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Marion Lennox, Alison Roberts, Sarah Morgan

Ärzte zum Verlieben, Band 12

IMPRESSUM

JULIA ARZTROMAN erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2005 by Marion Lennox
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Michaela Rabe

© 2005 by Alison Roberts
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Susanne Albrecht

© 2006 by Sarah Morgan
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Linda Cadenberg

Fotos: RJB Photo Library

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA ARZTROMAN
Band 12 - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Veröffentlicht im ePub Format im 05/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: , Pößneck

ISBN 978-3-86349-604-3

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

MARION LENNOX

Eine Traumfrau für Dr. O’Halloran

Dr. Devlin O’Halloran ist tief berührt: Obwohl die junge Frau hochschwanger ist, hilft sie ihm nach einem Schulbusunfall die verletzten Kinder zu versorgen. Noch nie zuvor hat er sich so stark zu einer Frau hingezogen gefühlt wie zu der liebevollen Emma. Doch dann erfährt er, wem er so spontan sein Herz geschenkt hat ...

ALISON ROBERTS

Nie vergaß ich seine Liebe

‚Flucht’ ist Beth’ erster Gedanke! Ausgerechnet in dem abgelegenen kleinen Ocean View Hospital trifft sie Dr. Luke Savage wieder. Nichts hat sie vergessen: nicht seine zärtlichen Küsse, nicht die romantischen Liebesnächte – und nicht den Kummer, als er sie verließ. Und jetzt will Luke einen Neuanfang! Beth fragt sich: Kann ich ihm noch einmal vertrauen?

SARAH MORGAN

Ein Herz aus Eis?

Alice Anderson hat nach schlechten Erfahrungen mit der Liebe abgeschlossen und Männer aus ihrem Leben verbannt – bis sie einen neuen Kollegen bekommt: den attraktiven Sizilianer Dr. Giovanni Moretti. So herzlich, so liebenswürdig und so verführerisch hat noch nie jemand um sie geworben. Lernt sie jetzt endlich die wahre Liebe kennen?

Marion Lennox

Eine Traumfrau für Dr. O’Halloran

1. KAPITEL

Er war hier. Auch wenn sein Gesicht sonnengebräunt und nicht mehr so blass und schmal war. In den Augenwinkeln entdeckte sie Lachfältchen.

Was für ein beeindruckendes Gesicht, dachte sie benommen, während sie langsam wieder das volle Bewusstsein erlangte. Markant, wie aus Stein gemeißelt. In die tief liegenden grauen Augen hatte sie sich auf Anhieb verliebt, als er sie das erste Mal anlächelte. Und dieser sinnliche Mund. Was waren das für Küsse gewesen, bevor … bevor …

Der Nebel in ihrem Kopf löste sich auf. Unmöglich, er konnte nicht hier sein.

Aber er war es. Er lächelte nicht, doch das war auch nicht zu erwarten. Nicht mehr. Sie erinnerte sich kaum an Zeiten, in denen nicht diese Verzweiflung in seinen Augen gelegen hatte.

Trotzdem war irgendetwas anders. Er sah sie voller Besorgnis an – so als wäre er dazu noch fähig.

Dabei hatte sie sich um ihn Sorgen gemacht. Ihn verzweifelt geliebt.

Und ihn verloren.

Wie durch ein Wunder war er hier. Behutsam hatte er sie an den Schultern gepackt, als wollte er sie dazu bringen, ihn anzusehen. Deutlich fühlte sie seine Wärme. Seine Stärke.

Stärke?

„Corey“, flüsterte sie. Seine Miene blieb unverändert.

„Alles in Ordnung? Oder haben Sie beim Atmen Schmerzen?“

Es war nicht Corey. Seine Stimme klang anders. Viel tiefer.

Wer trieb solche grausamen Scherze mit ihr?

„Lass mich“, murmelte sie. „Mir geht es gut, Corey. Mir geht es immer gut.“

Hinter ihr rief jemand etwas. Eine andere Stimme, die sie nicht kannte. Laut, männlich und angsterfüllt.

„Kommen Sie schnell, Doc!“

Corey, ihr Corey, legte ihr die Hand auf die Stirn und strich ihr die Locken aus dem Gesicht.

„Bleiben Sie ruhig liegen“, sagte er. „Hilfe ist unterwegs.“

Sicher, dachte sie.

Es war ein Albtraum, eine Katastrophe, wie jeder Arzt sie fürchtete.

Dr. Devlin O’Halloran trat einen Schritt von der Frau zurück, die er kurz untersucht hatte. Sie war benommen, aber sie atmete normal. Mehr hatte er auch nicht überprüfen können. Alles andere musste warten.

Die Verletzten mussten der Reihe nach behandelt werden. Er hatte Prioritäten zu setzen. Leider gab es außer ihm hier keinen Arzt. Bei einem solchen Unfall hätte er mehr als nur ein paar Kollegen gebrauchen können.

Der Karington-Nationalpark, paradiesisch im australischen Queensland gelegen, galt als einer der schönsten der Welt. Der Regenwald grenzte ans Meer, und die grandiose Landschaft zog immer wieder Touristen an. Aber gegen Ende der Regenzeit waren die unbefestigten Seitenstreifen durchweicht, wodurch die Straßen an den steilen Kliffs besonders gefährlich waren. Der Holztransporter war mit zu hoher Geschwindigkeit in die Kurve gefahren und gegen einen voll besetzten Schulbus geprallt. Zu allem Unglück war auch eine Schwangere in ihrem Kleinwagen in den Unfall verwickelt worden.

Ein Lkw hätte diese Strecke gar nicht benutzen dürfen, dachte Devlin zornig.

So wie es aussah, hatte der Lastwagenfahrer vergeblich versucht, dem Bus auszuweichen, ihn dann vorn erwischt, bevor er mit seinem Transporter gegen den Hang geprallt war. Die ungenügend gesicherten Baumstämme waren von der Ladefläche gerollt, gegen den Bus gekracht und hatten ihn Richtung Straßenrand geschoben.

Dort ging es zehn Meter steil bergab. Am Fuß der Klippe brandete das Meer gegen scharfkantige Felsen.

Jetzt lag der Schulbus auf der Seite, direkt am Abgrund, und Devlin konnte nicht beurteilen, ob er nicht doch noch weiterrutschen und in die Tiefe stürzen würde.

Welch ein Chaos!

Wie sollte er allein damit fertig werden?

Als der Anruf ihn erreichte, hatte Devlin gerade einen Hausbesuch erledigt. Eine Notrufeinrichtung im Bus war direkt mit seinem Handy verbunden, da eins der Kinder schwer asthmakrank war. Jake, der Fahrer, hatte den Knopf gedrückt und gebrüllt, dass Devlin gebraucht würde. Danach riss die Verbindung ab. Devlin wendete seinen Wagen und fuhr die Schulbusroute ab, fluchend, weil Jake ihn im Ungewissen ließ. Anscheinend hatte der Junge einen Anfall erlitten.

Nachdem er die Unglücksstelle erreicht hatte, glaubte Devlin seinen Augen nicht zu trauen.

