Julie Cohen, Jennifer LaBrecque, Debbi Rawlins
Tiffany Sexy, Band 52
IMPRESSUM
TIFFANY SEXY erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
    20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
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                Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991  | 
            
| Geschäftsführung: | Thomas Beckmann | 
| Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) | 
| Cheflektorat: | Ilse Bröhl | 
| Produktion: | Christel Borges, Bettina Schult | 
| Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)  | 
            
| Vertrieb: | asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013  | 
            
© 2007 by Julie Cohen
         							Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
         							Übersetzung: Maria Poets
© 2007 by Jennifer LaBrecque
         							Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
         							Übersetzung: Christiane Bowien-Böll
© 2007 by Debbie Quattrone
         							Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
         							Übersetzung: Andrea Cieslak
Fotos: Matton Images
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY SEXY
Band 52 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 05/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: , Pößneck
ISBN 978-3-86349-529-9
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
    CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Wenn sie Jonny nicht hätte! Ihrem Chatfreund vertraut Jane ihre heimlichsten Gedanken an. Doch alle E-Mails sind vergessen, als sie für ihre Werbeagentur ein männliches Model bucht. Dieser Jay Richard ist die pure Verführung! Kaum sind die Fotos gemacht, landet Jane mit ihm im Bett – und wundert sich, dass Jay ihre intimsten Wünsche spielend errät …
Sie sieht heiß aus! Fasziniert starrt Privatdetektiv Cade Stone auf die Frau auf dem Flugblatt: aufregende Kurven, ein sehr knapper Bikini. Es dauert einen Moment, bis er erkennt: Das ist Sunny Templeton, eine angehende Politikerin. Und diese erotische Aufnahme kann nur von Sunnys durchtriebenem Gegenspieler stammen – für den Cade arbeitet …
Ein fantasieloser Langeweiler? Von wegen! Nach der ersten sinnlichen Nacht mit Evan weiß Liza, dass sie sich gründlich in ihm getäuscht hat. Er ist der beste Liebhaber, den sie jemals hatte! So gern würde sie sich für ihn entscheiden und dem berechnenden Rick ein für allemal den Laufpass geben. Aber der kennt ihr gefährliches Geheimnis …

Es geht mir blendend, ich mache meinen Job hervorragend, und du wirst mich nie wieder weinen sehen.
Das war Janes Mantra für diesen Morgen. Sie durfte es nur nicht laut aussprechen. Besonders nicht im Augenblick, als das Team sie nach der Präsentation mit Fragen überschüttete. Und zumal Gary Kaplan die meisten Fragen stellte – eben jener Account Manager, den sie kommenden Juni hatte heiraten wollen. Vor nicht mal einer Woche hatte er sie weinen sehen.
„Zum Glück“, schloss sie und klappte den Laptop zu, „ist das Model, das wir für die Franco-Cologne-Kampagne ausgesucht haben, schon diese Woche verfügbar, sodass wir gleich mit der Produktion anfangen können. Ich treffe mich mit ihm und seinem Agenten zum Lunch.“
„Hervorragend.“ Allen Pearce, einer der Partner der Werbeagentur, stand lächelnd auf. „Ich vertraue darauf, dass ihr der Firma keine Schande macht, während Michael und ich in New York sind. Gute Arbeit, Jane, Gary und natürlich auch von allen anderen.“
Jane hatte es geschafft. Jetzt schnell den Laptop einpacken und ins Büro. Ein paarmal tief Luft holen, sich beruhigen und den Erfolg genießen.
Als Gary sie zurückrief, blieb sie stehen und setzte eine fröhliche Miene auf, bevor sie sich umdrehte.
„Ja, Gary?“
„Wie geht’s dir?“
„Danke, gut. Und dir?“
Ihre Stimme klang fest und ruhig; trotzdem machten Stephen und Hasan, dass sie davonkamen. Hasan schenkte ihr noch ein Lächeln, das wahrscheinlich mitfühlend gemeint war.
Hinter dem letzten Kollegen schloss Jane die Tür. Wie alle Räume der Pearce-Grey-Werbeagentur war der Besprechungsraum ultramodern und minimalistisch gestaltet, mit weißen Wänden und grauen Möbeln. Eine Wand des Konferenzraumes bestand komplett aus Glas und grenzte an das Großraumbüro von Pearce Grey.
Garys knitterfreier grauer Anzug passte hervorragend dazu. Ob Gary den wohl selbst bügelte, oder wurde Kathleen auch in diesem Bereich seinen hohen Ansprüchen gerecht?
„Gary, es wäre mir lieber, wenn du mir in Gegenwart von Kollegen keine persönlichen Fragen stellst.“
„Das war keine persönliche Frage. Ich habe nur gefragt, wie es dir geht.“
Jane hatte Garys ruhiges Auftreten immer bewundert, doch jetzt ballte sie unbewusst die Fäuste.
„Das ist sehr wohl eine persönliche Frage“, sagte sie. „Mir geht’s gut, danke. Und dir?“
„Ich mache mir Sorgen um dich. Du siehst müde aus.“
„Merkwürdig, so was ist dir früher nie aufgefallen.“
Immerhin besaß er den Anstand, jetzt verlegen auszusehen. „Vor deiner Beförderung haben wir ja auch nicht so eng zusammengearbeitet. Wir brauchen dich in Topform“, fuhr er fort. „Die Franco-Cologne-Kampagne ist für die Agentur äußerst wichtig …“
„… und Giovanni Franco ist äußerst schwierig, hat seine letzten drei Agenturen zum Teufel gejagt und will alles am liebsten gestern erledigt haben“, unterbrach sie ihn. „Ich weiß. Damit komme ich schon klar.“
Dann dachte sie an Hasans Lächeln und überlegte, ob sie ihre Gefühle vielleicht doch nicht so gut verbarg, wie sie glaubte.
Er legte die Hände auf den Tisch. Gary sah blendend aus, hatte hellbraune Haare und trainierte im Fitnessstudio.
