Elazar Benyoëtz
Scheinhellig
Variationen über ein verlorenes Thema
Elazar Benyoëtz
Scheinhellig
Variationen über ein verlorenes Thema
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1. Auflage 2009
© 2009 by Braumüller Literaturverlag
in der Braumüller GmbH, Servitengasse 5, A-1090 Wien
Coverbild: Metavel
ISBN der Printausgabe: 978-3-99200-004-3
E-Book-Ausgabe © 2010
ISBN 978-3-99200-024-1
E-Book: Satzweiss.com Print Web Software GmbH
»Der Glaube ist untergegangen
und ausgerottet von ihrem Munde.«
Jeremia
»Hat wohl der Zaum noch Reiz,
wenn man das edle Ross verschenkt hat?«
Indische Sagen übersetzt von Adolf Holtzmann
»Wir haben Gott so wenig begriffen, wie alle anderen Zeiten vorher, aber wir sind mit ihm zusammengestoßen: und dies genau in dem Augenblick, wo wir ihm am fernsten zu stehen glaubten, in der dichtesten, diesseitigsten Welt, die durch den großartigen zivilisatorischen Apparat endlich vollkommen gegen das Draußen und Drüben abgedeckt schien. Als Blitz schlug die nie aufzuhebende ›Beziehung‹ durch und brachte das Isoliermaterial zum Schmelzen.«
Wilhelm Michel
»Alles was geschieht – das wird immer deutlicher und deutlicher – ist ein Ringen um die neue Religiosität und dies ist wahrscheinlich auch das einzige, was den Menschen jetzt wahrhaft interessiert, mag es auch danach aussehen, als wäre die Weltwirtschaft das einzige Interessante.«
Hermann Broch
Was muss noch alles geschehen,
damit alles, was geschieht,
geschehe?
»Wir wollen die Wahrheit,
die Sprache will die Dichtung.
Gott will etwas anderes.«
Sahadutha
»Wovon ist hier die Rede,
wenn dort nur Schweigen gilt.«
Lazarus Trost
»Ich wünschte, wir könnten eine Zeitschrift gründen,
für die man nicht zu schreiben brauchte.«
Paul Valéry an Valery Larbaud
Was soll Gott mit den Büchern tun,
die über ihn geschrieben werden:
Soll er sie lesen?
Kann man von Ihm sagen,
er habe Besseres zu tun?
Ich will vom Glauben sprechen,
habe ich ihn?
Von Gott reden,
bin ich dazu befugt?
Warum soll ich vom Glauben sprechen,
und was hat Gott davon,
wenn ich gesprochen habe?
Im Jahre 1962 begann in Tel Aviv die Zeitschrift ›Prozdor‹ [Vorhalle] zu erscheinen. Sie machte nicht den erhofft großen Eindruck, nichtsdestoweniger stellte sie etwas noch nicht Dagewesenes dar: sie war Gott gewidmet. So etwas hat es im Volke Israel noch nicht gegeben. Wohl gab es einen Wald von Zeitschriften, welche die Tora abhandelten, die Propheten auslegten, Maimonides kommentierten, über die Pflichten des Menschen vor Gott predigten, Gott mitunter anriefen, gelegentlich alarmierten. Verlangt war vor allem das Breittreten, bevorzugt das Kleinhacken, bewundert das Haarspalten. Das machte Freude.
Eine Zeitschrift um Gott herum, den Glauben anstachelnd, seinen Wortbestand erschütternd, das hatte man nicht gewollt und das hatte es nicht gegeben; das war neu.
Als Herausgeber zeichneten Schmuel Hugo Bergman, Dov Sadan, Yizchak Zimmermann. Eröffnet wurde das erste Heft mit einem Text von Martin Buber »Der Glaube«, weitere Mitarbeiter waren Alfred N. Whitehead, Kierkegaard, sogar Christian Fürchtegott Gellert mit einem Gedicht, um dessen Übersetzung ich gebeten wurde. Erstaunlich, doch nicht von ungefähr.
Zimmermann war der schäumende Mund; es brannte in ihm und in seiner Rede; er war der eigentliche Gründer, er schaffte auch die Mittel herbei, das pochende Herz war aber ein anderer, nicht genannter, von dem jede Nummer einen Beitrag brachte, pseudonym: Ploni Almoni, was heißt: »der und der«, oder P. Almoni, P., der Unbekannte.
Das war er tatsächlich, der Schreiber in dem hebräischen Zeitschriftenmilieu; für sein Pseudonym hatte er aber einen besseren Grund, den besten: die Scheu davor, öffentlich von Gott zu sprechen, mit dem Anspruch also aufzutreten, ein bündiger Zeuge Gottes zu sein. Die Glaubwürdigkeit der Aussage setzt voraus, dass der Zeuge sich als würdig erweise. Wir kennen vom Glauben ja nur den letzten Rest, die Glaubwürdigkeit eben, wer aber, und wäre er noch so rechtschaffen, ist glaubwürdig genug?
Öffentlich und druckgeschwärzt von Gott zu sprechen, den Glauben zu fordern, die Worte auf ihre Buchstäblichkeit zurückzuführen oder wenigstens zu verweisen, das eben getraute sich P. Almoni, der Namenlose nicht ohne Weiteres. Der von dieser Scheu Durchdrungene, war ein viel gewitzter, geistreicher Mann, der durch seine Freundschaft mit Ludwig Wittgenstein bekannte Architekt Paul Engelmann.
Das Haus in der Kundmanngasse trägt beider Namen. Aus seinem Nachlass erschien sein kleines Buch über Wittgenstein, und wer dieses liest, erkennt auch darin die Scheu im Trefflichen und das nicht zu Erschütternde dieser Haltung, die keine Demut ist. Er war mein Freund in seinen alten, meinen jungen Jahren, und seine Haltung machte auf mich Eindruck. In seinem Geist, nur leider nicht anonym, versuche ich nun, die großen Worte, die so locker sitzen, in den Mund zu nehmen
Dem Andenken an Margarete Susman
»Im Grunde ist es Missdeutung derselben Metapher, die bald Gott zu bildlich in die Welt, bald die Welt zu bildlich in Gott versetzt. Aufrichtige Liebe zur Wahrheit führet gar bald auf den Punkt zurück, von welchem man ausgegangen ist, und zeiget, dass man sich bloß in Worten verwickelt habe. Tut auf Worte Verzicht.«
Moses Mendelssohn
Dem Andenken an Erwin Loewenson
»Nehmt der Sprache zwei Wörter, die wir beide nicht begreifen, und auch dem Menschen die Erinnerung daran, – Gott und Natur –, so stürzt alles zusammen, was wir begreifen; unser Wachen selbst wird zum Träumen.«
Friedrich Maximilian Klinger
Dem Andenken an Paul Engelmann
»Ich möchte sagen ›dieses Buch sei zur Ehre Gottes geschrieben‹, aber das wäre heute eine Schurkerei, d.h. es würde nicht richtig verstanden werden. Es heißt, es ist in gutem Willen geschrieben und soweit es nicht mit gutem Willen, also aus Eitelkeit, geschrieben, soweit möchte der Verfasser es verurteilt wissen.«
Ludwig Wittgenstein
»Was Einer weiß,
ist immer das Beste.«
Die Edda
»Einer war Abraham …«
Ezechiel 33,24
Kein Riese, der am Anfang steht mit der Kraft eines Weltenlastträgers, auch kein Utnapischtim, der sich göttlich überleben darf – ein alter Mann, der nichts im Sinne hatte als Beginnen, absehend von allem Anfang beginnen und nur aufgrund noch nicht dagewesener Red- und Gegenredlichkeit.
Ein alter Mann, der nichts begehrte, der nichts verlangte, dem nichts vorzumachen war, dessen Eintreten in die Geschichte seine eigene vergessen machte.
Wahrlich, er hat sein Alter verdient: es war der Lohn aller Tage und eines jeden Augenblicks; er bedachte es mit Würde und schweigsamem Schweigen. Ein Fels, fest genug, Gott und seine Welt zu stützen
Das Judentum beginnt bei Abraham und bereits mit ihm erreicht es sein hohes Alter
Aufbrechen, sich zu Gott aufmachen
Die Zeit nach Schöpfung und Sintflut war weltreif geworden, reif auch fürs Recht und nicht für das beschlossene allein.
Die Gerechtigkeit lehnte sich gegen den Richter auf. Der Richter suchte seinen Ankläger und fand ihn. Er ließ ihn ins Unbekannte aufbrechen. In diesem Aufbrechen Abrahams wurde die Schöpfung zur Welt, die keine Bestimmung als die zu bestimmende kennt; mit Grund und Abgrund, mit dem Sinn nach Gerechtigkeit, dem Blick auf Sodom
Er machte nur einen Schritt,
allein, er ist aufgebrochen,
aus der Fremde,
aus der Sprache,
aus Ur;
nur eines mehr mündlich
denn sprachlich gehegten
Wortes
mächtig –
hinneni
So ist‘s, und so steht‘s in der Bibel
»Die Philosophie ist gut, und die Leute haben Unrecht, die ihr so gar Hohn sprechen; aber Offenbarung verhält sich nicht zu Philosophie wie viel und wenig, sondern wie Himmel und Erde, Oben und Unten!
Wenn dem Abraham befohlen ward, aus seinem Vaterlande und von seiner Freundschaft und aus seines Vaters Hause auszugehen in ein Land, das ihm erst gezeigt werden sollte; meinst Du nicht, dass sich sein natürlich Gefühl dagegen gesträubt habe, und dass die Vernunft allerhand gegründete Bedenklichkeiten und stattliche Zweifel dagegen hätte vorzubringen gehabt. Abraham aber glaubte aufs Wort, und zog aus.
Und es ist und ward kein anderer Weg; denn aus Haran konnte er das gelobte Land nicht sehen, und Niebuhr‘s Reisebeschreibung war damals noch nicht heraus. Hätte sich Abraham mit seiner Vernunft in Wortwechsel abgegeben, so wäre er sicherlich in seinem Vaterlande und bei seiner Freundschaft geblieben, und hätte sich‘s wohl sein lassen. Das gelobte Land hätte nichts dabei verloren, aber er wäre nicht hineingekommen. Seht, Vetter, so ist‘s, und so steht‘s in der Bibel.«
Geschichte nimmt ihren Anfang in der Erinnerung. Wer gedenken will und sich erinnern kann, der braucht aus der Geschichte nicht zu lernen.
Auch der Glaube müsste keine Berge versetzen, wüsste er mit den bereits versetzten etwas anzufangen
Gottes einziger Freund
»Abraham, den Herrn der Sterne
Hat er sich zum Ahn erlesen.«
Goethe, West-östlicher Divan
In einer Welt, bestehend aus lauter Himmelskörpern, brach Abraham auf und wandte sich vom Himmel ab. Und Gott ging auf ihn zu, verlieh ihm seinen Ausdruck und segnete ihn mit einer nicht auszutreibenden Diesseitigkeit.
»Sieh zum Himmel und zähle die Sterne«, sagte Er zu ihm. Von einem so geistreichen Einfall war Abraham schon weit entfernt. Bereits mit seinem Aufbruch räumte er seinem Herrn den Himmel in seiner ganzen Sicht- und Rufweite ein.
Und Gott sprach: »Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und gehe hin in das Land Morija und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir weisen werde.«
Mit diesem Auftrag – die Berge zu entgipfeln –, mit seinen beiden Dienern und seinem einzigen Sohn ging Abraham in das Land Morija.