Apathisch saß der Lastwagenfahrer am Straßenrand. Offensichtlich stand er unter Schock. Fassungslos starrte Jake nur auf den Bus.

Kinder kletterten aus dem geborstenen Heckfenster. Irgendjemand schien ihnen von drinnen dabei zu helfen.

„Jake, packen Sie mit an!“, herrschte Devlin den Fahrer an. „Ich will, dass alle den Bus verlassen – auf der Stelle!“

Es waren ungefähr ein Dutzend Kinder, die dicht gedrängt beieinanderstanden. Einige weinten, andere sahen blass und mit großen Augen auf den Bus.

Es mussten noch mehr da drin sein. Wenn das Gefährt nun die Klippen hinabstürzte …

Devlin rannte zum Fenster, hob weitere Kinder heraus, stellte sie ab und schätzte dabei rasch ihren Zustand ein. Sie hatten Prellungen, bluteten und wimmerten vor sich hin, aber zum Trösten war keine Zeit. Da er förmlich über die junge Frau gefallen war, hatte er sie rasch untersucht. Aber jetzt mussten die Kinder herausgeholt werden.

Die größeren waren schon draußen, aber nun wurden ihm die kleineren angereicht. Vom Lehrer?

„Los, komm, du schaffst es!“

Ja, es war Colin Jeffries Stimme.

„Ich glaube … ich habe alle draußen, denen ich helfen konnte“, rief Colin. „Aber vorn sind noch zwei einklemmt, und ich kann nicht … ich kann nicht … Und Jodie scheint schwer verletzt zu sein.“

„Okay, kommen Sie raus.“

Gleich darauf rutschte Colin ungeschickt rückwärts aus dem Fenster. Sein Anzug war zerrissen und blutbeschmiert. An der Wange hatte er eine klaffende Schnittwunde, während er ein Kind mit sich herauszog.

„Jodie braucht Hilfe“, erklärte er, bevor er das Mädchen auf die Straße setzte, ehe er selbst zu Boden sackte. Aus Jodies Schulterwunde strömte Blut. Devlin presste die Hand darauf, um die Blutung zu stoppen.

Aber da waren auch die vielen Kinder, die um ihn herumstanden und Trost und Hilfe von ihm erwarteten.

„Jake?“

Er antwortete nicht. Auch der Lastwagenfahrer starrte noch immer regungslos auf den umgestürzten Bus.

Devlin blieb keine Zeit, ihn aus seiner Schockstarre zu schütteln.

Er war ganz auf sich allein gestellt. Während er versuchte, Jodies Blutung zu stillen, wandte er sich mit erhobener Stimme an die Kinder. Die meisten von ihnen waren seine Patienten. Er praktizierte seit drei Jahren in der Stadt und kannte sie von klein auf an.

„Katy und Marty, ihr seid die Ältesten – sammelt alle anderen Kinder ein und setzt euch mit ihnen weit genug vom Bus entfernt hin. Aber zuerst läufst du zu meinem Wagen, Marty, und holst mir die Tasche vom Rücksitz, ja?“

Er konnte sich nicht darum kümmern, ob die Kinder gehorchten. Jetzt ging es um Jodie McKechnie. Das zehnjährige, sehr zarte Mädchen befand sich in einer lebensbedrohlichen Lage.

Hellrotes Blut strömte aus der Schulterwunde. Vermutlich war eine Arterie gerissen.

„Jake, mein Handy!“ Er deutete auf seinen Gürtel, aber der Busfahrer starrte ihn verständnislos an. „Jake, nehmen Sie mein Handy, verdammt noch mal!“, fuhr Devlin ihn an.

Jake bewegte sich wie in Trance.

„Rufen Sie das Krankenhaus an! Jede verfügbare Person soll sich auf den Weg hierher machen! Und danach kümmern Sie sich um die Kinder. Colin sagt, es sind noch welche drinnen. Sie müssen sie herausholen. Und zwar so schnell wie möglich.“

Verdammt, er war dabei, Jodie zu verlieren. Er musste die Blutung zum Stillstand bringen.

Wenn er es nicht in den nächsten Minuten schaffte, würde sie sterben.

Plötzlich tauchte Marty mit der Arztasche in der Hand neben ihm auf. Er hatte sie bereits geöffnet. Was für ein großartiger Junge!

„So, und nun hilf Katy“, befahl er ihm.

Er musste sich darauf konzentrieren, Jodies Leben zu retten. Nur darauf. Es lag allein in seiner Hand.

Langsam hob Emma den Kopf. Was um alles in der Welt war geschehen?

Wo war sie?

Fassungslos schaute sie sich um. Sie richtete sich vorsichtig auf, während sie sich wünschte, der Nebel in ihrem Kopf möge sich lichten. Was war nur geschehen?

Es hatte einen Unfall gegeben. Ja, das musste es sein.

An Details konnte sie sich jedoch nicht erinnern. Sie wusste nur noch, wie sie auf der Straße gelegen hatte und nicht glauben mochte, dass sie noch am Leben war.

Bis sie die Stimme gehört und dann das Gesicht über ihr gesehen hatte. Beides versetzte sie an einen anderen Ort, in eine andere Zeit.

Aber Corey war tot.

Nein. Er war nicht tot. Er war hier.

Vielleicht war sie tot.

Nein, rief sie stumm, während sie verzweifelt versuchte, sich an die Fakten zu klammern.

Corey war tot. Sie aber lebte.

Irgendjemand erteilte mit barscher Stimme Befehle. Der Mann, den sie für Corey gehalten hatte?

Ein Kind weinte. Es war ein erbärmliches Schluchzen, das ihr das Herz zerriss. Irgendwo in der Nähe gab es ein verängstigtes Kind. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich.

Vorsichtig betastete sie ihren Kopf. Als sie die schmerzende Stelle berührte, zuckte sie zusammen. Sie musste einen Schlag an den Kopf bekommen haben und für kurze Zeit bewusstlos gewesen sein. Aber ansonsten war sie okay. Es ging ihr gut.

Sie bewegte den Kopf leicht hin und her. Ihr wurde ein wenig schwindlig. Na schön, es ging ihr einigermaßen gut.

Mein Baby! Angstvoll presste sie die Hand auf ihren gewölbten Bauch. Als hätte das Ungeborene sie verstanden, spürte sie plötzlich eine Bewegung. Es war ein kräftiger Tritt, bei dem sie ein Gefühl von Erleichterung durchströmte.

Emma richtete sich über die Seite auf, bis sie kniete. Ihre Beine waren wie aus Gummi. Sie musste sich an ihrem Wagen abstützen, um aufzustehen.

Das Auto war nur noch ein Schrotthaufen. Ein Wunder, dass sie überlebt hatte!

Das Kind schluchzte noch immer zum Steinerweichen. Was hatte der Professor am Kinderkrankenhaus noch gesagt? Wenn ein Kind kreischend durch die Eingangstür kommt, kann man es normalerweise zuletzt behandeln. Wichtiger sind in der Regel die, die nicht zu hören sind. Die Stillen sollte man sich zuerst ansehen.

