
Die Spione
von Sphinx
Roman
Ins Deutsche übertragen
von Dietmar Schmidt

BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Deutsche Erstveröffentlichung
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
The Service of the Sword
© 2003 by David M. Weber
© »Promised Land« © 2003 by Jane Lidskold,
»With One Stone« © 2003 by Timothy Zahn,
»A Ship Named Francis © 2003 by John Ringo und Victor Mitchell,
»Let's Go to Prague« © 2003 by John Ringo,
»Fanatic« © 2003 by Eric Flint,
»The Service of the Sword« © 2003 by David Weber.
Published by arrangement with
BAEN PUBLISHING ENTERPRISE, Wakr Forest, NC
Für die deutschsprachige Ausgabe
© 2005/2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
This Work was negotiated through Literary Agency
Thomas Schlück GmbH; 30827 Garbsen
Lektorat: Gerhard Arth / Stefan Bauer
Titelillustration: David Mattingly
Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen
E-Book-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-8387-0969-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Ins gelobte Land (Promised Land)
von Jane Lindskold
Mit einer Klappe (With one Stone)
von Timothy Zahn
Ein Schiff namens Francis (A Ship called Francis)
von John Ringo & Victor Mitchell
Auf nach Praha (Let's go to Prague)
von John Ringo
Der Fanatiker (Fanatic)
von Eric Flint
Im Dienst des Schwertes (The Service of the Sword)
von David Weber
Ins gelobte Land
(Promised Land)
Judith war zwar noch klein gewesen, als das Schiff gekapert wurde, trotzdem konnte sie sich im Nachhinein noch gut an alles erinnern. Explosionen hatte es gegeben, mit schrillem Kreischen war Metall zerrissen, und tückisch hatte die Atemluft gesogen, die durch ein Leck entströmte, bis jemand es mit einem Notflicken abgedichtet hatte.
Gedämpft war er gewesen, der Kampflärm, und in gewisser Weise unwirklich, fern durch den Vakuumanzug, in den sie gewickelt war. Er war ihr zwei Nummern zu groß gewesen, doch einen geeigneteren hatten sie nicht gehabt. Gedämpft war der Lärm gewesen und unwirklich, aber gerettet hatte es das Kind nicht.
Die Wirklichkeit traf Judith später, und zwar mit aller Macht.
Trotz allem, was er durchgestanden, der Zeit und der Energie, die er in seine Ausbildung gesteckt hatte, ins Erzielen von Zensuren, mit denen er seiner Familie keine Schande bereitete: Als seine Kadettenfahrt anstand, musste jemand kalte Füße bekommen haben. Das Gerücht, man werde ihn an Bord eines Schiffes der Systemverteidigung nahe Gryphon einsetzen, hörte Michael Winton zuerst von Todd Liatt, seinem Stubenkameraden.
Todd gehörte zu jenen Menschen, die vor jedem anderen von einer Sache Wind bekommen. Michael hatte Todd oft damit aufgezogen, dass er und nicht Michael derjenige sein sollte, der sich auf das Signalwesen spezialisierte.
»Du bräuchtest nicht einmal ein Comset, Toddy. Die Informationen suchen sich von selbst den Weg in dein Nervensystem. Überleg nur, wie viel Zeit und Ressourcen du dem Sternenkönigreich sparen könntest.«
Todd hatte gelacht und war sogar auf den Scherz eingegangen, aber es stand niemals infrage, welche Laufbahn er einschlagen wollte. Wer einmal ein eigenes Schiff zu befehligen hoffte, wurde vorher tunlichst Taktischer Offizier, und wenn Todd ein Ziel hatte, so lautete es Kommandant zu werden.
»He«, erwiderte Todd dann mit gespieltem Ernst, »ich habe vier ältere Schwestern und drei ältere Brüder. Mein ganzes Leben lang hab ich die Befehle anderer befolgen müssen. Wird doch Zeit, dass ich selber mal an die Reihe komme, findest du nicht?«
Trotzdem wussten sie beide schon von Anfang an, dass ein überwältigendes Verantwortungsgefühl Todds Wunsch motivierte, das Verlangen, das Richtige zu tun. Michael hatte keinen Augenblick bezweifelt, dass Todd das weiße Barett wie angegossen passen würde.
Und er? Michael strebte kein Kommando über ein Schiff an. Nicht einmal die Navylaufbahn hatte er einschlagen wollen, zumindest nicht am Anfang; heute allerdings legte er den gleichen Diensteifer an den Tag wie Todd. Er wusste nur mit Bestimmtheit, dass er niemals ein Schiff befehligen wollte. Michael hätte es Todd gegenüber niemals erwähnt, doch er wusste bereits allzu gut, welchen Preis die Kommandogewalt hatte, um sie sich zu wünschen.
Das Signalwesen hingegen sagte Michael zu: der rasche Fluss der Informationen, die Notwendigkeit abzuwägen und zu beurteilen, zu sortieren und zu vergleichen, all das war ihm so vertraut wie das Atmen. Schon sein ganzes Leben lang spielte er eine Abart dieses Spieles.
Und er verstand sich gut darauf. Sein Gedächtnis war ausgezeichnet. Zeitdruck machte ihm nichts aus – im Gegenteil, unter Druck konnte er sich besser konzentrieren, sah er die Dinge klarer, nahm er Kontraste umso deutlicher wahr. Niemand, der mit ihm eine Übungssimulation durchgemacht hatte, konnte auch nur den geringsten Zweifel hegen, dass er sich seinen Rang bei der Graduierung ehrlich verdient hatte, da war sich Michael ganz sicher.
Auf diesen Rang innerhalb des Jahrgangs war er wirklich stolz. Es ist sehr schwierig, nur nach den eigenen Leistungen beurteilt zu werden, wenn man von solch hoher Geburt ist, dass andere Menschen automatisch annehmen, man könnte gar nicht durchfallen. Gerade aus diesem Grund setzte Michael die Neuigkeit, die Todd ihm gebracht hatte, so sehr zu.
»Was bitte hast du gehört?«, fragte Michael mit Wut in der Stimme.
»Ich habe gehört«, entgegnete Todd steif und unbeeindruckt, »dass man dich auf die Saint Elmo verlegt, die bei Gryphon eingesetzt wird. Offenbar ist BuWeaps auf deine einzigartige Fähigkeit aufmerksam geworden, Informationen zu verarbeiten. Auf der Saint Elmo wird irgendein streng geheimes Ortungsgerät getestet, und für die Erprobung will man die besten Leute haben, die man kriegen kann.«
Michaels Entgegnung war lang, ausführlich und deutete darauf hin, dass er irgendwann in seinem jungen Leben einmal mit Marineinfanteristen zu tun gehabt hatte. Das war richtig; seine Schwester war mit einem früheren Marineoffizier verheiratet, aber Justin Zyrr hatte niemals solche Ausdrücke benutzt, wenn Michael in Hörweite war.
Todd hörte genau zu, und sein Gesicht verriet Erschütterung, in die sich widerwillige Bewunderung mischte.
»Zwo Jahre«, sagte er. »Zwo Jahre teile ich mit dir die Stube, und heute erfahre ich, dass du so fluchen kannst.«
Michael antwortete nicht. Er war zu beschäftigt, verschiedene Kleidungsstücke zusammenzuraffen, offenbar in der Absicht, gleich aus dem Zimmer zu stürmen.
