Inhalt

Titel

Widmung

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

Impressum

Cover

LYNSAY SANDS

8323_0_Sands_Wer will schon.tif

Roman

Ins Deutsche übertragen
von Ralph Sander

 

Für David F. Jackson
Danke für all deine Hilfe, vor allem, da du ja „keine Liebesromane liest“.

 

Prolog

„Du fliegst mit einem der Firmenjets. Wenn wir am Flughafen eintreffen, wird die Maschine schon bereitstehen und auf dich warten.“

Thomas Argeneau nickte zwar, doch er war mehr mit den Kleidungsstücken beschäftigt, die er von den Bügeln in seinem begehbaren Kleiderschrank zerrte und in einen Rucksack steckte.

Etienne warf ihm einen flüchtigen Blick zu und platzte dann heraus: „Warum hat Mutter nicht angerufen?“

Da Thomas darauf keine Antwort wusste, verzog er nur das Gesicht und zuckte die Achseln.

Ihm machte es sehr zu schaffen, dass Marguerite Argeneau nach siebenhundert Jahren als Haushaltsvorstand auf einmal beschlossen hatte, einen Beruf auszuüben. Aber sie gab sich nicht damit zufrieden, irgendwo als Sekretärin zu arbeiten oder sich eine vergleichbar alltägliche Arbeit zu suchen. Nein, sie hatte sich dafür entschieden, in die Fußstapfen von Miss Marple und Co. zu treten und als Schnüfflerin zu agieren. Die Frau, die ihr Leben lang kaum einmal das Haus verlassen hatte, wurde auf einmal als Privatdetektivin tätig und flog nach Europa, um dort nach der Mutter eines fünfhundert Jahre alten Vampirs zu suchen.

Thomas konnte durchaus ihren Wunsch nachvollziehen, sich die Zeit mit einer Aufgabe zu vertreiben, dennoch wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte sich etwas weniger Exotisches ausgesucht – insbesondere etwas, das sie vom heimischen Kanada aus hätte erledigen können, anstatt durch die Welt zu reisen.

„In den ersten drei Wochen hat sie jeden Abend angerufen, manchmal waren es sogar zwei Anrufe an einem Tag, und plötzlich meldet sie sich überhaupt nicht mehr. Irgendetwas muss ihr zugestoßen sein“, murmelte Etienne.

Mit einem Blick über die Schulter erkannte Thomas, dass sein blonder und üblicherweise sanftmütiger Cousin in diesem Moment alles andere als sanftmütig war. Etienne ging in dem recht beengten Raum auf und ab; Sorgenfalten durchzogen sein Gesicht. Sorge war die Gefühlslage, unter der gegenwärtig die ganze Familie litt. Seit drei Tagen hatte niemand mehr ein Wort von Marguerite Argeneau gehört, was normalerweise sicher kein Problem wäre. Ihre einzige Tochter Lissianna aber hatte sich im letzten Monat ihrer ersten Schwangerschaft befunden, als Marguerite in Richtung Europa aufgebrochen war, und aus dem Grund hatte sie sich regelmäßig nach ihrem Befinden erkundigt. Jeder wusste, sie würde auf der Stelle alles stehen und liegen lassen und sich auf den Heimweg machen, sobald bei Lissianna die ersten Wehen einsetzten, und eben deshalb war das plötzliche Schweigen so beunruhigend.

„Thomas.“ Etienne blieb stehen und fasste nach seinem Arm. „Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du hinfliegst, um nach ihr zu sehen … wir alle wissen das zu schätzen.“

„Ich bin auch um sie besorgt“, meinte Thomas mit einem knappen Schulterzucken und packte weiter, obwohl er wusste, er hatte soeben die Untertreibung seines Lebens ausgesprochen. Biologisch betrachtet war Marguerite Argeneau zwar nur seine Tante, aber er war von ihr großgezogen worden, und für Thomas hatte es niemanden sonst gegeben, der einer leiblichen Mutter näherkam als sie. Daher liebte er sie mindestens so sehr, wie auch ihre Tochter und die Söhne sie liebten.

„Ich wünschte, ich könnte dich begleiten“, fügte Etienne betrübt hinzu und ging wieder nervös auf und ab. „Wenn ich nicht diesen Termin hätte …“

Thomas reagierte nicht darauf. Er wusste nur zu gut, Etienne wollte, so wie jeder andere aus seiner Familie, nach dem Rechten sehen, um dem beharrlichen Schweigen der Frau auf den Grund zu gehen, doch sie konnten einfach nicht so kurzfristig losziehen und ihre Pflichten vernachlässigen. Allerdings war ihm auch bekannt, dass sie längst alle notwendigen Vorbereitungen trafen, um ihm so bald wie möglich folgen zu können. Thomas hoffte inständig, dass es gar nicht erst so weit kommen musste. Er wollte nichts lieber, als sie lebend und wohlbehalten antreffen, um sich dann von ihr eine lächerlich simple Erklärung anzuhören, weshalb sie nicht angerufen hatte.

