Alle Rechte, einschließlich das der vollständigen oder auszugsweisen Vervielfältigung, des Ab- oder Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten und bedürfen in jedem Fall der Zustimmung des Verlages.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Die McKettricks aus Texas:
So nah und so fern
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Gisela Schmitt
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright © 2011 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
McKettricks of Texas: Garrett
Copyright © 2010 by Linda Lael Miller
erschienen bei: Harlequin Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Stefanie Kruschandl
Titelabbildung: Thinkstock/Getty Images, München
Autorenfoto: © by Harlequin Enterprises S.A., Schweiz,
John Hall Photography
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-153-9
ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-152-2
www.mira-taschenbuch.de
Werden Sie Fan von MIRA Taschenbuch auf Facebook!
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Garrett McKettrick wünschte, er könnte jetzt auf einem Pferd sitzen. Er dachte an eines der leichtfüßigen Ponys, die die Cowboys auf der Silver Spur Ranch benutzten und selbst züchteten. Aber im Moment musste es der Porsche tun.
Dank der Uhrzeit – es war kurz nach drei Uhr morgens – hatte Garrett diesen Teil des texanischen Highways ganz für sich allein. Mond und Sterne warfen silbrig glänzende Schatten durch das geöffnete Schiebedach und schimmerten auf seinem weißen Smokinghemd. Aus den Lautsprecherboxen wummerte ein Countrymusic-Oldie.
Smokingjacke, Kummerbund, Fliege und die schicken Manschettenknöpfe hatte er in Austin gelassen – zusammen mit der einen oder anderen liebgewonnenen Illusion.
Denn die Party war definitiv vorbei. Zumindest für ihn.
Er hätte es eigentlich kommen sehen müssen – oder auf die Leute hören sollen, die es kommen gesehen hatten. Damit meinte er seine beiden Brüder Tate und Austin. Sie hatten immer wieder versucht, ihn zu warnen.
Senator Morgan Cox, hatten sie ihm immer wieder einzutrichtern versucht, ist nicht der, für den er sich ausgibt.
Gegen seinen Willen spulte Garretts Gedächtnis den Abend um einige Stunden zurück. Und so erlebte er den Schock in allen plastischen Details noch einmal, während er auf der dunklen schnurgeraden Straße durch die Nacht schoss.
Cox hatte sich immer als treuer Familienmensch präsentiert, im privaten Kreis wie auch in der Öffentlichkeit. In seinen Büros in Austin und Washington prangten auf den handgeschnitzten antiken Schreibtischen ganze Sammlungen von Familienfotos: der Senator und Nan bei ihrer Hochzeit, er und Nan mit ihren ersten Kindern, er und Nan mit noch mehr Kindern, von denen einige adoptiert und sogenannte „besondere Kinder“ waren. Insgesamt gab es in der Familie Cox neun Kinder.
Fotos von den Hunden – gleich mehrere Generationen von Golden Retrievern, selbstverständlich alle aus dem Tierheim gerettet – durften natürlich nicht fehlen.
Heute Abend war Garretts langjähriger Chef und Mentor ohne jede Vorwarnung im pompösen Ballsaal des Hotels zu einer wichtigen Fundraising-Veranstaltung aufgetaucht. Er kam ohne Nan, die elegante, wortgewandte, mustergültige Nan, deren Vater Gouverneur von Texas gewesen war. Der mächtige Morgan Cox, ein Kriegsheld, der Mann, den viele schon im Weißen Haus sahen, erschien in Begleitung eines klassischen Betthäschens, das sich als zweiundzwanzigjährige Nachtklubtänzerin entpuppte und Mandy Chante hieß.
Seinen überraschten Anhängern, der versammelten Presse und – das war das Schlimmste – seiner Frau Nan verkündete der Senator, dass er und Mandy Seelengefährten seien. Sie wären bereits in vielen Dutzend vorherigen Leben Liebende gewesen, schwärmte er lauthals. In der Kurzfassung: Cox erklärte auf dem Podium – neben ihm seine Geliebte in einem figurbetonten Kleid mit eisblauen Pailletten, das sie aussehen ließ wie eine Meerjungfrau mit Füßen –, dass er auf Verständnis hoffe.
Er müsse seinem Herzen folgen.
Würde er doch tatsächlich seinem Herzen folgen und nicht einem anderen Körperteil, hatte Garrett in diesem Moment gedacht.
Auf die Erklärung folgte eine peinliche Stille, lang und unangenehm. Sämtliche Anwesenden standen wie versteinert da, während sie versuchten zu verarbeiten, was Cox ihnen gerade eröffnet hatte.
Wer ist dieser Mann? fragten sich die Menschen, und wo ist der Morgan Cox, den wir kennen? Wo, fragte sich auch Garrett, ist der Mann, der auf der Beerdigung meiner Eltern vor einem Jahrzehnt die bewegende Grabrede gehalten hat?
Die Massenlähmung, die auf Morgans Ankündigung folgte, dauerte nur wenige Sekunden. Auch Garrett erholte sich schnell. Ganz automatisch suchte er den Raum nach Nan Cox ab – der ehemaligen College-Zimmergefährtin seiner verstorbenen Mutter – und entdeckte sie neben dem Flügel. Dort stand sie ganz allein.
Sehr wahrscheinlich war Nan, die sich äußerst versiert auf dem politischen Parkett bewegte, in ein Gespräch verwickelt gewesen, als ihr Mann die Bombe platzen ließ. Noch immer lächelte sie, was nun surreal, ja gespenstisch wirkte.
Doch Nan war die perfekte Dame. Sie gewann sofort ihre Fassung wieder und bahnte sich durch Fremde und Freunde, Feinde und Vertraute einen Weg zu Garrett hinüber. Diskret flüsterte sie ihm zu: „Schaffen Sie ihn hier raus, Garrett. Schaffen Sie Morgan sofort hier raus, bevor die ganze Sache noch schlimmer wird.“
Garrett warf dem Senator einen Blick zu. Dieser ignorierte seine Frau, mit der er seit über dreißig Jahren verheiratet war, komplett. Diese wunderbare Frau, die er gerade in aller Öffentlichkeit gedemütigt und verletzt hatte. Stattdessen glotzte er verliebt seine neue Mätresse an. Die Meerjungfrau hatte ihre dicke, glänzende Unterlippe zu einer Schnute verzogen.
Cox tätschelte der jungen Frau ermunternd die Hand, als wäre sie es und nicht Nan, die gerade einen Schock erlitten hatte.
Schon begannen die Kameras zu klicken, die der Journalisten und die der anderen Anwesenden: Ein Blitzlichtgewitter ließ das glückliche Paar erstrahlen. In wenigen Minuten würde sich die Aufmerksamkeit auch auf Nan verlagern.
„Zuerst bringe ich Sie hier raus“, sagte Garrett zu Nan, legte seinen rechten Arm um sie und steuerte mit ihr auf den nächsten Ausgang zu. Als persönlicher Berater des Senators hatte er viel Erfahrung damit, jemanden schnell aus einer Menschenmenge zu schleusen. Daher prägte er sich an jedem Ort sofort die Ausgänge ein, nur für den Fall der Fälle.