»He, Michael, wo willst du hin?«
»Mit jemandem über meine Versetzung sprechen.«
»Lass das sein! Es ist doch noch nichts Offizielles.«
»Wenn ich warte, bis es offiziell wird«, entgegnete Michael mit belegter Stimme, »dann ist es zu spät. Dann ist es zumindest Insubordination. Jetzt kann ich vielleicht noch etwas unternehmen.«
Todd war zu klug, um ein Gefecht zu führen, das er nicht gewinnen konnte.
»Mit wem willst du reden? Mit Commander Shrake?«
»Nein. Ich rufe Beth an. Wenn sie hinter dieser Abkommandierung steckt, möchte ich wissen, warum sie mir das antut. Falls sie nicht auf ihrem Mist gewachsen ist, dann muss ich es aus ihrem Mund gehört haben, damit es mir niemand weismachen kann. Sobald ich Gewissheit habe, versuch ich’s bei Shrake.«
»Gewarnt sein heißt gewappnet sein«, stimmte Todd ihm zu.
Michael nickte. Seine Ausbildung zum Signaloffizier hatte ihn eines gelehrt: Wenn man eine heikle Angelegenheit besprechen will, sollte man sich eine abhörsichere Leitung suchen.
Wahrscheinlich war das auch dann sehr vernünftig, wenn man die manticoranische Königin persönlich anrufen wollte.
Das Kaperschiff stammte von Masada. Judith war noch zu klein gewesen, um den Unterschied zwischen Piraten und Kaperfahrern zu kennen. Als sie dazu alt genug geworden war, hatte sie zugleich auch begriffen, dass dieser Unterschied für Masadaner, die Graysons überfielen, genauso viel wert war wie ein Kübel Naturdünger.
Ihr Vater war bei der Verteidigung des Schiffes umgekommen. Ihre Mutter war gestorben, als sie versuchte, ihr Kind zu schützen. Judith wünschte sich nichts mehr, als zusammen mit ihren Eltern den Tod gefunden zu haben.
Im Alter von zwölf Standardjahren wurde Judith mit einem Mann verheiratet, der mehr als viermal so alt war wie sie. Ephraim Templeton hatte das masadanische Kaperschiff kommandiert, von dem der graysonitische Kauffahrer überfallen worden war, und er hatte das Mädchen als Teil seiner Beute beansprucht. Das mag ein wenig ungesetzlich erscheinen, doch lebte niemand mehr, der Anklage einreichen konnte, weil Judith entgegen den interstellaren Rechtsvorschriften nicht repatriiert wurde.
Selbst wenn man den Altersunterschied nicht berücksichtigte – Ephraim hatte fünfeinhalb Standardjahrzehnte gesehen –, passten Judith und er in keiner Weise zusammen. War Ephraim untersetzt, so war Judith rank gebaut wie eine Gazelle. Ihr Haar war dunkelbraun und zeigte rotgoldene Lichter, wo die Sonne es geküsst hatte. Ephraim war hellhaarig, und in sein Blond mischte sich immer mehr Silber. Die Augen, die niederzuschlagen Judith schnell lernte, wollte sie nicht für ihre Unverschämtheit verprügelt werden, waren haselnussbraun, und ein lebhaftes Grün mischte sich hinein. Ephraim hatte blassblaue Augen, kalt wie Eis.
Mit dreizehn hatte Judith ihre erste Fehlgeburt. Als sie sechs Monate später einen zweiten Abortus erlitt, legte der Arzt ihrem Ehemann nahe, sie in den nächsten Jahren nicht zu schwängern, es sei denn er wolle, dass ihre Fortpflanzungsorgane dauerhaft Schaden nähmen. Ephraim folgte dem Rat des Arztes, ohne dass er aufhörte, seine Gattenrechte an ihr wahrzunehmen.
Mit sechzehn war Judith wieder schwanger. Als die Tests ergaben, dass das ungeborene Kind ein Mädchen war, ordnete ihr Mann eine Abtreibung an mit der Begründung, er wolle die nutzlose Schlampe, die er seit Jahren ernähre, nicht zwecklos opfern, und was sei zweckloser, als eine Tochter großzuziehen?
Hatte Judith bis dahin Ephraim nur gefürchtet und gehasst, so wandelten sich diese Empfindungen jetzt zu einem derart tiefen Abscheu, dass sie sich wunderte, warum ihr Blick Ephraim nicht auf der Stelle zu Asche verbrannte. Ihr Schweiß hätte ihn verätzen müssen wie Säure, ihr Atem ihn vergiften: So tief hasste sie ihn.
Manche Frau hätte Selbstmord begangen, manche andere einen Mord – was auf Masada für eine Frau einem Selbstmord gleichkam, aber ein wenig befriedigender war, weil sie vor ihrem Tod wenigstens noch etwas bewirkte. Judith ließ beides sein.
Sie besaß ein Geheimnis; ein Geheimnis, an dem sie sich festhielt, wann immer sie sich auf die Lippe biss, um nicht zu weinen, weil ihr Mann sie immer und immer wieder benutzte. Es festigte sie, wenn sie das widerwillig empfundene Mitleid in den Augen ihrer Mitfrauen sah. Es stärkte sie seit dem Moment, in dem ihre tapfere, auf den Decksplatten verblutende Mutter ihr eine letzte Warnung zugeflüstert hatte:
»Verrate ihnen niemals, dass du lesen kannst.«
Die Abkommandierung auf den schwerfälligen Superdreadnought, der nicht einmal das heimatliche Doppelsternsystem des Sternenkönigreichs verlassen würde, war nicht Elizabeths Idee gewesen. Michael war darüber grenzenlos erleichtert. Schon vor dem Tod ihres Vaters hatte Beth ihn ermutigt, sich seinen eigenen Platz zu suchen und seinen Horizont zu erweitern. Sosehr sie die schwere Verantwortung, die sie nach dem Unfalltod des Vaters auf sich genommen hatte, auch belastete, sie hatte immer Zeit für Michael gefunden und sich die Sorgen angehört, die er nicht mit ihrer Mutter, Königinmutter Angelique, besprechen konnte.
Festzustellen, dass Beth sich plötzlich verändert hatte, wäre für Michael einer erneuten Verwaisung gleichgekommen, was in gewisser Hinsicht zwar schlimmer war, aber er hätte es kommen sehen müssen – und ihm war klar, dass eigentlich er auf solch eine Loslösung hinarbeiten sollte, denn er hatte die Königin zu unterstützen, nicht sie ihn.
Nun aber, da er wusste, dass er keine Anordnung der Königin unterminierte, hatte Michael um einen Termin bei der Vertrauensdozentin für das Vierte Jahr gebeten. Ihm war zwar der Gedanke gekommen, dass er sogar einen Termin beim Commandant der Akademie verlangen konnte und ihn ziemlich sicher auch erhalten hätte, doch diese Möglichkeit hatte er rasch verworfen. Die Navy neigte dazu, sich offiziell unnachgiebig zu zeigen, wenn Abstammung und Geburtsprivilegien ins Spiel gebracht wurden. Zwar wurden dennoch im Hintergrund oft Fäden gezogen, doch wer seine Herkunft allzu offensichtlich ausnutzte, konnte damit rechnen, dass es während seiner gesamten späteren Laufbahn immer wieder auf ihn zurückfiel. Besonders Michael hätte sich nur ins eigene Fleisch geschnitten: dem manticoranischen Thronfolger hätte der Commandant eine Audienz gewährt, nicht aber dem Raumkadetten Michael Winton; er aber wollte gerade Mr Midshipman Winton sein, und nicht Kronprinz Michael.
