Jungs
auf Skype
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Copyright © 2010 by Baumhaus Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat: Angelika Mense / Greta Steenbock
Illustrationen: © Guter Punkt, München und Carolin Nagler,
www.carona-design.de
Covermotiv: © Guter Punkt, München unter Verwendung
eines Motivs von Petr Vaclavek / Shu Herstock
E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-8387-0745-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Kinder sind geniale Engel!
Es sei denn, Erwachsene stutzen ihnen
die Flügel …
Für David, Dina & Dean
Immer Momel
Victor Neumann-Sulendorf ist 14 Jahre alt.
Mutter Charlotte (42), Hausfrau, Exmodel, geborene von Falkenstein. Vater Ferdinand (56) ist ein erfolgreicher Unternehmer in der Lebensmittelindustrie (240 Angestellte) und dauernd auf Dienstreisen. Weiße Villa an der Alster. Victor ist strohblond, klein und schlank.
Hobby: Hockey spielen im Klub an der Alster.
Geschwister: Laila (16, seit einem Jahr auf dem Internat) und Leonie (10), die gerade von der Grundschule aufs Gymnasium wechselt. Victor und Leonie werden morgens vom Chauffeur des Vaters vor der Schule abgesetzt.
Victor ist ein mäßiger Schüler, hat dafür aber super Manieren (Handkuss und so …).
Er liebt Computer und tippt seine Mails in einen schneeweißen iMac oder sein silbernes MacBook Air.
Sein Markenzeichen: knallige Klamotten, auf denen nix draufsteht (hasst Designerklamotten und Angeber-Typen).
Macke: Liebt Musik (natürlich vom iPod) von Silbermond.
Jens Sievers ist 13 Jahre alt.
Mutter Sabine (38) sitzt an der Kasse bei Lidl. Vater David (41) arbeitet als Tischler bei einem Antiquitätenhändler. Die Familie wohnt in den Grindel-Hochhäusern in HH-Eimsbüttel, 10. Stock.
Jens ist groß, schlank und schlaksig, Einzelkind.
Hobbys: Liebt Fußball, spielt im Sturm bei den Hamburger Alsterbrüdern.
Er ist einer der Besten in seiner Klasse (Notendurchschnitt 1,6) – Überflieger, ohne groß lernen zu müssen. Liebt seine Oma Anna, die auch im Grindel-Hochhaus (4. Stock) wohnt. Sie hat als Halbjüdin den Krieg in einem Keller im jüdschen Grindel-Viertel überlebt. Sie ist immer für Jens da und liest manchmal mit zarter Stimme im Literaturcafé Leonora vor.
Jens tippt seine Mails in einen alten Aldi-Computer in seinem 11-Quadratmeter-Zimmer. Rennt immer in Jeans und T-shirt rum, selten mit Jacke.
Sein Markenzeichen: ein alter grüner Bergsteiger-Stoffrucksack von seiner Oma.
Seine Macke: hasst Handys (dauernd leer oder kaputt) und ist nie erreichbar.
Jens: hey, victor, wie geht’s? kann nicht schlafen. du auch nicht?
Victor: gucke grade einen witzigen film auf kino.to. was gibt’s?
Jens: stress mit meiner mutter >:-< nervt mich dauernd, will mich ausquetschen: schule, freunde, was ich mache … kennst du ja!
Victor: kenn ich? meine mutter hat diese fragerei erfunden! jeden tag die gleiche nummer … ich sag aber nix!
Jens: ich auch nich! aber heut war ich schlecht drauf und hab sie angeschrien, sie soll mich gefälligst in ruhe lassen und dass sie nervt. die is total ausgerastet! fernsehverbot! und morgen spielt bayern gegen schalke. kann ich bei dir gucken?
Victor: logo! meine eltern sind am wochenende in paris. die haushälterin schläft bei uns … kein problem!
Jens: bist meine rettung. bis morgen in der schule!
Jens: hey victor, hab das 1. haar unter meinem arm entdeckt
Victor: keine panik, alter! nee, mal ehrlich: nur unterm arm? was meinst du, was bei mir los ist!?
Jens: angeber! aber wenn ich’s recht überlege: der neandertaler-look würde dir echt stehen *grins*
Victor: klappe! sei froh, dass du keine kleine schwester hast, die ihre mutter immer sofort darüber updated, wo dir neue haare wachsen. ich darf beim duschen nicht mehr vergessen abzuschließen! nichts ist nerviger als kleine schwestern!
Jens: ich mag leonie. sie ist lustig! außerdem kenne ich kein mädchen, das deine sprüche erträgt …!
Victor: schnarch!!!
Jens: nacht!