Nan versuchte gar nicht erst zu protestieren. Sie hielt mit Garrett Schritt und wehrte sich auch nicht, als er sie durch einen Korridor schob, der mit Servierwagen vollgestopft war, und mit ihr in den Personalaufzug stieg.
Während sie nach unten fuhren, zog Garrett sein Handy heraus und drückte eine Kurzwahltaste. Nan stand gegen die Aufzugswand gelehnt und betrachtete, in Schweigen versunken, ihre Füße. Ihr perfekt frisiertes graues Haar glänzte in dem grellen Licht.
Beim ersten Klingeln nahm Troy, der persönliche Fahrer des Senators, ab. Fröhlich fragte er: „Garrett, was ist los?“
„Fahr den Wagen bitte zum Hintereingang des Hotels“, trug Garrett ihm auf. „Und beeil dich.“
Nan sah auf, und ihre Blicke trafen sich. Sie war blass, ihre Augen wirkten gehetzt, aber das Lächeln auf ihren Lippen war zuversichtlich. „Wahrscheinlich haben Sie dem guten Troy einen Riesenschrecken eingejagt“, schalt sie ihn und streckte die Hand nach seinem Handy aus.
Garrett drückte es ihr in die Hand, als sie das Erdgeschoss erreichten.
„Troy? Hier spricht Mrs Cox. Keine Sorge, es ist kein Feuer ausgebrochen und es hatte auch niemand einen Herzinfarkt oder wurde angeschossen. Aber ich muss trotzdem weg von hier. Also seien Sie ein Schatz, und holen Sie mich am Hintereingang ab.“ Kurze Pause. „Oh, Sie sind schon da? Perfekt. Alles Weitere erkläre ich Ihnen im Wagen. Jetzt gebe ich Ihnen noch einmal Garrett.“
Damit reichte sie ihm das Telefon zurück.
Als er es sich wieder ans Ohr hielt, hörte er Troy nervös schlucken. „Ich stehe vor der Küchentür“, erklärte der Fahrer. „Ich bringe Mrs Cox nach Hause und komme dann sofort zurück, für den Fall, dass du Hilfe brauchst.“
„Ausgezeichnete Idee“, stimmte Garrett ihm zu. In diesem Moment öffnete sich die Fahrstuhltür, und sie standen in der großen Hotelküche.
Die Frau des Senators lächelte und nickte den überraschten Küchenmitarbeitern zu, als sie gemeinsam mit Garrett zum Ausgang ging.
Wie angekündigt, stand der Wagen vor der Tür. Die Tür zum Fond hatte Troy bereits geöffnet.
Als Nan einstieg, tauschten er und Garrett einen Blick aus, doch keiner von ihnen sagte ein Wort.
Troy schloss die Tür hinter Nan, die im selben Moment die Scheibe herunterließ.
„Mein Mann braucht Ihre Hilfe“, sagte sie mit ruhiger, fester Stimme zu Garrett. „Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um ein Urteil über ihn zu fällen. Das werden ohnehin die Medien erledigen.“
„Selbstverständlich, Ma’am“, erwiderte Garrett.
Eine Sekunde später fuhr der Wagen los, und Garrett war bereits wieder auf dem Weg zum Kücheneingang.
Er ging zum Personalaufzug, drückte den Knopf und wartete auf den Fahrstuhl, der offensichtlich in der Zwischenzeit wieder nach oben gefahren war.
Als sich die Tür endlich öffnete, standen der Senator und seine Geliebte vor Garrett.
Der Senator blinzelte, als er Garrett sah. Irgendwie sah er älter aus als sonst, vielleicht, weil er seine Brille trug. „Ach, hier sind Sie“, sagte er. „Ich habe mich schon gefragt, wohin Sie verschwunden sind, McKettrick. Und wo ist Nan? Haben Sie meine Frau gesehen?“
In Garretts Kopf hallte Nans Aufforderung wider.
Mein Mann braucht Ihre Hilfe.
Und nun diese seltsam besorgten Fragen des Senators. Haben Sie meine Frau gesehen?
Garrett versuchte zu lächeln, doch es fühlte sich an wie eine Grimasse. Er warf der Meerjungfrau einen kurzen Blick zu und richtete sich dann an den Senator: „Mrs Cox befindet sich bereits auf dem Heimweg, Sir.“
„Ich kann mir vorstellen, dass sie wütend war“, stellte Cox fest und wirkte bedauernd und gleichzeitig gleichgültig.
„Sie ist die perfekte Dame, Sir“, antwortete Garrett. „Und so verhält sie sich auch.“
Da kicherte Cox liebevoll und nickte. „Ja, Nan ist immer und zu jeder Zeit die perfekte Dame.“
Plötzlich schien die Meerjungfrau neben ihm vor Wut zu schäumen. Sie warf Garrett einen bösen Blick zu und klammerte sich fester an den Arm des Senators.
Seelenruhig erwiderte Garrett ihren Blick. Diese Frau, entschied er, ist keine Meerjungfrau und erst recht keine Dame. Sie ist ein Barrakuda.
„Ich habe den Eindruck, es war nicht der beste Zeitpunkt, um der Welt unsere Neuigkeiten mitzuteilen, meine Liebe“, sagte der Senator und tätschelte die auffällig beringte und manikürte Hand seiner Freundin in derselben ergebenen Weise wie schon im Ballsaal. „Wahrscheinlich hätte ich es Nan besser erst unter vier Augen gesagt.“
Ach, tatsächlich? fragte Garrett stumm.
„Sie arbeiten für Senator Cox“, wandte sich der Barrakuda da an ihn, „und nicht für seine Frau. Warum sind Sie also plötzlich verschwunden und haben uns – ihn – im Stich gelassen? Die ganzen Reporter …“
Garrett verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.
„Es war schrecklich!“, platzte es aus dem Barrakuda heraus.
Was hatte die Frau erwartet? Champagner aufs Haus? Glückwunschküsschen und Händeschütteln? Einen romantischen Walzer mit dem Senator, während das Orchester Moon River anstimmte?
„Glücklicherweise“, begann Cox leutselig, als wäre seine paillettenbesetzte Begleiterin nicht gerade laut geworden, „habe ich mich daran erinnert, wie oft Sie und ich über Sicherheitsmaßnahmen gesprochen haben. So konnten Mandy und ich über den Personalaufzug entkommen.“
Der Korridor schien zu schrumpfen, und Garrett bekam plötzlich keine Luft mehr. Er lockerte seine Krawatte und öffnete die drei obersten Hemdknöpfe. „Mandy?“, fragte er.
Der Senator lachte freundlich. „Mandy Chante“, sagte er. „Darf ich vorstellen? Garrett McKettrick, meine rechte Hand.“
„Mandy Chante“, wiederholte Garrett tonlos.
Mandys Augen funkelten. „Was sollen wir jetzt machen?“, wollte sie wissen.
