KATIE MACALISTER
DRAGON LOVE
RENDEZVOUS AM HÖLLENTOR
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Margarethe van Pée
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Impressum
KATIE MACALISTER
DRAGON LOVE
RENDEZVOUS AM HÖLLENTOR
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Margarethe van Pée
Schreiben ist ja eigentlich eine einsame Tätigkeit, aber die zahlreichen Briefe, in denen Leser mir versichert haben, wie gut ihnen die Geschichten über Aisling gefallen haben, haben ein wahres Glücksgefühl bei mir ausgelöst. Ich habe die Website der Drachensippen (www.dragonsepts.com) geschaffen, damit Aislings Freunde auch zwischen den Romanen auf dem Laufenden bleiben. Außerdem gibt sie mir die Möglichkeit, zahlreiche Fragen über Drachen zu beantworten. Dieses Buch ist allen Drachen-Fans gewidmet. Ich danke euch allen für eure Unterstützung!
1
„Überlass einfach alles mir.“
„Große Worte, Ash! So besonders viel ist dir in der jüngsten Vergangenheit nicht gelungen, meinst du nicht auch?“
Das massige schwarze Fellbündel vor mir blieb noch nicht einmal stehen, als es mir die abfälligen Worte beiläufig zuwarf, aber ich hielt stirnrunzelnd inne. Jim, mein Dämon in Neufundländergestalt, mochte zwar nicht gerade ein kleiner Sonnenschein sein, aber normalerweise war er auch nicht absichtlich grausam.
Um uns herum im Green Park genossen die Leute zufrieden den englischen Septembersonnenschein … alle außer meinem streitsüchtigen Dämon.
„Vielleicht ist dir ja aufgefallen, dass ich in den letzten drei Wochen ziemlich damit beschäftigt war, meinen Umzug von Oregon nach London zu organisieren. Aber ich kann dich nur warnen: In England gibt es bestimmt genügend Leute, die Hunden die Zehennägel schneiden, also halt dich zurück.“
„Die Frau, zu der du mich beim letzten Mal gebracht hast, war die reinste Metzgerin“, giftete Jim mich an und zog so heftig an der Leine, dass ich weitergehen musste. „Ich kann froh sein, dass ich noch alle meine Zehen haben – abgesehen von den beiden, die du weggezaubert hast, natürlich.“
„Dafür habe ich mich schon mindestens fünfzehn Mal entschuldigt – meinetwegen tue ich es jetzt auch zum sechzehnten Mal, wenn deine Laune dann besser wird. Es tut mir leid, dass sie dich geschnitten hat und du geblutet hast. Und das andere Thema ist mindestens zwei Monate alt!“
„Gib dir keine Mühe“, lautete seine mürrische Antwort.
„Okay.“ Ich blieb an einem Baum stehen, hinter dem wir einigermaßen ungestört miteinander reden konnten. „Es reicht jetzt! Ich habe in der letzten Zeit deine bissigen Kommentare ertragen, weil ich weiß, dass solche Umzüge für niemanden leicht sind, auch für dich nicht. Von meiner Familie musste ich mir laufend Horrorgeschichten darüber anhören, wie es Amerikanern in der Fremde geht, aber von dir habe ich ehrlich gesagt mehr Verständnis erwartet. Du magst Nora doch! Du hast dich doch darauf gefreut, hierherzukommen. Warum bist du denn jetzt ständig so ungehalten?“
Jim schaute mich empört an. „Mein Herz ist gebrochen, falls du es dir in Erinnerung rufen möchtest! Aber das wirst du wohl kaum wollen, schließlich bist du ja darauf herumgetrampelt!“
„Ach, das.“ Seufzend rieb ich mir den Nacken.
„Ja, das.“
„Nun, ich weiß ja, dass er kein Ersatz für einen Corgi ist, aber du hast doch jetzt wieder einen Hund zur Gesellschaft. Du hast doch jetzt Paco.“
„Paco ist kein Hund. Paco ist ein Snack.“
Insgeheim musste ich ihm recht geben. Noras Chihuahua war zwar ein nettes Hündchen, aber nicht besonders charaktervoll. Doch Jim war natürlich auch kein normaler Hund. „Ich habe dir doch gesagt, dass wir so bald wie möglich nach Paris fahren, um Amelie und Cecile zu besuchen …“
„Ja, ich weiß, sobald du dir sicher sein kannst, dass Drake nicht mehr da ist. Aber da er dort lebt, wird das wohl noch lange nicht der Fall sein, oder? Und Cecile wird auch nicht jünger. Ich möchte sie gerne wiedersehen, solange sie noch lebt, Dämonenherrin!“
Seufzend trat ich aus dem Schatten des Baums auf den Weg zurück. In den vier Tagen in London hatte ich gelernt, die Gegend um den Buckingham Palace zu meiden. Dort wimmelte es von Touristen, und es hätte mir gerade noch gefehlt, dass jemand gemerkt hätte, dass mein Hund sprechen konnte. „Ich hasse es, wenn du mich so nennst, aber da wir beide wissen, dass du das weißt, belassen wir es dabei. Anscheinend hast du aber vergessen, dass Drake auch Häuser in Ungarn und den Cayman Islands besitzt und wahrscheinlich auch noch an einem Dutzend anderer Orte, von denen wir in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft noch gar nicht geredet haben.“
„Kurz nur deshalb, weil du ihn verlassen hast. Schon wieder mal!“
Ich knirschte mit den Zähnen. Im Park waren viel zu viele Menschen, um mich mit Jim zu streiten. Drohend zischte ich ihm zu: „Ich werde hier nicht über meine Beziehung zu Drake mit dir diskutieren.“
„Ha! Beziehung! Nennst du das jetzt so? Ihr zwei kommt zusammen; ihr zwei trennt euch. Ihr kommt erneut zusammen, du willigst ein, seine Gefährtin zu sein; du schwörst einen Treueeid auf die Sippe; dann wirst du sauer und verlässt ihn. Also, für mich klingt das nicht nach einer Beziehung.“
Das hatte gesessen. Jim kannte die Umstände meines Bruchs mit Drake, und eigentlich war er zuerst auch einer Meinung mit mir gewesen.