Als er den Termin bei der Vertrauensdozentin viel rascher erhielt, als selbst ein Midshipman des Vierten Jahres erwarten durfte, der zum oberen Viertel seines Jahrgangs zählte, war Michael dennoch nicht so töricht, ihn abzulehnen. Vielmehr traf er pünktlich ein, in makelloser Dienstuniform, an der jeder Knopf so gut glänzte, die Schärpe und jeder Besatz so exakt saßen, wie er es mit Todds Hilfe zuwege gebracht hatte.
Michael salutierte zackig, nachdem man ihn zu der Vorgesetzten vorgelassen hatte. Freilich hatte es Offiziere gegeben, die geargwöhnt hatten, der Kronprinz würde durch mehr oder weniger subtile modische Abwandlungen der Uniform andeuten, dass die gleichen Vorgesetzten, vor denen er heute salutiere, früher vor ihm das Knie gebeugt hätten, doch Michael hatte ihnen nie auch nur Anlass gegeben, ihren Verdacht bestätigt zu sehen. Er wusste in einer Weise, die jemand, der der Krone nicht so nahe stand wie er, niemals nachvollziehen könnte, wie menschlich auch Monarchen sind – wie ein Unfall aus einer Achtzehnjährigen eine Königin machen konnte … und aus einem Dreizehnjährigen einen Kronprinzen.
Michael hatte gern gewusst, wie viele der Offiziere, die von ihm eine Kränkung erwartet hatten, überhaupt begriffen, wie sehr er zu ihnen aufblickte. Sie hatten sich ihren Dienstgrad, ihre Auszeichnungen und Ehrungen verdient. Die lange Liste seiner Titel, die Michael bei offiziellen Anlässen heruntergebetet hörte, hatte nichts mit ihm zu tun sondern nur mit seinem Vater.
Vielleicht begriff Commander Brenda Shrake, die Lady Weatherfell, wie er sich fühlte, denn in ihren blassgrünen Augen stand eine Wärme, die Verständnis verriet, welches man jedoch auf keinen Fall mit Nachsicht oder Lässigkeit verwechseln durfte. Der Titel der Vertrauensdozentin wies sie Michael gegenüber als Inhaberin eines vermögenden Lehens auf Sphinx aus, doch Lady Weatherfell hatte schon vor langer Zeit beschlossen, ihre Berufung in der Navy zu suchen.
Ihre Entscheidung hatte sie auch nicht nach dem Gefecht revidiert, das auf recht spröden Zügen leichte Narben hinterlassen und zwei Finger ihrer rechten Hand verkrüppelt hatte. Vielmehr war Commander Shrake mit der ganzen Weisheit ihrer langen Borderfahrung zur Akademie gewechselt, wo sie zusätzlich zu ihren Verwaltungsaufgaben eine der anspruchsvollsten Vorlesungsreihen über Fusionstechnik hielt.
Commander Shrake war ein hochrangiges Mitglied im Lehrkörper einer Akademie, die für den bevorstehenden Krieg, wie für jeden klar denkenden Menschen erkennbar sein musste, fähige Raumoffiziere auszubilden hatte. Bei Shrakes Aufgaben hatte Nachsicht darum keinen Platz, Mitgefühl hingegen schon.
»Sie wollten mich sprechen, Mr Winton?«
Michael nickte steif.
»Jawohl, Mylady. Es geht um ein Gerücht.«
»Ein Gerücht?«
Plötzlich spürte Michael, wie die Ansprachen, die er seit Todds gestriger Offenbarung einstudiert hatte, ihm in den Händen zerbröckelten und zu Staub zerfielen. Nach einem panikerfüllten Augenblick zwang er sich, neu anzusetzen, und stellte erfreut fest, dass ihm die Worte glatt über die Lippen kamen.
»Jawohl, Mylady. Ein Gerücht über die Abkommandierungen des Vierten Jahrgangs.«
Commander Shrake lächelte. »Ja, mit dem Aufkommen der Gerüchte war ungefähr jetzt zu rechnen. Es ist jedes Jahr das Gleiche, egal wie sehr wir uns bemühen, die Entscheidungen für uns zu behalten.«
Sie fragte nicht, wie Michael davon erfahren hatte, und dafür war Michael sehr dankbar. Todd in Schwierigkeiten zu bringen lag ihm fern, doch er hätte die Vertrauensdozentin des Vierten Jahres nicht belogen.
»Und über wessen Abkommandierung möchten Sie reden?«, fuhr Commander Shrake fort.
»Meine eigene, Mylady.«
»Ja, bitte?«
»Commander, mir ist zu Ohren gekommen, dass ich auf den Superdreadnought Saint Elmo versetzt werden soll.«
Die Vertrauensdozentin tat nicht einmal so, als müsse sie erst ihren Computer zurate ziehen, und dafür respektierte Michael sie umso mehr. Ganz gewiss war über die Angelegenheit gesprochen, vielleicht sogar debattiert worden. Irgendjemand im Mount Royal Palace konnte sogar die Akademie verständigt haben, dass Michael am Vorabend Beth angerufen hatte.
»Das entspricht meinem Kenntnisstand«, entgegnete Commander Shrake. »Wollten Sie das wissen?«
»Jawohl, Mylady, und nein, Mylady. Ich wollte das Gerücht bestätigt haben, Mylady, aber ich …« – Michael holte tief Luft und stieß damit die restlichen Worte aus – »möchte außerdem um eine andere Abkommandierung ersuchen, Ma’am. Eine, bei der ich nicht so nah an der Heimat bin.«
»Verlangt es Sie, mehr von der Galaxis zu sehen, Mr Winton?«, fragte Shrake mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen.
»Jawohl, Mylady«, antwortete Michael, »aber ich bitte nicht deshalb um eine andere Abkommandierung.«
»Sondern aus welchem Grund?«
»Ich möchte …«
Michael stockte. Er war es so oft durchgegangen, dass er mit dem Zählen schon nicht mehr nachkam, und trotzdem fand er keine Möglichkeit, sein Anliegen vorzubringen, ohne dass es in seinen eigenen Ohren wichtigtuerisch klang.
»Commander, ich möchte Raumoffizier werden, und das geht nicht, wenn man mich beschützt.«
Der silbrige Zwillingsbogen zweier hochgezogener Augenbrauen trieb Michael die Röte in die Wangen.
»Ihre Offiziere zu beschützen gehört nicht zu den Gewohnheiten der Navy, Mr Winton«, entgegnete Commander Shrake kühl, und die verstümmelte Hand, die vor ihr auf der Schreibtischplatte ruhte, bezeugte stumm ihre Worte. »Vielmehr ist es die Aufgabe besagter Offiziere, das Sternenkönigreich zu beschützen.«
»Jawohl, Mylady«, sagte Michael, der nicht bereit war aufzugeben, obwohl er das Gefühl hatte, die Karre in den Dreck gefahren zu haben. »Deshalb wäre es nicht richtig, mich im Manticore-System zu behalten. Als Bruder der Königin …«
Wie Ziegelsteine fielen ihm die verwünschten Worte von den Lippen.