„Vielleicht sollten wir allmählich mal bekannt machen, dass wir … du weißt schon.“ Jetzt wirkte er sogar schuldbewusst.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast gesagt, ich soll entscheiden, wann wir den Kollegen mitteilen, dass wir uns getrennt haben.“
„Ja, aber ich glaube, wir sollten es lieber früher als später tun.“
Jane warf einen Blick durch die Fenster in das hektische Großraumbüro. Gary und sie hatten bei der Arbeit nie offen ihre Gefühle füreinander gezeigt. Trotzdem wussten alle, dass sie verlobt waren.
„Du meinst, für dich wäre es einfacher“, sagte Jane. „Du könntest dann endlich über deine neue Beziehung reden.“
Und sie als abgelegte Verlobte würde nichts als mitleidige Blicken ernten. Jane, die Frau, die befördert und prompt dafür sitzen gelassen wurde. Super!
„Es ist noch nicht so weit“, fügte sie hinzu. „Entschuldige mich bitte, die Arbeit wartet.“
Auf dem Weg zu ihrem Büro wich sie den Blicken ihrer Kollegen aus. Sie brauchte vor der Mittagspause wirklich noch fünf Minuten für sich. Um die E-Mail zu lesen, die Jonny ihr bestimmt geschickt hatte. Und das würde sie unter Garantie aufmuntern.
Leider warteten die Designer bereits vor ihrem Büro. Die Besprechung, natürlich. Jane konnte froh sein, wenn sie dreißig Sekunden für sich selbst hatte, bevor sie losmusste.
„Jonny. Hey, Jonny.“
Jonny schob seine Brille hoch und kniff die Augen zusammen. Er versuchte, sich auf den HTML-Code auf dem Bildschirm zu konzentrieren, aber Thoms Stimme ließ sich nur schwer ignorieren. Sie war laut, kraftvoll und unverkennbar kalifornisch. Trotzdem tippte Jonny unverdrossen weiter.
„Jonathan Richard Cole junior!“ Thom beugte sich über den Tisch im Zugabteil der ersten Klasse und wedelte mit der Hand vor Jonnys Gesicht herum.
Jonny gab auf und sah seinen Freund an. „Falls du es noch nicht bemerkt hast, ich ignoriere dich. Ich habe dir eine Bedingung gestellt, als du mich für diesen Trip entführt hast, erinnerst du dich?“
„Ich habe dich nicht entführt, Kumpel!“ Thom setzte sein unschuldigstes Grinsen auf. „Du durftest deinen Computer und eine Zahnbürste einpacken, bevor ich dich zum Bahnhof geschleift habe.“
Jonny lächelte; über Thom Erikson konnte er sich einfach nicht ärgern. Die beiden Männer standen sich immer noch nahe, obwohl Jonny Kalifornien längst verlassen hatte und nach England zurückgekehrt war.
In einer Zeit des Umbruchs und der geplatzten Träume hatte Jonny Loyalität schätzen gelernt, auch wenn diese Loyalität manchmal regelrecht aufgedrängt wurde.
„Außerdem wolltest du mich nicht mit meinem richtigen Namen ansprechen“, erinnerte Jonny ihn. „Wenn ich für dich arbeite, bin ich nicht Jonny Cole, sondern Jay Richard.“
„Ich habe es vergessen, weil du deine Clark-Kent-Brille trägst. Sorry.“
Clark Kent. Jonny nahm die Brille ab und rieb sich die Nase. Der Vergleich war gar nicht so weit hergeholt. Er wurde zwar kein Supermann, wenn er die Brille abnahm, aber sein Leben wurde ganz sicher ein anderes. Allerdings wäre er lieber von Hochhäusern gesprungen, als vor Kameras zu posieren.
„Ich wünschte, du würdest dir die Sache mit dem Pseudonym noch mal überlegen“, fuhr Thom fort. „Dein Doppelleben würde für großes Aufsehen sorgen: Ein Computerguru jobbt nebenbei als Model und erweist sich als vielversprechendes Nachwuchstalent. Vom Streber zum Star. Vom Trottel zum Traummann. Vom Freak …“
„Es reicht!“ Lachend hielt Jonny seine Hände in die Höhe. „Ich werde meinen richtigen Namen nicht benutzen, denn sobald ich genug Geld verdient habe, hänge ich das Modeln sowieso an den Nagel. Das habe ich dir von Anfang an gesagt.“
„Du machst dir was vor, mein Guter. Du bist ein Naturtalent, und jede Kamera liebt dich. Als Model könntest du eine unglaubliche Karriere machen. Und dieser neue Job ist ein echter Durchbruch. Das Gesicht von Giovanni Francos neuem Aftershave!“ Thom pfiff anerkennend.
Und Thom wusste natürlich haargenau, wovon er sprach. Dem Mann gehörte eine der erfolgreichsten Modelagenturen an der Westküste der USA. Die jetzt sogar nach Europa expandierte.
Außerdem gestand Jonny sich ein, dass dieser Job für ihn ein Geschenk des Himmels war, so wenig ihm die Vorstellung auch gefiel, ein Model zu sein.
„Als Teenager hatte ich es nicht leicht“, erklärte er Thom. „Damals war ich wirklich ein Computerfreak. Ins Fitnessstudio bin ich nur gegangen, damit ich mich gegen die Jungs wehren konnte, die mich regelmäßig verprügelten.“
„Und Erfolg ist die beste Rache, stimmt’s?“
Jonny schüttelte den Kopf. „Die Situation hat sich nicht geändert. Ich werde immer noch nach meinem Äußeren beurteilt. Als wäre ich bloß eine Hülle. Aber ich bin mehr als mein Äußeres. Ein Schriftsteller. Und darum will ich mein Leben als Model und mein wirkliches Leben strikt trennen. Sobald ich genug Geld verdient habe, werde ich wieder schreiben.“
„Schnösel.“ Erneut beugte Thom sich vor. „Wenn du Geld brauchst, kann ich dir einen Scheck ausstellen. Du musst in keine einzige Kamera mehr schauen. Das weißt du.“
„Nein“, sagte Jonny. Das kam so heftig, dass sein Freund blinzelte. „Ich meine, danke, Thom. Aber ich werde mir das Geld verdienen.“
„Wofür brauchst du überhaupt so viel Geld?“
Thom war Kalifornier, und Kalifornier redeten über alles. Durch den schmalen Gang schob eine Frau gerade einen kleinen Wagen.
„Kaffee, bitte“, sagte Jonny, während sein Blick schon zurück zum Laptop wanderte. Als nichts passierte, schaute er auf.
Verlegen lächelnd starrte die Frau ihn an. Sie sah nett aus, das blonde Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Dann sagte sie: „Verzeihung, so etwas frage ich sonst nie, aber habe ich Sie nicht schon einmal irgendwo gesehen?“
„Ich glaube nicht, dass wir uns kennen. Tut mir leid.“
Unsicher sah sie ihn an. „Na dann, hier ist Ihr Kaffee, und wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann …“ Sie flirtete mit ihm, auch wenn ihre Stimme etwas schüchtern klang.
„Nur den Kaffee, bitte.“
Thom nahm eine Dose Cola und schüttelte traurig den Kopf. „Du enttäuschst mich, mein Freund. Das war die perfekte Gelegenheit.“ Er beugte sich vor und blickte der Frau hinterher.
„Sogar von hinten sieht sie klasse aus.“ Er drehte sich zu Jonny um. „Weißt du, wie viele Frauen auf Models stehen? Und wie viele dieser Models Heteros sind? Du bist eine Rarität und könntest jede haben.“
„Thom, ich will keine Frau, die mich aus einer Zeitschrift wiedererkennt.“
„Du willst einen weiblichen Computerfreak.“ Thom nahm einen kräftigen Schluck Cola. „Könnte wetten, dass du in letzter Zeit ausschließlich Cybersex hattest.“
„Das musst du gerade sagen! Ich weiß genau, dass du seit dem letzten Schaltjahr mit keiner Frau mehr im Bett warst.“
„Wir reden hier nicht über mich, sondern über dich. Du wohnst mitten in der Pampa und verbringst deine ganze Zeit online. Was hältst du davon, wenn ich dich in London mit jemandem bekannt mache?“
„Nicht nötig. Ich bin bereits mit einer Freundin verabredet.“
„So so, eine Freundin.“ Thoms Interesse war geweckt. „Läuft da was zwischen euch?“
„Nein. Wir kannten uns schon als Kinder, aber dann haben wir uns aus den Augen verloren. Als ich vor ein paar Monaten nach England zurückkam, habe ich sie übers Internet ausfindig gemacht. Seitdem schreiben wir uns E-Mails und chatten ab und zu. Sie lebt in London.“
„Eine virtuelle Freundin. Und wie macht ihr das mit dem Sex? Das habe ich nie richtig verstanden. Schreibt ihr auf, was ihr mit dem anderen machen würdet, und benutzt dann Spielzeug, oder …?“
Über Thoms Neugier musste Jonny lachen. „Wir haben keinen Cybersex. Früher war ich wahnsinnig in sie verknallt, aber da waren wir Kinder. Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit wir etwa elf waren. Sie ist nur …“
Er überlegte, wie er es am besten beschreiben sollte. Jane war seine Freundin, aber es war mehr als das. Ihre E-Mails allein hatten ihn in den letzten Monaten vor dem Verrücktwerden bewahrt, obwohl sie sich nie trafen.
„Sie hat unheimlich viel Sinn für Humor, und wir scheinen eine Menge gemein zu haben. Wir schicken uns vier oder fünf E-Mails pro Tag.“
„Oh.“ Thoms spielerisches Interesse wich größerem Ernst. „Du kannst ihr also alles erzählen?“
Wenn es doch so wäre. Wie oft hatte er sich hingesetzt und an Jane geschrieben, hatte all seine Sorgen und Probleme und Enttäuschungen dem Computer anvertraut, um sie Jane zu schicken – und dann alles wieder gelöscht, ohne die Mail abzuschicken.
Es tat ihm zu sehr weh, davon zu erzählen. Selbst, wenn er es nicht laut aussprechen musste, und selbst, wenn er sein Gegenüber dabei nicht sah. Und obwohl sie ihm so viel bedeutete.
„Jedenfalls“, sagte er, „ist sie verlobt, also wird es zwischen uns sowieso nichts werden.“
„Mann, du bist echt verrückt. Der Verlobte kann unmöglich so gut aussehen wie du. Du brauchst nur mit den Fingern zu schnippen, und schon lässt sie ihn fallen.“
„Thom“, sagte Jonny warnend.
„Okay, okay, ich mein ja nur. Aber du magst sie trotzdem, stimmt’s? Los, gib’s schon zu.“
„Als ich neun war, wollte ich sie heiraten“, gestand Jonny. „Und jetzt sind wir zum Dinner verabredet – wenn du mich gehen lässt und ich nicht die ganze Zeit vor der Kamera stehen muss.“
Thom zog seinen Palm aus der Tasche und ging die Termine durch. „Mittwoch, Donnerstag und Freitag bist du den ganzen Tag beim Fotoshooting, aber abends hast du Zeit, um deine Lady zu treffen.“
„Und um meine eigentliche Arbeit zu machen. In drei Wochen muss ich das Buch abgeben. HTML für Anfänger.“
„Es gibt ein paar wichtige Partys, besonders meine am Freitag. Doch als Erstes treffen wir uns mit der Art Direktorin von der Werbeagentur, die dich für die Franco-Kampagne gebucht hat. Sie heißt Jane Miller, und sie wird dir gefallen.“
Bei dem Namen saß Jonny mit einem Mal kerzengerade und musste sich zusammenreißen, nicht lauthals herauszuplatzen.
Er kannte Jane Miller. Und ob sie ihm gefiel.
Mit neun hatte er sie sogar heiraten wollen.
„Klingt perfekt“, sagte er dann möglichst harmlos, setzte die Brille wieder auf und startete das E-Mail-Programm auf seinem Laptop. Er hatte Jane geschrieben, bevor er aufbrach, aber jetzt musste er unbedingt noch eine Nachricht schicken.
„Noch was, Jonny.“
„Hm?“
„Setz besser deine Kontaktlinsen ein, bevor wir London erreichen, oder ich sage aus Versehen Clark Kent zu dir.“
„Kein Problem“, sagte Jonny und begann zu tippen.
Er war froh, dass er ihr endlich von seinem Doppelleben erzählen konnte. Als Kind und mit vier älteren Brüdern war Jane sehr lebendig, aufregend und abenteuerlustig gewesen. Trotz ihres Aussehens einer Porzellanpuppe, mit langem gewellten Haar und frech blitzenden grauen Augen.
Jane war immer für Heimlichkeiten zu haben gewesen. Sie würde dieses Geheimnis für sich behalten können, und wahrscheinlich würde es ihr sogar Spaß machen.
Beim Abschicken überlegte er, ob Jane wohl immer noch so abenteuerlustig war wie früher.
Jane betrat das Covent Garden Bistro und sah sich um. Sie konnte weder Thom Erikson noch das Model erkennen, das sie über ihn gebucht hatte, um Giovanni Francos neuem Aftershave ein Gesicht zu geben. Persönlich kannte sie ohnehin nur Thom Erikson. Von dem Model hatte sie nur ein Hochglanzfoto gesehen, dessen Wiedererkennungswert naturgemäß gering war. Das wusste sie nach sieben Jahren in der Werbung nur zu gut.
Könnte ich Gary nicht wunderbar eins auswischen, wenn ich was mit einem Model anfangen würde? Sie schnaubte verächtlich. Bei ihrem Job kamen ihr jede Menge verrückte Ideen, aber diese hier übertraf sie alle. Als ob ein Model sich für sie interessieren würde.
Jane zog ihren Blackberry aus der Handtasche und beschloss, die Wartezeit zu nutzen, um nach einer E-Mail von Jonny zu schauen. Dann aber lächelte ein Mann sie an.
Er hatte dunkle Haare und trug ein weites, weißes Hemd, das an den Ärmeln nicht zugeknöpft war. Die Hände steckten in den Taschen seiner ausgeblichenen Jeans. Lässig stand er vor ihr und sah sie unverwandt an. Die Augen waren dunkelblau. Selbst durch den Raum konnte sie das erkennen.
Das war ihr Model. Er musste es sein, denn er kam ihr so vertraut vor, wenn auch auf andere Weise als erwartet. Es war nicht so, als würde sie jemanden nach einem Foto wiedererkennen. Sein Anblick brachte etwas in ihr zum Vibrieren, und die Brust schnürte sich zusammen. Ihr maßgeschneidertes Kostüm schien ihr plötzlich nicht mehr genug Luft zum Atmen zu lassen.
Er hatte perfekte Zähne, sinnliche Lippen, hohe Wangenknochen, und er lächelte sie nicht nur an – er strahlte regelrecht.
Unwillkürlich wandte sie den Kopf, um sicherzugehen, dass niemand hinter ihr war. Ein derart großartiger Mann sollte sie dermaßen anstrahlen? Undenkbar.
Aber er kam quer durch das Restaurant geradewegs auf sie zu. Als er den Tisch fast erreicht hatte, streckte er ihr die Hand entgegen.
Und dann stand er leibhaftig vor ihr und hielt ihre Hand, obwohl sie sich nicht erinnerte, sie ihm gegeben zu haben.
„Jane“, sagte er, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Wenn er lächelte, zeigten sich kleine Grübchen an seinem Mund. Seine Stimme war tief, weich und freundlich.
Der Klang ihres Namens aus seinem Mund stellte irgendetwas mit ihrem Blut an, denn sie fühlte sich, als hätte sie plötzlich zu viel davon. Ihr wurde heiß, das Herz raste und die Fingerspitzen begannen zu kribbeln.
„Ja.“ Ihre Beine wurden wackelig, die Stimme zitterte und irgendetwas in ihrem weich gekochten Hirn sagte ihr, dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht wie ein völliger Idiot dazustehen.
„Auf den Fotos sehen Sie ganz anders aus“, sagte sie.
„Das will ich auch hoffen“, erwiderte er mit einem Zwinkern, und die Wärme seiner Augen und Hände ließ sie hart schlucken.
„Ah, du hast sie gefunden.“
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Mann im weißen Leinenanzug auf. Er klopfte dem bildhübschen Mann auf die Schulter und küsste Jane zur Begrüßung auf beide Wangen. „Hey Jane, nett, dich zu sehen. Ich sehe, du hast Jay bereits kennengelernt.“
„Thom“, sagte sie verwirrt und stellte fest, dass sie immer noch die Hand des Models hielt. „Freut mich, dich kennenzulernen, Jay.“ Sie schüttelte seine Hand und versuchte, etwas Professionalität in diese Geste zu legen, die aber vor allem sinnlich blieb.
Seine warme Hand umfasste ihre. Es war mehr als ein Händeschütteln, es war so vertraut … Irgendwie hatte Jane das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen.
Erneut begegneten sich ihre Blicke. Er lächelte verschwörerisch.
Er wusste es. Er wusste haargenau, welche Gefühle er bei ihr auslöste.
„Ganz meinerseits, Jane“, sagte er selbstbewusst und verführerisch. „Anscheinend haben wir dich beim E-Mail-Lesen gestört.“ Er warf einen Blick auf ihren Blackberry, der ihre Nachrichten inzwischen heruntergeladen hatte.
„Aber nein, überhaupt nicht!“, antwortete sie, ließ seine Hand endlich los und schaltete das Gerät aus. Wie gebannt sah sie ihm wieder ins Gesicht. Er zwinkerte ihr zu.
Als wären sie Freunde. Dann trat er hinter sie und zog den Stuhl für sie hervor. Bevor sie sich setzte, flüsterte er ihr ins Ohr: „Du siehst noch besser aus, als ich dachte.“
Endlich begriff sie. Er glaubte, sein gutes Aussehen gäbe ihm das Recht, mit jeder Frau zu flirten.