„Dämon, ich befehle dir, den Mund zu halten, bis sich deine Laune wieder gebessert hat“, sagte ich streng. Eine schlagfertige Antwort würde mir ja doch erst Stunden später einfallen. „Ich werde mich oder meine Handlungen nicht rechtfertigen. Wir sind hier, wir bleiben hier, und ich bringe dich nach Paris, sobald die Luft wieder rein ist. Es tut mir leid, wenn dir meine Entscheidung das Herz gebrochen hat, auch wenn Dämonen eigentlich gar kein Herz haben, aber es geht nun einmal nicht anders. Und jetzt lass uns zur Wohnung zurückgehen. Heute kommen unsere Sachen, und ich möchte alles aufgeräumt haben, bevor Nora aus Liverpool zurückkommt.“
Jim warf mir einen finsteren Blick zu, aber da er als Dämon meinen Befehlen gehorchen musste, gingen wir schweigend zu der Dreizimmerwohnung zurück, die Nora von einem Verwandten geerbt hatte. Diese Wohnung, die über einer schicken Mischung aus Bäckerei und Buchhandlung lag, war in der überteuerten Stadt ein wahres Kleinod.
„Wenn ich alles ausgepackt habe, rufe ich Amelie an, dann kannst du mit Cecile sprechen“, schlug ich ihm vor, als wir an einem Fußgängerüberweg die Straße überquerten. „Nicht, dass du es verdient hättest, Jim, du machst mir einfach nur das … oh, verdammt noch mal!“
Ich zog Jim zur Seite, als ein schwarzes Taxi nur Millimeter von meinem Dämon entfernt zum Stehen kam.
„Das klang sehr englisch. Du hast dich schon gut eingelebt, wie ich höre?“
Die Stimme, mit einem deutlichen französischen Akzent, kam mir bekannt vor, und die Flüche, die ich ausstoßen wollte, erstarben mir auf der Zunge.
„Was … wer … René?“
„Mais oui. C’est moi. Guten Morgen, Jim. Du siehst gut aus. Hattest du keine Probleme mit dem Zoll?“
Ich starrte den freundlichen, etwa fünfzigjährigen Mann im Taxi an. War er das wirklich? Das konnte doch wohl nicht wirklich René sein. Oder doch?
Jim warf mir einen finsteren Blick zu und schwieg.
„Ah“, sagte René und legte den Kopf schräg. Um die hupenden Autos ringsherum kümmerte er sich nicht. „Sie hat dir mal wieder befohlen zu schweigen, was?“
„René, was tust du hier?“, fragte ich, als mein Gehirn mit einem Ruck wieder ansprang.
Lächelnd öffnete er mir die Tür. „Ich fahre dich.“
„Nein.“ Ich konnte das Hupen der anderen Wagen genauso ignorieren wie er. „Erst wenn du mir gesagt hast, was du hier in London in einem Taxi machst. Dass du vor ein paar Wochen in Budapest aufgetaucht bist, war schon ein ziemlich unglaubwürdiger Zufall.“
„Steig ein, dann erzähle ich es dir.“
Ich warf ihm einen strengen Blick zu, scheuchte Jim ins Taxi und stieg ebenfalls ein.
„Und jetzt schieß los“, sagte ich, als er anfuhr. „Ach, übrigens, ich muss in den Warlock Close 15. Das liegt …“
„Ich weiß, wo das ist. Nördlich von der Bury Street, stimmt’s?“
„Ja. Woher weißt du das? Woher kennst du London denn so gut? Und was in Gottes Namen tust du hier? Warum bist du nicht zu Hause in Paris?“
Renés braune Augen funkelten mich im Rückspiegel an. „Du erinnerst dich doch an meinen Cousin in Budapest, für den ich in der Woche, als du da warst, eingesprungen bin?“
„Ja“, erwiderte ich misstrauisch. „Was ist mit ihm? Du willst mir doch nicht erzählen, dass er auch hier in London Taxi fährt?“
„Nein“, antwortete René und bog in die kurze Sackgasse ein, in der Noras Wohnung lag. „Sein Bruder, mein Vetter Pavel, ist hier Taxifahrer, aber deshalb bin ich nicht hier.“
„Dein Vetter Pavel fährt ein englisches Taxi?“, fragte ich ungläubig, als René vor unserem Haus hielt.