»Der Bruder der Königin hat vielleicht ein Anrecht auf Schutz, doch das habe ich mit dem Beitritt zur Akademie aufgegeben. Jetzt, wo ich sie verlasse, sollte mir dieser Anspruch nicht zurückerstattet werden.«
Commander Shrake legte nachdenklich die Finger zusammen.
»Aber das vermuten Sie hinter Ihrer Abkommandierung, Mr Winton?«
»Jawohl, Mylady.«
»Und wenn ich Ihnen nun sagen würde, dass Admiral Hemphill von Ihrer Qualifikation gehört und Sie persönlich angefordert habe?«
»Dann wäre ich erfreut, Mylady, doch das würde andere nicht davon abhalten zu glauben, dass ich besonderen Schutz genieße.«
»Und Ihnen ist es wichtig, was andere Menschen über Sie denken?«
»Ich würde gern sagen, dass es mir gleichgültig sei, Mylady«, antwortete Michael, »aber dann müsste ich lügen. Ich könnte damit leben, wenn es nur um mich ginge. Es wäre nicht das erste Mal. Mir würde aber nicht passen, was einige andere dann vielleicht über die Navy denken.«
»Über die Navy?«
»Jawohl, Mylady. Wenn der Bruder der Königin auf ein Schiff abkommandiert wird, das in keiner sonderlich großen Gefahr schwebt, in ein Gefecht verwickelt zu werden, wie lange dauert es dann, dass einige andere Adlige glauben, ihnen stünde der gleiche Schutz zu?«
Michael hielt inne; er befürchtete, vielleicht über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Die Vertrauensdozentin bedeutete ihm jedoch mit einem Nicken, er möge weiterreden.
»Die Navy benötigt Rekruten, Mylady«, fuhr Michael fort, »aus allen Schichten der Gesellschaft. Ich stelle mir nicht gerne vor, was geschehen wird, wenn sich herumspricht, dass einige Personen offenbar zu wertvoll sind, um sie auf gefährliche Posten abzustellen – daraus würde folgen, dass andere Menschen für entbehrlicher gehalten werden.«
»Mr Winton, gewiss ist Ihnen doch klar, dass es immer so gewesen ist. Offen gesagt, bestimmte Personen sind wertvoller als andere.«
»Jawohl, Mylady, aber sie sind wertvoll, weil sie etwas wissen, weil sie etwas gelernt haben, weil sie zur operativen Ausführung etwas beizutragen haben. Man betrachtet sie aber nicht«, und nun konnte Michael eine Spur von Bitterkeit nicht unterdrücken, »als wertvoll nur durch den Zufall ihrer Geburt.«
»Verstehe«, sagte Commander Shrake nach unbehaglich langem Schweigen. »Ich verstehe, was Sie meinen, und ich glaube, ich kann es nachvollziehen. Worum also ersuchen Sie dann, Mr Winton?«
»Eine durchschnittlichere Abkommandierung als Midshipman, Mylady«. erklärte Michael. »Wenn die Navy jedoch wirklich meint, ich könnte ihr auf einem Superdreadnought in der Umlaufbahn um Gryphon am meisten nutzen, dann werde ich auch dort mein Bestes geben.«
»Aber Sie würden es bevorzugen, auf, sagen wir, einem Schlachtkreuzer zu dienen, der sich mit silesianischen Piraten befasst.«
»Das hielte ich für durchschnittlicher, Mylady«, sagte Michael.
»Verstehe«, wiederholte sie. »Also gut. Sie haben mir Ihren Fall dargelegt. Ich werde darüber nachdenken und die Angelegenheit gegebenenfalls dem Commandant vorlegen. Wäre da sonst noch etwas, Mr Winton?«
»Nein, Mylady. Vielen Dank, dass Sie mich angehört haben, Commander.«
»Wer ein guter Kommandant sein will, sollte lernen zuzuhören«, entgegnete Shrake und klang, als wäre sie gerade in den Vorlesungssaal zurückgekehrt. »Wenn das alles wäre, Mr Winton, können Sie wegtreten.«
Grayson und Masada teilten gegenüber Frauen gewisse Positionen, was nicht sonderlich überraschte, da die Masadaner ursprünglich zur graysonitischen Kolonie gehört hatten. Beide Gesellschaften verweigerten Frauen das Recht zu wählen oder Eigentum zu besitzen. Beide betrachteten die Frau als dem Manne unterlegen und sahen ihre Rolle im Haushalt und in der Versorgung des Ehemanns. Auf den Punkt gebracht, behandelten beide Gesellschaften Frauen wie Eigentum.
Eigentum kann aber geschätzt und wertvoll sein. Für die Graysons waren ihre Frauen Schmuckstücke. Sie verweigerten ihnen zahlreiche Rechte und Privilegien, waren zugleich aber verpflichtet, sie zu lieben und zu schützen. Dieser Schutz mochte erstickend und von Zwang geprägt sein, aber zumindest schadete er nicht.
Die Masadaner jedoch hatten nach ihrem Aufbruch von Grayson begonnen, Frauen in einem anderen Licht zu betrachten. Da eine Frau den Versuch der Wahren Gläubigen, wie sie sich nannten, die Kontrolle über Grayson zu erlangen, vereitelt hatte – so wie Gottes Plan für den Mann von Eva zunichte gemacht worden war –, sahen die Masadaner Frauen als lebendige Verkörperungen der Sünde und des Leides. Kaum etwas, das man solch einer Kreatur antun konnte, wurde als überzogen betrachtet. Vielmehr kam eine Frau ihrer Erlösung näher, indem sie klaglos hinnahm, was man ihr zufügte.
Auf Grayson behandelte kein Mann eine Frau schlecht, weil sie wertvoll war. Auf Masada konnte theoretisch jeder Mann jede Frau so schwer misshandeln, wie er wünschte. Die meisten von ihnen waren jedoch so klug, dieses Recht gegenüber den Frauen eines anderen Mannes nicht auszuüben, weil sie wussten, dass sie damit nur die Vergeltung mit Gleichem herausforderten. Der Eigentümer konnte indes seine Frauen missbrauchen, wie immer es ihm zur Wahrung der Heiligkeit und Ordnung in seinem Haus erforderlich erschien. Die meisten taten es.
Auf Masada hielt man es für überflüssig, Frauen auszubilden. Auf Grayson war Frauen die höhere Schule zwar versagt, doch einfaches Lesen, Schreiben und Rechnen wurde ihnen durchaus beigebracht. Es ging nicht anders, denn die Frauen mussten im Rahmen ihrer täglichen Arbeit mit der Haustechnik umgehen können, die Graysons feindliche Umwelt unverzichtbar machte.
