleitung einher. Auf der persönlichen Ebene kann dies ein traumatisches Erlebnis für den Einzelnen oder auch die ganze Schule bedeuten. Doch wenn ein Schulleiter nicht in der Lage ist, die notwendigen Veränderungen voranzutreiben, wird sich die Situation weder für die Schüler noch für die Lehrer bessern. Die Schule bleibt weiterhin eine Problemschule.
Nun bedeutet ein Personalwechsel in der Schulleitung nicht automatisch, dass sich auf einmal alles ändert. Der neue Leiter besitzt auch keinen Zauberstab, den er einfach nur schwingen müsste. Der Führungswechsel an einer Schule kann aber den notwendigen Anstoß dafür geben, dass sie sich entwickelt und dass sie die Bildungsqualität und die Bildungsmöglichkeiten für ihre Schüler verbessert. Ein neuer Schulleiter bedeutet zumeist auch neuen Schwung und neue Begeisterung.
Dafür muss er aber zunächst den Rückhalt und die Unterstützung durch das Kollegium gewinnen. Das ist nicht so einfach, denn er muss sich eventuell mit Schwächen im mittleren Managementbereich auseinandersetzen. Ebenso muss er bestehende Defizite im Unterricht angehen - was einem neuen Schulleiter aber meist einfacher fällt als einem Leiter, der bereits seit vielen Jahren an der Schule ist. Letzterer könnte nämlich eine gewisse Loyalität gegenüber Kollegen empfinden, die er vielleicht ehemals sogar selbst eingestellt hat und die nun nicht mehr die erforderlichen Leistungen bringen.

Das Medieninteresse

In England besteht grundsätzlich und vor allen Dingen in den Medien ein großes Interesse an den Leistungen des Bildungssystems und der Schulen. Der britische Premierminister Tony Blair brachte dies sehr gut zum Ausdruck, als er sagte, seine drei Regierungsprioritäten wären »Bildung, Bildung, Bildung«.
Die Art der Berichterstattung durch die Presse ist naturgemäß sehr unterschiedlich. So berichten die Landesmedien in der Regel über das Bildungssystem als Ganzes, wogegen die Regionalmedien vor allem an den Leistungen der Schulen aus ihrem Einzugsbereich interessiert sind.
In der Lokalpresse wird sogar sehr detailliert über die Ergebnisse einzelner Inspektionen berichtet. Erfolgreiche Schulen werden umjubelt, oft mit Überschriften wie: »Örtliche Schule ist Klassenbeste!«. Über schlechte Schulen hingegen wird sehr kritisch berichtet. Sollte sich eine schlechte Schule aber verbessert haben und führt der nächste Inspektionsbericht deutliche Erfolge auf, dann ist diese Form von »Good News« den lokalen Zeitungen immer eine Geschichte wert. Ihre Berichterstattung bedeutet dann natürlich auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit für die Schule.
Die Medien sind auch für die Veröffentlichung von Ranglisten verantwortlich. In diesen werden Schulen entsprechend ihrer Ergebnisse bei Prüfungen aufgeführt. Die Ranglisten sind nicht unumstritten und Gegenstand einiger Kritik von Seiten der Schulen und ihrer Schulleiter. Klassischerweise finden sich Schulen aus wohlhabenderen Gegenden oder freie Schulen häufiger an der Spitze solcher Listen und Schulen aus benachteiligteren Gegenden eher am Ende.
Es sollte an dieser Stelle betont werden, dass Ofsted in keiner Weise an den Ranglisten beteiligt ist. Sie werden von der Presse mit Hilfe von Daten aufgestellt, die das Bildungsministerium zur Verfügung stellt.

Problemschulen: Wie viele davon gibt es?

So wie sich die Rahmenbedingungen im Laufe der Jahre verändert haben und die Inspektionskriterien in der Folge leicht angepasst wurden, so hat sich auch die Anzahl der Schulen geändert, die als »besorgniserregend« bzw. Problemschule betrachtet werden. In den letzten zehn Jahren haben die Schulinspektoren ungefähr fünf Prozent der englischen Schulen mit diesem Kriterium versehen.
Ungeachtet dessen wachsen die Erwartungen, die sowohl die Regierung als auch die Öffentlichkeit an die Leistungen der Schule stellen. In gleichem Maße sinkt auch die Schwelle dafür, was als inakzeptabel gilt. So sah die Schulinspektionsbehörde im September 2005 in der Neueinführung der Kurzinspektionen in England auch eine gute Gelegenheit, die Latte noch höher zu legen.
Die Behörde betonte damals, dass eine Schule als grundsätzlich unzulänglich bewertet und damit als besorgniserregend bzw. Problemschule eingestuft wird, wenn auch nur eine der zentralen Beurteilungen im Rahmen einer Schulinspektion auf unbefriedigende oder mangelhafte Leistungen hinweist.
Jede Schule, die in einem der Schlüsselbereiche - erreichte Standards, Führung und Management, die Qualität des Unterrichts oder die persönliche Entwicklung der Schüler - mit »mangelhaft« bewertet wird, erhält das grundsätzliche Urteil »mangelhaft«. Sie ist dann nicht in der Lage, ihren Schülern akzeptable Bildungsstandards zu vermitteln, und wird als Problemschule betrachtet.
Eine unvermeidliche Folge dieser härteren Gangart war der Umstand, dass die Anzahl der Schulen, die als besorgniserregend eingestuft wurden, in den Jahren 2005 und 2006 deutlich angestiegen ist. Interessanterweise variiert auch der Anteil der Problemschulen zwischen den verschiedenen Schulformen deutlich. Das könnte darauf hindeuten, dass einige Schulen eine ungleich schwerere Aufgabe zu bewältigen haben als andere. So wäre es zum Beispiel wohl sehr ungewöhnlich, wenn eine Schwesternschule als Problemschule eingestuft würde.
Aus den neuesten zur Verfügung stehenden Daten geht hervor, dass bei den Inspektionen während der ersten beiden Trimester des neuen Inspektionssystems 2005/2006 ungefähr zehn Prozent der englischen Schulen als mangelhaft und damit als Problemschulen eingestuft wurden. Der Anteil von Problemschulen innerhalb der weiterführenden Schulen liegt noch höher: Jede siebte weiterführende Schule erhielt entweder einen Verbesserungsbescheid von der Behörde oder wurde für spezielle Maßnahmen vorgesehen.

Die Schlussfolgerungen für Deutschland

Es ist kaum möglich, ein System, das in einem Land gut funktioniert, auf ein anderes Land zu übertragen. Die Systeme, Erwartungen und Kulturen sind einfach zu verschieden. England blickt hinsichtlich seiner Schulinspektionen zum Beispiel auf eine lange Tradition zurück. Seit nunmehr über 150 Jahren werden Schulinspektoren in die Schulen geschickt. Andere Länder können keine derartige Historie vorweisen.
Nichtsdestotrotz lassen sich einige grundsätzliche Lehren aus den langjährigen Erfahrungen in England ziehen. Wir haben in England vor allem gelernt, dass, solange es keinen klar definierten und transparenten Weg gibt, Problemschulen zu identifizieren, es sehr schwierig ist, Ressourcen und Anstrengungen gezielt an der richtigen Stelle einzusetzen. Wir landen dann nämlich immer wieder dabei, uns mehr auf Vermutungen oder Vorurteile zu verlassen als auf Tatsachen.