„Oui. Er ist ein Könner auf diesem Gebiet, wie alle Männer in meiner Familie.“ René gab sich erst gar keine Mühe, bescheiden dreinzublicken, sondern grinste mich breit im Rückspiegel an.
„Das glaube ich dir nicht. Warum folgst du mir? Bist du eine Art netter französischer Stalker? Du bist doch nicht etwa in mich verliebt, oder?“
Jim schnaubte und verdrehte die Augen.
„Du kannst sprechen, wenn du etwas Sinnvolles zu sagen hast“, erklärte ich ihm.
„Was ich sage, ist es immer wert, in Platin aufgewogen zu werden“, antwortete mein Dämon. „Hi, René. Wie läuft’s?“
„Bestens.“ René strich meinem Dämon liebevoll durch das dichte Fell des Kopfes. „Es ist schön, euch beide zu sehen. Du siehst gut aus.“
„Nein“, sagte ich warnend zu Jim. „Keine langen, klagenden Geschichten, dass dein Herz gebrochen ist, weil ich nicht mit dir nach Paris zu Cecile gefahren bin. René will uns jetzt erzählen, warum er hier Taxi fährt. Obwohl er doch eigentlich in einem ganz anderen Land arbeitet.“
René lachte. „Mon amie, beruhige dich. Ich bin nicht in dich verliebt – ich habe eine Frau und sieben Kinder, wie du weißt. Und ich bin auch kein Stalker. Ich freue mich einfach nur sehr, euch zu sehen. Ihr habt mir gefehlt.“
„Ich freue mich auch, dich zu sehen“, sagte ich und beugte mich vor, um ihn von hinten zu umarmen. „Wir wollten dich besuchen, wenn wir nach Paris gefahren wären. Wie geht es dir? Wie geht es deiner Familie? Und was machst du hier?“
„Mir geht es gut. Auch meiner Familie geht es gut, obwohl meine Frau eine Blumenallergie hat und ihr deswegen ständig die Nase läuft. Und ich bin hier, weil sie zu Hause geblieben ist, sodass sie nicht mit in unsere Flitterwochen fahren konnte.“
„Eure Flitterwochen?“
René zuckte mit den Schultern, so ausdrucksstark, wie es nur ein Franzose kann. „Als wir vor zwanzig Jahren geheiratet haben, sind wir nicht in die Flitterwochen gefahren. Wir haben es aufgeschoben, bis wir mehr Zeit und Geld gehabt hätten, aber dann folgten die Kinder in kurzen Abständen aufeinander. Also mussten wir bis jetzt warten. Wir wollten einen ganzen Monat lang durch England reisen, um die Schlösser und Gärten zu besichtigen, aber meine Frau hat die Nase voll von Pollen, und da wir die Reise nicht zurückgeben konnten, nun ja … bin ich eben alleine hier.“
Ich glaubte ihm nicht. Es war einfach zu glatt … ein zu großer Zufall. Und davon hatte es schon in Budapest zu viele gegeben. „Okay. Aber warum bist du im Taxi hier?“
„Es gehört meinem Vetter Pavel.“ Er griff durch das Fenster nach hinten und machte die Tür für mich auf. „Er wohnt mit seiner Frau im Hotel in der Stadt Shakespeares, während ich mich hier in seiner Wohnung aufhalte. Er hat mich zwar nicht gebeten, seinen Job zu übernehmen, aber was soll’s. Das kann ich eben am besten. Schließlich bin ich ein Taxifahrer extraordinaire.“
„Das ist wohl wahr.“ Ich rieb mir den Nacken und warf Jim einen Blick zu. Mein Dämon schwieg normalerweise höchstens ein oder zwei Sekunden, wenn ich es ihm nicht befohlen hatte, aber dieses Mal hatte es sogar ihm die Sprache verschlagen. Unwillkürlich fragte ich mich, ob Jim wohl wusste, wer René tatsächlich war.
„So skeptisch?“ René schüttelte den Kopf, als ich ausstieg. Jim folgte mir. „Warum glaubst du mir denn nicht?“
„Erstens“, zählte ich an den Fingern ab. „Du tauchst auf, als ich in Paris Hilfe brauche. Zweitens, dasselbe passiert in Budapest. Drittens, das Venus-Amulett, das ich dort hatte, hat dich überhaupt nicht gestört, während es alle anderen Männer getroffen hat wie ein Vorschlaghammer. Vielleicht kannst du mir erklären, warum das so ist, René?“
Er lächelte mich nur an.
„Oh, oh. Ich wusste es. Du bist nicht nur ein Taxifahrer, der genau wie ich zufällig in die Anderswelt geraten ist, nicht wahr? Du bist … du bist etwas anderes, ja? Kein Sterblicher auf jeden Fall.“
René lächelte wieder.
„Ash.“
„Gleich, Jim. Na, komm schon, René. Spuck es aus! Es ist doch kein Zufall, dass du überall da auftauchst, wo ich dich brauche, oder?“ Ich kniff die Augen zusammen. „Im Moment brauche ich dich allerdings nicht. In meinem Leben steht alles zum Besten. Den Drachen habe ich mir endgültig abgeschminkt. Es ist mir gelungen, Jim ins Land zu schmuggeln, und jetzt lerne ich bei Nora, was es heißt, eine richtige Hüterin zu sein. Also … warum bist du hier?“
„Ash, da ist jemand an der Tür.“ Jim berührte meine Hand mit seiner kalten Nase.
An der Eingangstür stand ein Mann.
„Ich bin noch nicht fertig mit dir“, warnte ich René. Rasch eilte ich zu dem Mann, in der Hoffnung, dass er mir meine Habseligkeiten bringen würde, die der Zoll endlich freigegeben hatte.
„Ich bleibe in der Nähe“, rief er mir nach. „Du hast ja meine Handynummer, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete ich. Er fuhr los und verschwand im dichten Londoner Verkehr. „Entschuldigung. Sind Sie der Mann, der meine Kisten bringt?“
„Kisten? Nein.“ Er drehte sich zu uns um.
„Oh, schade. Es tut mir leid, aber in den Wohnungen ist niemand. Einer der Mieter ist im Sommerurlaub, und der andere ist heute in Liverpool.“
Der Mann hielt eine Visitenkarte und einen Kugelschreiber in der Hand. Anscheinend hatte er gerade eine Nachricht hinterlassen wollen. Er warf mir einen Blick aus seinen scharfen grauen Augen zu. „Eine Hüterin.“ Dann trat er auf Jim zu und zog leicht die dunklen Augenbrauen zusammen. „Und ein Dämon sechster Klasse.“
„Ja, ich bin eine Hüterin“, erwiderte ich. Ich spürte, wie Wut in mir aufstieg. In den wenigen Monaten, seit ich herausgefunden hatte, dass die normale Welt auch eine paranormale Seite hatte, hatte ich ebenfalls gelernt, dass das Äußere trügerisch sein kann. Der Mann vor mir mochte wie ein ganz normaler Engländer aussehen – hohe Stirn, langes Gesicht, große Nase, graue Augen und braune Haare –, aber er verströmte eine Aura von Macht und brachte die Luft um uns herum zum Knistern. Ich hatte jedoch auch gelernt, dass ich mit Freundlichkeit wesentlich weiter kam als mit Unfreundlichkeit, deshalb lächelte ich ihn süß an. „Nun, um ehrlich zu sein, ich bin Hüterin in der Ausbildung, aber es dauert hoffentlich nicht mehr allzu lange, bis ich ein vollwertiges Mitglied der Hüter-Gilde sein werde.“
Der Mann warf noch einen Blick auf Jim und sagte dann mit zusammengekniffenen Augen: „Sie sind Aisling Grey.“
„Ja. Äh … woher wissen Sie das?“
„Die gesamte Anderswelt hat schon von der berüchtigten Aisling Grey gehört, die die zweifelhafte Ehre hat, Dämonenfürstin, Hüterin und die Gefährtin eines Wyvern zugleich zu sein“, antwortete er und reichte mir seine Karte. Oben stand sein Name – Mark Sullivan. Darunter, klein und diskret, nur ein einziges Wort: Ermittlungen.
„Ja, zweifelhaft ist der richtige Ausdruck. Sind Sie Privatdetektiv?“
„Nein. Ich bin Chefermittler des Au-delà-Komitees. Ich bin beauftragt, Unregelmäßigkeiten und Widersprüchen in den Unterrichtsmethoden Nora Charles, Hüterin, nachzugehen.“
„Widersprüchen? Was für Widersprüche?“
Mark Sullivan warf mir einen ausdruckslosen Blick zu.
„Nora ist meine Mentorin“, erklärte ich und zeichnete automatisch mit den Händen einen Verständniszauber in die Luft. Vielleicht würde das ja etwas nützen. „Sie bildet mich als Hüterin aus.“
„Nein, das tut sie nicht mehr“, erwiderte Mark und zog ein Blatt Papier aus der Brusttasche. „Das hier ist eine Verfügung, die es Nora Charles vorübergehend verbietet, als Mentorin zu praktizieren. Bitte sorgen Sie dafür, dass sie dies hier so bald wie möglich erhält. Von diesem Augenblick an darf sie niemanden mehr unterrichten – auch ihren aktuellen Lehrling nicht. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Aisling Grey. Ich fürchte, Sie werden es brauchen.
2
„Ich hasse es, wenn Leute so etwas tun“, murrte ich und schlug die Tür von Noras Wohnung hinter mir zu.
„Was, sich höflich benehmen?“
„Nein, diese Vorausahnungen um mich herum verbreiten.“ Ich ließ Jims Hundeleine fallen und hörte Noras Anrufbeantworter ab, um zu sehen, ob die Spedition sich gemeldet hatte. „Ich möchte nur ein einziges Mal erleben, dass jemand mir keine Katastrophen oder andere unangenehme Ereignisse voraussagt! Zum Beispiel: ‚Aisling, heute wirst du in der Lotterie gewinnen.‘ Oder: ‚Du wirst über Nacht zehn Pfund abnehmen.‘ ‚Du wirst dich wahnsinnig in den nächstbesten Mann verlieben.‘ Alles, nur nicht immer diese düsteren Voraussagen.“
Jim seufzte. „Immer geht es nur um dich, was? Du denkst nie an andere, immer nur an dein eigenes Glück.“
Ich warf dem Dämon gerade einen erbosten Blick zu, als es an der Tür klopfte. Das waren bestimmt die Leute von der Spedition. „Deine Bemerkung ist völlig daneben, und das weißt du auch.“
„Na gut, wenn du es so siehst.“ Jim kratzte sich hinter dem Ohr. „Aisling, du wirst heute in der Lotterie gewinnen, zehn Pfund über Nacht verlieren und dich wahnsinnig in den nächstbesten Mann verlieben.“
Bei den letzten Worten öffnete ich die Wohnungstür.
Der Mann, der davor stand, zog eine Augenbraue hoch. „Nachträgliche Einsichten sind auch etwas wert.“
Mir fiel der Unterkiefer herunter. Mein Herz schlug schneller. Ich bekam plötzlich keine Luft mehr. Und in meinem Magen bildete sich ein Bleiklumpen.
Auf dem Teppich brach ein kleines Feuer aus. Jim löschte es rasch.
„Drake“, keuchte ich. „Was machst du …“
„Ich lade dich hiermit zu der Synode der grünen Drachen morgen ein. Es herrscht Anwesenheitspflicht.“ Drake drückte mir eine schmale schwarze Aktenmappe in die Hand und wandte sich zum Gehen.
„Warte doch mal! Eine Synode? Aber – Jim, an den Vorhängen brennt es auch ein bisschen.“
Drake wirbelte herum. Seine grünen Augen blitzten – Augen, die ich so gut kannte, dass sie mir einmal alles bedeutet hatten. Aber das war gewesen, bevor er mich betrogen hatte …
„Willst du deinen Treueschwur der Sippe gegenüber etwa nicht einhalten? Weigerst du dich, deine Verpflichtungen zu erfüllen, Gefährtin?“
„Nein.“ Trotzig hob ich das Kinn. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass ich an die Drachensippe gebunden war, die Drake als Wyvern regierte. Obwohl wir nicht mehr zusammen waren, war ich theoretisch immer noch seine Gefährtin, und bis ich einen Weg fand, um die Verbindung aufzulösen, schuldete ich ihnen meine Unterstützung, wenn sie sie brauchten. Seit ich Budapest verlassen hatte, war ich darauf vorbereitet. „Ich werde meinen Treueschwur halten. Ich werde an der Versammlung als deine Gefährtin teilnehmen. Ich wollte einfach nur wissen …“ Die Worte erstarben mir auf den Lippen.
Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Was wolltest du wissen?“
Ob er mich vermisste? Ob ihm das Herz genauso wehtat wie mir? Ob er es bedauerte, dass er mich so betrogen hatte? Das fiel mir als Erstes ein, aber ich hatte noch mehr Fragen. Ich würde sie allerdings nie im Leben stellen. Bevor ich mir jedoch eine unverfängliche Frage ausdenken konnte, kam mir glücklicherweise Jim zu Hilfe.
„Du musst dich endlich mehr anstrengen, das Drachenfeuer zu beherrschen, Ash. Hallo, Drake. Kommst du wieder angekrochen? Mann, bist du bescheuert.“ Jim schnüffelte an Drake. „Ich bin noch nie jemandem begegnet, der so komplett – Feuer von Abaddon! Du brauchst mich nicht gleich zu grillen!“
„Setz bloß nicht Noras Badezimmer in Brand“, warnte ich Jim, als er davonsprang, um die Flammen zu löschen, die wie ein Strahlenkranz um seinen Kopf standen. Dabei machte ich mir weniger Gedanken um Jims Hundegestalt als um Noras Handtücher. Dann wandte ich mich wieder an Drake. „Es wird nichts nutzen, wenn du Jim bei lebendigem Leib röstest. Dann hängt nur der Geruch nach verbranntem Hund in der Luft.“
Nachdenklich rieb sich Drake das Kinn. „Eigentlich habe ich mein Ziel verfehlt. Ich wollte dich treffen.“
Ich riss die Augen auf. „Du wolltest tatsächlich mich verbrennen?“
Drake bewegte sich so schnell, dass ich es gar nicht mitbekam. In der einen Minute stand er ein paar Schritte von mir entfernt, und in der nächsten drängte er mich gegen die Wand. Mein Körper reagierte sofort auf seinen und zerfloss förmlich. „Du kannst dir doch nicht ernsthaft einbilden, du könntest mich einfach so verlassen.“
„Das hat dich wohl in deinem Stolz getroffen, was?“, erwiderte ich, wobei ich meinem Körper streng befahl, sich zu benehmen, damit ich mich auf meine Auseinandersetzung mit dem unvernünftigsten Drachen in Menschengestalt, der jemals auf diesem Planeten gewandelt war, konzentrieren konnte. „Aber zwischen uns ist alles aus, Drake. Es ist vorbei.“
„Es ist nicht … vorbei“, grollte er, so nahe an meinem Mund, dass ich seinen heißen Atem spüren konnte. Sein männlicher Geruch stieg mir zu Kopf und machte mich ganz schwindlig. Aber gleichzeitig tat mir das Herz weh. Der Schmerz hatte mich nach unserer Trennung völlig gelähmt. Sieben Tage lang hatte ich ununterbrochen geschluchzt, bevor ich wieder in der Lage gewesen war, mein Leben zu bewältigen … ohne Drake an meiner Seite.