Auf dem lebensfreundlicheren Planeten Masada erübrigte sich diese Notwendigkeit, und kein guter masadanischer Patriarch verschwendete Ausbildung auf ein weibliches Wesen. Judiths Eltern indessen, Abkömmlinge einer Händlerfamilie mit Verbindungen außerhalb des Jelzin-Systems, hatten schon sehr früh mit der Erziehung ihrer Tochter begonnen. Aus mehreren Gründen hatten sie beschlossen, sie über das auf Grayson übliche Maß hinaus auszubilden. Zum einen wollten sie in den Augen ihrer Geschäftspartner nicht als rückständig dastehen, zum anderen waren sie gute, gottesfürchtige Menschen, die nicht einsahen, weshalb es schaden sollte, wenn ihre Tochter Gottes Wunder und Mysterien auch intellektuell und nicht nur mit dem blinden Gehorsam des Glaubens zu würdigen wusste.
Außerdem hatten auch praktische Überlegungen eine Rolle gespielt. Wenngleich die guten Sitten verlangten, ein Mädchen nicht den neugierigen Blicken Fremder preiszugeben, so hieß das noch lange nicht, dass es nutzlos sein musste. Ein Mädchen, das zu lesen, zu schreiben und zu rechnen vermochte, konnte im Geschäft aushelfen. Als Judiths Eltern entdeckten, dass ihre Tochter eine geradezu übernatürliche Begabung für mathematische und logische Zusammenhänge besaß, taten sie nichts lieber, als ihr Rätsel aufzugeben und Spiele zu schenken, die diese Begabung weiter förderten.
Judiths Mutter war sich – vielleicht im Gegensatz zu ihrem Vater – jedoch auch über die Gefahr im Klaren gewesen, in die dieses Können ihr Kind brachte, als die Masadaner das Schiff kaperten. Trotz ihres zarten Alters hatte Judith die Warnung ihrer Mutter sehr wohl verstanden. Sie war bereits angehalten gewesen, auch Graysons gegenüber zu verbergen, wie viel sie tatsächlich wusste. Als Judith älter wurde, hatte sie sogar ihren eigenen Eltern verheimlicht, was sie alles beherrschte, weil sie befürchtet hatte, dass sie ihre Ausbildung als abgeschlossen betrachten könnten.
Diese gewohnheitsmäßige Geheimhaltung und das Wissen, das sie dahinter verbarg, waren der Grund, weshalb sich Judith nicht selbst tötete oder den Mann umbrachte, der sich ihr Gatte, Herr und Meister nannte. Sie plante etwas anderes. Etwas, womit sie Ephraim Templeton erheblich schwerer verletzen würde.
Schon in den ersten Jahren ihrer Gefangenschaft hatte Judith begonnen, ihre Rache vorzubereiten, und nach ihrer Heirat setzte sie ihre Bemühungen fort. Als Ephraim mit seinen Versuchen begann, Vater ihrer Kinder zu werden, konzentrierte sie sich umso intensiver auf ihr Vorhaben. Sie hoffte, ihren Plan in die Tat umsetzen zu können, bevor er sie durch ihre Kinder endgültig an Masada band. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass diese kleinen Leben ihr etwas bedeuten würden, selbst jene, die nie geboren wurden.
An dem Tag, an dem Judith erfuhr, dass ein Mädchen in ihr wuchs – ein Mädchen, das Ephraim nicht leben lassen würde –, wusste sie, dass ihr keine andere Wahl blieb, als zur Tat zu schreiten.
Selbst dann, das wusste sie, war es unwahrscheinlich, dass sie dieses Baby retten konnte. Sie hoffte, das Nächste am Leben halten zu können.
»Ich sehe einfach keine Möglichkeit, wie wir ihm vormachen sollen, wir hätten vergessen, dass die Königin seine Schwester ist«, sagte Lieutenant Junior-Grade Carlotta Dunsinane, 2. Taktischer Offizier an Bord Ihrer Majestät Leichtem Kreuzer Intransigent.
»Carlie, ein Riesenhaufen von Ausbildern und Klassenkameraden auf Saganami Island haben ihm das die letzten dreieinhalb Jahre vormachen können«, entgegnete Commander Abelard Boniece, der Kommandant der Intransigent. »Jetzt sind wir an der Reihe.«
»Aber trotzdem …«
Lieutenant Dunsinane ließ ihre Stimme verebben. Ihr Tonfall machte deutlich, was sie unausgesprochen ließ: dass der junge Mann, dessen Dienstakte auf dem Bildschirm leuchtete, in der Thronfolge des Sternenkönigreichs von Manticore an erster Stelle stand. Gewiss, Königin Elisabeth III. war verheiratet, und ihr Erstgeborener würde ihn, wenn die Zeit reif war, gewiss als Thronerbe ersetzen, doch seit neun Jahren war ihr Bruder der Kronprinz. Seine gesellschaftliche und politische Stellung ließen sich so leicht nicht übersehen.
Dazu kam die Unbehagen weckende Ähnlichkeit zwischen Michael Winton und seinem Vater, dem geliebten König Roger III., der viel zu früh verstorben war, Opfer eines unglückseligen Unfalls mit einem Gravo-Ski; er hatte ein trauerndes Sternenkönigreich hinterlassen, und Elizabeth und ihr Bruder waren in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Elizabeth, die nur noch wenige Jahre von der Volljährigkeit getrennt hatten, war bereits ein wenig mit dieser Aufmerksamkeit vertraut gemacht worden. Der dreizehnjährige Michael hingegen hatte sich noch in einem Alter befunden, in dem ihn die traditionell gewährte Schonung noch vor dem gierigen Auge der Reporter schützte, und war kaum vorbereitet gewesen.
Die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn fiel trotz Prinz Michaels Jugend ins Auge, und sie machte längst nicht Halt beim scharf geschnittenen Winton-Gesicht mit der auffallend dunklen Haut. Es war auch die Art und Weise, wie der junge Mann das Kinn hob, wie er den Kopf gerade und straff auf den Schultern hielt, wie er sich der Myriaden Blicke nicht bewusst zu sein schien, die in seine Richtung zuckten und dann höflich wieder abgewandt wurden – eine Unbewusstheit, die niemals grob oder abweisend wirkte, sondern immer nur unbewusst.
Um Prinz Michael – Midshipman Winton – gerecht zu werden, rief sich Carlie mit der grimmigen Entschlossenheit eines Menschen ins Gedächtnis, der überzeugt ist, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis man etwas vermassele, dass ihre Unsicherheit nur zum Teil mit Michael Winton zu tun habe. Die Dienstakte des Midshipman lieferte keinerlei Hinweis, dass er Privilegien erwartete oder dass sie ihm je eingeräumt worden wären, doch ganz konnte Lieutenant Carlotta Dunsinane es nicht glauben, und deshalb wappnete sie sich innerlich gegen Schwierigkeiten.
Um die Sache noch schlimmer zu machen, war die Kadettenkammer der Intransigent bis zum Bersten voll – und plötzlich begriff Carlie zynisch auch den Grund, warum eine Reihe der Midshipmen, die unter ihrer Aufsicht standen, in aller Eile ausgetauscht worden waren. Ohne Zweifel gab es Personen, die in der Position waren, schon im Voraus von Mr Wintons neuer Abkommandierung zu erfahren, und es als vorteilhaft ansahen, wenn ihr Sohn oder ihre Tochter die Kadettenfahrt zusammen mit dem Kronprinzen abdiente, ein Vorteil, den man sich nicht durch etwas so Triviales wie einer plötzlichen Änderung der Abkommandierung abspenstig machen lassen wollte.
