Es war einmal ein Mann, der hatte drei Namen. Der vordere fing mit G an, der mittlere mit W und der letzte mit F. Den vorderen und den hinteren Namen kannte ich. Von dem W in der Mitte hatte ich bis heute nichts gewusst. Ich schaute zu Mama hoch, die mich an der Hand hielt, ein bisschen zu fest und mit schwitzigen Fingern.
»Wofür steht das?«, flüsterte ich.
»Das was?«, flüsterte sie zurück.
»Das W in der Mitte.«
Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
Sie hielt meine Hand noch fester. Seit wir hier draußen standen, ballten sich über uns am Himmel immer mehr und mehr tintenschwarze Wolken zusammen. Das machte Mama nervös. Am Ende von so einem schwarzen Geballe gibt es nämlich meistens ein Gewitter, und für ein Gewitter war sie nicht passend angezogen.
Für eine Beerdigung auch nicht.
Ich schaute über graue Grabsteine und bunte Frühlingsblumen hinweg den Hang runter, zu der hohen Backsteinmauer, die den Luisenstädtischen Friedhof zur Bergmannstraße hin begrenzt. Irgendwo hinter dieser Mauer wartete Irina in ihrem Flitzer, um nach der Beerdigung Mama und den Bühl so schnell wie möglich zum Flughafen Schönefeld zu bringen. Eine Woche Urlaub über Pfingsten. Sonderangebot. Sieben Tage Knutschen auf Sri Lanka, ohne Kinder. Dieses Sri Lanka ist eine Palmeninsel irgendwo bei Indien, mit Handtüchern und Getränken von achtzehn bis zweiundzwanzig Uhr für umsonst.
Das ohne Kinder war ich.
»Schlechtes Timing«, hatte Mama geseufzt, als wir den Termin fürs Begräbnis erfuhren. »Als hätte ich nicht schon genug um die Ohren!«
Nach ihrer Rückkehr mit dem Bühl vom Knutschen war die Eröffnung von ihrer und Irinas Boutique. Die hatte eigentlich schon vor zwei Wochen stattfinden sollen, aber die Handwerker kamen nicht richtig voran. Jetzt kostete jeder Tag, den die Umbauarbeiten länger dauerten, einen Haufen Geld. Mama hätte gern persönlich überwacht, wie die Handwerker es zu ihrem schönen neuen Ladenfenster rauswarfen, aber dafür hätte sie den Knutschurlaub absagen müssen, der ließ sich nämlich nicht mehr umbuchen, und dann wäre das Geld für das Sonderangebot auch noch futsch gewesen.
Und nun das Begräbnis, ausgerechnet am Abreisetag.
»Wirklich, verdammt schlechtes Timing.« Mama hatte noch einen Seufzer ausgestoßen, aber dann hatte sie mir einen Kuss auf die Nasenspitze verpasst. »Egal, wir begleiten dich natürlich trotzdem zur Beerdigung, Schatz.«
Jetzt pappte ihr hellgrünes Sommerkleid vor lauter Aufregungsschwitze an ihr dran wie eine zweite Haut. Das Kleid war superkurz. Vorhin in der Kapelle hatte der Pfarrer erst Mamas Beine und dann Mama selber angeguckt, als wäre sie nicht ganz dicht im Kopf, hier in so einem Fummel aufzukreuzen.
KAPELLE: Besteht entweder aus Leuten, die witzige Musik mit Instrumenten machen, oder aus Backsteinen, dann kommt die Musik aus knacksenden Lautsprechern, zum Beispiel Time To Say Goodbye. Das bedeutet Tschüss. Es ist ein sehr schönes Abschiedslied für tote Leute und außerdem zur Hälfte italienisch, genau wie ich.
»Ich weiß, das ist nicht der richtige Aufzug für eine Beerdigung«, hatte Mama vor zwei Stunden gesagt, als sie sich im Bad die Beine rasiert und anschließend Klebchen mit kleinen Muscheln drauf auf ihre Zehennägel gepappt hatte. »Aber ich werde auf keinen Fall bei fünfunddreißig Grad im Schatten in einem schwarzen Kleid auf Sri Lanka einschweben, vielen Dank auch!«
In Schönefeld wollte sie nicht noch mal alle Koffer öffnen müssen, um sich umzuziehen. Sie hatte schon Ewigkeiten gebraucht, um sich heute Morgen zurechtzumachen. Für die Kälte im Flieger hatte sie ihre gemütliche Strickjacke eingepackt, aber das war’s. Wenn sie in irgendeiner Toilette am Flughafen noch mal komplett von vorn loslegte, würde sie den Flieger verpassen.
Der Bühl hatte sich weniger Sorgen gemacht. Er trug einen schicken Sommeranzug aus leichtem hellgrauem Stoff mit einem weißen Hemd darunter und dazu noch eine voll coole Sonnenbrille. Seine Hand lag auf meiner Schulter. Ich spürte sie kaum, so leicht war sie, aber ich war froh, dass sie da war. Ich bin nicht so der Beerdigungstyp. Das tiefe Loch vor uns in der Erde machte mir Angst. Es war viel zu duster, der Sarg da unten drin wirkte viel zu klein, und ich hab’s doch nicht gern eng um mich rum.
Ich reckte den Hals. Am Eingang zum Friedhof war immer noch niemand zu sehen. Wenn Oskar und Lars sich nicht ein bisschen beeilten, würden sie alles verpassen. Wahrscheinlich hatte Lars mal wieder bis mittags gepennt, und Oskar kriegte ihn nicht aus dem Bett, oder Lars hatte nach dem Aufstehen aus dem Fenster geguckt und sofort die Krise gekriegt, weil entweder zu viel oder zu wenig Sonne schien, weil irgendeine Wolke nicht die richtige Form für einen Freitag hatte oder weil er fand, dass die schönen Pellebäume vorm Fenster noch nicht grün genug waren für einen Frühsommertag Anfang Juni. Oskars Papa hat total einen an der Klatsche, das steht mal fest. Manchmal überlege ich, ob es eine gute Idee von Mama war, so einem Heini unsere alte Wohnung im Zweiten anzubieten, obwohl es natürlich der Hammer ist, dass Oskar jetzt im selben Haus wohnt wie ich.
Der Pfarrer schien auch auf die beiden zu warten. Ich hörte ihm zwar nicht richtig zu, aus Angst vor dem Grabloch und wegen der Anteilnahme und dergleichen. Aber offenbar ging ihm langsam die Trauerrede aus, denn inzwischen erzählte er schon von seinem eigenen letzten Urlaub, wo er mit Stecken und Stab durch ein finsteres Tal gewandert war. Selber schuld. Er hätte ja auch nach Sri Lanka fliegen können, wo dauernd die Sonne scheint, mit Getränken und Handtüchern für umsonst.
Ich reckte noch mal den Hals.
Nitschewo.
Kein Oskar und kein Lars in Sicht.
Nitschewo ist russisch und heißt nichts. Es ist schon das sechste russische Wort, das ich gelernt habe. Irina meint nämlich, irgendwann müsste ich sie oder Mama womöglich mal in der Boutique vertreten, und weil sie viele russische Kundinnen anlocken will, muss ich dann ein bisschen die Sprache können. Meine anderen Worte auf Russisch sind Ja, Nein, Danke und Raus hier.
Über uns rumpelte laut der Himmel. Wind kam auf. Er strich über die vielen Gräber und Blumen und durch die hohen Bäume. Mama wehten ihre blonden Haare ums Gesicht. Ich guckte traurig auf den Sarg. Wenn das hier noch viel länger dauerte, würde es bald anfangen zu regnen, und das Grab füllte sich womöglich bis obenhin mit Wasser und schwappte über, und wir würden mit nassen Füßen dem Sarg nachgucken, wie er langsam den Hang runter in Richtung Landwehrkanal davontrieb.
Auf der anderen Seite vom Grab standen der van Scherten und Frau Dahling, beide in Trauerkleidung. Schon zum Trost hätte ich es toll gefunden, wenn die beiden sich bei den Händen gehalten hätten, denn seit dem letzten Sommer, das wusste ich von Frau Dahling, hatte sie eine kleine Zuneigung zum van Scherten gefasst. Aber nitschewo. Der van Scherten zickte aus irgendeinem Grund noch rum. Vielleicht hatte es was mit seiner geliebten Hannah zu tun. Die lag ebenfalls hier begraben, in irgendeiner anderen Ecke dieses riesigen Friedhofs, aber genau diese Ecke kann der van Scherten von seinem Wohnungsfenster aus sehen. Womöglich braucht er fürs Verlieben einfach einen größeren Sicherheitsabstand.
Aus der Dieffe 93 war außer Mama und mir und dem Bühl und Frau Dahling nur noch der Mommsen erschienen. Der guckte über seinen dicken Bauch hinweg, runter auf seine verballerten Schuhspitzen, kratzte sich an der Nase, faltete dann die Hände und schielte verstohlen zu der Inschrift auf dem schlichten kleinen Holzkreuz am oberen Ende des tiefen dunklen Lochs.
Gustav W. Fitzke
Vielleicht wusste der Mommsen, wofür das W stand. Er war der Einzige im Haus gewesen, der mit Fitzke einigermaßen gut klargekommen war, wahrscheinlich, weil Fitzkes Gemeinheiten ihm in befuseltem Zustand nicht so viel ausgemacht hatten. Mit Ausnahme von ihm und von Frau Dahling und natürlich von Mama und mir fand der Rest der Dieffe 93 Fitzkes Tod nicht wirklich schlimm, vor allem die RBs und die Kesslers nicht. Herr Runge-Blawetzky hatte sowieso immer Angst gehabt, Fitzke könnte mal ein Spiegelei oder dergleichen anbrennen lassen und so seine Bude in Brand stecken, und dann wäre die Dachwohnung der RBs obendrüber gleich mit abgefackelt. Und Frau Kessler hatte gesagt, sie würde Fitzke ganz sicher nicht vermissen, weil sein ewiges Gestänkere bei ihren doppelten Zwillingen Wachstumsstörungen verursacht hätte.