„Danke.“ Er übte eine derart starke Faszination auf sie aus, dass sie es nicht schaffte, die gewünschte Portion Coolness in ihre Antwort zu legen. Er ging um den Tisch und nahm neben Thom Platz.
Jane war enttäuscht. Ihr Körper, dieser Verräter, wollte Jay neben sich. Aber so konnte, ja musste sie ihn ständig ansehen.
„Jay ist ganz aufgeregt, dass er bei der Franco-Kampagne mit dir zusammenarbeiten kann“, erklärte Thom, und Jane hätte schwören können, dass er Jay mit diesen Worten einen Wink geben wollte. „Stimmt’s, Jay?“
„Und wie.“ Sein Blick ruhte auf Jane. Sie wurde daraus einfach nicht schlau. Als wollte er ihr irgendetwas mitteilen, das über den üblichen Small Talk bei solchen Geschäftsterminen hinausging – und sogar über sein routinemäßiges Flirten. Aber was?
„Wie lange arbeitest du schon als Model, Jay?“, fragte sie möglichst unbekümmert.
Sein Blick wirkte nun bitter, beinahe reumütig … merkwürdig.
„Noch nicht lange. Thom ist ein alter Freund von mir, und er hat mich dazu verführt.“
„Es ist nicht meine Schuld, dass die Kameras dich lieben“, verteidigte sich Thom.
Jane musterte Jay flüchtig, soweit es am Tisch möglich war. Sie wusste, warum er so fotogen war. Er war schlank und kräftig. Seine Kleidung saß locker und bequem, doch sie erahnte den muskulösen Körper darunter.
Auch männliche Models waren oft zu mager. Giovanni Franco wollte einen männlichen Typ, keinen knabenhaften Jungen.
„Ich weiß nicht, ob diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht“, erklärte Jay. „Für dich ist Modeln ein toller Beruf, aber dich zwingt ja niemand, stundenlang in der brütenden Hitze der Scheinwerfer zu verbringen.“
Jane betrachtete ihn. Er war gebräunt und hatte sich am Morgen rasiert, sodass nur ein leichter Schatten auf seinem Unterkiefer und um seinen sinnlichen Mund lag.
Sie fragte sich unwillkürlich, wie dieser Mund sich wohl an ihrem Nacken anfühlen würde. Und wie er schmeckte.
Als die Speisekarte vor ihr lag, nahm Jane sie, ohne die Kellnerin auch nur anzuschauen. Stattdessen blickte sie auf Jays Hände. Seine Finger waren genauso schlank und kräftig wie der Rest von ihm.
Über den Tisch hinweg lächelte er ihr zu, und prompt wurde ihr heiß.
„Möchten Sie etwas trinken, Wein vielleicht?“, fragte eine weibliche Stimme neben ihr. Jane riss sich von Jays Anblick los und schaute die Kellnerin an.
Und im nächsten Moment sank ihre Körpertemperatur von Fieber auf Unterkühlung.
Es war Kathleen. Die Kathleen mit den großen Brüsten, der Wuschelmähne und den vollen Lippen.
„Du bist Kellnerin?“
Die Weinkarte in der Hand, blieb Kathleen wie angewurzelt stehen. „Das ist aber peinlich.“
„Thom“, sagte Jane, und ihre Stimme klang dabei erstaunlich ruhig, „würdest du bitte den Wein aussuchen? Ich bin gleich wieder da.“
„Klar“, hörte sie noch, doch sie war schon auf dem Weg zu den Toiletten.
Der Raum war leer. Jane trat kräftig gegen das Marmorwaschbecken. Sie wusch sich die Hände und hätte die vergangenen fünf Minuten am liebsten gleich mit abgewaschen.
„Er hat mich wegen einer Kellnerin sitzen lassen“, vertraute sie ihrem Spiegelbild an.
Es klopfte leise an der Tür.
„Jane?“
Die Tür ging einen Spaltbreit auf, und Jane sah eine Hand und die Hälfte eines Gesichts. Blaue Augen, Bartstoppeln am Kinn. Es war Jay.
„Jane? Alles in Ordnung?“
Seufzend öffnete sie die Tür.
„Ja. Alles bestens.“ Sie lächelte schwach.
Er schaute zweifelnd. „Okay, hör zu. Thom kümmert sich gerade um die Rechnung und besorgt uns einen Tisch im Restaurant nebenan. Magst du italienisch?“
Ihre Wangen glühten. Eigentlich war sie hier die Gastgeberin. „Das ist nicht nötig. Ich werde …“
„Doch“, unterbrach Jay sie. „Und behaupte nicht noch einmal, dir würde nichts fehlen. Ich weiß es besser.“
Seine Worte brachten sie zum Lachen. „Okay.“
Jay lehnte sich gegen die Wand. Er wirkte genau so lässig wie vorhin, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, und stand ziemlich nah bei ihr. Von einem Model hätte sie erwartet, dass er ein Aftershave benutzte, zumal er dafür werben sollte, doch er roch vor allem nach warmer Baumwolle. Er griff nach ihrem Handgelenk.
„Willst du mir nicht erzählen, was los ist, Jane?“
Für den Bruchteil einer Sekunde geriet sie in Versuchung.
Es wäre so eine Erleichterung, endlich jemandem alles zu erzählen. Jays blaue Augen und eine leichte Furche zwischen den Augenbrauen drückten Besorgnis aus. Und dabei wirkte er so vertraut, als würde sie diesen Fremden schon ihr ganzes Leben lang kennen.
„Hast du die Schuhe gesehen?“, fragte sie schließlich. „Von der Kellnerin?“
Er nickte.
„Billig oder teuer?“ Ein Model musste sich mit solchen Dingen auskennen.
„Billig“, sagte er, ohne zu zögern. „Sie braucht neue Sohlen. Wenn sie den ganzen Tag in den Dingern herumläuft, wird sie Hühneraugen bekommen.“
Dieses Mal kam ihr Lachen nicht ganz so unerwartet, und sie entspannte sich ein wenig.