»Zu den Bergen hebe ich meine Augen:
Woher wird meine Hilfe kommen?«
So tönt Abrahams Selbstgespräch auf jenem Weg zu uns herüber. Doch während er mit seinem alten, ungebrochenen Blick die Berge nacheinander prüft, fasst er mit eben diesem Blick eine erste, aus Stein gehauene Unverbrüchlichkeit:
»Meine Hilfe ist von Ihm her,
Der Himmel und Erde gemacht hat.«
Am dritten Tag riss er seinen Blick von den Bergen weg, hob seine Augen und sah den Ort von ferne. Aus den Augen des Himmelabgewandten schwanden nun auch die Berge. Das in den Himmel Ragende wich dem »Hierbinich«.
Abraham löste sein einziges Wort ein und durfte seinen einzigen Sohn freibinden. Alles war nun eben, Erde wie Himmel; weit und breit gab es nichts als Gott und seine Welt.
Und Abraham kehrte unverzagt und ohne Verzückung in diese Welt zurück, für die er einstand, in die Stadt, nach Beër-Schewa kehrte er mit seinen Dienern zurück. Da waren Gott und die Welt, die Brunnen, das lebendige Wasser und der lebendige Streit um die Quellen dieses Wassers
Gottes Wege
Um Gott zu suchen, muss man den Weg zu ihm schon gefunden haben
Gottes Wege sind unerforschlich, nicht aber der Weg zu ihm
Dass Sein Wille geschehe, ist mein Wunsch, nicht mein Wille
»Das Leben sollte nicht vernünftige Selbstbehauptung, sondern Gottesdienst, nicht Anpassung an die Raumnatur, sondern Anpassung an den göttlichen Willen in der Zeit sein. Lebendig ist Gott nur als der Fordernde und nicht als die Verkörperung der Naturkraft. Es galt nicht mehr das Leben um des Lebens willen, sondern um Gottes willen zu leben. So überwand Palästina das dämonische Weltbild. Das Göttliche wurde nicht zum Logos, sondern zum Ethos. Die Vielfältigkeit des Numinösen fasste sich in einem Willen zusammen.«
Gottes Ferne ist es, die den Menschen so nahe geht
Der gefundene Gott ist der verlorene, nicht der gesuchte
Im Glauben erfährt der Mensch die Nähe und die Ferne Gottes – seine Trennung von ihm
Der Weg zu Gott ist weder nah noch fern,
weder leicht noch schwer,
er ist ohne Umschweife
CREDO: Gottes Entfernung lindert die Qual seiner Gegenwart
Ahnen – herbeifühlen
Ahnung trügt nicht, sie täuscht aber etwas vom Ursprung des Denkbaren vor
Gottes Wille ist verborgen, des Schöpfers Absicht offenbar
Was Gott betrifft, das lässt sich nur von uns aus sagen, nur ohne uns denken. Dieses »Ohne uns«, bei Leib und Seele, war Abrahams Vermögen; doch sein Vermächtnis, aus Fleisch und Blut, war stärker.
Unsere Gedanken bleiben auch in Ton und Papier gut aufbewahrt, die Gedanken Gottes aber nur in Fleisch und Blut. Es steht geschrieben, Gott aber »steht in der Gemeinde Gottes«. (Psalm 82,1)
»Wir können die Verbindung zwischen Gott, Welt und Mensch im Denken nicht stiften; aber wir brauchen sie auch gar nicht denkend zu stiften; denn sie ist da.«
Wir sind entschieden oder entscheidend, haben die Wahl aber nicht
Mut zum Glauben ist eine Bedingung für wahrhaftiges Denken.
»Denn vor dem Gedanken, dass es keinen Gott gibt, zittert niemand, wohl aber davor, dass ein Gott existiert.«
Es ist Aufgabe gerade des Glaubens, denkbar zu machen
CREDO: Ursprung ist kein Ausgangspunkt
Was sich ereignet,
findet nicht statt
»Jegliche Zierde gebricht
und jedes deutende Zeichen«
Interpretation – die Verunsicherung
des Geschriebenen
Ein Wort gibt das andere,
so gibt es kein Zurück
Die erste Ursache ist ohne Grund
Ein Wort gibt das andere.