Victor: warte … erst noch ne schnelle liste: 5 durchgeknallte wünsche. 3 min zeit. die uhr läuft.
Victor:
Jens:
Victor: deine listen sind echt abgedreht … voll logisch: erst gewinnst du 3,5 mio und dann machst du dir gedanken, wer die scheiß spülmaschine ausräumt! holzkopf!
Jens: gute nacht, mister oberschlau ;-)
***
Victor: hey, bist ja schon wach – schreiben wir heute mathe?
Victor: wo steckst du?
Jens: keine panik. heut ist tempel-tag.
Victor: hä?
Jens: na, wir gehen in die kirche. die ganze schule, der weihbischof kommt. nee, quatsch, wir machen doch nen klassenausflug ins alte land … schonfrist für mathe …
Victor: sehr gut! du musst mir helfen bei mathe.
Jens: ehrensache! apropos kirche: muss dir was beichten. ich brauch kohle!
Victor: hmmm, was …? i understand only train station
Jens: viel geld. ich hab gelogen und gesagt, ich wär 16. die wollten mir schreiben, ob ich den job kriege. müsste heut in der post sein
Victor: hä? welcher job? wofür brauchst du geld?
Jens: aber du hältst die klappe, oder?
Victor: logo!
Jens: mein vater hat seinen job verloren. entlassen! rausgeschmissen! arbeitslos. verstehst du?
Victor: klar, bin doch nicht blöd … und jetzt?
Jens: na, der ist fertig … und meine mutter weiß von nichts! dabei hat er gerade die neue küche eingebaut. und jetzt keine kohle, um sie zu bezahlen. morgens geht er aus der wohnung und tut so, als ginge er in die werkstatt. in wahrheit pilgert er heimlich zum arbeitsamt. er will meine mutter nicht belasten. sie hat selbst immer ärger mit ihrem job bei lidl. das ist echt hardcore da. wenn sie abends von der arbeit nach hause kommt, ist sie total fertig. sie tut alles, damit ich’s nicht merke. aber ich merk es trotzdem
Victor: du bist mein kumpel, ich helf dir. aber wie?
Victor: jetzt zier dich nicht so! du hilfst mir doch auch, wenn ich scheiße baue. weißt du noch, als du meinem vater gesagt hast, dass es dein fahrrad war, das in seinen neuen jaguar gefallen ist? oh mann, der war vielleicht sauer auf mich. er ist immer sauer auf mich. immer genervt von mir. letzte woche kam er aus hongkong zurück. ich hab ihn umarmt, aber er mich nicht. kennst du das gefühl, wenn du dich überwindest und wen umarmst, aber es kommt nichts zurück?
Jens: hey, was quatschst du da? umarmen! zurückbekommen! was erzählst du denn da?
Victor: vergiss es, mann! … kleiner emo-anfall. meine birne ist kurz durchgebrannt … alles wieder klar. also, wie willst du an geld kommen?
Jens: hab mich bei der apotheke im eppendorfer weg beworben. die suchen jemanden, der nachmittags die medikamente ausfährt. einziges problem: man muss mindestens 16 sein, wegen der rezeptpflichtigen pillen und so. und mir fehlen da mal eben 3 jahre. aber das haben die zum glück nicht gemerkt und einen ausweis hatte ich natürlich nicht mit
Victor: ich bin mit einem betrüger befreundet! :-o
Jens: klappe! heute wollen die sich schriftlich melden. wenn’s klappt, mach ich jeden nachmittag 2 bis 3 stunden botendienst. und bekomme 6,30 pro stunde. wäre echt cool. nils aus der 10b macht das auch. ein superjob, meint er. die omas, für die die pillen und tröpfchen sind, geben viel trinkgeld. hoffentlich haut das hin …
Victor: mann, lass das mit dem pillen-kurier. ich leih dir das geld
Jens: nee, das will ich nich :-/
Victor: wieso nicht? mein onkel aus berlin hat mir zur taufe ein sparkonto eröffnet. er zahlt immer was ein an meinem geburtstag & weihnachten. ich glaube, ich hab ihn vor 3 jahren das letzte mal gesehen. ich weiß noch nicht mal, wie viel geld auf diesem konto ist. wir könnten es plündern, das würd keiner merken …
Jens: thx, man! du bist echt cool, aber das will ich nicht. ich kann dir das doch gar nicht zurückzahlen
Victor: na, versteh es als ne art stipendium! ich leih dir die kohle, und später, wenn du den physik-nobelpreis abgeräumt hast, gibst du es mir zurück. deal?
Jens: nee, lass mal stecken
Victor: mann, du bist mein abf
Jens: ???????
Victor: abf – allerbester freund … human meier! ist doch logo!