„Jane“, sagte er und kam noch näher. Seine Stimme wurde leiser und eindringlicher. „Ich weiß nicht, wer diese Kellnerin ist, aber glaub mir, du bist tausendmal schöner als sie. Du hast einen besseren Job und bist viel interessanter.“ Er ließ seinen Blick nach unten wandern und fügte hinzu: „Und du hast die besseren Schuhe.“
Janes Haut prickelte, denn obwohl er von ihren Schuhen sprach, schaute er nicht nur auf ihre Füße. Ein Blick nur, aber sie schmolz bereits dahin.
Könnte ich Gary nicht wunderbar eins auswischen, wenn ich was mit einem Model anfangen würde?, dachte sie erneut, doch wieder schob sie den Gedanken beiseite. Arbeit und Privatleben würde sie nicht noch einmal vermischen.
„Danke“, sagte sie. „Ich denke, wir sollten besser wieder zurück.“
„Du machst das übrigens ganz wunderbar“, sagte er noch. „Ich weiß das sehr zu schätzen.“
Eine merkwürdige Bemerkung, aber vermutlich wollte er ihr damit Mut machen. „Danke. Normalerweise bin ich sehr professionell.“
„Ich weiß.“
Sie genoss seinen sanften Griff am Handgelenk. Wahrscheinlich konnte er jeden Schlag ihres Herzens spüren.
„Willst du heute Abend mit mir essen gehen?“, platzte sie heraus.
Sie konnte die leichte Überraschung in seinem Blick sehen.
„Meinst du nur wir beide, oder …?“
„Nur wir beide“, bestätigte sie, bevor ihr Verstand einschreiten konnte. Er würde ja sowieso ablehnen. „Ich meine, es ist nicht schlimm, wenn du nicht willst. Ich weiß, dass du viel zu tun hast und …“
„Ich habe große Lust.“
Das brachte sie für einen Moment zum Schweigen. „Oh.“ Sie schluckte, stärkte ihre Stimme und sagte: „Das ist wunderbar. Wie wäre es mit acht Uhr?“
„Fantastisch.“ Sein Lächeln war sowohl aufrichtig als auch perfekt. Er nickte in Richtung Restaurant. „Sollen wir wieder zurückgehen und ganz professionell sein?“
Viereinhalb Stunden später fragte sie sich das immer noch.
Und sie dachte an das Mittagessen. An das Lächeln, mit dem Jay ihre Einladung zum Dinner angenommen hatte, an die Hand, die so vertraut ihr Handgelenk umfasste. Und an die Momente, in denen sie ihn beim Essen beobachtet hatte. Wie elegant er Messer und Gabel hielt. Es war lächerlich, dass es sie erregte, wie er sein Fleisch schnitt, aber so war es. Seine Bewegungen waren sparsam und ungeheuer faszinierend.
Wann immer er etwas von seinem Risotto nahm, sah sie auf seinen Mund. Die Unterlippe war etwas voller als die obere. In den Mundwinkeln saß immerzu ein kleines, aber unendlich sinnliches Lächeln. Und wie weiß seine Zähne waren!
Einmal befeuchtete er sich die Unterlippe, und Jane ließ beinahe ihr Glas fallen. Sie stellte sich sofort vor, wie sich diese Lippen wohl auf ihren anfühlten. Diese Zunge in ihrem Mund … Und wie sie seine Haare berühren würde, wenn sie ihn küsste.
Und dann sah er sie an und lächelte. Sein Blick war so warm und vertraut, als würden sie ein Geheimnis teilen.
Dieser Mann war der attraktivste, den sie je gesehen hatte. Und sie würde nicht darüber nachdenken, was er von ihrem Date erwartete. Denn vermutlich weckte er mühelos in jeder Frau solche Gefühle. Er verstand es so meisterhaft zu flirten, dass es fast ernst gemeint wirkte.
Was zum Teufel sollte sie heute Abend mit ihm anfangen?
Jane setzte sich an den Schreibtisch und klappte den Laptop auf. Im Ordner über die Franco-Cologne-Kampagne fand sie mehrere Fotos. Mit einer Hand stützte Jay sich an einen Türrahmen. Ein enges langärmliges T-Shirt, das die schlanken, aber muskulösen Konturen seines Körpers betonte. Ein leichtes Lächeln, das Grübchen an seiner linken Wange. Als würde er sich gerade unterhalten, als könnte er jeden Moment die Hand ausstrecken und den Beobachter berühren.
„Mist!“, stöhnte sie. „Wie bin ich nur auf die Idee gekommen, etwas mit einem Model anzufangen?“
Ihr Laptop produzierte ein Geräusch, das sich wie ein Luftzug anhörte. Jonny Cole hatte sich in das Chatprogramm eingeloggt, das sie manchmal benutzten. Wahrscheinlich warteten auch E-Mails von ihm auf sie. Erst hatte Jane keine Zeit dafür gehabt, dann war sie zu unruhig gewesen.
Jane klickte auf das Symbol der Chatbox.
Jane hatte ihn seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen, aber sie wusste noch genau, wie er als Kind ausgesehen hatte. Damals war er fast jeden Tag zu ihr zum Spielen gekommen, ein dünner Junge mit drahtigen Haaren, riesigen Knien und dicken runden Brillengläsern.
Jetzt, mit siebenundzwanzig, stellte sie ihn sich als dürren Mann mit Prinz-Eisenherz-Haarschnitt und runden Brillengläsern vor, so eine Art ausgewachsener Harry Potter.
Es war typisch für ihn, dass er sie „schöne Frau“ nannte. Dabei hatte er sie ebenfalls seit fünfzehn Jahren nicht gesehen.
Bei der postwendenden Antwort blieb ihr die Luft weg.