Das ist die große Gabe
Die Sprache ist tiefer als ihr Sinn
CREDO: Sinnvoll ist, was wir bedeutend machen
Es steht geschrieben und also fest, wenn man des Glaubens ist
Dem ersten Wort lag ein Satz zugrunde, ein ganzer Schöpfungsplan
Wo es nichts Festes gibt, sind Feststellungen vonnöten
»Der Positivismus meint, das, worüber man sprechen kann, sei das allein Wichtige im Leben, während Wittgenstein davon durchdrungen ist, dass es für das Leben des Menschen allein auf das ankommt, worüber man, nach seiner Meinung, schweigen muss. Wenn er trotzdem seine ungeheure Mühe darauf richtet, dieses Unwichtige zu umgrenzen, so ist es ihm dabei nicht darum zu tun, die Küstenlinie dieser Insel, sondern diese Grenze des Ozeans so peinlich genau festzustellen. Seine »mystischen Folgerungen« aber sind: ›Der Sinn der Welt muss außerhalb ihrer liegen.‹ (6.41). Er zweifelt nicht daran, dass sie einen Sinn hat – ein Zweifel, der der Inbegriff der modernen Verlorenheit ist.
›Wie die Welt ist, ist für das Höhere vollkommen gleichgültig. Gott offenbart sich nicht in der Welt.‹ (6.432) – Aber er offenbart sich an der Welt, dadurch, dass die Welt da ist.«
Das Denken stellt das Gedachte, der Glaube das Geglaubte in Frage
Im Gedachten ist alles begründet, was im Nachdenken nur gerechtfertigt werden kann
CREDO: Widerlegungen schaffen das Unumstößliche
Deine Augen, meine Gesichtspunkte
Ließen sich Offenbarungen im Auge behalten, es gäbe keine Erscheinungen mehr
Gott – die Verborgenheit des offenkundigen Schöpfers.
Man kann nur Gott allein dienen
Für das Denken ist der Gegenstand entscheidend, für den Glauben die Richtung
Gott zeigt sich weder noch drückt er sich aus, wenn er sich offenbart
»Man kann die Existenz Gottes mit tausend guten und schlechten Gründen leugnen, aber es ist zuzugeben, dass er seit Jahrtausenden in unzählige Handlungen der Menschheit als dominierendes Motiv eingeflochten ist. Hier existiert er, in den Gedanken, in den Motiven. Das ist der einzige Existenzbeweis, der keiner Widerlegung ausgesetzt ist.«
Dass Widersprüche aufgehoben werden müssten, ist keine Einsicht des Glaubens
Gott ist in seiner Schöpfung und in den Heiligen Schriften der Völker, das Beten aber ist im Herzen aller Kreatur, ist ein Herzbeben der Sprache selbst. Der schönste Beweis für die Existenz Gottes ist das Beten der Ketzer
Gott ist allmächtig, aber nicht gleichgültig: »Gott verlangt es nach dem Werk seiner Hände.« (Hiob 14,15)
CREDO: Gott ist mit mir auf der Suche nach Ihm
Entweder gedichtet oder zur Debatte gestellt
Der Glaubensmut übersteigt die Überzeugungskraft
Im Anfang war das Wort, die Rede aber erwachte im Garten Eden. Gott würde gern durch die Blume gesprochen haben.
Wer mit der Bibel erwacht, kann zu Gott durch die Blume nicht sprechen
»Es ist leichter ›mit Gott‹ einzuschlafen als ›mit Gott‹ zu erwachen.«
Nichts ist geeigneter, Gott zu umgehen, als der begründete Glaube. Der Glaube im Judentum ist nicht das Begründete, sondern das schlechthin nicht zu Erschütternde. Wir kennen den Grund für Abrahams Glauben nicht, wir wissen nur, dass er auch durch Gott selbst nicht zu erschüttern war
»Durch tiefes Denken« – sagt Hippel – »gewöhnen wir unsere Seele zu einer Art Existenz außerhalb des Körpers.«
Denken im Zweifel am Denken ist Verzweiflung; Glauben im Zweifel am Glauben ist Hoffnung
CREDO: Es ist vage gesagt, was zu hoffen ist; und was zu sagen bleibt, wiegt, sagemutig, das Gesagte auf
Bei Gott – bei Trost
Man verweist Gott ins Jenseits,
und schwört doch hier:
bei Gott!