„Ich glaube, das richtet sich nach den Wünschen des Senators“, erwiderte Garrett. „Werden Sie heute Abend nach Hause auf die Ranch fahren, Sir, oder in der Stadt bleiben?“
Oder soll ich Sie vielleicht im nächsten psychiatrischen Krankenhaus absetzen, damit Sie sich auf Ihren Geisteszustand untersuchen lassen?
„Ich bin sicher, dass Nan in unserer Wohnung sein wird“, mutmaßte der Senator. „Unter diesen Umständen ist es wohl keine besonders gute Idee, dort hinzufahren.“
Keine gute Idee. In der Tat, Senator. Das wäre keine gute Idee.
„Darf ich Sie bitte kurz unter vier Augen sprechen, Sir?“, bat Garrett.
Bei dieser Frage verschränkte Mandy, die sich bereits bei Cox untergehakt hatte, ihre Finger mit seiner Hand, damit er sie nicht loslassen konnte.
„Pooky und ich haben keine Geheimnisse voreinander“, erklärte Cox.
Pooky?
Garrett wollte sich der Magen rumdrehen.
„Ganz ruhig, Liebes“, beschwichtigte Cox den Barrakuda und befreite sich sanft aus der Umklammerung. „Garrett meint es gut. Du musst dich nicht angegriffen fühlen.“ Zu Garrett gewandt, sagte er: „Das ist kein guter Zeitpunkt für Diskussionen. Ich möchte Mandy ungern allein hier im Korridor stehen lassen.“
„Sir …“
„Morgen, Garrett.“ Der Senator blieb standhaft. „Wir besprechen das morgen, in meinem Büro.“
Garrett nickte kaum sichtbar und biss die Zähne aufeinander.
„Hier unten ist es unheimlich“, beschwerte sich Mandy und sah sich um. „Unheimlich und gruselig. Können wir uns nicht eine Suite nehmen?“
„Das ist eine tolle Idee“, antwortete der Senator begeistert. Es folgte ein weiteres Handtätscheln, dann wandte sich Cox wieder an Garrett. „Erledigen Sie das für uns, Garrett? Buchen Sie uns oben doch bitte eine Suite? Natürlich auf Ihren Namen, nicht auf meinen.“
„Natürlich“, antwortete Garrett ermattet und dachte an Nan, die Kinder und die Golden Retriever. Es wäre fruchtlos, seinen Chef darauf hinzuweisen, dass sein Trick sofort von allen durchschaut würde.
„Gut“, sagte der Senator zufrieden.
„Müssen wir unbedingt hier unten warten, während er sich um das Zimmer kümmert?“, jammerte Mandy. „Ich mag nicht hier sein. Hier ist es wie im Keller oder so was.“
Cox schenkte ihr ein Lächeln und sagte bedauernd: „In der Lobby wartet die Pressemeute. Es dauert sicher nicht lang. Garrett wird sich beeilen. Nicht wahr?“
Plötzlich sehnte Garrett sich nach dem lauten Hufschlag der Pferde, der frischen Luft und dem einfachen Leben zu Hause.
Doch die Pflicht ging vor.
Er ging nach oben in die Lobby, buchte an der Rezeption ein Zimmer und rief dann den Senator auf seinem privaten Handy an, um ihm die Zimmernummer mitzuteilen.
Am anderen Ende der Leitung erwiderte der Senator: „Troy ist gerade wiedergekommen.“ Er klang erfreut. „Ich bin sicher, es macht ihm nichts aus, uns nach oben zu begleiten. Wenn Sie uns nur noch etwas Eis beschaffen könnten, Garrett, bevor Sie gehen …“
Garrett schloss die Augen und verkniff sich den Hinweis darauf, dass er kein Hotelpage oder der Zimmerservice sei. Stattdessen sagte er: „Selbstverständlich, Sir.“
Eine Viertelstunde später fuhren er und Troy gemeinsam mit dem Fahrstuhl wieder nach unten – in einem anderen Personalaufzug.
Für einen Schwarzen sah Troy blass aus. „Ist das sein Ernst?“, fragte er ungläubig.
Mit einem tiefen Seufzer warf Garrett einen Blick auf die digitale Stockwerkanzeige des Fahrstuhls. Seine baumelnde Krawatte störte ihn, er nahm sie ab und steckte sie in die Tasche seines Smokingjacketts. „Scheint so“, sagte er nur.
„Mrs Cox meint, der Senator sei nervlich überlastet, und wir müssten alle zu ihm halten“, berichtete Troy niedergeschlagen. „Sie ist sicher, dass er wieder zu Verstand kommt und sich alles einrenken wird.“
„Klar“, murmelte Garrett abwesend. Sobald sie unten waren, würde er in seinen Porsche steigen und nach Hause fahren. In zwei Stunden könnte er auf der Silver Spur Ranch sein.
Als sie draußen noch kurz zusammenstanden, fragte Troy: „Warum habe ich das Gefühl, dass das alles dich überrascht?“
Die Frage verwirrte Garrett, sodass er nicht gleich antwortete.
„Na komm, steig ein, ich fahre dich noch zu deinem Wagen“, sagte Troy seufzend zu Garrett.
„Du wusstest das mit Mandy und dem Senator?“, fragte Garrett ungläubig.
Darauf gab Troy ein heiseres Lachen von sich. „Mein Gott, Garrett“, seufzte er. „Ich bin sein Fahrer. Er trifft sie schon seit Monaten.“
Garrett schloss die Augen. Tate hatte ihm immer vorgeworfen, er verschließe die Augen vor der Realität, was den Senator angehe. Damals hatte er Morgan Cox noch verteidigt, diesen Mistkerl.
„Was ist mit Nan? Hat sie es auch gewusst? Nach ihrer Miene vorhin im Ballsaal zu schließen, hatte sie keinen blassen Schimmer.“
„Wer weiß“, erwiderte Troy. „Aber von mir hat sie es bestimmt nicht gehört.“
Er parkte die Limousine hinter Garretts Porsche. Die ersten Fernsehübertragungswagen tauchten auf dem Parkplatz auf, dazu ein nicht endender Strom anderer Fahrzeuge.
Wahrscheinlich sendeten die lokalen Radio- und Fernsehsender schon die ersten kurzen Berichte.
Licht aus, dachte Garrett deprimiert. Die Party ist vorbei.
Jetzt konnte der Senator seine Präsidentschaftsnominierung vergessen. Er konnte froh sein, wenn er nicht schon vor Ablauf der regulären Amtszeit von seinem Posten zurücktreten musste.
Was auch für Garrett das Aus bedeutete. Karriere ade.
Er stieg aus und wünschte Troy eine gute Nacht. Nachdem sein Freund weggefahren war, stieg er in seinen Porsche und fuhr schnell zu seiner Stadtwohnung, um die Smokinghose auszuziehen und in Jeans und Cowboystiefel zu schlüpfen. Jetzt bekam er wieder etwas mehr Luft. In der Küche schaltete er den kleinen Fernseher ein und zappte zwischen den Sendern hin und her. Auf jedem Kanal waren der Senator und Mandy zu sehen, wie sie Arm in Arm aus dem Ballsaal verschwanden.
