e9783941493513_cover.jpg

Inhaltsverzeichnis


Titel
Impressum
VORBEMERKUNG DES AUTORS/ DANKSAGUNGEN
BERKSHIRE HATHAWAY VS. THE DOW INDUSTRIALS
EINFÜHRUNG
OMAHA
DURCHGEBRANNT
GRAHAM
ANFÄNGE
PARTNER
„GO-GO“
BERKSHIRE HATHAWAY
DER INDIANER KEHRT ZURÜCK
ALTER EGO
WASHINGTON – NEUAUFLAGE
DER ZEITUNGS-LORD
UND WIEDER PARTNER
DIE TEPPICHFRAU
DIE ACHTZIGER
ÖFFENTLICH UND PRIVAT
DER CRASH
EINE KURZE EINFÜHRUNG IN DAS DART-SPIEL
DIE GEHEIMNISSE DES TEMPELS
HOWIE BUFFETTS MAIS
RHINOPHOBIE
DER KING
SALOMONS GERICHT
BUFFETTS STRASSENBAHNWAGEN
NACHWORT

NACHWORT

Januar 2008




Ein paar Monate nach der Veröffentlichung von Buffett im Sommer 1996 trat ich die Pilgerfahrt nach Omaha zu der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway, Inc., an. Vor Beginn des offiziellen Teils saß Buffett an einem kleinen Tisch und begrüßte die Aktionäre, von denen viele Bücher, Jahresberichte und Erinnerungsgegenstände dabei hatten, die er signieren sollte. Nachdem ich mehr als drei Jahre damit verbracht hatte, seine Biografie zu schreiben, und bisher noch kein Feedback bekommen hatte, dachte ich, jetzt wäre der Moment gekommen. Ich nahm ein Exemplar von Buffett und stellte mich an. Währenddessen dachte ich an das zurück, was mir Buffett Jahre davor gesagt hatte, nämlich dass er mich zwar nicht behindern würde, aber dass er mir auch nicht helfen würde. Als ich ihm das Buch und einen Kugelschreiber reichte, sagte ich daher: „Jetzt bitte ich doch um etwas.“ Er verzog das Gesicht, als fühle er sich in die Enge getrieben. Dann klappte er das Buch auf, kritzelte sein Markenzeichen „Warren Buffett“ hinein und schlug es zu, als würde er es gegen jeden Einwand versiegeln, den ich vorbringen könnte, gegen jedes Flehen um etwas Privates oder um eine Antwort, die zumindest irgendetwas von seiner Reaktion verraten könnte.

Wenn mich Leser fragen, ob ich an dem Porträt Buffetts in diesem Buch irgendetwas ändern würde, denke ich oft an dieses nackte Autogramm zurück. Bill Ruane, sein inzwischen verstorbener Freund, sagte etwa um diese Zeit: „Ich weiß nicht recht, ob Sie darin erfasst haben, wie tough Warren ist.“ Vielleicht hatte Bill recht. Buffett hat sein Unternehmen im Wert von 220 Milliarden Dollar (das sechstgrößte der Vereinigten Staaten) nicht dadurch aufgebaut, dass er ein lockerer Typ ist. Insbesondere hat er sämtliche Investment-Landminen des vergangenen halben Jahrhunderts nicht ohne eine harte Schale überstanden – die einzigartige Fähigkeit, zu allerlei Investment-Promotern, Blasen-Profiteuren und wohlmeinenden, aber irregeleiteten Brokern nein zu sagen. Und sogar zu wissbegierigen Biografen. Er war niemandem außer sich selbst verantwortlich.

Die andere Frage, die mit wachsender Häufigkeit kommt, lautet: „Wird es eine Fortsetzung geben?“ Die ist leichter zu beantworten. An dem Porträt hat sich sehr wenig und an dem Investmentprofil gar nichts geändert. Das mag seltsam klingen, nachdem die Vermögenswerte von Berkshire unermüdlich expandieren – ganz zu schweigen von dem erstaunlichen anhaltenden Anstieg der Aktie. Ende des Jahres 1994 wurde die Aktie von Berkshire Hathaway für 20.400 Dollar gehandelt; 13 Jahre später hat die Aktie den atemberaubenden Wert von 141.600 Dollar erreicht (um die in der Einführung angegebenen Zahlen zu aktualisieren: Wenn man im Jahr 1956 die Summe von 10.000 Dollar in Buffetts Beteiligungsgesellschaft investiert hätte – was in damaligen Dollars zwei Wochengehältern eines Baseballstars wie Ted Williams entsprach –, wäre die Anlage heute 550 Millionen Dollar wert, also genug, um Alex Rodriguez für 20 Spielzeiten unter Vertrag zu nehmen).

So luftig hoch der Aktienkurs auch sein mag, so ist er doch der Beleg für eine deutliche Verlangsamung. In den ersten drei Jahrzehnten nach der Austreibung von Seabury Stanton durch Buffett und nach dem Beginn der Verwandlung von Berkshire von einem verschlafenen Textilhersteller in Neuengland in einen Medien-, Versicherungs- und Industrie-Konzern, stieg die Aktie durchschnittlich um 27 Prozent pro Jahr (und das heißt, dass sie sich alle drei Jahre verdoppelte). Doch seit dem ersten Erscheinen von Buffett ist die Aktie leider nur noch um 16 Prozent jährlich gestiegen. Diese „Verlangsamung“ ist keine Neuigkeit; genau das hatte Buffett ja vorhergesagt. Die Gesetze der Mathematik sorgen dafür, dass sich mit zunehmender Größe von Berkshire jede neue Investition weniger auf das Ganze auswirkt. Die Wachstumsrate musste zurückgehen. Was aber doch eine Neuigkeit ist oder einen zumindest unfehlbar beeindrucken muss, ist das Ausmaß, in dem Buffett selbst mit der langsameren Gangart des mehr als Siebzigjährigen dem Markt die Rücklichter zeigt. Will sagen, dass sich die marktbreiten Indizes seit 1994 verdoppelt haben, während sich Berkshire versechsfacht hat.

Die Performance in der jüngeren Vergangenheit legt Zeugnis von Buffetts Beständigkeit ab, die vielleicht sein am wenigsten gewürdigter Charakterzug ist. Seine oberste Regel („niemals Geld verlieren“) klingt so oberflächlich, dass man sie für einen leichtfertigen Scherz halten könnte; doch in der immer längeren Perspektive entpuppt sie sich als einer der Schlüssel zu seinem Erfolg. Insbesondere in dem letzten Dutzend Jahre haben wir mehr als genug Investment-Verrücktheiten erlebt. Wir brauchen nur an den unglückseligen rauschhaften Drang in den 1990er-Jahren zu erinnern, dem wankenden, frisch kapitalistisch gewordenen Russland Kredit zu gewähren, an den Absturz des kometenhaft aufgestiegenen Hedgefonds Long-Term Capital Management (LTCM) oder an den Wahnsinn der Dotcom-Blase. In der letztgenannten Episode stiegen die Aktien von Unternehmen, die keine Aussicht auf reale Gewinne hatten, während sich der Kurs der Berkshire-Aktie in einer Verwirrung jeglicher Logik und trotz stetig steigender Unternehmensgewinne halbierte. Die Allgemeinheit begeisterte sich wie besessen für Internet-Promoter Anfang 20 und es hieß allgemein, Buffett sei unzeitgemäß, ein Überbleibsel der Old Economy und so weiter. Für Buffett war das eine Neuauflage der Go-GoÄra der 1960er-Jahre. Anstatt ihn zu größeren Risiken zu verleiten, verdoppelte das Spekulationsfieber seinen angeborenen Sinn für Vorsicht. Investoren, die es eigentlich besser wussten, stürzten sich in das Spiel, als sie die scheinbaren Gewinne ihrer Nachbarn sahen, aber Buffett tat das nicht. „Niemals Geld verlieren“ ist ein unbeugsamer Maßstab; er schließt die Möglichkeit aus, irgendein spekulatives Risiko einzugehen. Deshalb lässt Buffett Investoren so weit hinter sich, die in vielen Jahren beeindruckende Erträge ernten, aber gelegentlich der Spekulation erliegen und sträfliche Verluste hinnehmen müssen. Schon ein einmaliger schwerer Verlust wirkt sich auf den kumulierten Ertrag verheerend aus.

Im Jahr 2007 kletterte die Berkshire-Aktie um 29 Prozent (und machte Buffett wieder einmal zum reichsten Mann der Vereinigten Staaten und höchstwahrscheinlich der Welt). Dieser überdimensionale Gewinn erschien wie eine verspätete Anerkennung für Buffetts vorsichtige Methode. Als sich die Anleger panisch in Richtung Sicherheit flüchteten, genossen neben Schatzwechseln auch Berkshire-Aktie einen Aufschlag – fast so als wäre Berkshire Hathaway eine Zweigstelle des Finanzministeriums. Es lohnt sich, den Kontext noch einmal näher zu beleuchten, und sei es nur, weil das Drehbuch so vertraut ist. Amerika befand sich wieder in den Fängen einer Finanzkrise, die diesmal durch die Wellen von Zahlungsausfällen auf Hypotheken und Zwangsvollstreckungen ausgelöst wurde – die wiederum die Früchte eines steilen Anstiegs der Immobilienpreise und der daraus resultierenden unsoliden Kreditvergabepraxis waren. Sogar Finanzinstitute, die eigentlich nichts mit Hypothekendarlehen zu tun haben, wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen, weil sie in hypothekenbesicherte Wertpapiere investiert hatten.

