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cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
© 2011 cbj, München
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagbild und Innenillustrationen: Franziska Harvey
Umschlaggestaltung: schwecke.mueller Werbeagentur GmbH, München
cl · Herstellung: Claudia Zobel/Sabine Kittel
Satz: Uhl+Massopust, Aalen
Reproduktion: Reproline mediateam, München
ISBN 978-3-641-05532-5
V002
www.cbj-verlag.de
Das erste Kapitel
beginnt unerwartet nass jagt allen auf
Burg Kuckuckstein einen ziemlichen Schrecken ein
verpatzt Nele den erhofften Badespaß gründlich
und alles nur aus einem einzigen Grund
Es regnet Hunde und Katzen!
Schon den ganzen Morgen schüttete es wie aus Eimern.
»Es regnet Hunde und Katzen«, sagte Großonkel Edward zu so einem Wetter immer. Er musste es wissen, denn er stammte schließlich aus Schottland. Dort war es auch immer sehr nass.
Nele öffnete ihr Zimmerfenster und steckte den Kopf missmutig hinaus. »Gemein«, meckerte sie mit den Regentropfen. »Ihr seid ja so gemein! Könnt ihr nicht anderen Leuten auf den Kopf tropfen?«
Schließlich war der erste Ferientag.
Nele hatte fest vorgehabt, mit ihrer Freundin Tanne im Waldsee schwimmen zu gehen. Ihr Badeanzug war nämlich superschick – knallgrün, mit gelben und roten Fröschen darauf. Deutlich sichtbar lag er auf ihrem Schreibtisch und verdeckte das Zeugnis, das sie gestern von ihrer Klassenlehrerin Frau Kussmund bekommen hatte. Es war richtig gut, obwohl sie neu an der Fichte-Schule war. Selbst ihr großer Bruder David musste das zugeben. Und der hatte sonst immer was zu stänkern. Er wäre dieses Schuljahr beinahe sitzen geblieben – wegen Englisch. Zusammen mit seinem besten Freund war er gleich nach dem Frühstück in ein Ferienlager abgedüst. Mit Englischnachhilfe! Nele kicherte. Geschah ihm ganz recht.
Nele hatte in ihrem schlechtesten Fach Mathe sogar knapp eine Zwei ergattert. Dafür hatte sie rund um die Uhr gebüffelt und dreimal das Handball-Training sausen lassen. Zur Belohnung hatte Mama ihr den Badeanzug gekauft. So einen tollen besaß niemand in ihrer Klasse, nicht einmal ihre Erzfeindin Josefine. Und die war so eine richtige Klamottentussi.
Aber nun schien es, als würden ihre Pläne buchstäblich ins Wasser fallen. Sie seufzte betrübt.
Unten im Burghof, auf den alten Steinen, hatten sich bereits riesige Pfützen gebildet. Wie kleine Seen sahen sie aus. Normalerweise hätte Nele das lustig gefunden. Oder wäre sogar barfuß darin herumgepatscht.
Aber nicht heute.
Heute wollte sie viel lieber mit Tanne hinunter zum Waldsee radeln, mit Tannes süßem Hund Otto um die Wette schwimmen und den leckeren Marmorkuchen mampfen, den Papa extra für sie gebacken hatte.
»Verrückt! Verrückt!«, meldete sich Plemplem aus seinem Turmzimmer zu Wort. »Total verrückt! Du bist total verrückt.«
Nele nickte zustimmend. Ausnahmsweise hatte der Papagei mit seinem lauten Geschrei recht.
Plemplem war der eigentliche Burgbesitzer und bewohnte sogar ein eigenes Zimmer direkt unter den Turmzinnen. Neles reiselustige Großtante Adelheid hatte ihn geerbt, zusammen mit der Burg. Weil Großtante Adelheid keine Lust hatte, in einem alten Steinhaufen zu campen, wie sie naserümpfend sagte, sondern lieber mit Edward um die Welt reiste, war kurzentschlossen Familie Winter auf Burg Kuckuckstein eingezogen. Irgendjemand musste ja schließlich auf den Papagei aufpassen.
Nele fand es super, plötzlich auf einer Burg zu wohnen. Es gab so viele tolle Plätze, an denen sie sich verstecken konnte, wenn sie mal Ruhe haben wollte.
Sie hatte auch gleich eine neue Freundin gefunden. Tanne hieß in Wirklichkeit Tanja, aber der Name passte überhaupt nicht. Sie ging mit Nele in eine Klasse und war total in Ordnung.
In jeder freien Minute versuchten Nele und Tanne, dem Papagei Sprechen beizubringen. Leider war das viel schwieriger, als sie gedacht hatten.
Anfangs schrie er den lieben langen Tag nur seinen eigenen Namen: »Plemplem.« Doch seit Kurzem schmetterte er voller Begeisterung einen ersten vollständigen Satz: »Du bist total verrückt.« Das war leider nicht sehr viel besser als plemplem.
Manche Erwachsene, die zu Besuch kamen, fanden das nicht so witzig wie Nele und Tanne. Besonders ihr Schulleiter, Herr Direktor Zucker, war deshalb richtig eingeschnappt.
Er schrieb an einem wichtigen Buch über Gespenster und glaubte felsenfest, dass Graf Kuckuck in mondhellen Nächten immer noch über die Zinnen irrte. Deshalb trieb er sich ziemlich häufig auf der Burg herum und suchte im dunklen Kellerverlies zwischen Spinnweben und Mäusen nach Spuren.