Garrett hatte genug gesehen. Er schaltete das Gerät aus.
Inzwischen waren zwei Stunden vergangen. Garrett war etwa zwei Kilometer vor Blue River. Während der ganzen Fahrt hatte das Wort „Idiot“ in seinem Schädel gehämmert. Er war stocknüchtern, obwohl er sich wünschte, es wäre nicht so. Plötzlich sah er im Rückspiegel hinter sich das Blaulicht eines Polizeifahrzeugs.
Ihm entfuhr ein leiser Fluch, dann schaltete er vom fünften in den zweiten Gang und rollte langsam an den Straßenrand. Dort blieb er stehen, ohne den Motor auszumachen, und wartete.
Gerade als der örtliche Polizeichef Brent Brogan ans Fenster klopfen wollte, ließ er die Scheibe auf der Beifahrerseite herunter.
„Sag mal, spinnst du?“, fragte der beste Freund seines Bruders und beugte sich zu ihm. „Du rast hier mit fast 200 Stundenkilometern durch die Gegend!“
Sekundenlang umklammerte Garrett das Steuer fester, entspannte sich aber sofort wieder. „Tut mir leid“, murmelte er und blickte stur nach vorn durch die mit Insektenkadavern verschmutzte Windschutzscheibe. Er vermied es, Brogan anzusehen. Sein Bruder Tate hatte Brogan den Spitznamen „Denzel“ verpasst, wegen dessen Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Denzel Washington. Er benutzte den Namen oft, vor allem, wenn es darum ging, eine brenzlige Situation zu entspannen. Aber Garrett war nicht so eng mit ihm befreundet wie Tate.
„Ach so, es tut dir leid“, entgegnete Brogan spöttisch. „Dann ist das natürlich etwas anderes. Garrett McKettrick tut es leid. Also entschuldige bitte, dass ich dich angehalten habe, bevor du dich selbst oder jemanden anderen platt gefahren hättest.“
Garrett seufzte. „Stell mir doch einfach einen Strafzettel aus“, brummte er.
„Ich sollte dich einsperren“, sagte Brogan und tat so, als würde er tatsächlich darüber nachdenken. „Ja, das sollte ich vielleicht wirklich tun. Deinen Arsch ins Gefängnis stecken.“
„Gut“, erwiderte Garrett resigniert. „Dann steck mich ins Gefängnis.“
Brent öffnete die Beifahrertür und setzte sich neben Garrett. Nur sein rechtes Bein ließ er draußen. Er war ein massiger Mann, größer als Garrett und mit noch breiteren Schultern. Jetzt war es ziemlich eng im Wagen. „In dieser Karre hat man ja nicht gerade viel Ellenbogenfreiheit“, stellte er dann auch prompt fest. „Wann schaffst du dir endlich mal ein richtiges Auto an?“
Darauf lachte Garrett humorlos, fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar und sagte nichts. Er konnte sehr eigen sein.
Der Polizeichef seufzte. „Pass auf, Garrett“, sagte er. „Ich kenne dich. Du trinkst nichts, und du nimmst keine Drogen. Von allen Leuten, die ich heute Nacht auf diesem Highway aus dem Verkehr gezogen habe, bist du der Einzige, der es wirklich besser wissen müsste.“
Der alte Schmerz brach wieder in Garrett auf, und plötzlich hatte er einen Kloß im Hals.
Er schloss die Augen und versuchte, die Bilder abzuwehren, die vor seinem geistigen Auge auftauchten, aber es ging nicht. Da war es wieder, das Quietschen der Reifen auf dem Asphalt, das schleifend-knirschende Geräusch, wenn Metall auf Metall trifft, das irrwitzig melodiöse Splittern von Glas. Er war nicht dabei gewesen in jener Nacht, als seine Eltern bei einem Zusammenstoß mit einem außer Kontrolle geratenen Sattelzug starben. Aber die Töne und Bilder in seinem Kopf waren so lebendig, als wäre er vor Ort gewesen.
Zehn Jahre lag der Unfall jetzt zurück, und immer noch versuchte Garrett, endlich mit dem Verlust seiner Eltern fertigzuwerden. Doch es gelang ihm einfach nicht.
Was würde er darum geben, wenn sie gleich – wie früher – auf der Ranch auf ihn warten würden?
Einfach alles würde er dafür geben.
„Hättest du die Güte, mir wenigstens eine Erklärung zu liefern?“, fragte Brogan nach einer langen Weile. „Keine Sorge, ich bin bis morgen früh um acht im Dienst. Dann löst Deputy Osburt mich ab. So lange kann ich hier sitzen und warten. Von mir aus warte ich auch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, wenn es sein muss.“
Die Dämmerung lag noch in weiter Ferne. Die dunkle Septembernacht war heiß, und solange Brogan die Tür offen stehen ließ, war die Klimaanlage des Wagens machtlos. Wieder umschlossen Garretts Finger das Lenkrad. So fest, dass seine Knöchel schmerzten.
„Ich hatte einen schlechten Tag, das ist alles“, sagte er. Und einen noch schlechteren Abend.
Brogan legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Bist du auf dem Weg nach Silver Spur?“
Garrett nickte, dann schluckte er. In seinem Innern spürte er das Verlangen nach der Ranch. Es schien ihn förmlich anzuziehen.
„Ich fahre dir bis zum Haupttor hinterher“, meinte Brogan schließlich. „Und sieh zu, dass du heil zu Hause ankommst.“
Da erst sah Garrett ihn an. „Danke“, sagte er tonlos.
Brogan stieg aus dem Porsche, klappte die Tür zu, beugte sich aber noch einmal durch das geöffnete Fenster herein. „Und denk dran: Runter vom Gas. Denn ich habe wirklich keine Lust, deinen großen Bruder mitten in der Nacht aus dem Bett zu werfen, um ihm mitzuteilen, dass du dich um einen Leitungsmast gewickelt hast.“
Tate ist nur ein Jahr älter als er, dachte Garrett, und wir beide sind in etwa gleich groß und gleich schwer. Warum also musste Brogan von Tate als von seinem „großen Bruder“ sprechen? Ganz sicher bezeichnete ihn selbst niemand als Austins großen Bruder, obwohl dieser nicht nur ein Jahr jünger war als er, sondern auch einige Zentimeter kleiner und gut zehn Kilo leichter.
Nachdem Brogan in seinen Streifenwagen gestiegen war, fuhr Garrett wieder auf den Highway. Vor ihm lag Blue River. Eine Straßenlaterne nach der anderen ging an, als er kurz darauf durch die schlafende Stadt fuhr.
Um diese Uhrzeit waren sogar die Bars alle geschlossen.
Während Garrett durch die Nacht fuhr, eskortiert von seiner Ein-Mann-Polizeistreife, musste er an Tate denken. Wahrscheinlich lag er gerade mit seiner hübschen Verlobten Libby Remington im Bett in ihrem kleinen Häuschen kurz hinter der Flussbiegung. Ein Anfall von Eifersucht durchfuhr ihn.