„Oh Mann. Vögelt der jetzt mit dir hier vor meiner Nase? Und da heißt es immer, Hunde hätten kein Schamgefühl.“
„Schweig, Dämon. Und schließ die Augen.“ Ich sah jedoch nicht mehr, ob Jim meinen Befehl befolgte, weil Drake anfing mich zu küssen. Er war von Natur aus arrogant und dominant, und diese Eigenschaften merkte man seinen Küssen an. Seine Leidenschaft machte mich atemlos. Er drängte sich an mich, mit einer Hand umfasste er meine Brust, und mit der anderen fuhr er über meinen Rücken und landete auf meinem Hintern, sodass er meine Hüften näher zu sich heranziehen konnte.
Das Drachenfeuer flammte in ihm auf und entzündete meine Seele. Mein Herz, mein armes, missbrauchtes Herz weinte vor Qual, als wir uns miteinander verbanden.
„Nein!“, schrie ich und löste mich von ihm. „Du wirst mich nicht wieder verführen! Verdammt noch mal, du hast mir das Herz gebrochen, Drake. Du kannst es nicht einfach mit ein paar Küssen und fabelhaftem Sex wieder kitten! Vorbei ist vorbei! Ich werde mein Gelübde der Sippe gegenüber halten. Ich werde als deine Gefährtin beim Weyr und bei den Sippentreffen erscheinen. Ich werde deine Entscheidungen als Drache in jeder Hinsicht unterstützen. Aber ich werde dir nicht erlauben, mich wieder zu verletzen!“
Einer seiner langgliedrigen Finger glitt unter meine Bluse über das Sippen-Emblem, das er mir in die Haut gebrannt hatte und das mich als Gefährtin eines Wyvern kennzeichnete. Das smaragdgrüne Feuer in seinen Augen wurde ein wenig schwächer, als er mir antwortete: „Du bist mein, Aisling. Du bist mein, heute, morgen und in fünfhundert Jahren. Du wirst immer mein sein. Ich gebe meine Schätze nicht auf, kincsem. Das solltest du lieber nicht vergessen.“
Er trat einen Schritt zurück, während ich bebend am Türrahmen lehnte, von Emotionen überwältigt. Ich schlang die Arme um mich, als er ging. Am liebsten hätte ich meinen Schmerz laut hinausgeschrien, wäre ihm gefolgt und hätte mich ihm in die Arme geworfen, damit alles wieder so wurde wie früher.
So fand Nora mich ein paar Minuten später. Tränen liefen mir über das Gesicht, und an meinen Füßen züngelten Drachenflammen.
„Hallo! Wir sind früher wieder zurück! Der Koboldangriff hat sich als falscher Alarm herausgestellt. Aisling! Ach, Liebes, du stehst ja schon wieder in Flammen.“ Nora stellte die Hundetragetasche ab, in der sie Paco immer transportierte. Blinzelnd schob sie die Brille mit den rötlich getönten Gläsern nach hinten, die keck auf ihrer Nasenspitze saß, und tippte mit der Fingerspitze auf meine Bluse. „Drachenschuppen.“ Nachdenklich blickte sie mich an. „Ein Drache hat dich besucht? Etwa ein grüner Drache?“
Ich schluckte einen dicken Klumpen ungeweinter Tränen hinunter und ließ mich auf ihrem Sofa nieder. Langsam wurde mein Herzschlag wieder normal.
Nora musterte mich prüfend. „Nach deinen Umrissen, die in die Tür gebrannt sind, zu urteilen, würde ich sagen, es war tatsächlich der grüne Drache, der dich besucht hat. Wie geht es Drake?“
„So stur wie eh und je. Oh Nora, und ich habe geglaubt, ich hätte es hinter mir!“ Paco, der aus seiner Tasche befreit worden war, kam herbeigerannt, um mit meinen Schnürsenkeln zu kämpfen, wie er es immer tat. „Ich bin doch bereit, alles hinter mir zu lassen. Du willst jetzt mit meiner Ausbildung anfangen – ach, dabei fällt mir, ich muss dir dringend etwas erzählen –, aber zwei Minuten mit Drake genügen, und ich bin völlig durcheinander.“
Nora setzte sich neben mich und betrachtete mich aufmerksam. „Vielleicht sollst du ja gar nicht über ihn hinwegkommen“, sagte sie.
„Was? Nicht über ihn hinwegkommen? Nora, hast du überhaupt eine Ahnung, wie verrückt dieser Mann … Drache … was auch immer – hast du eine Ahnung, wie verrückt er mich macht?“
„Weißt du, normalerweise kann ich ja nicht genug davon kriegen, wenn du Drakes wegen herumjammerst, aber heute habe ich wirklich nicht die Kraft dazu. Anscheinend hast du vor, diese fabelhafte Neufundländergestalt verhungern zu lassen.“ Jim drehte sich um und marschierte in das Zimmer, das Nora uns beiden überlassen hatte.