Als Aufseherin über die Kadettenkammer der Intransigent erhielt Lieutenant Dunsinane Druck von unterschiedlichen Seiten. Sie hatte ihre Schützlinge zu hüten und anzuleiten, doch zugleich hatte sie Anlagen in ihnen auszumerzen, die ausgemerzt werden mussten. Das war immer eine schwierige Aufgabe, und sie wurde bei einer Kadettenkammer, die mit Sprösslingen hochrangiger, privilegierter Familien voll gestopft war, nicht gerade leichter.
Der 2TO war sich durchaus bewusst, dass die RMN dringend gute Raumoffiziere brauchte – mit dem Schwerpunkt auf dem Wörtchen ›gut‹ –, doch gleichzeitig vertraten einige Leute die Ansicht, dass bei einer so stark beanspruchten Flotte jeder Offizier ein guter Offizier sei. Carlie wusste darum, dass es unter den Vorgesetzten einige gab, die es ihr verübeln würden, wenn sie jetzt noch Kadetten als ungeeignet aussonderte, die sich immerhin bereits dreieinhalb Jahre auf der Akademie geschunden hatten – ganz davon zu schweigen, das man ihr vorwerfen würde, sie hätte das Geld verschwendet, dass in die Ausbildung dieser Offiziersanwärter investiert worden war.
Und wenn zu denen, deren Ausbildung sie als unzureichend einstufte, ein gewisser sorgfältig beobachteter, im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehender Prinz Michael Winton gehörte, dann bekäme sie wirklich Arger – doch man würde ihr auch Vorhaltungen machen, wenn Midshipman Winton seine Kadettenfahrt hinter sich brachte, ohne sich bewiesen zu haben.
Carlie schluckte den Impuls herunter, hier und jetzt den Dienst zu quittieren.
»Mr Winton wird sich erst in einigen Tagen bei Ihnen melden, Sie haben also Zeit, sich vorzubereiten«, fuhr Commander Boniece fort. »Darf ich Ihnen meinen Rat anbieten?«
»Ich wäre Ihnen für jeden Rat sehr dankbar, Sir.«
»Geben Sie dem jungen Mann eine Chance, sich zu beweisen, bevor Sie ihn verurteilen.«
»Ich werde mein Bestes tun, Sir.«
Carlie Dunsinane meinte es ernst. Sie wusste jedoch auch, wie schwierig es sein würde, Wort zu halten.
Als sie ging, kam Tab Tilson, der Signaloffizier, mit den neuesten Depeschen herein. Bevor die Luke sich hinter ihm schloss, hörte sie ihn sagen:
»Noch mehr Änderungen, Sir, fürchte ich.«
Die Tür fuhr zu, bevor Carlie hörte, von welchen Änderungen der Signaloffizier sprach, aber sie hoffte inbrünstig, dass sie nichts mit ihrer schon übermäßig komplizierten Kadettenkammer zu tun hätten.
Ephraim Templeton regierte seinen Haushalt mit eiserner Hand – oder präziser, mit einer sehr biegsamen Peitsche und dem Willen, sie zu benutzen. Seine Einschätzung, in welchem Ausmaß er sein Haus beherrschte, beruhte indessen auf bestimmten Annahmen, die er als gegeben voraussetzte.
Keine von Ephraims Frauen konnte lesen. Aus diesem Grund wurde kein Versuch unternommen, die Bibliothek vor ihnen abzusichern. Keine seiner Frauen konnte mit einem Computer umgehen, sah man von dem Aktivieren der einfachen Bildsymbole für regelmäßige Haushaltsaufgaben ab. Ganz gewiss verstand sich keine von ihnen auf etwas derart Kompliziertes wie Programmierung.
Judith jedoch konnte lesen. Sie war schon mit den komplizierteren Computersystemen der Graysons vertraut gewesen, und ihre Eltern hatten ihr die Grundlagen des Programmierens beigebracht. Diese Fertigkeit hatte es Judith im Verein mit dem problemlosen Zugriff auf die Datenbanken von Ephraims Haus ermöglicht, ihre Ausbildung fortzusetzen.
Die Warnung ihrer sterbenden Mutter hatte ihr auch den Weg gewiesen, auf dem sie die Freiheit zurückerlangen konnte. Wenn die Masadaner nicht wollten, dass sie irgendetwas wusste, dann würde sie danach streben, alles zu erfahren – und vor ihnen geheim halten, wie viel Wissen sie erlangte.
Judiths Schutzprogramme hätten einer sorgfältigen Sicherheitsüberprüfung nicht standgehalten, doch niemand stellt Mausefallen auf, wo es keine Mäuse geben kann. Judith hatte noch einen weiteren Vorteil: Sie war nicht die Lieblingsfrau ihres Mannes. In vielerlei Hinsicht war sie sogar die am wenigsten beliebte, und Ephraim trennte sich nur deswegen nicht von ihr, weil sie zu seiner Beute gehörte.
Seinesgleichen, die die Graysons mit unbeirrbarem Fanatismus hassten, präsentierte er Judith als eine Seele, die ihre Sünden abbüßte, ein Gefäß, aus deren Schoß diejenigen kommen würden, die eines Tages den Untergang ihrer eigenen Vorfahren herbeiführen sollten. Darum nahm Ephraim sie oft mit, wenn seine Pflichten ihn in die Fremde führten. Sie war eine Trophäe: der lebende, atmende Beweis, dass der masadanische Kampf zur Eroberung Graysons nicht vergeblich sein würde.
Anfangs, als sie erst zwölf gewesen war, hatte Judith diese Reisen verabscheut. Sie zwangen ihr häufige Intimkontakte mit ihrem Gatten auf, denn Ephraim nahm keine anderen Frauen mit. Nachdem Judith jedoch entdeckt hatte, dass sie während dieser Reisen an Bord des Aronsstab völlig unbeobachtet war – denn der eifersüchtige Ephraim schloss sie in der Kapitänskajüte ein, damit sie keine unheilige Lust bei seiner Besatzung weckte –, machte sie sich ihre Abgeschiedenheit zunutze.
In das Computersystem des Schiffes einzudringen, war die erste Herausforderung an Judith gewesen, doch ihre Ausbildung an den fortschrittlicheren graysonitischen Rechnern hatte sie mit dem nötigen Rüstzeug versorgt. Nachdem sie einmal Zugang zum Computer des Aronsstab erlangt und die Sicherheitsprogramme platziert hatte, stürzte sich Judith in die Freuden des verbotenen Wissens.
Während sie eigentlich beten oder Bibelstellen auswendig lernen sollte, machte sich Judith mit den Schiffsanlagen vertraut. Sie begann mit den Grundlagen des Lebenserhaltungssystems, der Maschinen und der Signalgeräte, dann bewegte sie sich in die schwieriger zu durchschauenden Gefilde der Waffensysteme und der Astrogation. Später, als sie vierzehn geworden war, befasste sie sich mit den Grundlagen der Raumtaktik.