Die beiden waren glücklich. Und so verrückt nacheinander, dass die Luft um sie herum von Pheromonen nur so schwirrte. Tate und Libby planten eine große Hochzeit. Sie wollten Silvester heiraten. Für die Flitterwochen hatten sie eine Kreuzfahrt zu den griechischen Inseln geplant. Sie fanden, je schneller Tates sechsjährige Zwillingstöchter Audrey und Ava ein Geschwisterchen bekämen, desto besser.
Garrett ging davon aus, dass er exakt neun Monate und fünf Minuten nach der Hochzeitszeremonie zum nächsten Mal Onkel werden würde.
Bei diesem Gedanken musste er lächeln – trotz allem.
Die Landschaft zog an ihm vorüber.
Als das Tor der Silver Spur Ranch auftauchte, blendete Brogan hinter ihm einmal kurz auf, wendete den Polizeiwagen und fuhr davon.
Zuhause, dachte Garrett, als er die lange Zufahrt zum Haus entlangfuhr. Das ist der Ort, an dem du immer aufgenommen wirst.
Wie kann man in diesem riesigen Haus überhaupt schlafen? Diese Frage stellte sich Julie Remington, als sie das Licht in der einschüchternd großen Küche der Silver Spur Ranch einschaltete. Sie, ihr Sohn Calvin, der demnächst seinen fünften Geburtstag feiern würde, und ihr Beagle Harry wohnten nun seit einer Woche im Gästeapartment im Erdgeschoss. Ihr eigenes Häuschen in der Stadt musste wegen einer Termitenplage komplett ausgeräuchert werden.
Sie nahm einen ihrer von zu Hause mitgebrachten Kräutertees und die Tasse, die ihr die Mitglieder der Theater-AG letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatten.
Wahrscheinlich wäre es vernünftiger, wenn ich mir statt des Kamillentees einen Kaffee mache, dachte sie, während sie heißes Wasser in ihre Tasse laufen ließ. Schließlich war es schon bald Morgen. Aber sie hoffte trotz allem, vielleicht doch noch ein wenig Schlaf zu finden.
Gerade als sie mit der Tasse in der Hand wieder zurück ins Bett gehen wollte, öffnete sich plötzlich die Tür, die von der Küche zur Garage führte.
Beinahe hätte Julie die Tasse fallen lassen und sich den Tee auf ihren lilafarbenen Morgenmantel gekippt, so sehr erschrak sie.
Garrett McKettrick blieb auf der Schwelle stehen. An seinem verwunderten Blick erkannte sie, dass er sich fragte, was sie um diese Uhrzeit in seiner Küche machte.
Daher erstaunte sie das fröhliche Lächeln auf seinem attraktiven Gesicht. Es wischte die Sorgen fort, die sie eben noch auf seiner Miene gesehen hatte.
„Hey“, sagte er und schloss die Tür hinter sich. Seine Schlüssel warf er auf ein kleines Schränkchen mit Granitplatte.
„Hey“, begrüßte Julie ihn und fragte sich, ob er sie wohl erkannt hatte. Sie ging quer durch die Küche auf ihn zu und streckte ihm die Hand hin. „Julie Remington“, rief sie ihm in Erinnerung.
„Ich weiß, wer du bist“, antwortete er lachend. „Wir sind zusammen aufgewachsen, falls du dich erinnerst. Und wir sind uns erst vor Kurzem auf der Beerdigung von Pablo Ruiz begegnet.“
Als gelernte Schauspielerin war sich Julie sofort ihrer Rolle bewusst: Sie war eine Frau, die wenig selbstbewusst mitten in der Nacht in einem alten Bademantel in einer fremden Küche stand und Tee trank. Zumindest versuchte sie, sich dieser Rolle bewusst zu sein.
Doch es war schwierig, sie weiterzuspielen. Vor allem, weil sie sich gleich beim nächsten Satz total verhaspelte. „Ich dachte nur … Bei den vielen Leuten, die Sie sicher kennen …“
Den vielen Frauen, die Sie kennen.
Auch Garrett hatte die legendären blauen Augen aller McKettrick-Männer, eine Mischung aus dem Blau eines Sommerhimmels und der Farbe von Kornblumen. Er sah sie ernst an.
Sofort beschleunigte sich Julies Herzschlag. „Wahrscheinlich wundern Sie sich, was ich hier mache“, plapperte sie drauflos.
Was ist denn nur los mit mir? Es war ja nicht so, dass sie hier eingebrochen war und er sie auf frischer Tat ertappt hätte. Tate hatte darauf bestanden, dass sie mit Calvin auf die Ranch zog, anstatt sich in einem Motel einzumieten oder etwas anderes zu organisieren, während ihr Haus mit giftigen Chemikalien vollgepumpt wurde.
Während Garrett auf den vordersten der Einbaukühlschränke zuging, verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. Er öffnete die Tür und betrachtete prüfend den Inhalt.
„Ehrlich gesagt“, erklärte er ihr, ohne sich umzudrehen, „habe ich mich kein bisschen gewundert.“
Obwohl Julie nicht so leicht zu erschüttern war, errötete sie jetzt. „Oh.“
Garrett nahm diverse Dinge aus dem Kühlschrank.
„Na ja … dann gute Nacht“, sagte sie eine Spur zu fröhlich.
Als er sich zu ihr umdrehte und mit der Schulter die Kühlschranktür schloss, hielt er eine Tupperdose mit den Resten von Julies Hühnchenlasagne in der Hand, die es zum Abendessen gegeben hatte. „Oder guten Morgen. Je nachdem, wie man es sieht.“
„Es ist erst kurz vor vier“, gab sie zu bedenken.
Garrett stellte die Dose in die Mikrowelle und drückte ein paar Knöpfe.
„Nicht!“, rief Julie und lief zu ihm, um das Essen zu retten. „Das Plastik schmilzt in der Mikrowelle!“
„Oh, Mist“, rief er. Und während Julie die Hühnchenlasagne auf einen mikrowellenfesten Teller schaufelte, fügte er hinzu: „Sind Ihre Augen wirklich lavendelfarben, oder bilde ich mir das nur ein?“
Die Frage verwirrte Julie. „Das ist der Bademantel“, erwiderte sie schließlich.
„Der Bademantel?“, fragte Garrett nun ebenso verwirrt. Er stand neben ihr, viel zu nah. Julie schaffte es nicht, ihn direkt anzusehen – was nun wirklich vollkommen idiotisch war. Schließlich kannten sie sich seit ewigen Zeiten. Sie hatten dieselbe Schule besucht. Und jetzt, wo ihre Geschwister miteinander verlobt waren, waren sie quasi verwandt.
Julie, die nie rot wurde, errötete schon wieder. Und nicht nur das – ihre Wangen brannten.
„Eigentlich … Eigentlich habe ich haselnussbraune Augen“, stammelte sie, „aber sie schimmern immer in der Farbe, die ich gerade trage. Und da dieser Morgenmantel nun mal lilafarben ist …“
Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie sich so dumm drauflosplappern hörte. Warum kann ich nicht einfach die Klappe halten? dachte sie.
Gnädigerweise schwieg Garrett. Er lehnte einfach an der Küchentheke und wartete darauf, dass die Reste der Lasagne warm wurden.