Aber ich würde Fitzke und sein Gestänkere vermissen.
In irgendeinem der vielen Bäume zwitscherte ein Vogel, so schön, als gäbe es auf dieser Welt keinen Tod und keine Begräbnisse und keine düsteren Gewitter. Der Mommsen schniefte leise und zog die Nase hoch. Frau Dahling schob sich ein vorsichtiges Millimeterchen näher an den van Scherten ran.
Mama drückte meine Hand ein wenig fester. Ich fühlte mich sehr feierlich und sagte leise Tschüss. Vom Himmel fielen die ersten Regentropfen, der Pfarrer murmelte, denn Staub bist du, und zum Staub wirst du zurückkehren, Amen, und ich gab Gustav W. Fitzke ein stilles Versprechen: dass ich alles tun würde, um sein Erbe treu und sorgfältig zu bewahren, wie er es mir in seinem Letzten Willen aufgetragen hatte.
Fitzkes Leiche hatten Oskar und ich entdeckt, letzten Montag. Oskar hatte mich am Förderzentrum abgeholt, und später war ich froh, dass wir als erste Kinder aus der Schule nach Hause kamen. Der dicke Thorben von den RBs wäre sonst auf seinem Weg in den Fünften garantiert total unwürdig oder sogar mit Absicht über die Leiche drübergelatscht.
Fitzke war unser erster Toter überhaupt, deshalb waren wir etwas aufgeregt. Er lag, auf der Seite und mit angewinkelten Beinen, vor seiner verschlossenen Wohnungstür im Vierten, in seinem verlotterten dunkelblauen Schlafanzug mit den grauen Längsstreifen. Mit Augen zu. Das war schon mal gut. Ich hätte garantiert Schiss gekriegt, wenn seine Leiche mich angestarrt hätte.
LEICHENSTARRE: Wenn jemand so plötzlich und unerwartet tot umfällt, dass er nicht mal mehr dazu kommt, die Augen zuzumachen, und dich deshalb anstarrt. Und starrt und starrt und starrt. Sehr unheimlich, auch wenn man selber an Plötzlich und Unerwartet kein bisschen schuld ist.
Wir stellten unsere Rucksäcke ab. Fitzke sah aus, als wäre er auf dem Boden rumgekrochen, auf der Suche nach irgendwas. Vielleicht war ihm sein Wohnungsschlüssel runtergefallen. Den hielt er verkrampft in einer Hand, und irgendwie wusste ich sofort, dass da kein Leben mehr in ihm drin war.
»Jetzt ist es also passiert«, flüsterte Oskar. Er kniete sich vor Fitzke hin und legte ihm zwei Finger an den Hals, dann fühlte er den Puls, wie es die Leute im Fernsehen immer machen. Fitzkes faltige Hand sah bläulich aus, aber dafür war sein von Bartstoppeln übersätes Gesicht eher gelblich. Oskar wartete eine Weile. Schließlich schüttelte er den Kopf.
»Das Herz?«, sagte ich.
»Bestimmt.«
Fitzke hatte es von Kindheit an am Herzen gehabt. Er nahm deshalb Tabletten, aber die verwahrte er in seinem Badezimmer. Warum hatte er die bloß nicht ständig bei sich gehabt, wenn er doch wusste, wie schnell sein Herz mal danebenschlug?
Ich ging in die Hocke und tippte ihm vorsichtig auf die Schulter. Man kann ja nie wissen. In Horrorfilmen springen die Leichen auch manchmal wieder hoch, und im nächsten Moment haben sie dir ein Ohr abgebissen, und du kriegst es nicht wieder, weil die Leichen es gierig runterschlucken, als wäre es eine leckere kleine Brezel. Aber Fitzke sprang nicht auf. Ich betrachtete sein gelbliches Gesicht. Auf jeden Fall mausetot. So friedlich hätte er niemals ausgesehen, wenn er noch das kleinste bisschen gelebt hätte.
»Sollen wir einen Krankenwagen rufen?«, sagte ich.
»Nee.« Oskar schüttelte den Kopf. »Er ist tot, was sollen die da schon machen? Ich schätze, wir müssen die Polizei verständigen.«
Ich guckte automatisch zur Tür vom Bühl gegenüber. Der war auf Arbeit in seiner Polizeidienststelle, sonst hätten wir es jetzt leicht gehabt. Um diese Zeit waren praktisch alle im Haus auf Arbeit, außer Frau Kessler, und die würde garantiert einen Nervenzusammenbruch kriegen, wenn sie erfuhr, dass ein Toter kreuz und quer im Treppenhaus herumlag. Mama war seit sieben Uhr früh mit Irina in der zukünftigen Boutique, um den Handwerkern Feuer unterm Hintern zu machen, hatte sie gesagt, und Lars pennte noch, und falls er doch schon wach war, würde eine Leiche ihn bestimmt völlig überfordern. Er bricht schon zusammen, wenn er im Kühlschrank Essen entdeckt, bei dem erst seit einem Tag das Verfallsdatum abgelaufen ist.
»Vielleicht sollten wir das besser dem Mommsen überlassen«, überlegte ich laut. Der Mommsen ist schließlich Hauswart, und im Hinterhof muss er auch immer darauf achten, dass nichts im Weg liegt. Außerdem hatte ich letztes Jahr, als Oskar entführt worden war, keine guten Erfahrungen mit der Polizei am Telefon gemacht. Daran war allerdings bloß ein Missverständnis schuld gewesen. Der Bühl hatte mir danach gesagt, die Polizei würde Kinder auf jeden Fall ernst nehmen, solange sie nicht nur anrufen, um Sind da die Bullen? Ich will zehn Buletten bestellen! ins Telefon zu brüllen, also könnten Oskar und ich eigentlich doch –
»Okay, gehen wir zu Mommsen«, kam Oskar mir zuvor. Er wollte sofort losstiefeln, hielt aber inne, als ich mich bückte und Fitzke seinen Wohnungsschlüssel aus der Hand nahm. Ich musste zerren, weil die knorrigen Finger ihn so fest hielten.
»Was hast du vor?«, sagte Oskar.
Ich zuckte die Achseln und zeigte auf Fitzkes Wohnungstür. »Ich wollte ihm eine Decke holen. Er kann doch nicht hier so im Kalten liegen.«
»Er friert ganz sicher nicht«, sagte Oskar.
Ich guckte Fitzke noch mal an, wie er da so harmlos lag. Das Letzte, was er in seinem Leben gesehen hatte, war der Linoleumboden im Treppenhaus gewesen. Plötzlich fühlte ich etwas Schwarzes in meinem Bauch. Es war wie dunkles Wasser, in das man einen Stein geworfen hatte, und jetzt breiteten sich die Wellen aus und wurden größer und größer. Richtige Trauerwellen. Die Schwärze schwappte über mein Herz und in meinen Kopf und vor meine Augen. Es war wie ohnmächtig werden, ohne dabei umzufallen.
»Rico?«
»Hm?«
Oskars kleine Finger pulten sich in meine rein. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie ich angesichts von Fitzkes Leiche die Hände zu Fäusten geballt hatte. »Komm. Es geht ihm bestimmt ganz gut jetzt.«
Ja, jetzt vielleicht, dachte ich, irgendwo im Himmel. Aber vorher war Fitzke ein einsamer Mann gewesen, und er war einsam gestorben, und womöglich konnten sie ihn im Himmel nicht leiden, weil er da oben garantiert gleich wieder anfing, wegen irgendwas zu meckern. Hier unten auf der Erde war es ja genauso gewesen.
Der alte Saftsack, hörte ich Mama in meiner Erinnerung sagen.
Nachdem er Oskar und mich letztes Jahr eingeladen und uns seine Steinesammlung gezeigt hatte, war Fitzke wieder verdammt unfreundlich geworden. Keine Einladungen mehr. Wenn ich ihm im Treppenhaus oder auf der Straße begegnet war, hatte er immer so ausgesehen, als würde er über etwas nachdenken, das ihm ordentlich zu schaffen machte. Ihm und womöglich auch seinem Herzen.
Mann, Mann, Mann!
Ich steckte Fitzkes Wohnungsschlüssel in meine Hosentasche und folgte Oskar nach unten. Die blöden Trauerwellen waren immer noch da. Erst als wir bei Mommsen klingelten, wurden sie endlich kleiner und ribbelten schließlich ganz davon.
Beim Mommsen bin ich immer halb gern und halb ungern. Es riecht komisch bei ihm in der Wohnung, so sauer und beißend, als würden außer dem Mommsen auch noch die Tapeten und der alte Parkettboden Bier und Schnaps trinken, und besonders aufgeräumt ist es dort auch nie. Aber in Mommsens Flur steht eine kleine Kommode, in der bunkert er Schokolade. Verschiedene Sorten. Er bunkert sie, weil er Schokolade genauso nahrhaft findet wie ich und weil er glaubt, dass sie gut für die Nerven ist. Manchmal, wenn ich zufällig bei ihm anklopfe und ihn frage, wie es ihm denn so geht und ob er nicht auch findet, dass heute ein schöner Tag ist, weil der Sonnenschein bestimmt prima für die Kakaoernte in Südamerika ist, schenkt er mir eine Tafel. Das funktioniert aber höchstens einmal pro Woche. Öfters zufällig anklopfen hat also keinen Zweck, und das Wetter ist ja auch nicht immer passend.
Die Tür ging auf. Eine Schnapsfahne wehte uns ins Gesicht. Die Augen vom Mommsen waren so winzig klein und rot, als hätte ihm jemand zwei Kirschen in den Schädel gesteckt.
»Wassen?«
»Herr Fitzke liegt tot vor seiner Wohnungstür«, sagte Oskar. Seine Stimme klang gepresst, weil er versuchte, gleichzeitig zu reden und die Luft anzuhalten. »Könnten Sie bitte die Polizei rufen?«
»Tot?«
»Auf jeden Fall«, presste Oskar raus.
»So. Na dann.«
Der Mommsen drehte sich um und schlurfte zum Telefon. Oskar ließ zischend die Luft aus sich raus.
Das alte Telefon steht auf der kleinen Kommode mit dem Schokoladenvorrat drin. Ich guckte sehnsüchtig hin, aber es war gerade kein guter Zeitpunkt, um danach zu fragen. Man muss Respekt vor den Toten haben, und da gehört es sich nicht, wenn man gerade eben erst einen gefunden hat, ans Essen zu denken. Womöglich lässt der liebe Gott sonst zur Strafe die nächsten drei Kakaoernten in Südamerika ins Wasser fallen, und dann kann man Schokolade vor lauter Knappheit irgendwann nicht mehr bezahlen.
Wir hörten den Mommsen unverständlich ins Telefon murmeln. Wir sahen ihn lauschen und nicken, dann murmelte er noch irgendwas, legte auf und kam zurückgeschlappt.
»Polizei kommt. Sonst noch was?«
»Ich glaube, ich hab’s gerade ein bisschen an den Nerven«, sagte ich. Ich konnte leider gar nichts dagegen machen und bloß hoffen, dass in Südamerika weiterhin die Sonne schien.
Mommsens Kirschaugen sahen aus, als füllten sie sich langsam mit Wasser. Er drehte sich um und schlurfte zur Kommode zurück. Oskar starrte ihm mit gerümpfter Nase nach. Der Mommsen kam mit einer Tafel Nussnugat wieder, die er mir in die Hand drückte.
»Hier.«
»Danke.«
»Du auch was?«, wandte er sich an Oskar.
»Sie sollten weniger trinken«, sagte Oskar. »Wenn Sie den Alkohol, den Sie jeden Tag konsumieren, in Reinform zu sich nehmen würden, dann –«
»Klappe!«, schnappte der Mommsen. »Kümmer dich lieber um deinen geistesgestörten Vater, bevor du anderen Leuten erzählst, wie viel sie zu trinken haben!«
RUMMS!
Oskar starrte die Tür an. Sein Gesicht war blass und seine Ohren knallrot. Ich wollte nicht, dass er ausrastete, also kruspelte ich schnell die Tafel Schokolade auf und brach sie in kleine Stückchen.
»Magst du?«
»Nein.«
Ich überlegte, wie ich ihn sonst ablenken konnte. »Sollen wir bei Fitzke eine Trauerwache machen oder wie das heißt?«
»Nee. Oder doch. Okay.«
Er ging nach oben. Besser gesagt, er rannte. Machte auf dem Absatz kehrt und stürmte los, aber nur bis in den Zweiten. Ich kam kaum hinterher, weil ich die vielen Schokoladenstückchen balancieren musste, damit sie mir nicht aus den Händen fielen.
»Bin gleich wieder da«, rief er über die Schulter und verschwand in seiner Wohnung. Ich dachte schon, er würde mit Lars wieder rauskommen. Aber er kam ohne ihn zurück, dafür allerdings mit einer gestrickten Bommelmütze auf dem Kopf. Sie war hübsch bunt gemustert. Es gab eine rote Bommel für obendrauf und zwei an sehr langen Bändeln, die von den Ohrenklappen runterhingen. Wie alles, was Oskar sich auf den Kopf setzt, war die Mütze zu groß. Und wie immer sah es völlig beknackt aus.
»Fertig«, sagte er.
Was sollte man da sagen? Wenn Oskar sich tarnt, geht es ihm nicht gut. Nachdem er letzten Oktober mit Lars hier eingezogen war, hatte er noch eine Weile die Sonnenbrille vom letzten Jahr getragen, ungefähr bis Silvester. Danach hatte er keine Tarnung mehr gebraucht, das ganze Jahr bisher nicht. Und jetzt ging es wieder los und ausgerechnet mit so einer dämlichen Bommelmütze!
»Hat meiner Mutter gehört«, sagte Oskar auf meinen fragenden Blick. Er zupfte an einer der Bommeln. »Aus Peru. Echt Lama.«
Als Jule noch in der Dieffe 93 wohnte, hatte sie mal mit einem Peruaner rumgeknutscht. Deshalb kannte ich Peru aus dem Atlas, es ist ein Land in Südamerika. Was ein Lama war, wusste ich auch. Man darf es nicht mit Lima verwechseln, das ist die Hauptstadt von Peru.
LAMA: Säugetier mit innen Spucke und außen Wolle. Die Spucke ist für Feinde und die Wolle für Bommelmützen. Außerdem gibt es noch einen freundlichen kleinen Mann mit Brille, der heißt Dalai Lama und kommt aus Tibet in Asien. Es ist keine Wolle an ihm dran, aber vielleicht kann er ja auch total weit spucken. Womöglich bis Lima.
Wir stiefelten das Treppenhaus hoch. Die neue Wohnung im Dachgeschoss ist wirklich super, aber der Weg bis ganz oben ist nicht von Pappe. Über hundert Stufen. Womöglich war Fitzke gestorben, weil der Aufstieg in den Vierten ihm zu anstrengend gewesen war. Oskar und ich hielten Totenwache bei ihm, bis die Schokolade alle war. Wir saßen nebeneinander auf der Treppe und guckten die Leiche so lange an, bis ich fast wieder heulen musste. Wenn da so gar kein Atem mehr aus einem rauskommt …
»Ich glaube, er hatte kein glückliches Leben«, sagte ich.
»Doch, hatte er.« Oskar guckte den Fitzke nachdenklich an und zupfte dabei ständig an seinen Bommeln. »Und ich sag dir auch, warum: Es gibt Leute, die sind nur glücklich, wenn sie unglücklich sind.«
»Und Fitzke war so einer?«
»Auf jeden Fall.«
»Müssen wir das der Polizei sagen?«
»Nee. Er hat sich ja nicht umgebracht.«
»Sollen wir in unserer Wohnung auf sie warten? Auf die Polizei, meine ich.«
»Okay.«
Als wir die letzten Stufen in den Fünften nahmen, begann hinter unserer Tür ein aufgeregtes Kläffen. Porsche hasst es, wenn er allein gelassen wird, aber ich kann ihn auch nicht ständig mitnehmen, schon gar nicht ins Förderzentrum, auch wenn er dort echt noch was lernen könnte.
»Da liegt was«, sagte Oskar über das Gekläffe aus der Wohnung hinweg. Er streckte einen Finger aus.
Ich hatte es im selben Moment gesehen wie er. Auf unserem Herzlich willkommen!-Schuhabtreter lag ein dickes Buch mit abgewetztem grünem Einband und darauf ein handgeschriebener Zettel, beides mit einem Stein beschwert, der gerade mal so groß war wie ein Ei von einem Liliputaner-Huhn. Ich steckte ihn in die Hosentasche und las den Zettel vor.
Doretti, mit mir geht’s zu Ende. Du kriegst alle meine Steine, das habe ich im letzten Sommer testamentarisch verfügt (Adresse Anwalt unten). Die Sammlung ist mein Lebenswerk, also pass gefälligst darauf auf. Näheres dazu findest du im Journal. Ich hoffe, ich habe mich nicht in dir getäuscht.
Gustav Fitzke
PS: Glaub bloß nicht, nur weil ich bald ins Gras beiße, würde ich mich jetzt dafür entschuldigen, dich Schwachkopf genannt zu haben!
Unter dem Gekritzel stand ein Name mit Anschrift und Telefonnummer.
»Was ist ein Journal?«, sagte ich.
»Das da«, sagte Oskar und zeigte auf das dicke Heft auf der Fußmatte. »So was wie ein Notizbuch, nur ausführlicher. Fitzke hat es uns letztes Jahr gezeigt. Weißt du nicht mehr?«
»Und was bedeutet testamentarisch verfügt?«
»Ein Testament ist ein Letzter Wille. Man setzt es zusammen mit einem Anwalt auf.«
»Auf was?«
»Papier.«
Ich überlegte. »Wo soll ich die Steine bloß alle unterbringen?«
Oskar zog die Nase hoch. »Auf einer Müllkippe. Ich hoffe, du nimmst nicht ernst, was Fitzke da verlangt.«
Ich las die Adresse auf dem Zettel. Testamentarisch verfügt, letzten Sommer … Mir fiel der Tag ein, als wir Fitzke geschniegelt und gestriegelt im Anzug vorm Edeka getroffen hatten. Das musste der Tag gewesen sein, an dem er bei diesem Anwalt sein Testament auf Papier gesetzt hatte, denn so ein Testament ist bestimmt eine feierliche Angelegenheit. Mein lieber Schwan … Ich wusste noch nicht, ob ich diesen Letzten Willen ernst nehmen sollte oder nicht, aber ich fühlte mich sehr geschmeichelt.
»Und falls du dich gerade geschmeichelt fühlen solltest«, trompetete Oskar, »dann denk dran, dass Fitzke einen an der Waffel hatte! Er hat dich bis zum Schluss für dumm genug gehalten, dass du seine idiotische Steinsammlung für ihn pflegst!«
»Jaja.« Ich hörte gar nicht richtig hin. Ich las erneut den Zettel. »Warum sagt man eigentlich, dass einer ins Gras beißt, wenn er stirbt? Könnte man nicht auch in was anderes beißen?«
Oskar tappte genervt mit einem Fuß. Das macht er immer, wenn’s ihm mit meiner Tiefbegabung etwas zu viel wird. »Natürlich«, sagte er. »Zum Beispiel in deinen Schülerausweis.«
Ich guckte ihn ungläubig an. Er guckte zurück unter seiner blöden Bommelmütze, dann grinste er und zeigte seine großen Zähne. Der Bühl hat mal gesagt, Oskar sei das einzige Kind auf der Welt, das Ironie versteht. Seine Erklärung, was Ironie ist, fand ich allerdings schwierig, es gibt sie nämlich in verschiedenen Geschmacksrichtungen.
IRONIE: Spöttisch gemeintes Gegenteil von dem, was man eigentlich sagt. Wenn man es nicht spöttisch, sondern richtig böse meint, ist das Sarkasmus. Außerdem gibt es noch Zynismus, das ist jenseits von Gut und Böse. Wenn alle einfach nett zueinander wären, könnte man also drei schwierige Fremdwörter sparen, aber nee …
Mama, der Bühl und ich eilten den Hang runter in Richtung Bergmannstraße. Als wir den Pfarrer auf seinem Weg zur Kapelle überholten, guckte er mit zusammengekniffenen Lippen auf Mamas hüpfenden Busen und schüttelte missbilligend den Kopf. Auf einem Friedhof rennt man gefälligst nicht so, sagte sein Blick, und wenn hier überhaupt was hüpfen sollte, dann höchstens die Eichhörnchen in den alten Fichten und Tannen. Vorhin, als wir hier angekommen waren, hatte ich eins herumturnen sehen. Sehr niedlich.
»Wir kommen in die Hölle«, keuchte der Bühl, der den Blick des Pfarrers bemerkt hatte.
»Aber vorher komm ich nach Sri Lanka«, schnaubte Mama zurück.
Ich drehte mich im Laufen um und guckte noch mal über die Schulter, um Frau Dahling und Herrn van Scherten zuzuwinken, auch wenn ich Frau Dahling in ein paar Stunden eh wiedersehen würde, denn sie hatte Oskar und mich zu einem Müffelchen-Gedenkabend für Fitzke eingeladen. Aber sie und der van Scherten waren bereits verschwunden. Wahrscheinlich statteten sie der geliebten Hannah noch einen kleinen Besuch ab. Eigentlich hätte jetzt nur noch der Mommsen vor Fitzkes Grab stehen dürfen, dem wir nur flüchtig zugenickt hatten, als wir losgeeilt waren.
Aber der Mommsen war jetzt zu dritt.
Ein älterer Mann mit Hut und eine jüngere Frau mit blonden Haaren und in einer kurzen schwarzen Jacke waren Gott weiß woher an Fitzkes Grab getreten und guckten gerade gemeinsam in das tiefe Loch. Der ältere Herr griff in seine Anzugtasche, holte etwas Kleines raus und warf es ins Grab. Ich konnte nicht erkennen, was es war, aber es musste schwer sein, denn es plumpste in das Loch wie ein Stein. Hoffentlich nichts zu essen. Die alten Ägypter legten ihren Toten immer was zu essen mit in den Sarg, für den Aufenthalt im Jenseits. Vorher zuppelten sie ihnen das Gehirn aus der Nase raus und wickelten sie in Mumientücher. Das machte zwar die Toten haltbarer, das Essen aber nicht. Es war pure Verschwendung.
Die junge Frau sprach auf den Mommsen ein. Irgendwas an ihr kam mir bekannt vor. Es war nur eine undeutliche Erinnerung – ich hab’s ja nicht so mit dem Erinnern –, aber die war deutlich genug, um in meinem Kopf eine kleine Alarmsirene aufheulen zu lassen. Ich blieb so ruckartig stehen, dass Mama mir fast die Hand abgerissen hätte.
»Rico, hey –«
»Ich muss noch mal zurück«, sagte ich. »Ich hab was vergessen.«
»Was denn?«
»Ehm … Das hab ich auch vergessen.«
»Schatz, es ist schon fast zwei Uhr! Wir kommen zu spät, wenn wir nicht sofort losfahren!«
Eigentlich hatte ich ja gar nichts vergessen. Ich war bloß neugierig und außerdem verwirrt. Die Erinnerung an die junge Frau hatte eine Farbe, und die war gelb. Es hatte aber nichts mit ihren blonden Haaren zu tun. Es war eher wie das Gelb von Sonnenblumen. Wie das Gelb von –
»Rico, geht’s mit etwas mehr Dampf? Du kannst doch später noch mal herkommen, okay?«, drängte der Bühl.
Zehn Sekunden später saßen wir in Irinas Flitzer, und der Motor heulte auf. Irina haute einen Gang rein, dass es krachte.
»Wird auch Zeit«, sagte sie. »Hab ich schon gedacht, dass einer von euch ist der alte Knacker hinterhergehüpft in die Grab.«
Im Vorbeifahren guckte ich durch das offene kleine Gittertor des Friedhofs rauf zum Hügel. Sie waren noch da, alle drei. Der befuselte Mommsen, der alte Herr im dunklen Anzug und die junge Frau mit den blonden Haaren.
Gelb, dachte ich. Gelb, gelb, gelb …
Seit dem letzten Sommer, als Oskar und ich Mama vor ihrer Erpressung retteten, habe ich nur noch ein einziges Mal Tagebuch geführt, letzten Herbst, kurz bevor Mama und ich in den Fünften und Oskar und Lars in den Zweiten einzogen und wir den totalen Krieg mit dem dicken Thorben von den RBs gehabt hatten. Das Tagebuch ist irgendwie nach den Kampfhandlungen verloren gegangen. Der dicke Thorben leider nicht.
Aber seitdem musste ich nichts mehr aufschreiben. Bis heute ist nämlich alles klasse gelaufen. Mit der Bingotrommel habe ich zum Beispiel in letzter Zeit echt Glück gehabt. Bis auf den üblichen Stress beim Abbiegen in eine Straße – den ich nur noch selten habe, denn ich bin ja jetzt viel mit Oskar unterwegs, der sich nie verläuft – oder wie neulich, als ich erst im Edeka merkte, dass ich zu Hause nach dem Pinkeln den Reißverschluss von meiner Hose nicht zugemacht hatte, gibt sie nämlich seit Monaten ziemlich Ruhe. Es ist fast schon ein wenig unheimlich. Klar, ab und zu höre ich sie in meinem Kopf rumpeln, und hier und da fällt mal ein Kügelchen raus, zum Beispiel im Matheunterricht oder wenn man dann am Reißverschluss herumzerrt und ihn einfach nicht zukriegt, weil er klemmt, und die Edeka-Kassiererin liebenswürdig fragt, ob sie einem helfen soll. Aber sonst ist alles ziemlich bestens.
Der Wehmeyer meint, ich würde erstaunliche Fortschritte machen.
Mein bester Freund wohnt im selben Haus wie ich.
Ich habe einen treuen Hund.
Mama und ich wohnen in der coolsten Wohnung von Berlin.
Und womöglich wird der Bühl irgendwann mein neuer Papa. Deshalb hatte ich auch nicht gemault, als er gefragt hatte, ob es mir was ausmachen würde, wenn er allein mit Mama nach Sri Lanka flog. Er sollte wissen, dass er einen selbstständigen, großzügigen und verständnisvollen Sohn kriegen würde. Außerdem hatte er mir fünfzig Euro Taschengeld für die Woche versprochen.
Mein echter Papa ist schon lange tot. Als ich noch bloß gedacht hatte, er sei tot, war er es nicht, und als ich dann dachte, dass er noch lebendig ist, war er das auch nicht. Letzten Sommer, nachdem Mama erpresst worden war, hatte sie das rausgefunden, nach jeder Menge Telefonaten mit Ämtern und Behörden.
Mein Vater war schon vor fünf Jahren von einem Kleinlastwagen überfahren worden. Der Laster hatte Fische zum Markt transportiert, irgendwo an der Küste von Neapel. Das war ein bisschen unheimlich, weil ich mir immer ausgemalt hatte, mein Vater wäre an der Küste von Neapel beim Angeln ertrunken, also hatte ich mit seinem Tod durch Fische gar nicht so falschgelegen. Frau Dahling meinte sogar, nachdem sie davon erfuhr, ich besäße die heilige Gabe der Prophezeiung. Mit einer Prophezeiung sagt man etwas voraus, das später passiert, ohne dass man es vorher wissen konnte. Frau Dahling meinte, ich hätte zwar wegen meiner Tiefbegabung ein wenig danebengelegen, aber vermutlich hätte ich gerade wegen meiner Tiefbegabung das Talent der Prophezeiung erhalten, sozusagen als göttlichen Ausgleich.
Ich war nicht traurig wegen meinem Vater. Ich hatte ihn nicht gekannt, und wer ihn gekannt hatte, hatte ihn doof gefunden. Vielleicht war er mal ganz nett gewesen, als Kind, aber vielleicht war er damals auch schon so blöde gewesen wie der dicke Thorben oder wie der bescheuerte Lawottny aus dem Förderzentrum.
Also, alles bestens.
Bis auf heute.
Bis auf das Gelb.
Deshalb fange ich vorsichtshalber jetzt einfach mal dieses neue Tagebuch an.
Man weiß ja nie.