Als sie sich umblickte, war sie entsetzt. Überall lagen Baumstämme, mindestens einen halben Meter dick und mehrere Meter lang.

Ein Mann saß am Straßenrand und würgte.

Ein anderer mit kreideweißem Gesicht und zerrissenem Hemd tippte hektisch ein paar Ziffern in sein Handy.

Ein dritter hockte am Lastwagen und hielt sich den Kopf. Seine Hände waren blutbeschmiert.

Und dann waren da noch die Kinder.

Eins von ihnen lag auf der Straße. Ein vierter Mann beugte sich über den leblosen Körper. Neben ihm stand eine offene Arzttasche. Emma konnte sehen, dass er sich bemühte, Aderklemmen anzubringen.

Er sieht Corey so unglaublich ähnlich, dachte sie. Wieder verspürte sie Benommenheit. Wenn es Corey wäre, dann musste er Arzt sein, und das würde erklären …

Aber er war nicht Corey, sondern ein unbekannter Arzt, der verzweifelt um ein junges Leben kämpfte.

Sie konnte helfen. Sie machte einen Schritt auf ihn zu, blieb stehen, doch dann siegte ihr ärztliches Pflichtgefühl.

Nein, es ging nicht nur um dieses Kind. Sie musste Prioritäten setzen.

Irgendwie gelang es ihr, ihre Aufmerksamkeit vom Arzt und seiner kleinen Patientin loszureißen.

Der Mann mit der Kopfwunde sah aus, als hätte er ernsthafte Probleme. Er saß am Bus, als wäre er dort zusammengesackt.

Vielleicht sollte sie ihn zuerst versorgen.

Aber seine Verletzung wirkte nicht lebensbedrohlich.

Wichtig war, sich ein Bild von der Gesamtsituation zu machen.

Die Kinder waren alle auf den Beinen. Es gab zwar eine Menge Blut zu sehen, aber es schienen nur leichte Verletzungen zu sein. Einige Kinder hielten sich den Arm fest. Wahrscheinlich Brüche oder Schnittwunden.

Rasch überflog sie noch einmal die Gruppe. Es war niemand dabei, der zuerst ihre Hilfe brauchte. Damit blieben ihr zwei Möglichkeiten. Entweder kümmerte sie sich um den Mann mit der Kopfverletzung, oder sie half dem Arzt bei der Versorgung der Kleinen.

Ihr Blick fiel auf den Bus, der gefährlich nah am Abgrund lag. So wie es aussah, könnte er jeden Augenblick abstürzen.

War er leer? Wahrscheinlich.

Aber konnte sie sicher sein?

Sie zwang sich, auf den Mann mit dem Handy zuzugehen, auch wenn ihr dabei die Knie zitterten. Offensichtlich versuchte er immer noch, irgendwo anzurufen.

„Ist der Bus leer?“, fragte sie ihn.

Er drehte sich um und starrte sie an, als hätte er sie nicht verstanden. Wortlos kehrte er ihr halb den Rücken zu und machte weiter.

Offenbar schaffte er es nicht, die richtigen Tasten zu drücken. Seine Finger zitterten heftig.

Wahrscheinlich stand er unter Schock.

Wen wollte er anrufen? Den Rettungsdienst? Für behutsame Fragen war keine Zeit. Emma holte tief Luft, bevor sie ihm das Handy aus der Hand nahm.

„Sind alle aus dem Bus heraus?“, verlangte sie zu wissen.

„N…nein …“, flüsterte er. „Ich kann nicht … ich weiß nicht.“

Emma trat einen Schritt zurück und wählte die Notrufnummer. „Auf der Küstenstraße wenige Meilen nördlich von Karington ist ein Schulbus mit einem Holzlaster zusammengestoßen. Er droht in den Abgrund zu stürzen“, erklärte sie möglichst ruhig. „Schicken Sie sofort Rettungswagen, Ärzte und Polizei, dazu schweres Bergungsgerät, um den Bus zu sichern. Es können noch Kinder darin eingeschlossen sein. Wir brauchen hier umgehend Hilfe!“

Sie gab ihm das Handy zurück und zwang sich, zum Bus zu gehen. Ihre Beine wollten sie kaum tragen.

Der Mann im Anzug hielt sich noch immer den Kopf. Aus einer klaffenden Stirnwunde sickerte Blut. Emma kniete sich vor ihn hin und zog sich die Jacke aus.

„Waren Sie im Bus?“, fragte sie. „Sie müssen sich jetzt hinlegen.“ Sie drückte ihn zu Boden. „Haben es alle hinausgeschafft?“

Er stöhnte. „Ich glaube, zwei sind noch drin. Ich … konnte nicht an sie herankommen …“

Seine Stimme schwankte. Blutverlust plus Schock, dachte Emma. Er war kurz davor, bewusstlos zu werden.

„Bleiben Sie still liegen“, befahl sie, presste die zusammengefaltete Jacke auf die Wunde, während sie sich suchend umschaute.

Mit den beiden Fahrern war nichts anzufangen. Sonst waren nur die Kinder da.

Sie führte seine Hände zu der provisorischen Kompresse. „Drücken Sie so kräftig darauf, wie Sie können, und lassen Sie nicht los.“

Emma richtete sich auf. Plötzlich stand ein Kind neben ihr, ein Mädchen, das ihr höchstens bis zur Schulter reichte. Es war dünn, hatte Zöpfe und trug eine Brille mit dicken Gläsern. Sie schätzte es auf elf, zwölf Jahre.

„Was sollen wir tun?“

Emma hätte sie küssen können. „Wie heißt du?“

„Katy.“

„Katy, du bist großartig“, lobte sie. „Ich brauche jemand, der hier das Kommando übernimmt. Bring die Großen dazu, sich um die Kleinen zu kümmern. Sag ihnen, sie sollen sie trösten und ein wenig streicheln, wenn sie Schmerzen haben, damit sie sich beruhigen. Wenn ich noch mehr Kinder im Bus finde, schicke ich sie zu dir, okay?“

„Ja. Marty und ich machen das schon“, sagte Katy. „Soll auch jemand Mr. Jeffries helfen?“

Wenn Emma eine Medaille dabeigehabt hätte, sie hätte sie Katy auf der Stelle an die Brust geheftet.

„Ja“, erwiderte sie.

„Ich rufe Chrissy Martin, dass sie das übernehmen soll“, versprach Katy. „Sie will nämlich Ärztin werden und fällt nicht gleich um, wenn sie Blut sieht.“

„Sind alle Kinder aus dem Bus?“

„Zwei sind noch drin. Kyle Connor und Suzy Larkin. Ich wollte gerade hingehen und nach ihnen sehen.“ Besorgt schaute sie hinüber. „Ist es auch nicht gefährlich, da reinzukrabbeln?“

„Das werde ich tun.“ Emma musste sich zwingen, nicht so mutlos zu klingen, wie sie sich fühlte. „Du hast andere Dinge zu erledigen.“

Kyle und Suzy. Zwei Kinder, die noch im Bus lagen.

Wenn er nun über die Klippe rutschte? Wie könnte man ihn sichern?

Vorerst gar nicht.