Ohne dass Ephraim es ahnte, war seine jüngste Frau im Alter von fünfzehn Jahren zumindest in der Theorie so gut ausgebildet wie irgendein Mitglied seiner Besatzung. Stattdessen hielt er sie für geistig zurückgeblieben, denn es war kaum zu fassen, wie schlecht es ihr gelang, sich die Bibelstellen zu merken, die er ihr heraussuchte – und das, obwohl er ihr zum Ansporn bei Versagen schwere Prügel androhte.
Doch Ephraim hatte keine Zeit sich mit der intellektuellen Unzulänglichkeit einer Frau zu befassen, die zur Erfüllung der ihr zugedachten Aufgabe schließlich auch kein Geistesriese zu sein brauchte. Wie damals, als der Aronsstab das Handelsschiff eroberte, das Judith und ihre Eltern beförderte, betätigte sich Ephraim weiterhin als masadanischer Kaperfahrer.
Ephraim suchte sich die Schiffe, die er überfiel, sehr sorgfältig aus. Meist gab er sich damit zufrieden, sich als bewaffnetes Frachtschiff auszugeben, und beförderte zu diesem Zweck auch tatsächlich legale Ladungen. Die Raketenwerfer und Laserbatterien, die zu seinem Schiff gehörten, konnten indessen zu anderen Zwecken als der Selbstverteidigung benutzt werden, und wenn die Lage günstig erschien, fielen unbewaffnete Kauffahrer der Kampfkraft des Aronsstab zum Opfer.
Judith nahm an diesen Gefechten selbstverständlich nicht Teil. Wenn der Aronsstab zum Angriff überging, wurde sie in der Kapitänskajüte eingeschlossen. Ephraim maß ihr immerhin so viel Wert zu, dass er ihr einen Vakuumanzug zur Verfügung stellte, der sie bei einem Druckverlust vor dem Tod bewahren sollte, doch war dieser Anzug eine unsichere Zuflucht. Ephraim wollte um jeden Preis verhindern, dass Judith einem anderen Mann in die Hände fiel, und hatte ihren Anzug daher mit einer Art Totmannschaltung versehen, die dafür sorgte, dass im Falle von Ephraims Tod auch Judith starb – und sogar dann, wenn er die Lage als hoffnungslos ansah.
Ephraim ahnte allerdings nicht, dass Judith über die Schaltung Bescheid wusste und sie längst funktionsuntüchtig gemacht, aber so weit intakt gelassen hatte, dass die Manipulation bei einer Routineprüfung nicht entdeckt wurde. Sie wiederum prüfte den Anzug jedes Mal, wenn sie ihn anlegte, doch eigentlich beruhigte sie die Gewissheit, dass der Anzug ihr nur ausgehändigt wurde, wenn die Lage ernst wurde, und dann waren die Kaper zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um mehr zu tun, als die Skalen abzulesen.
So kam es, dass Judith die Aufenthalte an Bord des Schiffes herbeisehnte.
Als ihre Selbstsicherheit wuchs, beschränkte Judith ihre Ausbildung in Schiffsanlagen nicht mehr auf die Zeit an Bord des Aronsstab. Ephraim hatte für seine Söhne Übungssimulationssoftware angeschafft. Sowohl der Preis der Software als auch der VR-Geräte für äußerst realistische Übungen überstieg alles, was Ephraim in seinem besonnenen Geiz gewöhnlich zu zahlen bereit war. Er träumte jedoch davon, eines Tages eine Kaperflotte zu befehligen, in der ihm seine Söhne als Kapitäne dienten. Die Taten dieser Flotte sollten den Namen Templeton auf ganz Masada berühmt machen und der Familie einen Platz in der ersten Angriffswelle verschaffen, wenn endlich der Tag kam, den entscheidenden Schlag gegen die Häretiker von Grayson zu landen.
Die vierzehnjährige Judith entdeckte die günstigsten Zeiten, ein VR-Gerät aus den Schränken zu nehmen. Im Gegensatz zu ihren Stiefsöhnen, die sich in Schlachtszenarien ergingen, konzentrierte sich Judith auf die langweiligen Programme: ein Schiff steuern. Die Hypertransition vorbereiten und sich an die Übelkeit nach der Transition gewöhnen. Astrogationskoordinaten verstehen und überprüfen. Die Umgebung nach Signalquellen absuchen.
Unter sorgfältiger Geheimhaltung zwang sich Judith zu lernen, wie sie die vorprogrammierten Routinen optimal nutzte, die im Notfall die wichtigsten Stationen steuerten, denn sie wusste, dass sie das Schiff ohne Besatzung führen musste, wenn es so weit war.
Judith arbeitete sich gerade durch ein besonders kompliziertes Szenario, in dem sie die Folgen eines Energieverlustes nach der Rücktransition in den Normalraum bewältigen musste, als ihr die VR-Maske vom Gesicht gerissen wurde.
»Was machst du denn da?«, fauchte Ephraims älteste Frau sie an.
Wie jeder aus seiner Abschlussklasse erhielt auch Michael Winton Gelegenheit, seine Familie zu besuchen, bevor er sich an Bord seines Schiffes meldete. Es tat ihm wohl, wieder zu Hause zu sein, auch wenn ihm seine Zimmerflucht im Mount Royal Palace unnötig geräumig vorkam und ohne Todds überschwängliche und sprunghafte Gesellschaft recht leer.
Leer war sie allerdings nur, bis Beths Sohn Roger in die Räume wirbelte. Roger war drei T-Jahre alt und hatte alle Energie und Neugier, die man einem Kind für dieses entzückende Alter, in dem ein Kleinkind sich eindeutig zu einem kleinen Jungen entwickelt, nur wünschen kann.
Wenn Roger seinen sechsten manticoranischen Geburtstag erreichte – an dem er nach Standardzeitrechnung knapp über zehn Jahre alt wäre –, würde man ihn einer ausgiebigen Reihe von körperlichen und geistigen Prüfungen unterziehen, die sicherstellen sollten, dass er geeignet war, der nächste König zu werden. Bis dahin würde Michael den Titel des Kronprinzen führen und wäre in der Thronfolge der Nächste. Wenn er an seine damaligen Tests zurückdachte, so hatte er keinerlei Zweifel, dass Roger die Minimalanforderungen ohne weiteres übertreffen würde.
Noch sieben Jahre, dachte Michael ohne die geringste Spur von Bedauern. Dann kann ich endlich wieder der ganz gewöhnliche Prinz Michael sein – und wenn Beth bis dahin noch ein oder zwo Kinder hat, stehe ich in der Thronfolge so weit hinten, dass es mir geht wie Tante Caitrin: Dann bin ich bloß noch ein überflüssiger Adliger.
Bei dem Gedanken musste er grinsen, während er einen entzückt quietschenden Roger immer wieder im Kreise herumschwang. Vermutlich gab es niemanden, der weniger überflüssig war als die Herzogin von Winton-Henke, die jüngere Schwester seines toten Vaters, aber er bezweifelte nicht, dass sie diesen Scherz genauso sehr zu schätzen gewusst hätte wie er.
Alles in allem hatte Michael nichts einzuwenden gegen den Luxus, endlich wieder auszuschlafen und dass jemand ihm das Bett machte, oder die Gelegenheit, einmal etwas anderes zu tragen als seine Uniform. Das Sternenkönigreich hielt nicht gerade den Atem an, weil der Kronprinz von der Flottenakademie nach Hause gekommen war, doch Beth fand Entschuldigungen, bei mehreren offiziellen Anlässen nicht zu erscheinen, um den einen oder anderen ruhigen Abend mit ihrem Bruder zu verbringen.