Die Welt ist bei Gott;
das Jenseits ist das Exil beider.
Bei Gott – Wie weit ist es doch!
CREDO: Nirgends zu Hause; allerwegs in Gottes Hand
Jede Seele – ein AusFlug Gottes
Die Welt missachten und Gott rühmen – wofür?
»Wenn die Lobpreisungen eines göttlichen Wesens einen so großen Teil seiner Verehrung ausmacht, so sollten wir deshalb zuerst, wie mich dünkt, die Güte lernen, wäre es auch nur aus dem Grunde, um auf irgendeine erträgliche Weise zu lernen, wie wir lobpreisen sollen. Denn das Lob der Güte, aus falschen und hohlen Herzen, ruft sicherlich den größten Misston der Welt hervor.«
Ein rechtes Denken geht um Gott, ein gerechtes um den Menschen
Hier kann sich nur ein Teil der Gerechtigkeit zeigen,
weil sich hier auch nur ein Teil des Lebens abspielt
»Dem Einzelnen wird keine Gerechtigkeit. Nur lange Zeitalter reichen hin, um erlittenem Unrecht Genugtuung zu schaffen, womit aber davon weggeblickt wird, wie viel neues Unrecht in der Zwischenzeit entstanden ist […]. Was soll er beginnen, wenn er weiß, dass er dem Unrecht auf Zeit nicht entrinnen kann und ›gleichzeitig‹ doch auf diese Zeit verwiesen wird, da er etwas anfangen soll? Das bleibt die Frage des Einzelnen, dem in diesem Leben keine Gerechtigkeit wird, und so leitet diese Frage den Menschen auf einen verwirklicht geglaubten oder einen zu erstrebenden Erlöser hin. Ohne Unrecht wäre der schier aussichtslose, aber unvermeidliche und immer aufzugreifende Kampf um ein endgültiges Heil nie begonnen worden.«
CREDO: Du kannst nicht im Recht sein und Gnade finden
Nicht jeder Glaube
fällt mit Gott zusammen
Es gibt keine Frage,
die an Gott gerichtet werden könnte,
es wäre denn das ganze Leben
Wir leben wortwährend
und denken fortlaufend
Ein totes Leben muss auch seinen toten Gott haben
CREDO: Ist Gott tot, dann ist die Welt sein Grab und ich bin seine Inschrift
Die eigene Not – die eigene Note
Clara von Bodman schreibt an den Autor:
»Nun ist aber noch eine Frage, die mir besonders schwer auf dem Herzen liegt, zu klären. Sie bezieht sich auf einen ungeschickten Ausdruck von mir: ›Es widerstrebe mir, über Gott zu reden‹. Du weißt doch, dass ich mit keinen Deiner Aphorismen so eins war, völlig eins und einig von Anfang an, wie mit allen aus dem Bereich des Glaubens. Wie dieser eine Spruch hieß, wozu ich diese einfältige Bemerkung machte, entsinne ich mich nicht mehr. Aber so völlig widerlegt hast Du mich mit dem Wort: ›Denken und sprechen muss man über ihn, wie käme er sonst zu dir?‹
Ja, wie wäre er zu mir gekommen, hätte nicht meine Mutter an meinem Kinderbettlein mit mir gebetet ›Lieber Gott, mach mich fromm / dass ich zu Dir in‘n Himmel komm‹ und so meine Sehnsucht nach ihm geweckt. Gesegnet sei sie, dass sie so tat, und doppelt gesegnet, dass kein Himmel ausgemalt wurde, keine andre Belohnung als die, bei ihm sein zu dürfen, so wie er bei uns war und freundlich zu uns niedersah, während wir beteten. Aber ich lernte, dass er etwas von mir wollte: ›fromm sein‹, das hieß wohl in meiner kindlichen Vorstellung ›brav‹ sein, so wie die Eltern es von mir wollten – die ja Gott zu seinen Stellvertretern eingesetzt hat, solange das Kind nicht selber stehen kann. Ja, wie wäre er ohne diesen Anfang zu mir gekommen? Es wäre wohl ein weiter Weg gewesen und durch viel Not gegangen.«