Ein Blick zu den anderen Erwachsenen zeigte ihr, dass von ihnen keine Hilfe zu erwarten war.

Auch nicht vom Arzt.

Emma schluckte, bevor sie zum Bus ging, sich am Fensterrahmen festhielt und mühsam hochzog.

Überall lagen Glasscherben, verdrehte Metallstreben und aus der Verankerung gerissene Sitze, dazwischen Schulranzen, Bücher und Hefte …

„Ist da jemand?“, rief sie, während sie ihre Bestürzung unter Kontrolle zu halten versuchte.

Keine Antwort.

Vielleicht hatte Katy sich geirrt. Emma hoffte es inständig.

Sie biss sich auf die Lippen und kletterte in den Bus. Ihr sträubten sich die Nackenhärchen bei der Vorstellung, dass sie zehn Meter über dem Abgrund hing. Rasch verdrängte sie den Gedanken.

Langsam arbeitete sie sich durch die Sitzreihen voran und suchte …

Gott sei Dank hatte sie vernünftige Kleidung an. Jeans, Windjacke und Sneakers schützten sie einigermaßen vor den Glasscherben. In Sommerkleid und Sandalen würde jetzt schon Blut fließen …

Wo waren bloß die Kinder?

Katy hatte gesagt, zwei wären noch drinnen. Und sie machte einen vernünftigen Eindruck.

Da entdeckte sie das erste Kind.

Beinahe hätte sie es übersehen. Einer der Baumstämme hatte die Scheibe durchstoßen und das Kind gegen die andere Busseite gedrückt. Als der Bus umkippte, musste der Stamm zurückgerollt sein, aber der Junge lag immer noch an derselben Stelle.

Er muss sofort tot gewesen sein, dachte Emma entsetzt. Ein kleiner Junge, sieben oder acht, mit kupferrotem Haar …

Sie musste schlucken, und dann liefen ihr die Tränen übers Gesicht.

„Kyle“, flüsterte sie und berührte sanft das Gesicht des Jungen, das beinahe unverletzt war. Aber der Rest … Sie suchte nach einem Puls, doch es war sinnlos.

Ärzte sollten Tod und Verlust gewohnt sein.

Nein, an so etwas gewöhnte man sich nie.

Zwei Kinder. Katy hatte von zwei Kindern gesprochen. Sie wischte sich die Tränen ab und suchte weiter.

War das andere Kind vielleicht hinausgeschleudert worden?

„Suzy?“

Nichts.

Doch dann hörte sie ein Keuchen. Leise nur, rasselnd, aber es war ein Lebenszeichen.

Emma wagte sich weiter vor in die Richtung, aus der das Geräusch kam.

Schließlich fand sie das Mädchen und erstarrte.

Irgendetwas musste Suzy am Kopf getroffen haben. Gesicht und Hals waren monströs geschwollen. Angsterfüllte Augen starrten Emma Hilfe suchend an. Eingeklemmt zwischen zwei Sitzen, konnte das Mädchen nicht um Hilfe rufen.

Lange würde es nicht mehr durchhalten.

„Schon gut, Suzy, alles wird gut“, beruhigte Emma die Kleine und nahm ihre Hände. „Ich bin Ärztin. Ich bin hier, um dir beim Atmen zu helfen.“

Das Kind starrte sie mit wildem Blick an, in seinen Augen spiegelte sich der Horror, den Emma empfand.

Und dann, als hätte sie lange genug durchgehalten, rang Suzy ein letztes Mal verzweifelt nach Luft und wurde ohnmächtig.

Nein!

Bewusstlosigkeit bedeutet Tod, dachte Emma verzweifelt. Sie schob einen Finger in den Mund des kleinen Mädchens und suchte nach einem losen Zahn oder etwas anderem, das die Luftröhre versperrte. Doch was sie fühlte, ließ sie die Hand frustriert zurückziehen. Die Verletzung war schwerwiegend. Das Kind konnte nicht mehr durch den Mund oder die Nase atmen.

Was nun?

Der Arzt draußen hatte eine Arzttasche dabei. Er hätte auch ein Skalpell und einen Tubus …

Leider würde es zu lange dauern. Bis dahin würde ihr das Kind unter den Händen wegsterben.

Ihr blieben nur noch Sekunden.

Suzy atmete rasselnd, pfeifend, und ihr Körper zuckte, während sie nach Luft rang.

Verzweifelt schaute Emma sich um. Sie musste etwas tun!

Eine Federmappe …

Sie riss den Reißverschluss so heftig auf, dass die Naht platzte.

Ein Bleistiftanspitzer. Ein Kugelschreiber.

Sie fischte beides heraus.

Mit dem Fingernagel gelang es ihr, die winzige Schraube des Anspitzers zu lösen, und gleich darauf hielt sie die schmale Klinge in der Hand.

Hoffentlich war sie scharf genug.

Sie durfte nicht lange überlegen. Jetzt oder nie. Suzys Zeit lief ab.

Los.

Innerhalb weniger Sekunden war es getan. Der gröbste, fürchterlichste Luftröhrenschnitt, den Emma je gesehen, geschweige denn ausgeführt hatte.

Mit einem Bleistiftanspitzer Haut und Luftröhre zu durchschneiden und dann eine angekaute, tintenbefleckte Kugelschreiberhülse als Tubus einzuführen – eigentlich unmöglich.

Aber wie durch ein Wunder gelang es. Sekunden danach atmete Suzy durch die dünne Kunststoffröhre.

Allmählich hörte das schreckliche Keuchen auf.

Für einen Moment entspannte Emma sich. Sie hatte es geschafft.

Doch plötzlich bewegte sich der Bus und ruckte kurz.

Sie würden in den Abgrund stürzen. Was für ein Jammer nach dieser chirurgischen Meisterleistung, war ihr erster Gedanke.

Suzy hatte eine Chance, am Leben zu bleiben. Sie durften nicht abstürzen, jetzt nicht mehr!

Trotzdem blieb ihr nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben und den behelfsmäßigen Tubus genau in derselben Position zu halten. Sonst würde Suzy keine Luft mehr bekommen und sterben.

Da flatterten die Augen des kleinen Mädchens und öffneten sich. Emma legte ihr rasch die Hand auf die Stirn, damit sie ruhig liegen blieb.

„Suzy, es ist alles in Ordnung. Du darfst dich aber auf keinen Fall bewegen“, sagte sie sanft. „Wir beide sitzen hier im Bus fest, bis jemand kommt und uns herausholt. Aber ich habe dir noch gar nicht gesagt, wer ich bin. Ich heiße Emma O’Halloran und bin Ärztin aus England. Ich bin nach Australien gekommen, um die Familie meines Babys kennenzulernen. Sie wissen noch nicht, dass es mich gibt. Meinst du, sie werden sich freuen, wenn sie von meinen Baby erfahren?“

Zuerst waren die Sirenen nur schwach zu hören, aber sie kamen schnell näher. Schließlich waren sie so laut, dass man meinen könnte, sämtliche Rettungsdienste des Bezirks seien auf dem Weg hierher.