Auf einmal musste Jane blinzeln, weil ihr Tränen in die Augen stiegen. In den letzten Tagen hatte sie immer wieder dagegen angekämpft und so getan, als sei alles in Ordnung. Doch es machte sie krank. Den ganzen Tag war sie von Menschen umgeben, die Höchstleistungen von ihr erwarteten und gar nicht wissen wollten, was in ihr vorging. Wenn sie nach Hause kam, war sie ganz allein. Nicht einmal einen bequemen Platz zum Sitzen hatte sie, da Gary das Sofa mitgenommen hatte.
Sie tippte die Worte ein und schickte sie ab, ehe sie es sich anders überlegen konnte. Doch dann besann sie sich und schrieb die Wahrheit.
Fast im selben Moment antwortete Jonny.
Vor der nächsten Antwort gab es eine kurze Pause.
Ihre Finger flogen nur so über die Tastatur. Jane war nicht länger zum Heulen zumute. Stattdessen fühlte sie sich erleichtert. Es tat gut, ihre Gedanken jemandem anzuvertrauen, der sie nicht verurteilen, sondern verstehen würde. Selbst wenn sie nur übers Internet miteinander kommunizierten und sich so lange nicht gesehen hatten. Sie schickte die Nachricht ab und begann, ohne Luft zu holen, weiterzutippen.
Jonnys Antwort kam schnell wie der Blitz.
Jane lachte laut. Sie liebte Jonnys Humor, und es war typisch für ihn, dass er sich mit ihr freute, weil sie ein Date hatte.
Jane seufzte.
Jane schaute an sich herunter. Unscheinbar, Karrierefrau ohne Privatleben. Sie konnte nicht einmal einen Mann halten, wenn sie mit ihm verlobt war.
Sie klickte auf „Senden“. Dann folgte sie einem spontanen Impuls, zum zweiten Mal an diesem Tag, und schrieb:
Jonny starrte auf den Bildschirm und schluckte.
War er in irgendeiner merkwürdigen virtuellen Welt gelandet, oder wurde hier gerade eine seiner Fantasien Wirklichkeit?
Jane Miller war wunderbar, wunderschön und faszinierend. Fünfzehn lange Jahre hatten sie sich nicht gesehen, doch heute Morgen hatte er sie sofort wiedererkannt. Das Haar hatte sie ordentlich zurückgesteckt, doch die Strähnen, die sich gelöst hatten, waren genauso dicht und weich und lockig, wie er sie in Erinnerung hatte. Die Augen groß und grau, die Lippen perfekt geschwungen und die Haut so fein wie das Blütenblatt einer Orchidee.
Er hatte sie nicht vergessen. Als Kind war er Jane überallhin gefolgt und hatte sie unendlich bewundert.
Er hatte kaum die Hände von ihr lassen können. Sein erster Impuls nach all den Jahren war gewesen, sie in die Arme zu nehmen und diesen wunderbaren Mund zu küssen. Unwiderstehlich zog sie ihn an, und er verspürte ein ungewohntes Verlangen, diese Frau zu packen und sie in Besitz zu nehmen, so wie als kleiner Junge.
Aber da waren ihr Verlobter, auf den er Rücksicht nehmen musste, und Thom und das Versteckspiel, um das er sie gebeten hatte.
Und jetzt …
Es war ein echtes Date. Nur sie beide. Zwei erwachsene Menschen, beide Singles.
Und sie fragte ihn, was er sich wünschte. Vorsichtig tippte er seine Antwort.
Jonny schloss die Augen und atmete tief ein.
Beim Lunch hatte sie ein sehr zurückhaltendes Kostüm getragen. Unauffällige Farbe, konservativer Schnitt. Es sollte wahrscheinlich ihre Weiblichkeit nicht allzu sehr betonen, aber Jonny fiel nicht darauf herein. Er hatte genau genug hingesehen, um die schlanke Taille unter der Jacke zu erkennen, die Rundung ihrer Hüften unter dem Rock, und ihre Brüste unter der Seidenbluse.
Und diese entzückende Linie ihres Nackens, die zarten Handgelenke, die leicht gezittert hatten, als er sie berührte.
Im Gegensatz zu dem nichtssagenden Kostüm waren die Schuhe aus feinem Leder gearbeitet und ließen ihre Beine unendlich lang wirken. Er schrieb:
Jonny kippte fast vom Stuhl.
„Welche Farbe?“, fragte er laut und mit heiserer Stimme, schrieb es aber nicht hin. Stattdessen stellte er es sich vor. Weiße Spitze auf dieser Porzellanhaut. Schwarzer Satin, der ihren Po umschmeichelte. Rosa Seide, die die süßen Brüste kaum verbarg.
Eigentlich war ihm die Farbe egal. Ihm rauschte jetzt schon das Blut in den Ohren. Wenn Jane allein für ihn hübsche Unterwäsche trug, würde er heute Abend Schwierigkeiten haben, nicht die ganze Zeit unruhig auf dem Stuhl hin und her zu rutschen.
Janes Unterwäsche ging ihm nicht aus dem Kopf, als er an den Lunch dachte. Er hatte einfach nicht die Augen von ihr lassen können. Jane versuchte sich ganz normal zu verhalten, unterhielt sich mit Thom, tat, als würde sie die Speisekarte studieren und das Essen genießen – aber er hatte gespürt, wie ihre Aufmerksamkeit immer wieder zu ihm abgeschweift war. Wenn sie miteinander sprachen, sah sie ihm einen winzigen Moment zu lang in die Augen und musterte seinen Körper mit raschen, flackernden Blicken.
Seit er als Model arbeitete, hatte er sich an solche Blicke von Frauen gewöhnt, aber bei Jane war es etwas anderes. Jeder Blick von ihr ließ seine Haut vor Verlangen erglühen, und wenn sie ihn anschaute, hatte er das Gefühl, vor Glück laut auflachen zu müssen.
Die wechselseitige Anziehung zwischen ihnen war das Beste, was ihm seit langer Zeit passiert war. Er schrieb:
Jonny schluckte erneut. Jane Miller, das Mädchen seiner Träume, beugte sich in ihrem engen Kleid vor, zeigte ihm ihr Dekolleté, vielleicht sogar ein Stückchen Dessous …
Lieber Himmel! Jonny holte tief Luft, schloss die Augen und tippte blind drauflos. Vor seinem inneren Auge sah er Jane, die genau das tat, was ihn anmachte.