Nora blickte ihm mit hochgezogenen Augenbrauen hinterher. „Was ist denn in Jim gefahren? Ich weiß ja, dass ihr ein besonderes Verhältnis zueinander habt, aber so unhöflich war er noch nie dir gegenüber.“
„Er ist böse auf mich, weil ich nicht mit ihm nach Paris gefahren bin, weil Drake da ist … obwohl, er ist ja gar nicht da; er ist ja hier. Also habe ich jetzt vermutlich keinen Grund mehr, Amelie nicht zu besuchen, obwohl ich ja eigentlich zu dieser Drachenveranstaltung muss.“ Seufzend sank ich auf der Couch in mir zusammen. „Nora, rede ich tatsächlich die ganze Zeit über Drake? Ich klinge doch nicht so, als ob ich von ihm besessen wäre, oder? Einfach nur so, als ob … als ob ich ihn satt hätte, nicht wahr?“
Paco stürzte sich auf das Blatt Paper, das mir aus der Hand gefallen war. Nora nahm es ihm weg, bevor er es zerreißen konnte, und strich es glatt. „Nun … wenn du schon fragst, ich fürchte, ich bin derselben Meinung wie Jim.“
„Was sagst du da?“, schrie ich und setzte mich aufrecht hin, um ihr einen bösen Blick zuzuwerfen. Aber ich tat es natürlich nicht. Zum einen war Nora meine Freundin, nicht nur meine Mentorin, und zum anderen sagte mir eine freche kleine Stimme in meinem Hinterkopf, dass sowohl Jim als auch Nora eigentlich recht hatten. Aber es fiel mir schwer, das zuzugeben. „Du findest also, ich sei von ihm besessen?“
„Ich glaube, dass du ihn liebst. Und dass ihr trotz der Schwierigkeiten, die ihr miteinander habt, zusammengehört. Außerdem glaube ich, dass du das ebenfalls weißt und nur zu stur bist, es zuzugeben.“
Noras offene Worte nahmen mir den Wind aus den Segeln.
„Aber … aber …“
Kopfschüttelnd ergriff sie das Blatt Papier. „Ich wollte dieses Thema in ein paar Tagen mit dir besprechen, wenn wir mit der Ausbildung beginnen, Aisling. Die Kraft einer Hüterin kommt von innen. Wenn man sich etwas vormacht, schwächt man seine Macht.“
„Er hat mich betrogen“, erwiderte ich hitzig. „Er hat mir das Herz gebrochen!“
„Er hat dein Vertrauen missbraucht, das stimmt. Aber du hast deinen Schwur gebrochen. Ihr müsst beide lernen, Kompromisse zu machen, um … was in aller Welt?“
Beim wütenden Klang ihrer Stimme blickte ich auf. „Oh! Entschuldigung! Das wollte ich dir schon die ganze Zeit erzählen, aber Drake hat mich abgelenkt. Als mich René hier abgesetzt hat, wartete ein gewisser Mark Sullivan vor deiner Tür. Er sagte, er sei beim Komitee, und es sei dir von heute an verboten zu unterrichten, weil gegen dich ermittelt werde.“
Nora nickte, während sie den Brief leise murmelnd las. Dann hob sie den Kopf und sah mich an.
„René?“, fragte sie. „Du hast René gesehen?“
„Das erzähle ich dir ein andermal. Erklärt der Brief denn, worum es eigentlich geht?“
Ihre Miene war ausdruckslos, als sie weiterlas. Ich kannte Nora noch nicht lange – ich hatte sie erst vor einem Monat in Budapest kennengelernt –, deshalb konnte ich ihre Körpersprache noch nicht deuten. Allerdings war der Zorn in ihren schwarzen Augen nicht zu übersehen. Sie funkelten und blitzten, als sie das Blatt Papier zusammenknüllte und auf den Fußboden warf.
„Diese Idioten. Diese blöden, ignoranten Idioten. Ich hätte nicht übel Lust, sie alle zu verfluchen.“
„Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich war auch entsetzt, als Mark sagte, dass du mich nicht unterrichten darfst. Warum verbieten sie es dir?“ Tröstend tätschelte ich ihr den Arm.
„Da steckt natürlich Marvabelle dahinter“, antwortete sie.
„Marvabelle?“, fragte ich überrascht. „Marvabelle O’Hallahan? Die in Budapest war? Die mit dem schmächtigen Orakel-Ehemann, die bei der Ausbildung zur Hüterin deine Zimmergenossin war? Diese Marvabelle?“
„Genau die.“ Nora war aufgesprungen und marschierte jetzt durch das Zimmer. „Seit wir die Morde an den Hüterinnen aufgeklärt haben, hat sie es auf mich abgesehen. Sie hat mir schon in Budapest deutlich zu verstehen gegeben, sie würde nicht tatenlos zusehen, wenn ich den Ruhm einheimse, der ihr zusteht.“
„Der ihr zusteht? Sie hat doch gar nichts dazu beigetragen, die Mörder zu entlarven!“ Empört stand ich auf und stapfte ebenfalls durch das Zimmer. „Wir haben doch die ganze Arbeit gemacht! Sie hat doch nur im Weg gestanden!“
Nora packte mich am Ärmel. „Um ehrlich zu sein, du hast alles aufgedeckt! Aber ich danke dir, dass du dich mir zuliebe so aufregst.“
„Das spielt doch keine Rolle“, wehrte ich ab. „Wichtig ist nur, dass Marvabelle glaubt, sie kann sich mit uns anlegen. Ich wusste gar nicht, dass sie einen solch großen Einfluss im Komitee hat.“
„Ich auch nicht.“ Nora ergriff ein Stofftier, und es gelang ihr, das Spielzeug gegen das Schreiben, an dem Paco gerade nagte, auszutauschen. Sie glättete es und las es noch einmal. Ich blickte ihr dabei über die Schulter und runzelte die Stirn, als ich die umständliche Sprache vor mir sah, in der der Beschluss abgefasst war.