Devlin hatte Jodies Blutung endlich stillen können. Jetzt machte er sich daran, einen intravenösen Zugang zu legen. Da sie sehr viel Blut verloren hatte, drohte Jodie ein Herzstillstand, wenn der Flüssigkeitsverlust nicht ausgeglichen wurde.

Er hatte seine Jacke ausgezogen und das Mädchen damit zugedeckt. Nun schloss er den Beutel mit Kochsalzlösung und Blutplasma an und stellte die Tropfgeschwindigkeit auf Maximum. Gott sei Dank hatte er diese Beutel immer im Wagen. Ansonsten waren seine Mittel beschränkt, weshalb er unbeschreiblich erleichtert war, als die Sanitäter kamen.

Zuerst erreichte der lokale Krankenwagen die Unfallstelle. Helen und Don sprangen heraus und rannten auf ihn zu.

Keiner hielt sich lange mit Begrüßungen auf.

„Ich brauche noch mehr Plasma“, erklärte Devlin knapp. „Unsere kleine Patientin muss warm gehalten werden. Haben Sie Decken im Wagen?“

Helen warf einen Blick auf Jodie und nickte.

„Ja. Aber so wie es aussieht, haben Sie bereits entscheidende Hilfe geleistet.“ Sie kniete sich neben Jodie, setzte ihr das Stethoskop auf die Brust und horchte. Devlin hatte keine Zeit dazu gehabt. „Das Herz schlägt regelmäßig“, verkündete sie zufrieden. „Don, kannst du hier übernehmen? Devlin, was gibt es sonst noch?“

„Der Bus …“, setzte er an, unterbrach sich aber, da das Fahrzeug erzitterte, als würde es sich in Bewegung setzen – weiter auf den Abgrund zu.

Helen sprang auf und wollte losmarschieren, aber Devlin hielt sie zurück.

„Ich glaube, es sind alle draußen.“

„Nein, sind sie nicht.“

Alle sahen zu Katy hinüber. Sie hockte neben dem Lehrer am Straßenrand, presste eine Jacke auf seine Kopfwunde und sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen.

„Die schwangere Frau ist im Bus!“, rief sie. „Ich hab ihr gesagt, dass Kyle und Suzy noch drin sind, und da ist sie reingekrochen. Und sie ist noch nicht wieder rausgekommen.“

„Die schwangere Frau?“

Devlin schaute zu dem zerbeulten Kleinwagen hinüber. Sie war verschwunden.

Dabei hatte er ihr gesagt, sie solle ruhig liegen bleiben, weil er nicht ausschließen konnte, dass sie ernsthaft verletzt war.

Aber das war nur ein flüchtiger Eindruck gewesen. Er erinnerte sich an große grüne Augen in einem bleichen Gesicht, an ihre dunklen Locken, die sie im Nacken zusammengebunden hatte, und an das Blut auf ihrer Stirn. Sie war noch jung.

Und schwanger, hochschwanger.

„Sie ist im Bus?“, fragte er verblüfft.

„Ja.“ Katy kämpfte tapfer gegen ihre Tränen. „Ich wollte Kyle und Suzy suchen, aber sie hat gesagt, ich soll mich um Mr. Jeffries und die Kleinen kümmern. Aber … sie ist immer noch nicht wieder herausgekommen. Wird der Bus abstürzen?“

Und dann liefen ihr die Tränen über die Wangen.

2. KAPITEL

„Ist da noch jemand?“

Das Echo hallte durch den zerschmetterten Bus. Für Emma waren diese vier Worte das Schönste, was sie seit Langem vernommen hatte.

Sie hatte die Sirenen näher kommen hören, lauschte auf die Geräusche stoppender Wagen, Gesprächsfetzen, Kinderweinen. Und dann erklang die Stimme des Mannes, den sie für Corey gehalten hatte.

Aber er war es nicht.

„Sie sind da“, sagte sie zu Suzy.

Suzy konnte nicht antworten. Wie auch. Aber das kleine Mädchen war unglaublich tapfer, befolgte jede Anweisung genau und lag absolut still da. Unentwegt blickte sie in Emmas Augen, und Emma wusste, wie wichtig dieser Kontakt war. Lebenswichtig.

Und nun sah es so aus, als könne das Leben gewinnen …

„Wir sind hier! Suzy und ich, wir warten auf Rettung.“

„Ist Kyle auch bei Ihnen?“

„Kyle ist tot“, erwiderte sie knapp. „Er muss sofort gestorben sein.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen, bevor zögernd die nächste Frage folgte: „Geht es Suzy gut?“

„Einigermaßen, aber sie braucht dringend Hilfe. Ich musste einen Luftröhrenschnitt vornehmen und halte jetzt die Kugelschreiberhülse, durch die sie atmet. Wir können uns nicht rühren.“

Diesmal folgte ein längeres Schweigen.

„Sie haben einen Luftröhrenschnitt durchgeführt?“

„Ja. Sie hat im Kopf- und Halsbereich starke Schwellungen. Aber es wird ihr besser gehen, sobald Sie uns hier herausgeholt haben.“

„Wer zum Teufel sind Sie?“

„Emma.“ Soll ich ihm erst meine Zulassung zeigen? dachte sie verärgert.

„Sind Sie denn die schwangere Frau, die den Kia gefahren hat?“

„Ja.“ Sie lächelte Suzy an und versuchte einen lockeren Ton anzuschlagen. „Also, ich, mein dicker Bauch und Suzy sind hier. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns so schnell wie möglich herausholen. Bitte.“

„Wir tun unser Bestes.“ Draußen begann eine aufgeregte Unterhaltung, aber sie konnte nichts weiter verstehen.

„Miss?“ Eine andere Männerstimme ertönte.

„Ja?“

„Ich bin Greg Nunn von der Feuerwehr.“

Das waren gute Neuigkeiten.

„Wir können nicht in den Bus hinein“, fuhr Greg fort. „Das kann niemand, bis das Fahrzeug gesichert ist. Seine Lage ist nicht allzu stabil.“

Ihr Lächeln verblasste. „Das wissen wir. Was unternehmen Sie dagegen?“

„Können Sie das Mädchen herausheben?“

„Ich habe doch erklärt, dass es nicht geht.“

„Können Sie denn herauskommen?“

Machte der Mann Witze?

„Nein!“

„Wenn sie nach einem Luftröhrenschnitt einen Tubus festhält, geht das nicht“, mischte sich die erste Stimme ein. Der Arzt?

„Wer sind Sie?“, rief sie.

„Ich bin Devlin O’Halloran. Dr. O’Halloran.“

Emma erstarrte. Ihr wurde schwindlig, und einen schrecklichen Moment lang glaubte sie, dass sie wieder ohnmächtig werden würde.

Corey. Devlin. Natürlich.

„Ich kann nicht hereinkommen“, fuhr er mit angespannter Stimme fort. „Der Bus darf nicht weiter belastet werden. Aber wir sind dabei, ihn zu sichern.“

„Das ist gut“, brachte sie hervor.