Er öffnete die Augen nur, um auf „Senden“ zu drücken. Dann beobachtete er, wie seine Worte in der Dialogbox auftauchten. Schwarz auf weiß wirkten sie viel steifer als in seinem Kopf. Es schien eher ein Befehl als eine Fantasie zu sein.
Sein Herz schlug schneller, teils vor Angst, vor allem aber vor Aufregung. Das Blut schien durch seine Adern zu rasen und brachte ihn regelrecht zum Glühen.
Seine abenteuerlustige Jane, das furchtlose Mädchen, das auf Bäume kletterte und ohne hinzuschauen in den See sprang. Was für ein Spiel spielte sie mit ihm? War sie wirklich so unsicher, wie sie behauptete?
Den ersten Schritt hatte sie gemacht, indem sie ihn zum Essen einlud, und jetzt trieb sie das Ganze weiter, bevor sie sich überhaupt wiedergesehen hatten. Er konnte ihr sagen, was er von ihr wollte. Doch am meisten wünschte er sich, dass sie einfach sie selbst war.
Aber vielleicht gefiel ihr nicht, was er geschrieben hatte?
Die Sekunden dehnten sich zu Minuten. Unruhig rutschte Jonny auf seinem Stuhl hin und her. Die Hose war unangenehm eng geworden. Er stellte sich vor, wie Jane in ihrer Wohnung saß und seine Worte las, vielleicht hob sich ihre Augenbraue ein bisschen, während sie darüber nachdachte, was sie machen sollte.
Er streckte schon die Hand nach der Tastatur aus, um zu fragen, ob sie noch da war, als ihre Antwort kam.
Während er tippte, verzog sich der Mund zu einem breiten Lächeln. Ungläubig schüttelte er den Kopf über diese Unterhaltung.
Atemlos tippte Jonny seine Antwort ein. Dann fuhr er fort:
Er schickte die Nachricht los, konnte sich aber nicht daran hindern, noch weiterzuschreiben:
Die Antwort kam prompt.
Unwillkürlich stand er auf und lief im Hotelzimmer herum. Wieso bis acht Uhr warten, statt auf der Stelle ein Taxi zu ihr zu nehmen und sie noch im Türrahmen zu packen und zu küssen, mit all der Leidenschaft, die jetzt sein Blut pulsieren ließ?
Als er sich wieder setzte und weiterschrieb, zitterten seine Hände.
Er konnte kaum antworten.
Jonny saß reglos da, aber in ihm tobte seine Fantasie. Mit jeder Faser seines Körpers stellte er sich vor, Janes nackte glatte Haut auf seiner zu spüren. Wie ihre Brüste und Hüften sich unter seinen Fingern anfühlten, und wie sie bei der Berührung aufkeuchte. Das Gewicht ihrer Beine, die sie um seine Taille schlang. Ein leises Kichern an seinem Ohr. Ihr Mund, weich wie Blütenblätter, die kleinen Hände, die seinen Rücken streichelten. Ihre feuchte Hitze.
Er stöhnte laut.
Vor Verlangen wurde er fast wahnsinnig. Wie wild tippte er drauflos, ohne darüber nachzudenken, was er da schrieb.
Er klickte auf „Senden“ und schrieb ohne Unterbrechung weiter.
Während er schrieb, meinte er Janes ungeduldige Hände an seinem Gürtel zu spüren. Sie schob die Hose nach unten und nahm ihn in die Hand. Er drückte sie gegen die Wand, hielt sie fest, während sie die Beine um ihn schlang. Er schob das Kleid hoch und nahm sich ihre Brustspitzen vor. Ein unterdrückter Schrei entfuhr ihr. Beide Körper rieben sich aneinander, sie kamen zusammen, ihr Stöhnen zeugte von Ekstase und Vergnügen.
Tief und zitternd holte er Luft und schaute sich noch einmal an, was er geschrieben hatte.
Er brauchte einen Moment, doch dann begriff er, dass er gerade Cybersex mit Jane hatte.
Die Hand am Mund, biss er sich auf den Finger. Sein Herz hämmerte fast schmerzhaft, und seine Hose war enger denn je.
Was hatte er getan?
Sie hatte ihn nach seiner Fantasie gefragt. Sie wollte nicht wissen, was er für den Abend plante oder was er für das Beste hielt, denn dann würden sie gewiss über Janes Trennung sprechen und es langsam angehen lassen, bis sie vollkommen über den Berg war.
Nein. Sie hatte ihn nach seiner wildesten Fantasie gefragt, und er hatte sie ihr beschrieben. Ein wilder Kuss in aller Öffentlichkeit und Sex im Stehen.
Wahrscheinlich würde sie ihm jetzt die Onlineversion einer schallenden Ohrfeige verpassen.
Wieder rutschte er unbehaglich auf seinem Stuhl. Keine Antwort. Vielleicht war sie angewidert. Vielleicht war sie so wütend, dass sie ihm eine langte, wenn sie sich gegenüberstanden.
Vielleicht machte es sie genauso an wie ihn.
Jonny sprang auf und lief durch das Hotelzimmer. Danke? Auf dem Laufenden halten? Was sollte das heißen?
Noch eine halbe Stunde, und er würde Bescheid wissen.
Auf dem Weg vom Taxi zum Treffpunkt zupfte Jane am Ausschnitt ihres Kleides herum, der tiefer war, als sie es gewohnt war. Vor einem Jahr hatte sie es für eine Cocktailparty gekauft, es dann aber doch nicht getragen. Heute Abend hatte sie es auf Jonnys Rat hin wieder hervorgekramt.
Beim Gedanken daran, was er ihr noch geraten hatte, wurde ihr heiß. Sie stellte sich vor, sie würde Jay packen und in ein Taxi zerren, um mit ihm in ihrer Wohnung wilden Sex zu haben. Mit diesem perfekten, wunderschönen Mann.