„Mom?“ Julies Sohn Calvin tappte in die Küche. Seine Augen blinzelten eulenhaft hinter den Brillengläsern. Er trug einen Baumwollschlafanzug und hatte nichts an den Füßen. „Ist es schon Zeit zum Aufstehen? Draußen ist es doch noch ganz dunkel.“
Der übliche Schwall mütterlicher Liebe durchflutete Julie – wie immer begleitet von etwas Angst. Neulich erst hatte Calvins biologischer Vater gewisse Annäherungsversuche unternommen, um „wieder eine Bindung“ zu seinem Sohn aufzubauen. Dabei war Gordon Pruett, auch wenn er regelmäßig Unterhalt für Calvin zahlte, dem Jungen vollkommen unbekannt.
„Geh wieder schlafen, Schätzchen“, sagte Julie. „Du musst noch nicht aufstehen.“
Nun tauchte auch noch Harry in der Küche auf. Der Beagle, den sie aus dem Tierheim geholt hatten, war erstaunlich flink dafür, dass er nur drei Beine hatte statt vier.
Doch Calvins Aufmerksamkeit richtete sich jetzt auf Garrett, der sich mittlerweile mit seinem Teller Lasagne an den Tisch gesetzt hatte.
„Hallo“, begrüßte Calvin ihn.
Harry wedelte freudig mit dem Schwanz. Allerdings vermutete Julie, dass sein Interesse weniger Garrett als dem Essen galt, das vor ihm auf dem Teller dampfte.
„Hey“, erwiderte Garrett.
„Du bist der Onkel von Audrey und Ava, stimmt’s?“, fragte Calvin. „Der, der ihnen ein echtes Schloss zum Geburtstag geschenkt hat.“
Lachend stach Garrett mit der Gabel in die Lasagne. „Ja, der bin ich.“
„Das steht jetzt im Gemeindezentrum“, fuhr Calvin fort und machte einen Schritt auf Garrett zu. „Das Schloss, meine ich.“
„Wahrscheinlich ein guter Platz dafür“, stellte Garrett fest. „Willst du auch was von dem Nudelzeug? Ist ziemlich lecker.“
Nudelzeug? Ziemlich lecker? Julies Nackenhaare sträubten sich. Das war ein Originalrezept von ihr, für das sie im letzten Jahr auf der State Fair, dem alljährlichen Volksfest, einen Preis gewonnen hatte!
Calvin ging zum Tisch und setzte sich auf einen Stuhl. Mit einer raschen Bewegung schob er sich die Brille wieder richtig auf die Nase. Sein blondes Haar stand in alle Richtungen ab, und er machte ein so ernstes Gesicht, als er Garrett musterte, dass Julies Herz allein vom Hinsehen schmerzte. „Nein danke“, sagte der Junge feierlich. „Das gab es schon zum Abendessen, und Mom macht es sowieso dauernd.“
Nach einem kurzen Blick zu Julie grinste Garrett verstohlen, dann wandte er sich wieder an Calvin. „Deine Mutter kann aber gut kochen“, sagte er.
Harry strich um Garrett herum und hinterließ Unmengen kleiner weißer Beagle-Haare auf dessen Jeans. Garrett streichelte dem Hund über den Kopf und begrüßte ihn mit einem freundlichen „Hallo, Hund.“
„Calvin“, unterbrach Julie das Geplänkel, „lass uns wieder ins Bett gehen, damit Mr McKettrick ungestört … frühstücken kann.“
Trotz der Müdigkeit funkelten Garretts Augen, als er Julie ansah. „Mr ‚McKettrick‘?“, wiederholte er. Dann sah er wieder Calvin an. „Sagst du zu meinem Bruder Tate auch ‚Mr McKettrick‘?“, wollte er wissen.
„Nein, ich nenne ihn Tate. Er heiratet Silvester meine Tante Libby, und danach ist er mein Onkel.“
„Das stimmt. Und so was Ähnliches werde ich dann auch für dich sein. Du kannst mich also einfach Garrett nennen.“
Der Junge strahlte vor Freude. „Ich heiße Calvin“, stellte er sich vor. „Und das ist mein Hund Harry.“ Dann streckte er seine kleine Hand aus – fast so, wie Julie es vor einigen Minuten getan hatte.
Garrett schlug ein, und sie schüttelten einander anerkennend die Hände.
„Ich freue mich sehr, euch beide kennenzulernen“, sagte Garrett.
Die Mischung aus knallblauem Herbsthimmel, den leuchtend gelben Blättern der Eichen und der durchdringenden Liebe für ihren kleinen Sohn ließ Julie diesen Augenblick als nahezu schmerzhaft perfekt empfinden.
Sie lenkte den pinkfarbenen Cadillac auf die kurvenreiche Schotterstraße, die zum ehemaligen Haus der Familie Ruiz führte. Jetzt lebten Tate, Libby und Tates Zwillingstöchter hier. Schnell warf sie einen Blick in den Rückspiegel.
Calvin saß stoisch in seinem Kindersitz und starrte aus dem Fenster.
Da Julies Unterricht an der Blue River Highschool eine Stunde früher begann als Calvins Vorschule, setzte sie ihn bei Libby ab, solange sie auf der Silver Spur Ranch wohnten. Er liebte seine Tante, Tate und die Mädchen abgöttisch. Audrey und Ava waren knapp zwei Jahre älter als Calvin und daher seiner Meinung nach sehr welterfahren. Nur heute war er außergewöhnlich ruhig.
„Alles klar bei dir, Schätzchen?“, fragte Julie daher und hupte zur Begrüßung, als sie Libby und Tate auf die Veranda treten und die Treppe herunterkommen sah.
„Ich glaube, wir müssen bald wieder weg. Sobald alle Insekten vernichtet sind und das Zelt abgebaut ist, müssen wir wieder in die Stadt ziehen. Dann ist es vorbei mit dem Landleben“, stellte Calvin ganz erwachsen fest.
„So lautet zumindest der Plan“, stimmte Julie ihm zu. „Sobald zu Hause wieder alles in Ordnung ist, gehen wir zurück.“ Sie dachte darüber nach, ihrer Vermieterin ein Kaufangebot für das kleine, aber charmante Häuschen zu machen, in dem sie seit Calvins Geburt zur Miete lebten. Dank eines überraschenden Aktiengewinns besaß sie das nötige Geld. Trotzdem erschien ihr das Vorhaben heute Morgen nicht so reizvoll wie sonst.
Calvin litt unter unregelmäßigen Asthmaattacken, auch wenn er in letzter Zeit kaum noch Beschwerden gehabt hatte. Wenn nun aber irgendwelche Rückstände der Chemikalien, die zum Vertreiben der Termiten benutzt worden waren, noch in der Luft hingen und womöglich seine – und auch ihre eigene – Gesundheit gefährdeten?
Julie versuchte den beunruhigenden Gedanken abzuschütteln. Ihre Schwester kam über den Rasen auf ihren Wagen zu und winkte ihnen lächelnd. Sie trug Jeans, ein marineblaues Sweatshirt und weiße Turnschuhe. Ihr glänzendes hellbraunes Haar hatte sie mit Klämmerchen festgesteckt.