Als der Immobilienmarkt schließlich wieder abkühlte, waren die Verluste horrend. So gut wie alle großen Finanzinstitute – von Citigroup über Merrill Lynch und Bear Stearns bis General Electric — verbrannten sich die Finger. Berkshire hatte eine große Beteiligung an dem Immobiliengiganten Freddie Mac besessen, aber Buffett hatte sie schon Jahre zuvor verkauft, weil er Bedenken hatte, das Unternehmen versuche zu schnell zu wachsen. Berkshire ging aus dem Debakel 2007 nicht nur unversehrt hervor, sondern mit einem liquiden Vermögen von 45 Milliarden Dollar sowie mit einem makellosen AAA-Bonitätsrating. Am Boden zerstörte Anleihenversicherer wandten sich um Erleichterung an Buffett und es gab viele Gerüchte, Berkshire würde dem einen oder anderen in Not geratenen Kreditgeber zu Hilfe kommen. Buffett hatte Salomon Brothers natürlich rekapitalisiert, nachdem es ins Schwimmen geraten war, und im Jahr 1998 war er nahe daran gewesen, einen Deal zur Rettung des Hedgefonds LTCM (zu günstigen Konditionen) zu unterzeichnen. Bis zu der Immobilienkrise war er – beziehungsweise sein Unternehmen – zu einer einzigartigen amerikanischen Institution geworden, so ähnlich wie ein Jahrhundert zuvor J.P. Morgan, Sr. Berkshire war ein Rettungsboot – oder war zumindest in der einmaligen Lage, es zu sein – für die Gefallenen der Wall Street; die Bonität des Unternehmens war stets absolut solide, selbst wenn das System unter höchstem Stress stand. Als wolle es sein Vermächtnis besiegeln, erwarb Berkshire Ende 2007 diversifizierte Vermögenswerte in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar – sein bislang größter Kauf außerhalb der Versicherungsbranche. Im Alter von 77 Jahren erntete Buffett den Nutzen der Losung seines fernen Ahnen Zebulon: „Bewahre deine Kreditwürdigkeit, denn sie ist besser als Geld.“

Sein Firmenimperium (das wie immer mit Versicherungen anfängt und Dutzende von Unternehmen umfasst, die vom Hersteller von Privatflugzeugen über Teppichböden und Wasseraufbereitung bis zu Malerfarben reichen) ist heute größer und breiter gestreut als vor zehn Jahren. Außerdem hat Berkshire auch im Ausland investiert, und zwar in so unterschiedlichen Ländern wie Israel und China. Und der relative Schwerpunkt der Branchen hat sich verlagert – weg von den Zeitungen, die Buffett als Junge liebte, und weg von anderen Medien, denen das Internet einen schweren Schlag versetzt hat. Mit seinem wie üblich scharfen Sinn für den richtigen Zeitpunkt hat Buffett riesige Beteiligungen an Energieversorgern erworben. Aber Buffett folgt immer den Gelegenheiten und da er sich immer noch nach der Kurs-Wert-Disziplin richtet, die er zu Füßen von Ben Graham gelernt hat, hat sich an seiner Methode nichts geändert.

Außerdem ist Buffett in der Öffentlichkeit heute noch bekannter. Anfang der 1990er-Jahre baten mich die Menschen oft, den Namen meines Gegenstands zu wiederholen, als müssten sie sich ein neues Wort ins Gedächtnis einprägen. Heute ist Buffett von keiner Obskurität mehr umhüllt. Sein onkelhaftes Gesicht – das mit dem Alter noch runder geworden ist – blickt einen von Zeitschriftentiteln und aus Fernsehsendungen an, die ihm gewidmet sind. Seine Kommentare erscheinen als Schlagzeilen bei CNBC. Er ist mit Baseballstars (tatsächlich mit A-Rod) und mit demokratischen Politikern von Hillary Clinton bis Barack Obama befreundet. Aber diese Veränderung kam nicht plötzlich, sondern hat sich entwickelt, und er hatte ja schon immer den Drang, sich an ein öffentliches Publikum zu wenden; schon in seinen 20ern hatten sich Freunde zu seinen Füßen versammelt und lauschten in gebanntem Schweigen seinen finanziellen Predigten.

Buffett hat nur eine wirklich bedeutende Änderung vorgenommen – er hat sein Testament geändert. Ironischerweise dürfte diese eigentlich persönliche Angelegenheit sein öffentliches Vermächtnis mehr beeinflussen als alle Investments, die er je getätigt hat. Vor einem halben Jahrhundert quälte sich Buffett (wie er Jerry Orans gegenüber zugab) als Pepsi-Cola trinkender junger Mann mit der Frage, was er mit seinem Vermögen tun sollte – einem Vermögen, das er noch gar nicht erworben hatte, von dem er aber sicher war, dass er es eines Tages sein Eigen nennen würde. Dieses Problem nagte 50 Jahre lang an ihm und es wuchs mit seinem Vermögen. Er tröstete sich immer mit der Überzeugung, dass ihn seine Frau Susie überleben würde und dass im Notfall sie über das Vermögen verfügen würde. Doch im Jahr 2004 starb Susie an einem Schlaganfall. Buffett heiratete seine langjährige Lebensgefährtin Astrid Menks, aber die Erbfrage konnte er jetzt nicht mehr aufschieben. Völlig überraschend änderte Buffett im Jahr 2006 seine Absicht, bis zum Tode an seinem Vermögen zu hängen – und gab einen Plan bekannt, nach und nach (in jährlichen Erbanteilen) 85 Prozent seiner Berkshire-Aktien abzugeben. Fünf Sechstel des Vermögens gehen an die Bill and Melinda Gates Foundation, die vor allem der Bekämpfung von Krankheiten in der Dritten Welt gewidmet ist. Der Rest geht an vier Familienstiftungen (eine, die Susies und seine war, und drei andere, die jeweils von einem der Buffett-Kinder geleitet wird).

Der Plan, Gates Aktien zu vermachen, war ein Donnerschlag, wie ihn sich nur Buffett ausdenken konnte. Durch die Kombination seines Geldes mit dem seines engen Freundes – der in den letzten Jahren der einzige Amerikaner war, der reicher war als er – wird die größte Stiftung der Welt schaffen. Die Größe von Buffetts Spenden hängt natürlich von dem künftigen Stand der Berkshire-Aktie ab, aber zum derzeitigen Kurs hat Buffett ein Vermögen von 64 Milliarden Dollar – wahrscheinlich das größte der Erde. Doch das wahrhaft Bemerkenswerte an dem Plan ist trotzdem seine Bescheidenheit. Das liegt nicht nur daran, dass der Löwenanteil des Geldes von jemand anderem verwaltet wird, dass keine Krankenhäuser Buffetts Namen tragen werden und dass Forscher, Wissenschaftler und Ärzte rund um den Erdball ihre Finanzierung nicht mit dem Orakel von Omaha in Verbindung bringen werden. Das liegt auch an seinem typischen Beharren darauf, innerhalb seines „Kompetenzradius“ zu bleiben – nur das zu tun, was er gut kann. Vom Temperament her war er ein schlechter Philanthrop. Er hatte zu viel Angst, keinen rechten Gegenwert zu bekommen, als dass er locker Schecks ausstellte (oder um einen Buffettismus zu verwenden – er war einfach zu knauserig). Jedenfalls war seine Weigerung zu spenden oder entsprechend seinen Mitteln zu spenden für seine Freunde lange ein wunder Punkt. Als er sein logisches Denken seinem eigenen Vermächtnis zuwandte, beschloss er daher ganz cool, sein Geld jemandem zu geben, der besser gerüstet ist, es auszugeben als er – einem Freund, dem er vertraut, der aller Wahrscheinlichkeit nach noch Jahrzehnte vor sich hat, in denen er die Zuteilungen überwachen kann, und der vor allen Dingen einen Zweck gewählt hat, der Buffetts Milliarden würdig ist: die ärmsten Regionen der Welt von Krankheiten zu befreien. Als Portfoliomanager hat Buffett immer versucht, sich auf wenige Aktien zu konzentrieren – auf sehr wenige – , die er verstand und mit denen er sich wohl fühlte. Was seinen Nachlass angeht, ist es so, als sähe Buffett in dem Ehepaar Gates – sowohl in Melinda als auch in Bill – eine philanthropische Super-Aktie, ein nicht diversifiziertes Vehikel, mit dessen Hilfe seine Vermögenswerte aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur die Gesundheit der Menschheit mehr verbessern werden, sondern den Lebensstandard der Menschen mehr verbessern werden als je das Geld eines Menschen. Der Mann, der Amerika gelehrt hat, wie man Geld investiert, schreibt ein neues Kapitel darüber, wie man es hergibt.