„Ist wirklich alles in Ordnung?“ Anscheinend hatte er gehört, dass ihre Stimme bebte. „Verdammt, ich gehe jetzt doch hinein.“

„Dann kippen Sie und alle anderen mit dem Bus in den Abgrund“, hörte sie jemanden sagen. „Seien Sie vernünftig, Doc. Wir arbeiten so gut und schnell wir können.“

Entschlossen verscheuchte Emma jeden Gedanken, der mit den O’Hallorans zusammenhing, und lächelte Suzy an. Es war jetzt wichtiger, ihr das Gefühl zu geben, dass sie es schaffen konnten.

„Was machen Sie jetzt?“, rief sie.

Irgendwie kam ihr alles so unwirklich vor. Es war ein ganz normaler Tag. Durch die zerschmetterten Fenster fiel Sonnenlicht herein, und noch vor einer Viertelstunde war es ein herrlicher Morgen gewesen …

„Wir befestigen Stahlseile am Bus, um ihn zu stabilisieren.“

„Gute Idee.“

„Leider sind sie nicht lang genug, um sie an den Bäumen zu befestigen, die etwas weiter weg stehen. Wir haben schon jemanden in die Stadt geschickt, um passende zu besorgen.“

„Bis dahin ist der Bus über ein starkes Tau mit dem Feuerwehrfahrzeug verbunden“, rief ein anderer. „Das sollte vorerst reichen.“

„Aber nicht sicher genug, dass der Doc auch noch in den Bus kriechen kann“, erklärte ein dritter Mann. „Der Straßenrand ist aufgeweicht.“

„Legen Sie einen Zahn zu“, erwiderte sie schwach. „Suzy und mir gehen die Gesprächsthemen aus.“

Es dauerte eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde, in der Suzys Hals weiter anschwoll und es Emma immer schwerer fiel, die Kugelschreiberhülse in der richtigen Stellung zu halten. Einige Male setzte Suzys Atmung sogar kurz aus. Sie lag apathisch da und starrte Emma an, als wäre sie die letzte Verbindung zum Leben. Was auch stimmt, dachte Emma, während kostbare Minuten verstrichen.

Endlich wurden die Stahlseile gebracht. Sie hörte Befehle und Geräusche.

Und dann …

„Der Bus ist gesichert. Wir kommen jetzt hinein …“

„Warten Sie nicht auf eine Einladung!“ Ihre Stimme zitterte. „Kommen Sie. Und bringen Sie Morphin mit.“

Es waren zwei. Der Arzt und eine Frau in mittleren Jahren in einem Khakioverall mit Rotkreuzabzeichen.

Emma legte den Arm um Suzy und sah aus dem Augenwinkel, wie sie sich heranarbeiteten.

„Sie sind gleich da, Suzy“, flüsterte sie. „Dr. O’Halloran und eine Frau vom Rettungsdienst.“

Dann sah sie ihn. Er war ein großer, breitschultriger Mann in Jeans und Pullover und trug lederne Arbeitshandschuhe. Sein dunkles Haar war leicht gewellt und fiel ihm in die Stirn, und er sah aus wie …

Rasch verscheuchte sie den Gedanken.

„Ich nehme an, das ist euer Arzt“, wandte sie sich an Suzy. „Kennst du ihn?“

Aber Suzys Augen blickten leer. Schock, Schmerz und der Blutverlust waren zu viel gewesen.

„Wir brauchen Kochsalzlösung und Morphin“, sagte Emma.

„Wir haben alles Nötige dabei“, erwiderte er und wandte sich mit einem Blick auf Kyle an die Frau. „Da ist nichts mehr zu machen, Helen.“ Er kroch vorsichtig weiter.

Helen blieb bei dem toten Jungen. „Ich werde eine Trage für ihn holen“, sagte sie, sichtlich betroffen. „Oder brauchen Sie mich noch?“

„Gehen Sie nur“, meinte Devlin grimmig.

Als er Emma und Suzy erreicht hatte, fiel sein Blick sofort auf den provisorischen Luftröhrenschnitt.

„Was zum Teufel …?“

„Stellen Sie keine Fragen.“ Erneut kämpfte Emma gegen eine drohende Ohnmacht an. „Sie braucht Morphin und muss an den Tropf – und zwar sofort!“

„Aber …“

Für Diskussionen war keine Zeit. „Der Atemweg ist gesichert. Fürs Erste jedenfalls, aber wir müssen uns beeilen.“

Überrascht schwieg er.

„Ja, Ma’am“, sagte er schließlich, bevor er mit einem weiteren ungläubigen Blick auf Emma seine Arzttasche öffnete.

„Es wird ein paar Minuten dauern, bis wir Suzy transportfähig haben“, meinte er zu Helen. „Gehen Sie und lassen Sie Kyle herausholen. Ich komme hier auch allein zurecht. Oder besser gesagt, wir kommen zurecht.“

Es war furchtbar eng. Überall lagen Glasscherben und umgestürzte Sitze. Emma hatte sich, so gut es ging, neben Suzy gequetscht, um ihren Kopf zu stützen.

„Ich kann mich nicht bewegen“, murmelte sie, und er nickte.

„Das dürfen Sie auch nicht.“ Er lächelte Suzy an. Es war ein warmes Lächeln, das Emma beinahe beruhigte. Aber nur beinahe. „Liegt ihr beide nur still, während ich meine Arbeit mache“, sagte er. „Suzy, ich gebe dir jetzt etwas gegen die Schmerzen“, erklärte er, obwohl er nicht wusste, ob sie ihn überhaupt hörte. „Dann lege ich dir eine kleine Kanüle in den Arm, um den Blutverlust auszugleichen. Und sobald deine Schmerzen nachgelassen haben, bringen wir dich hier heraus. Deine Mum und dein Dad warten schon auf dich.“

Natürlich würden sie warten. Alle anderen Kinder waren sicher längst wieder bei ihren überglücklichen Eltern.

Außer Kyle.

Wieder stieg eine Welle der Übelkeit in ihr auf, und sie ahnte, dass sie kurz vor dem Zusammenbruch stand. Bis eben hatte der Adrenalinschub sie aufrecht gehalten. Nun war Devlin da und …

„Jetzt nicht aufgeben, Emma.“ Als sie seine Stimme hörte, schwand ihre Benommenheit. „Suzy braucht Sie.“

„Ich wollte auch nicht aufgeben“, verteidigte sie sich. „Nur Feiglinge geben auf.“

„Und Sie sind keiner.“

Inzwischen hatte Devlin Morphin aufgezogen, desinfizierte die Stelle an Suzys Arm und injizierte.

„Ich glaube nicht, dass wir hier mit einer Trage manövrieren können“, meinte er dabei mit einem Blick auf das Chaos um sie herum. „Der Kugelschreiber muss absolut stillgehalten werden. Wir werden ihn kaum irgendwie fixieren können.“

„Sicher nicht.“ Und die Hülse herauszuziehen und durch einen richtigen Tubus zu ersetzen, war unter diesen Umständen viel zu riskant.

Nein, sie würde den Kugelschreiber lassen, wo er war, bis Suzy in einem OP versorgt werden konnte.