Libby war ein Jahr älter als Julie und schon immer außerordentlich hübsch gewesen. Seit sie jedoch im Sommer wieder mit Tate McKettrick, ihrem Freund aus Highschoolzeiten, zusammengekommen war, hatte sie sich zu einer richtigen Schönheit entwickelt. Sie strahlte, wie nur jemand strahlen kann, der vor Liebe glüht und selbst glühend geliebt wird.
Julie lächelte ihrer Schwester zu, obwohl sie einen leichten Stich von Eifersucht verspürte.
Wie es wohl war, so geliebt zu werden? Richtig geliebt, von einem erwachsenen, verantwortungsbewussten Mann wie Tate? Schon lange glaubte Julie nicht mehr daran, dass sie selbst so etwas jemals erfahren würde. Außerdem war sie eine unabhängige Frau, die sehr gut allein zurechtkam. Sie wünschte sich gar nichts anderes. Doch von Zeit zu Zeit wäre es ganz schön, wenn sie nicht rund um die Uhr stark sein müsste, sich jeden Weg selbst bahnen und jeden Drachen selbst töten müsste.
Libby warf ihrer Schwester einen Blick zu, bevor sie sich durchs Wagenfenster beugte, um ihrem Neffen einen Begrüßungskuss auf die Stirn zu geben.
„Guten Morgen, Tante Libby“, sagte sie Calvin fröhlich vor, als dieser nicht sofort reagierte.
„Guten Morgen, Tante Libby“, antwortete Calvin widerwillig kichernd.
„Er ist heute Morgen nicht ganz so gut gelaunt“, erklärte Julie.
„Das stimmt überhaupt nicht“, wehrte sich Calvin und kletterte aus dem Wagen. Als er neben Libby auf der geschotterten Einfahrt stand, griff er ins Wageninnere und nahm seinen Rucksack heraus. „Ich will nur auf einer Ranch wohnen, das ist alles. Ich will auch ein eigenes Pferd haben wie Audrey und Ava. Ist das zu viel verlangt?“
„Ja, Calvin. Ehrlich gesagt, ist das zu viel verlangt“, seufzte Julie.
Darauf sagte Calvin nichts mehr, sondern schüttelte nur unmerklich den Kopf. Dann schulterte er seinen Rucksack und trottete mit hängenden Schultern zum Haus.
„Was war das denn jetzt?“, fragte Libby, während sie um den Wagen herumging und sich zu Julie auf die Fahrerseite stellte.
Zwar fehlte Julie die Zeit für ein längeres Gespräch, aber eine Sache musste sie noch loswerden. Außerdem vertraute sie Libby immer alles an, vor allem Dinge, die ihr Sorgen machten.
„Vielleicht war es doch ein Fehler, mich von dir und Tate überreden zu lassen, auf die Silver Spur Ranch zu ziehen“, sagte sie. „Wir sind erst seit einer Woche hier, aber Calvin ist schon ein richtiger McKettrick geworden – er reitet, schwimmt im Pool und guckt Filme im ‚Medienzimmer‘. Ich kann ihm ein solches Leben nicht bieten, Libby. Ich weiß nicht einmal, ob ich es wollte, wenn ich es könnte. Ich hätte Angst, ihn total zu verziehen.“
Erstaunt sah ihre Schwester sie an. „Jetzt mach mal halblang, Julie“, sagte sie. „Findest du nicht, dass du das etwas zu dramatisch siehst? Calvin ist ein toller Junge, und es braucht sicher mehr als eine oder zwei Wochen auf der Ranch, um ihn zu verziehen. Ihr steht einfach beide gerade unter Strom. Calvin ist frisch in die Vorschule gekommen, und du arbeitest wieder Vollzeit in der Schule. Nicht zu vergessen eure Termitenplage und jetzt auch noch die Sache mit Gordon …“ Libby hielt inne und drückte durchs offene Wagenfenster Julies Schulter. „Die Sache ist die: Alles ist endlich. Hab einfach ein bisschen Geduld.“
Julie rang sich ein Lächeln ab und tippte mit dem Zeigefinger auf die Armbanduhr. Du hast leicht reden, dachte sie, sagte aber: „Ich muss los.“
Mit einem Nicken trat Libby vom Wagen zurück und hob eine Hand zum Abschied. Sie ließ Julie nur ungern ziehen. Sorge mischte sich in ihren Blick, als sie zusah, wie ihre Schwester den Wagen wendete und davonfuhr.
Libby hatte ihr Bestes gegeben, um die Ersatzmutter zu spielen, nachdem ihre Mutter die Familie vor vielen Jahren sitzen gelassen hatte. Später, als bei ihrem Vater Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert wurde, hatte sie das College abgebrochen, war zurück nach Blue River gezogen, hatte den Perk Up Coffee Shop aufgemacht und sich um ihren Vater gekümmert. Der Coffee Shop existierte jetzt nur noch als leeres Grundstück gegenüber der Straße, in der sie früher gewohnt hatten.
Natürlich hatten Julie und Paige so gut es ging geholfen, aber die Hauptarbeit war an Libby hängengeblieben. Gut, sie war auch die Älteste, aber der Altersunterschied zu ihren Schwestern war gering. Drei Kinder in drei Jahren. Die Wahrheit war, dass Libby Opfer gebracht hatte, die Julie und Paige damals nicht bringen konnten.
Julie kaute auf ihrer Unterlippe, als sie die Stadtgrenze erreichte. Vor einiger Zeit war ihre Mutter Marva plötzlich wieder in Blue River aufgetaucht. Sie hatte sich eine Wohnung genommen und auf ihre Art versucht, wieder eine Beziehung zu ihren Töchtern aufzubauen. Allerdings nicht besonders lange, denn nach ein paar Monaten war Marva bereits wieder verschwunden.
Während Marvas kurzem Aufenthalt in Blue River hatten Libby, Julie und Paige den Annäherungsversuchen ihrer Mutter anfangs widerstanden. Doch obwohl sie ihre Töchter alleingelassen hatte, als sie noch klein waren, und ihnen und ihrem Vater damit das Herz gebrochen hatte, war Marva überzeugt, dass man die Vergangenheit einfach ruhen lassen und einen Neuanfang starten könnte.
Mit der Zeit hatten sich Julie und Paige tatsächlich wieder ein wenig mit Marva anfreunden können. Libby jedoch war das weniger gelungen.
Julies Cadillac holperte über die Schlaglöcher auf dem Schotterparkplatz der Blue River Highschool. Das lang gestreckte, niedrige Gebäude war an der Stelle einer ehemaligen spanischen Missionsstation erbaut worden. Die wenigen erhaltenen Überreste des Originalgebäudes dienten heute als Schulhof. Die Klassenräume, eine Cafeteria und die Sporthalle waren im Laufe der Jahre dazugekommen. Während des Erdölbooms in den 1930er-Jahren hatte Clay McKettrick JR – wie in Texas die Söhne hießen – den Bau einer Aula finanziert. Sie war mit zweihundert plüschigen Theatersesseln, einer großen Bühne und Rokoko-Stuckdecken ausgestattet.