„In Übereinstimmung mit den Vorschriften des Kodex der Hüter-Gilde wird Ihnen hiermit untersagt, Hüter während der Zeit der anhängigen Ermittlungen zu unterrichten“, las ich laut. „Oh, das ist vielleicht ein Blödsinn!“
Nora nickte, faltete das Stück Papier einmal und legte es in ihren Korrespondenzkorb. „Da hast du recht. Aber ärgere dich nicht darüber. Ich habe nichts zu verbergen, und ich habe nicht gegen die Richtlinien der Hüter verstoßen. Das ist nur ein kleiner Verweis, nicht wert, dass wir uns Sorgen machen.“
„Nicht wert? Das ist absolut ungerecht, und ich habe nicht vor, untätig hier herumzusitzen, während …“ Ich brach ab, als ich ihren entschlossenen Gesichtsausdruck sah. Hier ging es um ihr Leben, ihren Beruf und nicht um mich. „Okay. Nur ein kleiner Verweis. Ich verstehe.“
„Morgen beginnen wir wie geplant mit deiner Ausbildung“, erklärte Nora mit fester Stimme und räumte Pacos Tragetasche in den Schrank. „Hoffentlich lernst du dadurch auch, Drakes Feuer zu beherrschen.“
„Äh … ich will ja nicht fragen, aber stand in diesem Schreiben nicht …“
„Ich habe nicht vor, dieser grässlichen Frau zu erlauben, über unsere kostbare Zeit zu verfügen“, antwortete Nora. Sie zog ein Buch aus ihrem Bücherregal und reichte es mir. „Ich finde es zwar nicht schön, dass ich gegen die Vorschrift des Komitees handeln muss, aber es ist alles ein Irrtum. Wir werden vorgehen wie geplant.“ Sie wandte sich zur Küche. „Es sei denn, du hast deine Meinung geändert.“
Ich lachte. „Nora, ich breche sowieso jede Regel. Wie kommst du auf die Idee, dass es mir gerade in diesem Fall etwas ausmachen könnte!“
Sie lächelte mich warm an. „Ich habe mir schon gedacht, dass es dir nichts ausmacht. Ich werde mit Mark sprechen. Und was dein Problem mit Drake angeht: Ich mache uns jetzt eine schöne Tasse Tee, und dann reden wir darüber, einverstanden?“
Aber auch wenn ich es nicht zugeben wollte, so hatten Jims (und Noras) Worte mich hart getroffen. Trotzig hob ich das Kinn und schüttelte den Kopf. „Nein, damit muss ich allein fertig werden. Äh … würde es etwas nützen, wenn ich mit dem Komitee reden würde?“
„Das könnte sicherlich nicht schaden. Aber mach dir jetzt keine Gedanken darüber – wenn ich erst einmal mit ihnen gesprochen habe, klärt sich sicherlich alles schnell auf. Und was dich angeht, Aisling … ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass du mit mir nicht über deine Probleme reden kannst“, sagte Nora. „Ich habe immer ein offenes Ohr dafür.“
„Danke, das ist lieb von dir.“ Ich blickte auf die Uhr. „Ich sage dir Bescheid, wenn ich mich mal wieder ausweinen möchte. Aber im Moment muss ich mir erst einmal etwas zum Anziehen besorgen, weil morgen Drachenkonferenz ist. Wenn ich jetzt aufbreche, schaffe ich es gerade noch so, nach Paris zu fahren und bis Mitternacht wieder zurück zu sein. Wenn ich zurück bin, reden wir über das Buch, das du mir gegeben hast.“
Sie warf mir einen ungläubigen Blick zu, als ich in mein Zimmer ging, meine Tasche und meinen Pass ergriff und Jim befahl, mir zu folgen. „Aisling, willst du wirklich in zwölf Stunden nach Paris und wieder zurück, nur um deinen Dämon glücklich zu machen?“
„Paris?“, fragte Jim und stellte seine Ohren auf. Plötzlich wirkte er zehn Jahre jünger und mindestens fünf Pfund leichter. „Habe ich richtig gehört? Wir fahren nach Paris? Jetzt gleich?“
„Ja, das will ich“, antwortete ich Nora. „Jim und du, ihr habt beide recht – ich war launisch und habe viel zu viel an Drake gedacht. Ich schulde Jim die Reise. Bei meiner Stimme, bei meinem Blut, bei meiner Hand, Dämon, ich verbanne dich nach Akasha.“
Jim verschwand in einer schwarzen Rauchwolke, noch bevor er viel mehr machen konnte, als überrascht seine Augen aufzureißen.
„Mann, das ist vielleicht ein praktischer kleiner Zauber“, sagte ich. Ich rannte zur Tür und winkte Nora zu. „Bis später. Um Mitternacht bin ich wieder zurück. Lass dich vom Komitee nicht unterkriegen. Wenn es etwas Ernstes wäre, dann müssten wir es ja wissen.“
Ehrlich gesagt denke ich manchmal, ich sollte Kurse geben über das berühmte letzte Wort, das man haben will und später bereut.