„Uns bleibt nichts anderes übrig, als sie ganz langsam nach draußen zu bringen“, schlug er vor, während er den intravenösen Zugang legte. „Wenn ich sie anhebe, schaffen Sie es, mitzukommen?“

„Ja.“

Er schaute sie an. „Nach dem Unfall waren Sie bewusstlos“, sagte er besorgt. „Sie sollten nicht hier sein.“

„Das bin ich aber. Also bringen wir’s hinter uns.“

„Ich kann Helen bitten, mir zu helfen.“

„Das geht nicht.“

„Warum nicht?“

„Ich habe einige Zeit gebraucht, um herauszufinden, in welcher Position ich dies Ding hier halten muss.“ Sie deutete mit den Augen auf den Kugelschreiber. „Wenn ich auch nur einen Hauch davon abweiche, bekommt sie keine Luft mehr.“

Devlin musterte sie und nickte dann. Sie hatten keine andere Wahl.

Hinter ihnen ertönte ein Schaben und das Knirschen von Glas.

Kyle wurde hinausgebracht.

„Braucht ihr Hilfe?“ Helen klang bedrückt.

„Wir müssen es allein machen“, erwiderte Devlin. „Räumen Sie uns nur den Weg frei, und drücken Sie uns die Daumen.“

Vorsichtig hob Devlin das Mädchen dann an und bewegte sich Zentimeter für Zentimeter rückwärts aus dem Bus. Jede Bewegung musste so bemessen sein, dass Emma mithalten konnte. Sie sah völlig erschöpft aus, und er hatte Angst, sie könne jederzeit ohnmächtig werden.

Eigentlich benötigte sie selbst medizinische Betreuung.

Sie musste Ärztin sein. Unter solchen Bedingungen erfolgreich einen Luftröhrenschnitt durchzuführen, grenzte fast an ein Wunder.

Woher kam sie, und warum war sie hier? Aus der Gegend stammte sie nicht, und Touristinnen reisten nicht allein, nicht, wenn sie im sechsten oder siebten Monat schwanger waren.

Hoffentlich hielt sie durch.

Er warf einen Blick auf ihr Gesicht. Es war schneeweiß. In ihrem Zustand hätte sie im Krankenhaus liegen müssen.

Doch dann wäre Suzy jetzt tot.

Vorsichtig rutschte er weiter.

Emma folgte ihm.

Als sie es endlich nach draußen geschafft hatten, bot sich ihnen ein völlig anderes Bild. Die Kinder, der Fahrer und der Lehrer waren fortgebracht worden. Der Bus hing an zwei Stahlseilen, die man an den Bäumen auf der anderen Straßenseite befestigt hatte.

Kyle war noch da. Sein lebloser kleiner Körper lag zugedeckt auf einer Trage, und neben ihm saß ein Feuerwehrmann, als wolle er stumm Wache halten, solange es nötig war.

Wieder stiegen Emma die Tränen in die Augen.

„Nicht“, sagte der Mann neben ihr. Überrascht wandte sie den Kopf.

Wusste er, was in ihr vorging?

„Schon okay“, flüsterte sie mit bebender Stimme.

„Natürlich. Sie sind großartig.“

Neben einer zweiten Trage wartete Helen. Vorsichtig legten sie Suzy darauf.

„Ich übernehme jetzt“, sagte Devlin, aber Emma schüttelte den Kopf.

„Ich halte den Kugelschreiber, bis wir sie in einen gut ausgestatteten OP-Saal gebracht haben. Und zu einem Chirurgen. Bitte sagen Sie mir, dass es in Karington einen gibt.“

„Ja, mich“, sagte er ernst.

Ihre Blicke trafen sich. Er ist Chirurg. Vor Erleichterung wurde ihr wieder schwindlig.

„Hurra“, murmelte sie schwach. „Worauf warten wir noch? Suchen wir Ihnen einen OP und ein Skalpell und etwas, das diesen verdammten Kugelschreiber ersetzen kann.“

Zwanzig Minuten später war es so weit. Devlin O’Halloran war nicht nur Chirurg, sondern besaß offensichtlich hervorragende Kenntnisse und genug Erfahrung, um mit der kniffligen Situation fertig zu werden. Emma hätte es sich nicht zugetraut, einen Tubus zu setzen, wenn der Wundbereich stark angeschwollen und es längst zu massiven Blutungen gekommen war. Ein chirurgischer Albtraum, zumal die Luftröhre eines Kindes viel enger war als die eines Erwachsenen.

Endlich saß der Tubus richtig, und die Kugelschreiberhülse lag auf dem Tablett, nun nicht mehr als ein wertloses Stück Plastik. Endlich konnte Emma vom Operationstisch zurücktreten.

„Geben Sie der Dame einen Stuhl“, befahl Devlin, und eine der Schwestern schob ihr einen unter.

Erschöpft nahm Emma darauf Platz.

Devlin war immer noch damit beschäftigt, Suzys Gesichtsverletzungen zu versorgen, alles Weitere würde ein plastischer Chirurg in Brisbane übernehmen.

Die Gerüche des OPs schlugen ihr auf den Magen, obwohl sie sie hätte gewohnt sein müssen …

„Entschuldigen Sie mich“, sagte sie, bevor sie versuchte aufzustehen.

„Gehen Sie mit ihr, David“, sagte Devlin zu einem Pfleger.

„Danke, aber ich schaffe es allein“, wehrte Emma ab, während sie sich mühsam erhob. Ihre Beine zitterten und fühlten sich wie Pudding an, aber sie schaffte es.

Zehn Minuten später, nachdem sie sich fürchterlich erbrochen hatte, verließ sie die Damentoilette. Sie hatte sich das Gesicht gewaschen und mit kaltem Wasser bespritzt, bis sie wieder einen klaren Kopf hatte.

Eigentlich sollte sie stolz auf sich sein. Aber sie war es nicht, weil ihr erst jetzt klar wurde, was sie getan hatte: Sie hatte das Leben ihres Babys aufs Spiel gesetzt.

Als sie in den Bus hineingekrochen war, hatte sie zwar gewusst, dass er abstürzen könnte, aber letztendlich hatte sie es nicht für möglich gehalten. Erst als sie die daumendicken Stahlseile gesehen hatte …

Sie legte die Hand auf ihren runden Bauch und stöhnte auf. Es war ein Spiel mit tödlichem Einsatz gewesen.

Emma holte tief Luft und verließ den Waschraum. Im Wartezimmer saßen ein Mann und eine Frau, die sie angstvoll anstarrten. Das mussten Suzys Eltern sein, und sie hatten gesehen, wie sie kreidebleich aus dem OP hin zur Toilette gestürzt war.

Vermutlich waren sie davon überzeugt gewesen, dass es mit ihrer Tochter zu tun hatte.

„Die Operation ist gut verlaufen“, sagte sie. „Suzys Atmung ist stabilisiert, und Dr. O’Halloran versorgt gerade die Wunden. Sie muss zwar zur Weiterbehandlung nach Brisbane und wird ein paar Narben zurückbehalten, aber das sollte alles sein. Wirklich.“

Sichtlich erleichtert atmeten beide auf.