Obwohl die Aula auf dem Schulgrundstück stand, diente sie der gesamten Gemeinde als Veranstaltungssaal. Unterschiedliche Vereine hielten dort ihre Versammlungen ab, und mehrere Religionsgemeinschaften feierten dort ihren Sonntagsgottesdienst, wenn sie wegen Renovierung ein Ausweichquartier benötigten.
Die Aula war kühl und schattig und verströmte einen leichten Modergeruch. Für Julie war sie immer ein beinahe magischer Ort des Trosts gewesen. Vor allem während ihrer Zeit an der Highschool, als sie in vielen Theateraufführungen die Hauptrolle gespielt hatte.
Trotz ihrer Tourneen mit verschiedenen professionellen Ensembles hatte Julie nie ernsthaft Schauspielerin werden wollen. In die glamourösen Metropolen New York oder Los Angeles hatte es sie nie gezogen. Stattdessen absolvierte sie ihr Lehramtsstudium und kehrte dann nach Blue River zurück, zu ihrem alten Theater.
Leider konnte sich die Schule keine eigene Theatergruppe leisten. So finanzierte sich die Theater-AG durch zwei Produktionen im Jahr selbst, für die Eintritt genommen wurde. Eine Aufführung war traditionell ein Musical. Wie ihre inzwischen pensionierte Vorgängerin Miss Idetta Scrobbins verdiente auch Julie ihr Geld als Englischlehrerin. Alles andere war bloße Liebhaberei.
Während Julie den Mittelgang entlang und durch eine Tür auf die linke Seite der Bühne ging, dachte sie an das Projekt, das sie als Nächstes in Angriff nehmen würde – drei Einakter, die ihre drei besten Schüler selbst geschrieben hatten. Einen ungenutzten Requisitenraum des Theaters hatte Julie zu einer Art Zufluchtsraum umfunktioniert. Eigentlich diente ihr Klassenzimmer als Büro. Aber der alte Theaterraum war der Ort, an dem sie sich am liebsten mit ihren Schülerinnen und Schülern traf und wo sie die besten Einfälle hatte.
Rasch stellte sie die braune Papiertüte mit ihrem Lunch in den Minikühlschrank auf einem Aktenschrank, streifte die flachen Schuhe ab und schlüpfte in ein paar hochhackige Pumps, die sie in einer Schreibtischschublade aufbewahrte. Sie schaltete ihren Computer ein – was ewig dauerte, weil er so alt war – und schloss ihre Handtasche im Schrank ein. Dann hetzte sie durch den Gang nach draußen in die Septembersonne.
Die Lehrerkonferenz hatte vor fünf Minuten begonnen, sie war zu spät. Das würde Direktor Dulles sicher nicht gefallen.
Alle anderen waren schon da, als Julie in die Schulbibliothek platzte und sich auf einen der Klappstühle an einem der drei langen Tische setzte, an denen sonst die Schüler saßen und ihre Hausaufgaben machten. Die Bibliothek diente gleichzeitig auch als Studierzimmer.
Vorn stand der rotgesichtige Schulleiter, drehte ein Stück Kreide in der Hand und räusperte sich. Julies liebste Arbeitskollegin Helen Marcus stieß sie leicht mit dem Ellenbogen an und flüsterte ihr zu: „Keine Angst, du hast nichts verpasst.“
Lächelnd sah Julie sich im Raum um und betrachtete das halbe Dutzend Kollegen, das mit ihr hier saß. Dulles, ein Mann mittleren Alters, der aus einer anderen Stadt kam, machte keinen Hehl daraus, dass er Blue River in Sachen Kultur für eine absolute Wüste hielt. Julie hielt er für eine Spinnerin, weil sie gern leuchtend bunte Kleidung trug und diese Leidenschaft für das Aufführen von Theaterstücken besaß.
Ansonsten war Arthur aber in Ordnung.
Er bildete eine Ausnahme. Denn wie Julie stammten auch die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen aus Blue River. Sie waren nach dem College in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, weil sie wussten, dass sie hier gebraucht wurden. Es waren weder gute Bezahlung noch sonstige Anreize, die sie lockten. Ihnen allen ging es tatsächlich in erster Linie um die Kinder in dieser Stadt.
Dulles räusperte sich noch einmal und sah Julie an, die ihn freundlich anlächelte.
„Wie einige von Ihnen bereits wissen“, begann er, „hat sich die McKettrick-Stiftung großzügigerweise bereit erklärt, unser Budget um denselben Betrag aufzustocken, den wir selbst aufbringen können, um die Schulbibliothek mit neuen Computern und spezieller Software auszustatten. Unser Anteil beläuft sich auf eine Summe in beträchtlicher Größenordnung.“
Den McKettricks lag der Dienst an der Gemeinde sehr am Herzen. Sie waren immer zur Stelle, wenn irgendwo Hilfe gebraucht wurde. Doch die Statuten der Stiftung besagten, dass auch die Gemeinde verpflichtet war, in einem bestimmten Umfang Geldmittel aufzutreiben. Als Julie den Namen McKettrick hörte, erinnerte sie sich wieder an ihre Begegnung mit Garrett in der Küche. Im selben Moment durchzuckte sie ein eigenartiges Gefühl, das gleichzeitig irritierend und schön war.
Ihre Kollegen begannen, auf den Stühlen herumzurutschen und auf ihre Armbanduhren oder die große Wanduhr zu schauen. Inzwischen trudelten auch die ersten Schüler ein. Man hörte das Klappen von Spindtüren und das Gemurmel von Unterhaltungen aus dem Gang vor der Bibliothek.
Juli jedoch hörte Dulles gespannt zu. Sie spürte, dass Arthur seine Ansprache an sie richtete – auch wenn sie sich im Moment noch nicht vorstellen konnte, warum.
Niemand sagte ein Wort.
Auch Arthur zögerte kurz, bevor er weitersprach. Dabei sah er Julie direkt an. „Es ist bedauerlich, dass die Theater-AG im Herbst statt des üblichen Musicals drei Einakter aufführt.“
Jetzt ging Julie ein Licht auf. Die geplanten Theaterstücke stammten aus der Feder von Schülern. Daher ging der Schulleiter wohl davon aus, dass niemand außer den stolzen Eltern und den Freunden der beteiligten Schüler die Vorstellungen besuchen würde. Also rechnete er mit geringeren Einnahmen. Dagegen lockten die Musicalaufführungen, für die die Blue River Highschool bekannt war, regelmäßig sogar Besucher aus Austin und San Antonio an und sorgten jedes Mal für mehrere Tausend Dollar Einnahmen.
Die Frühjahrsaufführung von South Pacific beispielsweise hatte so viel Geld in die Kassen gespült, dass die Schule neue Uniformen für den Spielmannszug und neue Trikots für das Footballteam hatte anschaffen können. Außerdem hatte das Geld noch für zwei großzügige Stipendien gereicht.