»Und wehe denen, die nichts über dich sagen, denn die Plappermäuler reden lauter Unsinn.«
Man kann Gott wortlos dienen,ihn aber nicht sprachlos verherrlichen
Auch wenn wir schweigen,
kommt Gott nicht zum Verstummen;
auch wenn wir verstummen,
lässt Gott sich nicht verschweigen
Der Monolog auf den Reim gebracht,
ist schon der Dialog
Schweigen schärft den Blick
und ist auch dem Gehör unentbehrlich
Stimmigkeit ist immer gehörig
CREDO: Wie soll Gottes Dasein von mir aus notwendig sein, kann mein Dasein doch nur von ihm aus Notwendigkeit haben
Wissen ist endend und wendend
Wissenschaft ohne Gott ist möglich,
Weisheit nicht
Was wir selbst entdecken können,
wird Gott uns nicht offenbaren
Das Wissen von Gott ist grenzenlos beschränkt
Zum Glauben kommt man erst über Gott
Wissen ohne Glauben ist unzulänglich,
glaubt man doch zu wissen
Das Nichtwissen wird durch Wissen ersetzt oder erweitert
Wissen ist nicht weniger erschütternd als Glauben
Gott, der Weggedachte,
ist nicht mehr der Undenkbare
CREDO: Wessen Wissen nicht von Gott, wird von Gott nicht wissen
Sprache – Schauplatz des Unsichtbaren
Die Propheten riefen in einen Raum,
in den Menschen hineinwachsen sollten
Die Sprache der Propheten war nicht auf Gefolgschaft gerichtet, sondern auf Gehörschaffung
Propheten sind Sprecher des Unwiderruflichen, darum verhallt ihre Stimme nie
Die Quellen der Sprache,
die Quellen des Heils
Der Seher ist ein Teil des Geoffenbarten
Prophetie unterscheidet sich von Weissagen dadurch, dass sie sich nicht der Zukunft überlässt
CREDO: Auch wenn Gott sich mir nicht zeigt, darf ich ihn nicht verschweigen. ER ist mir nicht gegeben und kann mir nicht genommen werden
Höre laut zu
Der Jude hat seine heilige Sprache, sie ist es allein ihres Ursprungs wegen: mit ihr schuf Gott die Welt, in ihr offenbarte er sich.
Was er sagte und diktierte, und was von ihm geschrieben steht, lässt sich unübersetzt nur im Hebräischen finden
›Sch’ma - bechol laschon scha’ata schomea‹ (Berachot, 13a): höre in jeder Sprache, die du vernimmst. Bestimmungen finden in Sprachen ihren ersten Niederschlag und letzten Ausdruck; auch das Gehör ist eine Verlautbarung; Gott zeigt sich nicht, er spricht, und der Angesprochene ist der Mensch schlechthin: Wo bist du, Adam? Das war die erste, in die Welt eingeführte, im Sprache gewordenen Raum vernommene Frage.
Das Fragen vor allem kommt von Gott, doch immerhin erwies sich Adam noch als frag-würdig
›Sch’ma - bechol laschon scha’ata schomea‹ – gemeint ist: bekenne und sprich dein Bekenntnis – das לארשי עמש Sch’ma Israel - das ›Höre Israel‹ – in jeder dir vertrauten oder geläufigen Sprache, denn es gilt in jeder gleich, in allen zugleich
CREDO: Die Sprache kommt nicht zu Wort