Selbst wenn sich Beth nicht freimachen konnte, stünde eventuell Königinmutter Angelique zur Verfügung, und Roger spielte immer gern mit ihm. Ein paar Tage lang konnte Michael beinahe vergessen, dass seine Familie sich sehr von jeder anderen unterschied.
Eines Abends, als Justin es übernahm, Klein-Roger ins Bett zu bringen, saßen Bruder und Schwester beisammen und spielten Schach. Einziger Zuschauer war Beths Baumkater Ariel, der sich schläfrig auf dem Schoß der Königin ausbreitete. Zu Michaels völliger Überraschung streckte Beth einen langen Finger aus und gestand ihm den Sieg zu, indem sie ihren König umlegte.
»Ich habe dir nicht einmal Schach geboten!«, widersprach Michael.
»Du hättest in zwei Zügen sowieso gewonnen«, entgegnete Beth, »und ich muss etwas mit dir besprechen.«
Michael bemerkte einen eigenartigen Unterton in der Stimme seiner Schwester, eine kaum unterdrückte Anspannung, die ihn warnte, dass die Königin ihm Dinge anzuvertrauen gedachte, bei denen zumindest einigen ihrer Berater wohler wäre, wenn Beth sie ihm verschwieg – und sie sorgte sich, dass sie die Situation richtiger einschätzen könnten als sie selbst.
Michael behielt seine Beobachtung für sich. Er sammelte die Schachfiguren ein und legte sie nacheinander in die mit Samt ausgekleideten Fächer ihres Kästchens aus poliertem Holz.
Nach einigen Augenblicken fuhr Beth fort: »Ich weiß, wohin die Intransigent wirklich fährt.«
Michael blickte sie mit hochgezogener Braue an. Er hatte gehört, dass sein neues Schiff, der Leichte Kreuzer Intransigent, nach Silesia beordert würde. Den Zielsektor kannte er nicht, doch er ging davon aus, dass das Schiff eine der üblichen Patrouillenfahrten zur Piratenabwehr unternahm. Aber wenn es wirklich so war, warum blickte Beth dann so nachdenklich drein?
»Sei kein Ekel«, drängte Michael, als sie schwieg. »Spuck’s aus.«
Beth lächelte über seinen neckenden Ton.
»Die Intransigent fährt nicht nach Silesia«, sagte sie, »jedenfalls nicht gleich. Sie wird abgestellt, um einer diplomatischen Delegation neue Befehle und ihre Ablösung zu bringen. Die Delegation verhandelt mit der Regierung des Endicott-Systems.«
Michael war sich nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. »Endicott?«, vergewisserte er sich.
Beth nickte. Sie nahm einige Schachfiguren aus ihren Samtfächern und baute auf dem Spielbrett, das noch zwischen ihnen auf dem Tisch lag, eine provisorische Sternenkarte auf.
»Die Königin hier«, sagte sie und stellte die geschnitzte Ebenholzfigur ganz an den Rand, »ist das Sternenkönigreich. Das hier«, und sie setzte den weißen König an das gegenüberliegende Ende, »ist die Volksrepublik Haven.«
»Die würden es nicht gern sehen, dass du einen König benutzt«, zog Michael sie auf. »Das ist eine Republik, keine dekadente, kopflastige Monarchie wie wir.«
Beth grinste, aber sie tauschte die Figur nicht aus. Stattdessen beschrieb sie unsichtbare Kreise um jede Figur, die Einflusssphären der beiden Sternnationen. Das Volumen, das von der schwarzen Königin beherrscht wurde, war erheblich kleiner als das Gebiet des weißen Königs.
»Zwischen unseren nicht sonderlich einträchtigen Hoheitsräumen«, fuhr Beth fort, »liegt ein gewisses Volumen an interstellarem Raum, das weder von uns noch von den Havies beansprucht wird. Im Gegensatz zur Volksrepublik vertritt das Sternenkönigreich von Manticore keine Politik des erzwungenen Anschlusses.«
Die Königin sprach leichthin, doch lag Stahl unter ihren Worten, Stahl, geschmiedet und gehärtet bei zahlreichen Schlachten auf dem politischen Parkett gegen jene von Beths Untertanen, die der Ansicht waren, dass wie schon ihr Vater auch Elisabeth III. dem Sternenkönigreich ein wenig zu beflissen Verbindlichkeiten außerhalb des eigenen Sonnensystems aufbürde. Der Konflikt hatte sich mit der Annexion des Basilisk-Systems im Jahr von Elizabeth Wintons Geburt zugespitzt, und obwohl nun mehr als zwanzig Jahre verstrichen waren und die Volksrepublik unverhohlen als Eroberer auftrat, verstummten die Argumente, die gegen die Beibehaltung des Basilisk-Systems angeführt wurden, noch immer nicht im Geringsten.
Was Michael betraf, so hatte ihn sein Studium an der Flottenakademie nur in seiner Überzeugung bestärken können, dass die Krone die einzig vernünftige Politik verfolgte. Das Wort ›Sternenkönigreich‹ erweckte vielleicht den Anschein von Grandeur, doch wenn man auf die Fakten blickte, so hatte das Sternenkönigreich vor der Annexion des Basilisk-Systems nur einen einzigen kleinen Doppelstern umfasst.
Gewiss, das Manticore-System war mit drei bewohnbaren Planeten gesegnet. Gewiss, es besaß einen Wurmlochknoten, um den es alle Nachbarn beneideten und der den Kern seines profitablen Handelsimperiums bildete. Doch unumstößlich stand fest, dass ein Heimatsystem plus ein zweites, weitaus ärmeres angesichts des gewaltigen Raumgebiets, über das die Volksrepublik Haven herrschte, nur ein sehr kleines Empire darstellte.
Beth stellte nun zwei Läufer auf das Brett – amüsiert registrierte Michael, dass einer schwarz und der andere weiß war –, sodass sie eng beieinander zwischen den beiden Einflusssphären standen.
»Zwischen den Havies und uns«, fuhr sie fort, »liegen eine Reihe neutraler Sternnationen. Im Augenblick konzentriert sich die manticoranische Diplomatie auf zwei davon – die einzigen bewohnten Welten in einem zwanzig Lichtjahre durchmessenden Raumgebiet, das sehr günstig auf halbem Wege liegt. Eine« – sie berührte den schwarzen Läufer – »befindet sich im System von Jelzins Stern, die andere im Endicott-System.«
»Die Graysons«, warf Michael ein klein wenig angeberisch ein, »und die Masadaner.«
Elizabeth zog eindeutig beeindruckt eine Braue hoch.
»Nicht schlecht. Da hast du an der Akademie wohl doch was gelernt.«
»Reines Glück«, entgegnete Michael bescheiden. »Zufällig musste ich für Geschichte eine Hausarbeit über das Gebiet schreiben. Wusstest du, dass beide Systeme lange vor Manticore besiedelt worden sind?«
Elizabeth nickte, und ein verschlagenes Grinsen legte sich auf ihr Gesicht.