Mama und Papa hielten das insgeheim für Unsinn, waren aber viel zu höflich, um dem Direktor ihre Meinung ins Gesicht zu sagen. Dazu war er einfach zu nett.
Auch Nele war skeptisch. Geister? Die gab es doch nur in Märchenbüchern.
Einzig Tanne war in Gespensterfragen mit ihrem Schuldirektor komplett einer Meinung. Wenn sie bei Nele übernachtete, traute sie sich nicht einmal alleine aufs Klo. Dabei war sie sonst viel mutiger als Nele.
»Du bist verrückt! Total verrückt! Du bist verrückt! Total verrückt! Du bist verrückt! Total verrückt! Du bist verrückt!«
Nele hielt sich die Ohren zu. So ein Papagei konnte manchmal ziemlich nerven. Der würde mit seinem Geschrei selbst das gruseligste Gespenst verjagen. Tanne brauchte sich gar keine Sorgen zu machen.
»Total verrückt! Verrückt! Verrückt!« Plemplem klang wie eine von Großtante Adelheids alten Schallplatten, wenn sie an einer kaputten Stelle hängen blieben. Irgendwie lustig.
»Ruhe! Sofort ist Ruhe. Kann man nicht einmal in Ruhe arbeiten?« Das war Mamas Stimme. Sie klang ziemlich wütend.
Barbara Winter war Fotografin und hatte tolle Fotos von Plemplem und der Burg geschossen. Sie sollten schon bald in einer bekannten Zeitschrift veröffentlicht werden, zusammen mit einer lustigen Geschichte, die sie selber schreiben durfte. Seit Frau Winter an ihrem Artikel tüftelte, war sie ziemlich unter Dampf und niemand durfte sie stören.
»Verrückt! Verrückt! Verrückt!«
Nele kicherte. Plemplem war wirklich eine Nervensäge. Vielleicht sollte sie ihn nach den Sommerferien mal mit in die Schule nehmen.
Eine Tür knallte laut ins Schloss. Kurz danach hörte sie eilige Schritte näher kommen.
»Nele? Hast du etwa vergessen, Plemplem zu füttern? Der schreit sich heute Morgen ja die Seele aus dem Leibe! Ich kann mich gar nicht konzentrieren.« Ohne anzuklopfen stürmte Mama in Neles Zimmer. Sie hatte ganz zerraufte Haare und war noch im Schlafanzug.
Nele erschrak. Verflixt, das hatte sie tatsächlich total verschwitzt. Daran war nur der blöde Regen schuld.
»Tschuldigung, Mami!«, rief sie zerknirscht. »Ist schon so gut wie erledigt.« Sie raste auf Socken in die Küche und schnappte sich den gefüllten Futternapf. Wenn Plemplem seine kandierten Walnüsse nicht immer um die gleiche Uhrzeit bekam, wurde er total zickig und zwickte jeden in den Finger, der ihm zu nahe kam. Papa hatte extra einen Plemplem-Essensplan erstellt, damit der ganze Stress nicht an Mama hängen blieb. In der ersten Ferienwoche, bis Mama ihre wichtige Arbeit fertig hatte, war Nele dran.
In einem Affentempo rannte Nele über die schmale Wendeltreppe zurück und spurtete hinauf zum Turmzimmer. Dabei nahm sie gleich mehrere Stufen auf einmal.
Mama folgte ihr mit gerunzelter Stirn.
»Guten Morgen, mein Süßer, jetzt gibt es wieder deine Leckerlis, mmmmmh!« Vorsichtig öffnete Nele die Tür und streckte schon mal den Futternapf weit vor, um den Papagei zu besänftigen.
Plemplem beachtete sie überhaupt nicht, sondern ließ sich schwer auf Neles linke Schulter fallen.
Dann seufzte er laut auf und presste seinen Schnabel fest gegen Neles Wange.
Wohl wahr! Der Papagei hing wie ein trauriger Schluck Wasser auf Neles Schulter. Von seinem prachtvollen Aussehen war kaum mehr etwas übrig. Vielmehr schaute er so elend aus wie eine gebadete Maus. Aus seinen bunten Federn tropfte es wie aus einem Badeschwamm. Und um Neles Füße hatte sich bereits ein kleiner See gebildet. Aber nicht nur dort! Überall im Turmzimmer entdeckte sie jetzt Wasserpfützen.
»Iiiiih!« Sie sprang zur Seite und landete mitten in einer großen Pfütze. Jetzt waren auch Neles Füße nass. Sie wackelte mit den Zehen, weil die Socken unangenehm an ihrer Haut festklebten.
»Der arme Vogel ist ja total erkältet!«, sagte Mama schockiert. »Papa muss schleunigst herausfinden, was hier los ist.«
»Verrückt! Verrückt! Verrückt!«, antwortete Plemplem leise und wackelte trübsinnig mit dem Kopf. Die Walnuss verschmähte er.
Nele streifte ihre nassen Socken ab und kickte sie unter den Kückentisch.
Frau Winter guckte skeptisch. »Lieber nicht«, antwortete sie. »Doktor Engel wird jede Minute hier sein. Ich suche inzwischen Papa.« Sie verließ eilig die Küche.
»Mein armer, kranker Plemplem«, flüsterte sie zärtlich. »Doktor Engel macht dich bestimmt wieder ganz gesund.« Sie fütterte ihn mit winzigen Walnusshappen, damit er sie leichter hinunterschlucken konnte. Bestimmt hatte er auch Halsweh.
»Verrückt, verrückt. Total verrückt«, flüsterte er heiser. »Alle total verrückt!« Und dann zwickte er Nele liebevoll mit seinem Schnabel in den Finger.