„Aber Sie …“

„Ich bin schwanger.“ Emma bemühte sich, fröhlich zu klingen. „Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe, aber Schwangere übergeben sich ständig.“

„Ach, meine Liebe …“ Die Stimme der Mutter zitterte, und plötzlich vergaß Emma die ärztliche Distanz. Sie beugte sich vor und drückte die Frau herzlich.

„Ich weiß“, flüsterte sie. „Es waren schreckliche Stunden, doch Ihre Kleine wird wieder gesund.“

„Wir haben gerade Kyles Eltern gesehen“, sagte Suzys Vater bedrückt. „Kyle ist der Einzige, der es nicht geschafft hat. Wir hatten Glück, aber sie …“

„Die Schwestern erlauben ihnen nicht, ihn zu sehen.“ Suzys Mutter entwand sich behutsam Emmas Armen und schniefte. „Aber Sie … sind doch Ärztin.“

„Ja, das stimmt.“

„Helen hat gesagt, dass Sie unserer Tochter das Leben gerettet haben.“

„Ich war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, wehrte Emma bescheiden ab.

„Margaret Morrisy, die Oberschwester, hat Kyles Eltern gesagt, sie dürften ihn erst sehen, wenn Dr. O’Halloran es genehmigt hätte. Sie warten schon so lange darauf, dass er fertig wird, und ich denke … sie verlieren bald den Verstand.“ Sie schluckte und deutete kurz mit dem Kopf auf den OP. „Wenn Suzy gestorben wäre, würde ich sie auch sehen wollen, und zwar sofort. Können Sie nicht dafür sorgen, dass … sie zu ihm dürfen? Jetzt gleich?“

3. KAPITEL

Emma verspürte das starke Bedürfnis, ins Bett zu gehen und sich auszuschlafen. Aber Devlin würde noch mindestens eine halbe Stunde im OP bleiben und musste gleich danach die anderen Patienten versorgen. Jodie und der Lehrer waren zwar schon nach Brisbane ausgeflogen worden, doch es gab trotzdem viel zu tun: Wunden nähen, Frakturen richten … er würde stundenlang beschäftigt sein.

Es würde ihr nicht leichtfallen, sich an seiner Stelle um Kyles Eltern zu kümmern. Andererseits brauchten sie dringend Trost und Unterstützung, und sie wollte Devlin helfen.

Emma sah ihn vor sich, wie er am OP-Tisch stand, ein hochgewachsener Mann mit geschickten Händen und warmen dunklen Augen, die verrieten, wie wichtig ihm die anvertrauten Patienten waren. Während sie an ihn dachte, erwachte ein Gefühl in ihr, das genauso intensiv war wie alles andere, was sie an diesem Tag erlebt hatte.

Devlin war wie Corey und doch so anders. Sanft und stark zugleich. Und sein Lächeln … Wie er mit Suzy gesprochen hatte …

Rasch riss sie sich zusammen. Was sollten diese Gedanken?

Sie machte sich auf die Suche nach der Oberschwester, um mit ihr wegen Kyles Eltern zu reden. Sie fand sie im Schwesternzimmer. Jung, sehr attraktiv, das Haar im Nacken zu einem eleganten Knoten geschlungen, makellose Haut und perfektes Make-up. Sie telefonierte gerade mit kühler, befehlsgewohnter Stimme.

„Ich benötige das Plasma jetzt. Nein, ich kann nicht bis morgen warten. Unser Vorrat ist aufgebraucht. Sie kennen unsere Situation, und ich erwarte, dass Sie bis zum frühen Abend geliefert haben.“

Der Hörer wurde aufgelegt.

Eine Frau, die in Krisensituationen Gold wert ist, dachte Emma. Sie nimmt es sehr genau mit den Vorschriften und ist gleichzeitig sehr tüchtig.

Sie brauchte sie auf ihrer Seite.

„Ach, meine Liebe“, sagte Margaret Morrisy, nachdem sie einander begrüßt hatten, und ihre Stimme klang wärmer als eben am Telefon. „Es ist unglaublich, was Sie geleistet haben.“ Emma schätzte, dass Margaret ungefähr so alt war wie sie. „Helen hat mir erzählt, was passiert ist“, fuhr sie fort. „Sie haben wirklich Mut bewiesen, in den Bus zu kriechen … und Suzy hatte unglaubliches Glück.“

„Kyle leider nicht“, erwiderte Emma leise, woraufhin Margaret traurig nickte.

„Ich weiß. Es ist tragisch.“

„Ich habe gehört, Sie wollen Kyles Eltern ihren Sohn nicht ohne Dr. O’Hallorans Einwilligung sehen lassen?“

„Ja, ich …“

„Ich übernehme gern die Verantwortung.“

„Sie?“ Margaret wich einen halben Schritt zurück.

„Ich bin Ärztin.“

„Ja, aber …“

„Zwar eine ziemlich angeschlagene und hochschwangere Ärztin, aber dennoch Ärztin“, erklärte Emma entschieden. „Ich kann einen Totenschein ausstellen und genehmigen, dass die Familie den Toten sehen darf. Für Kyles Eltern ist es sehr wichtig, von ihrem Sohn Abschied nehmen zu können. Meiner Ansicht nach gibt es keinen Grund, der dagegen spricht. Wo ist er?“

Margaret runzelte die Stirn. „In der Leichenhalle.“

„Haben Sie nicht irgendwo einen freien Raum?“

„Das schon, aber …“

„Bringen wir ihn doch dorthin, ja?“ Emma blieb freundlich, aber bestimmt. „Er ist nicht so verunstaltet, dass wir den Eltern seinen Anblick ersparen sollten. Sie müssen ihn sehen, sonst können sie seinen Tod nicht akzeptieren. Also … zeigen Sie mir, wo die Leichenhalle ist? Ich kümmere mich um Kyle, und Sie bereiten inzwischen vielleicht den Raum vor?“

„Können sie ihn sich nicht in der Leichenhalle anschauen?“

„Wenn es Ihr Junge wäre … würden Sie sich nicht eine weniger kalte, sterile Atmosphäre wünschen?“, fragte Emma sanft. „Ich denke, wir können Ihnen den schweren Schritt ein wenig erleichtern, oder?“

Devlin verließ den OP, beruhigte Suzys Eltern, atmete zweimal tief durch und überlegte, was er als Nächstes tun sollte.

Suzys Zustand hatte sich stabilisiert, und der Rettungshubschrauber war unterwegs, um sie abzuholen. Das Schlimmste lag hinter ihnen.

Da waren zwar noch die traumatisierten Kinder, aber die Schwestern hatten eine erste Einschätzung vorgenommen und hätten ihn gerufen, wenn ein dringender Fall dabei gewesen wäre.

Zuerst will ich die Frau finden, dir mir geholfen hat, dachte er. Als er sie das erste Mal gesehen hatte, war sie halb bewusstlos gewesen. Und beim Verlassen des OPs hatte sie einen äußerst erschöpften Eindruck gemacht.

Zierlich, mit viel zu großen Augen für das schmale Gesicht, hochschwanger – und trotzdem hatte sie Unglaubliches geleistet …

Wo war sie?

Das Schwesternzimmer war leer.