Jens: ich hab da mal nen tipp in sachen selbstvermarktung: schreib ein buch mit deinen englisch-sprüchen. was mario barth kann, kannst du schon lange.
***
Jens: hey, biste da? check mal deine mails!
Victor: geht klar …
Eppendorfer Apotheke
Sehr geehrter Herr Sievers,
hiermit bestätigen wir Ihnen, dass wir uns für Sie als Medikamenten-Kurier entschieden haben. An 4 Tagen in der Woche würden wir Sie gerne in der Zeit von 16 bis 19 Uhr einsetzen, um für uns Medikamente auszufahren.
Der Stundenlohn beträgt 6,30 €.
Da Sie noch nicht volljährig sind, bräuchten wir noch das Einverständnis eines Ihrer Erziehungsberechtigten (Rückantwort siehe Seite 2).
Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen,
Inge Reiners
Victor: hey, cool! es hat geklappt. du hast den job! ich wusste, dass sie dir die 16 abkaufen. du siehst eben immer total fertig aus. lol
Jens: haha. aber wo krieg ich ne unterschrift her?
Victor: hm, was steht da? erziehungsberechtigter? mann, ich erzieh dich doch seit dem kindergarten. seit 10 jahren hab ich dich an der backe. seit 10 jahren sag ich dir, was geht und was nicht. oder? i know me there out
Jens: aber nur, wenn es um sandburgen, hockey u klamotten geht …
Victor: @= bring den wisch morgen mit in die schule. ich unterschreibe
Jens: ok, papa. bis morgen
***
Jens: eine 6?????? wie hast du das denn geschafft? wir mussten doch nur 3 seiten über das praktikum schreiben, ein bisschen infomaterial dazulegen und die fragen auf dem zettel beantworten
Victor: du sagst es. 3 seiten. ich hatte eine halbe! und das infomaterial habe ich am letzten tag liegen lassen. und bei der frage nach meinem berufswunsch habe ich hingeschrieben: fotografierender lebenskünstler!
Jens: mann, eine 6! weißt du, was das für dich heißt?
Victor: ich hatte 2 fotografen, bei denen ich ein praktikum hätte machen können. aber nein, ich habe im südfrüchtehandel bei einem freund meines vaters 3 wochen im büro gesessen … weißt du, was das heißt?
Jens: nee, weiß ich nicht. spuck’s aus!
Victor: mein vater findet, fotografie ist nichts für mich. also ab in die obstfabrik! musste jeden morgen um 5:30 antreten. du sitzt da. du lächelst. jeder weiß, deine eltern und der boss sind die besten freunde. jeder war irre freundlich zu mir. aber niemand hatte arbeit für mich. kisten schleppen – haben sie gedacht – können wir dem söhnchen vom sulendorf nicht zumuten. einen 6-tonner-lkw wollten sie mir nicht anvertrauen. die gabelstapler (wäre übrigens mein lieblingsjob gewesen) auch nicht. die neuberechnung der jahresbilanz? fehlanzeige! also, was habe ich gemacht: höflich lächelnd rumgesessen. nein, falsch! ich war auch 2mal mit dem buddy-vom-dad-boss mittag essen – natürlich in meiner lieblings-trüffelbude hotel vierjahreszeiten … versteht sich. der ideale platz für 14-jährige coole checker wie mich. der obstboss hat mir eine stunde lang geschichten von früher erzählt. jeder zweite satz begann mit: als junge männer haben dein vater und ich aus dem nichts alles aufgebaut … oder … dolle zeit … oder … und die mädchen erst, hohoho!
Jens: okay. aber das erklärt noch nicht die 6!
Victor: erklärung: ich habe in den 3 wochen eben nur eine halbe seite erlebt. ich habe der pawlu in meinem bericht in 20 sätzen den stuhl beschrieben, auf dem ich 3 wochen gesessen habe. ich habe ihn aus verschiedenen perspektiven fotografiert. das essen mit dem boss habe ich weggelassen. war mir irgendwie zu intim. also nur der stuhl: der bezug, die federn, die lehne … und mein letzter satz lautete: hier saß ich 3 wochen rum! das war’s! und als anhang die fotos von dem stuhl! als beweis für meinen berufswunsch fotograf!
Jens: mann, ich glaub’s nicht …
Victor: solltest du aber!
Jens: okay, neue liste: 5 traumberufe mit begründung! in 5 min. go!
Jens:
Victor:
***
Jens: meine beine sehen aus wie gebirge. dieser blöde grantplatz beim fußball macht mich fertig
Victor: da kann ich nur sagen: hockey … die alternative auf samt!
jens: hä?
Victor: