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Nr. 90

 

Atlan in Not

 

Sein Hass kennt keine Grenzen – und die Revolte gegen Arkon ist ihm nur ein Mittel zum Zweck ...

 

von KURT BRAND

 

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Als bei der Entdeckung des auf dem Mond gestrandeten arkonidischen Forschungsraumers der Grundstein zur Vereinigung der irdischen Menschheit und dem aus dieser Vereinigung erwachsenden Solaren Imperium gelegt wurde, ahnte noch niemand – auch nicht Perry Rhodan, der Begründer des terranischen Sternenreiches – welche Anstrengungen und Nervenkraft es im Laufe der Jahre kosten würde, dieses Reich gegenüber Angriffen von innen und außen zu erhalten.

Die bisher gefährlichste Bedrohung der Menschheit, die in der »Schlacht um Terra« kulminierte, konnte dank arkonidischer Hilfe gebannt werden, ebenso wie die durch die von Thomas Cardif entfachte innenpolitische Gefahr durch Guckys Alleingang gebannt werden konnte.

Die Springerflotte ist aus dem Solsystem abgezogen, und Perry Rhodan hat wieder einen unblutigen Sieg errungen, doch dafür ist das inzwischen von Atlan, dem Unsterblichen, geleitete Arkon-Reich in höchste Bedrängnis geraten, als in der Galaxis bekannt wird, dass der unerbittlich zuschlagende Robotregent, der bisherige Herrscher, keine Befehle mehr erteilen kann!

ATLAN gerät IN NOT – und Perry Rhodan muss eingreifen ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Administrator des Solaren Imperiums und Atlans Stütze.

Thomas Cardif – Sein Hass auf den Vater erschüttert die Milchstraße in ihren Grundfesten.

Atlan – Der neue Imperator von Arkon.

Frank Lemmon – Chef der Abteilung F-1 der Solaren Abwehr.

Reginald Bull – Perry Rhodans bester Freund.

Cokaze – Patriarch einer mächtigen Springer-Sippe.

Gucky – Auf die Dauer kann niemand dem Mausbiber böse sein.

Atual und Ortece – Direktoren der Bank der Galaktischen Händler in Titon auf Archetz.

1.

 

Frank Lemmon besaß eine seinem Charakter entsprechende Dienstauffassung, und seit zwei Stunden stellte er sie unmissverständlich unter Beweis: er faulenzte!

Er hatte die dickleibige Terrania Post gelesen, sogar die politischen Artikel zur Kenntnis genommen, den Wirtschaftsteil studiert und das nun vor einer Stunde auch als Anstrengung betrachtet, obwohl es keineswegs zu seinem Aufgabenbereich gehörte, im Dienst Zeitung zu lesen.

Frank Lemmon war gebürtiger Nordamerikaner; seine Heimatstadt hieß Klondike. Vor drei Jahren war er von Klondike nach Terrania gekommen, hatte hier die letzte Eignungsprüfung mit Auszeichnung bestanden und war ein halbes Jahr später schon Chef der Abteilung F-1 im Solaren Geheimdienst.

F-S befasste sich mit der Beobachtung der politischen Verhältnisse auf der Erde. Bei Frank Lemmon liefen alle Meldungen ein. Er, der Mann, der manchmal nicht seines Charakterfehlers Herr werden konnte, gehörte aber zu den wenigen Männern in Terrania, die darauf verzichteten, ein Rechengehirn als vorgeschaltete Auswertungsstelle zu benutzen. Frank Lemmon verließ sich lieber auf seinen Instinkt, oder – wie es in seinen Papieren stand: Parasinn? Eigenschaft ist nicht zu klassifizieren. Überdurchschnittliche Kombinationsgabe verbunden mit seherischem Sinn für scheinbar unbedeutende, in Wirklichkeit aber äußerst wichtige Meldungen.

Frank Lemmon hatte heute seinen Dienst mit einstündiger Verspätung angetreten, weil ihm beim Erwachen schon vor dem langweiligen Tag graute. Erhob er sich aus dem Bett mit diesem Gefühl, dann brachte der gesamte Arbeitstag keine Beschäftigung für ihn, und er trat dann regelmäßig dieser Tatsache mit Faulenzen entgegen, indem er auch die weniger wichtigen Arbeiten nicht erledigte.

Trotzdem machte Solarmarschall Allan D. Mercant, Chef des Sicherheitsdienstes, seinem Abteilungsleiter Frank Lemmon deswegen nie Vorwürfe. Mercant verstand Vorzüge und Nachteile seiner Mitarbeiter gegeneinander gut abzuwägen, und bei Lemmon wog dessen Fähigkeit, einlaufende Meldungen auf einen Blick hin auf ihre Bedeutung festzulegen, weit mehr als seine Faulheit.

Lemmon schlürfte gerade mit Genuss den starken, heißen Kaffee, als die Bildscheibe der Verständigung aufleuchtete. Der vierundzwanzigjährige, schlanke Abteilungschef sah kaum auf.

Meldungen aus Washington, Peking und Lahore.

»Große Milchstraße«, stöhnte Lemmon auf und hielt dabei die Tasse immer noch an den Lippen, »der Agent in Lahore schreibt ja einen Roman! Und so viel Aufwand für diesen Unsinn!«

Als die Bildscheibe erlosch, hatte er alle Meldungen schon wieder vergessen. Gerade wollte er erneut nach der TERRANIA POST greifen, um unter dem Strich die Kurzgeschichte mit dem ihn interessierenden Titel Ghana, Spiegelbild einer Seele zu lesen, als er sich ruckartig aufrecht in seinen Sessel setzte und die Füße vom Schreibtisch nahm. Sein gelangweiltes Gesicht hatte sich schlagartig verändert. »Rabintorge? Wo habe ich diesen Namen schon einmal gehört oder gelesen? Rabintorge ... ist das nicht der Inder, der Unterlagen über den Druuf'schen Linearhyperantrieb lieferte, die ein so raffinierter Schwindel waren, dass die gesamte Abwehr sich damit blamierte und ...?«

Die Sprechphase der Interkomverbindung, die vorhin bei der Bildübermittlung ausgeschaltet war, wurde jetzt von Lemmon in Betrieb gesetzt. »Manners, bringen Sie mir sofort alle Unterlagen über Rabintorge, diesen Bluffer aus Lahore. Es eilt, Manners!«

Wenn Frank Lemmon diesen Nachsatz benützte, dann eilte es tatsächlich.

Er musste nicht lange warten. Manners, ein untersetzter Vierziger, legte ihm einen Stoß Archivaufnahmen auf den Schreibtisch.

»Ist das alles?«, vergewisserte sich Lemmon.

»Alles. Ich habe unseren Bestand mit dem des Hauptarchivs verglichen und ...«

Frank Lemmon winkte ab. Er wollte allein sein. Er las die Stanzstreifen mit ihren Schlüsselzeichen, wie andere ein Buch lesen.

Drei Berichte sortierte er aus. Er steckte sie ein, erhob sich und sagte im Vorzimmer Bescheid, dass er eine Besprechung mit Solarmarschall Mercant hätte.

Die Führungsspitze der Solaren Abwehr befand sich achtzehn Kilometer entfernt in dem gewaltigen Verwaltungshochhaus, das Terranias Wahrzeichen geworden war. Aber gemessen an den Aufgaben, welche das Solare Imperium zu bewältigen hatte, war dieser Büroapparat kein Wasserkopf, in dem einige tausend Mitarbeiter ein bequemes Leben führten.

Frank Lemmon mit seinen unregelmäßig wiederkehrenden Faulenzerstunden stellte eine seltene Ausnahme dar, doch aufgrund seiner phänomenalen Leistungen, mit denen er manchmal aufzuwarten beliebte, ersetzte er ein sechsköpfiges, eingespieltes Team.

In Mercants Vorzimmer musste er eine gute halbe Stunde warten.

»Der Chef ist drin!«, hatte ihm die stupsnasige, ständig gut gelaunte erste Sekretärin gesagt.

Dann wird der Chef mich anhören müssen, dachte Lemmon. Es kam ihm dabei nicht zu Bewusstsein, dass er seine Person sehr hoch einschätzte.

Als die dreißig Warteminuten vorüber waren und noch nichts auf ein Ende der Konferenz hinter der schweren Tür schließen ließ, machte sich Frank Lemmon bei der stupsnasigen Sekretärin noch einmal bemerkbar. »Geben Sie bitte sofort an den Solarmarschall durch, dass es sich um den LH-Antrieb handelt!«

Die Abkürzung LH war seine eigene Erfindung und ihm gerade blitzartig durch den Kopf geschossen. Weder Mercant noch Perry Rhodan kannten sie; beide waren auch vielleicht nicht in der Lage, ihre Bedeutung zu erraten, aber wenn Lemmon auf der einen Seite damit das Kardinalgebot der Geheimhaltung beachtet hatte, so konnte er andererseits Rhodan vielleicht beeinflussen, zu bleiben und zu hören, was er, Lemmon, dem Marschall zu sagen hatte.

»Ist es wirklich so wichtig, Lemmon?«, zweifelte die Sekretärin, die es gewohnt war, dass man immer wieder unter Vorgabe einer dringenden Angelegenheit versuchte, Mercants wertvolle Zeit in Anspruch zu nehmen.

Ruhig erwiderte ihr Frank Lemmon: »Ich betrachte es als sehr wichtig. Betonen Sie bei der Durchsage LH-Antrieb, ja?«

Von Allan D. Mercant kam sofort das Echo. »Was? LH-Antrieb? Wer wartet? Lemmon? Soll hereinkommen!«

Langsam zog Frank Lemmon hinter sich die schwere Tür zu. Am Rauchtisch saßen sich Perry Rhodan, der Administrator des Solaren Imperiums, und sein Abwehrchef Allan D. Mercant gegenüber. Beide blickten ihn erwartungsvoll an. Mit einer flüchtigen Handbewegung forderte Mercant seinen Abteilungsleiter auf, Platz zu nehmen. Keiner der beiden fragte nach der Bedeutung der Abkürzung LH.

Lemmon zog die drei Stanzstreifen aus der Tasche und legte sie vor sich hin. Als er aufsah, blickte er in Rhodans graue Augen, in denen sich leichte Spannung widerspiegelte.

»Sir ... Marshall«, Lemmon sprach beide an und übersah, dass er seinen direkten Chef in der Anrede degradiert hatte. Rhodans Schmunzeln begriff er nicht, auch machte er sich keine Gedanken darüber. Seine Konzentration galt dem Bericht, den er jetzt abzugeben hatte.

Er sprach von dem indischen Studenten Rabintorge, der, durch bis heute unaufgedeckte Kanäle, etwas über den geheimnisvollen Linearhyperantrieb der Druuf gehört hatte. Frank Lemmon sprach davon, welche Aufregung der vier Seiten lange, formelgespickte Artikel in der Studentenzeitung Ars stellaris der Universität Lahore bei der Solaren Abwehr ausgelöst hatte. »... Und erst zwei Wochen später konnten uns unsere Wissenschaftler sagen, dass wir einem Studentenulk zum Opfer gefallen waren.

Das hier ...«, und er schob die drei Stanzstreifen mitten auf den Rauchtisch, um es Rhodan und Mercant zu überlassen, wer sie zuerst an sich nahm, »... sind die wichtigsten Meldungen aus letzter Zeit.«

Lemmon legte eine kleine Pause ein, um abzuwarten, wer denn nun die Stanzstreifen las. Statt dessen sagte Perry Rhodan ihm: »Weiter, Lemmon.«

»Nun ... vor einer Stunde habe ich einen Bericht unseres Agenten aus Lahore erhalten. Einen Roman voller Nichtigkeiten, aber eine Meldung daraus dürfte bemerkenswert sein: Dieser Student Rabintorge, der uns mit seinem Linearhyperantrieb-Ulk hat auflaufen lassen, soll mit der GHC Company in Verhandlung stehen, um dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig zu werden.

Wollen wir wirklich solch einen Mann zur Konkurrenz abwandern lassen?«

Frank Lemmon hatte schon mehrere Male mit Perry Rhodan gesprochen, und er glaubte, den Administrator etwas zu kennen, aber jetzt wurde es ihm unter dem scharfen Blick aus den grauen Augen doch leicht ungemütlich. Auch Allan D. Mercant sah ihn durchdringend an. Beide Männer hüllten sich vorerst in Schweigen, das immer stärker an Lemmons Nerven zerrte.

Jetzt legte sich Perry Rhodan zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Allan D. Mercant griff nach den Stanzstreifen und starrte darauf, aber er las sie nicht.

Im spartanisch eingerichteten Arbeitszimmer des Abwehrchefs herrschte nur Stille.

Lemmon durchbrach sie mit seinem Räuspern; zum Sprechen jedoch kam er nicht mehr.

»Lemmon, wie kommen Sie zu Ihrem Vorschlag?«, stellte Perry Rhodan die Frage.

In Frank Lemmon wurde wieder dieser nicht zu klassifizierende Parasinn wach. Seine Gegenfrage entstand aus dieser Veranlagung.

»Sir, ist mein Vorschlag nicht das Ergebnis einer logischen Folgerung?«

Rhodan überging sie. »Was wissen Sie über den Linearhyperantrieb der Druuf, Lemmon?«

»Nichts, bis auf die Tatsache, dass die Druuf einen überlichtschnellen Antrieb besitzen sollen, und dass bei Erreichen der Überlichtgeschwindigkeit ein Verlassen unseres Raum-Zeitgefüges nicht erforderlich sein soll. Aber ob diese Version richtig ist, das ...«

»Sie ist richtig, Lemmon!«, unterbrach Rhodan ihn. »Woher haben Sie Ihre Erfahrungen bezogen?«

Ohne zu überlegen, antwortete Frank Lemmon: »Vom wissenschaftlichen Team 065-Antrieb. Bei der Verfolgung des Falles Rabintorge arbeiteten wir eine Woche lang zusammen.«

»Danke!«, sagte Rhodan kurz und blickte dann Allan D. Mercant an. Der sah in diesem Blick eine Aufforderung, sich zu äußern.

»Sir, wir sollten gerade jetzt uns keine Chance entgehen lassen ...«

Besonders klar war Mercants Stellungnahme nicht; Lemmon fasste sie wenigstens so auf, aber Rhodan musste sie anders verstanden haben, denn er nickte seinem Solarmarschall zu und sagte abschließend: »Veranlassen Sie alles weitere.«

»Über diesen Rabintorge sind wir besser informiert, als er über sich Bescheid weiß, Sir«, machte nun Mercant seine Angaben zu dem eigentümlichen Fall. »Der Student ist nie mit extrasolaren intelligenten Wesen in Verbindung gekommen. Seine physikalisch-mathematischen Fähigkeiten, die überall Anklänge an die Hypermathematik der Arkoniden zeigen, sind unerklärlich. Noch verblüffender ist die Tatsache, dass er erst mit fünfzehn Jahren lesen und schreiben gelernt hat.«

»Und dieser Student kann kein Arkonide sein, Mercant, oder Ara oder Ekhonide?«

»Nein. Ausgeschlossen. Rabintorge ist Terraner und ein physikalisch-mathematischer Theoretiker der Superklasse!«

Rhodan schmunzelte Mercant zu. »Ich bin nicht gewöhnt, von Ihnen Superlative zu hören. Aber gut! Schaffen Sie mir diesen Mann heran, und lassen Sie ihn unter unauffälliger Bewachung an die Arbeit gehen. Ihnen, Lemmon, möchte ich aber jetzt schon für Ihre Arbeit danken.« Rhodan war aufgestanden und reichte ihm die Hand.

»Sir, es war keine besondere Leistung«, wehrte Lemmon ab, weil er ein Lob in dieser Form nie erwartet hatte.

»Natürlich nicht ...«, ging Rhodan darauf ein und lachte. »Wer so gut schlafen kann wie Sie, der merkt oft gar nicht, dass er sich angestrengt hat, weil überschüssige Kräfte einfach zur Betätigung drängen. Hatten Sie heute auch gut geschlafen ...?«

Die schwere Tür fiel schon hinter Rhodan ins Schloss, als Allan D. Mercants dröhnendes Lachen immer noch das Arbeitszimmer erfüllte. Frank Lemmon aber war der Ansicht, dass es jetzt besser wäre, in das Lachen einzustimmen, als auf Perry Rhodans Bemerkung noch einmal zurückzukommen.

Das sich selbst in diesem Moment abgegebene Versprechen, sich zu bessern, hatte für zwei Tage Gültigkeit.

An dem Tag, an dem der Inder Rabintorge in Terrania eintraf, um für das Solare Imperium an einer Spezialaufgabe zu arbeiten, betrat Frank Lemmon erst um elf Uhr sein Arbeitszimmer. Er war mit dem Gefühl wach geworden, dass der heutige Tag doch keine wichtigen Neuigkeiten bringen würde.

Ihn erreichten auch nur alltägliche Meldungen, aber Perry Rhodan wurde durch eine Hyperfunkmeldung von Arkon erschüttert.

Sein Sohn, Thomas Cardif, Deserteur der Solaren Flotte und sein erbittertster Feind, hatte der Fahnenflucht eine neue Tat folgen lassen und vom Planeten Archetz im Rusumasystem, 44 Lichtjahre von Arkon entfernt, der aufhorchenden Galaxis verraten, dass das Robotgehirn auf Arkon III durch Admiral Atlan ausgeschaltet worden wäre und nur noch nach Atlans Befehlen handelte!

2.

 

Ein galaktischer Erdrutsch bereitete sich vor!

Das Arkonidenreich, schon vor 10.000 Jahren ein gewaltiges Sternenreich, mit dem Kugelsternhaufen M 13 als Herz, war jetzt durch den Schachzug eines desertierten Offiziers des Solaren Imperiums davon bedroht, in viele einzelne Staatsgebilde auseinanderzufallen.

Atlan, der Einsame in der Riesenkuppel der Mammutpositronik auf Arkon III, war jetzt schwächer als Perry Rhodan, denn die Gefahren aus dem arkonidischen Staatsgebilde heraus waren millionenfach größer als die Gefahren für das Solsystem. Atlan sprach von Arkon aus mit Perry Rhodan auf der Erde: »Ich brauche Zeit, Perry! Ich benötige jetzt deine Hilfe, Barbar! Ich muss mit dem Nimbus deines Namens operieren! Wer kennt schon Atlan, den Admiral, der vor zehntausend Jahren eine Rolle gespielt hat? Wer kennt mein Geschlecht noch? Aber warum sagst du nichts?«

»Was soll ich dir sagen, Freund?«, erwiderte Rhodan äußerlich unerschüttert, während sich innerlich alles in ihm verkrampfte. »Rufe mich in acht Erdstunden wieder an. Ich muss erst selbst mit den neuen Tatsachen fertig werden, obwohl wir beide ja gar nichts anderes erwartet hatten. Du hast den Namen Thomas Cardif genannt und ...«

Über eine Entfernung von 34.000 Lichtjahre hinweg unterbrach Atlan ihn. »Ob ich Thomas Cardif sage oder Galaktische Händler, darin liegt nicht der Unterschied, sondern in der Tatsache, dass Cardif und die Springer vom Planeten Rusuma aus versuchen, das Imperium auseinanderzubrechen! Du hast verlangt, ich soll dich in acht Erdstunden wieder anrufen, aber weißt du denn, was bis dahin alles geschehen sein kann?«

Perry horchte auf. Wurde Atlan von Panik beherrscht, Atlan, der Zeitlose, der Unsterbliche?

Perry Rhodan starrte auf seinem Bildschirm das Gesicht des Arkoniden an, aber kein Zug verriet Panik; dennoch musste den Admiral eine unabwendbare Gefahr bedrücken. Aber warum sagte er dann nicht, woraus diese Gefahr bestand?

»Admiral, was verschweigst du uns?«, fragte Rhodan über Raum und Zeit hinweg.

Er sah, wie Atlan aufhorchte, sich straffte und ein schwaches Lachen zeigte. »Ich verschweige nichts, Perry, aber in dieser Sekunde habe ich dich zum ersten Mal ganz begriffen! Zum ersten Mal bin ich in einer Lage, in der du dich schon über siebzig Jahre befindest! Versteh mich richtig! Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass das Große Imperium nicht mehr meinen Befehlen folgen will und ich jetzt nicht mehr Macht besitze als du!

Wie alt bin ich? Mehr als zehntausend Jahre? Daran stimmt nur die Zahl, denn ich bin trotzdem jünger als du, Barbar. Du bist mir mit deinen Erfahrungen in Situationen wie dieser weit voraus!

Ich muss umlernen, Barbar! Ich muss mir dich zum Beispiel nehmen und ...«

»Atlan!«, rief Rhodan ihm laut zu, und er verbarg sein Erschrecken vor dem Gefühlsausbruch des Arkoniden. »Atlan, bitte, rufe mich in acht Erdstunden wieder an!«

Er ließ den Admiral nicht mehr zu Wort kommen.

Die Telekomverbindung nach Arkon III bestand nicht mehr.

Perry Rhodan hatte abgeschaltet.

Stumm lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Sein Blick blieb auf dem grau gewordenen Bildschirm haften. Langsam hob er beide Hände hoch, und mit den Fingerspitzen massierte er seine Schläfen.

Reginald Bull, der ihn stumm beobachtete, kannte diese Geste. Sie verriet die tiefe Erschütterung des Freundes.

Atlan hatte zum Schluss nur noch sein Herz sprechen lassen.

Es war eins von den seltenen Gesprächen gewesen, in dem zwei Männer erkennen, dass ihre Freundschaft sie bis zum Tode aneinander gebunden hat.

Rhodan wandte jetzt sein Gesicht Bully zu. Ohne jede Erregung sagte er: »Ich benötige sofort die neuesten Unterlagen über das Rusumasystem, speziell über Archetz, den fünften Planeten«, sagte er gelassen. »Veranlasse bitte, dass ich in einer halben Stunde darüber verfüge. Du kümmerst dich um das Team 065-Antrieb.«

Bully hatte mehr erwartet, deshalb sah er Rhodan jetzt fragend an. Aber dieser gab keine weiteren Einzelheiten an. Irgendwie fand Bully den Freund unkonzentriert.

»Hör mal ...«, begann er vorsichtig, »war es von unserer Seite kein Fehler, der fast überstürzt abfliegenden Springerflotte keinen einzigen Agenten nachzuschicken?«

Perry Rhodans graue Augen weiteten sich etwas. »Warum sprichst du nicht klar und offen von Cardif, Bully? Aber wo soll unser Fehler liegen? In dem Augenblick, in dem der Patriarch Cokaze durch einen Mann unseres abgeschossenen Zerstörers erfuhr, dass Atlan das Große Imperium regiert und nicht mehr das Gehirn, wusste es auch die gesamte Cokazesippe, und damit war uns jede Möglichkeit genommen, diese Tatsache noch länger zu verheimlichen. Doch wenn wir uns jetzt nicht vollständig und sofort auf die neue Lage einstellen – dasselbe trifft auch für Atlan zu –