Das plötzliche Klingeln eines Telefons ließ beide Männer innehalten. Dann beobachtete Thomas, wie Etienne ein Handy aus der Tasche zog. Nachdem er sich gemeldet hatte, schwieg er eine Weile und lauschte aufmerksam, und nach einem knappen „Okay“ steckte er das Gerät wieder weg.

„Das war Bastien“, ließ Etienne ihn wissen. „Es ist ihm gelungen, für dich ein Zimmer im Dorchester Hotel in London zu buchen. Mutter hat sich dort unmittelbar vor ihrer abrupten Funkstille aufgehalten.“

„London?“, wiederholte Thomas verwundert. „Ich dachte, Tante Marguerite und Tiny wären in Italien. Dieser Fall, an dem sie arbeiten, betrifft doch einen Typ aus Italien. Nocci heißt er oder so ähnlich.“

„Notte“, berichtigte Etienne ihn. „Und er ist tatsächlich Italiener. Jedenfalls väterlicherseits, aber offenbar ist er in England geboren, und darum haben Marguerite und Tiny mit ihrer Suche dort begonnen.“ Als Thomas ihn zweifelnd ansah, fügte er noch hinzu: „Bastien hat für Mom und Tiny das Flugzeug besorgt, und er sagt, sie seien auch nach England aufgebrochen.“

„Dann ist sie also in England und nicht in Italien“, murmelte Thomas und holte die weiße Leinenhose heraus, die er in seinen Rucksack gesteckt hatte, ersetzte sie durch eine Jeans und packte auch gleich noch ein paar langärmelige Hemden zu den T-Shirts. Es war Herbstanfang, und in England würde es abends kühler sein.

Nachdem er so viel in den Rucksack gestopft hatte, wie der nur fassen konnte, schob er sich mit dem Gepäckstück an seinem Cousin vorbei und verließ den begehbaren Kleiderschrank.

„Hat Bastien etwas von Jackie gehört? Hat sich Tiny bei ihr gemeldet?“, hakte Thomas nach, während er zur Kommode eilte, um Socken und Unterwäsche aus der Schublade zu nehmen. Jackie Morrisey war die Chefin der Morrisey Detective Agency und in dieser Funktion der Boss von Tiny und Marguerite, und sie war auch die Lebensgefährtin seines Cousins Vincent.

Etienne folgte ihm. „Er kann Jackie nach wie vor nicht erreichen. Sie und Vincent sind wie vom Erdboden verschluckt. Vermutlich stecken sie in irgendeiner abgelegenen Hütte. Ich weiß noch, wie Rachel und ich wochenlang nicht das Haus verlassen haben, nachdem wir endlich zusammengekommen waren.“

Thomas nickte verstehend und quetschte die Socken in den Rucksack. Er hatte miterlebt, wie ein Cousin nach dem anderen seine Lebensgefährtin gefunden hatte, und jeder von ihnen war unmittelbar danach wochenlang nicht wieder aufgetaucht … ausgenommen Bastien. Als Chef von Argeneau Enterprises war er der Ansicht gewesen, dass er das Familienunternehmen nicht so lange Zeit im Stich lassen durfte, obwohl er das durchaus hätte machen können. Immerhin arbeitete er seit der Rückkehr seiner Lebensgefährtin Terri gerade einmal halb so effizient wie zuvor. Während sich die anderen für gut einen Monat nicht mehr blicken ließen, anschließend aber wenigstens in der Lage waren, eine Unterhaltung zu Ende zu führen, ohne sich zwischendurch für eine Weile mit ihrer Gefährtin verziehen zu müssen, bewirkte Bastiens gut gemeinte Absicht in Wahrheit das Gegenteil: Indem er seinen Gefühlen keinen freien Lauf ließ und nicht das tat, wonach sein Körper verlangte, zog sich die Phase schier unendlich lange hin, in der er sich durch alles und jeden in seiner Konzentration stören ließ.

Der Rucksack war längst so voll, dass nichts weiter darin Platz finden konnte, also zog Thomas den Reißverschluss zu. Er musste sich sogar eingestehen, dass er zu viel hineingestopft hatte, woraufhin er die Unterwäsche wieder herausnahm und entschied, in England welche zu kaufen.

„Greg hat versucht, Mutter im Dorchester anzurufen, als bei Lissianna die Wehen einsetzten, aber sie konnten ihm nur sagen, dass sie ausgecheckt hatte“, bemerkte Etienne betrübt.

Wieder nickte Thomas, diesmal gelang es ihm, den Reißverschluss zuzuziehen. Lissiannas Lebensgefährte hatte das bereits der Familie erzählt, als die sich scharenweise bei ihm einfand, um ihm Gesellschaft zu leisten, während seine Frau ein wunderschönes Mädchen zur Welt brachte. Ihre Art konnte nicht einfach zur Geburt ein Krankenhaus aufsuchen, weil die Gefahr bestand, dass ihre Andersartigkeit dann auffiel. Die meisten unsterblichen Frauen brachten ihren Nachwuchs daheim auf die Welt, unterstützt lediglich von einer gleichfalls unsterblichen Hebamme, doch Lissianna hatte stattdessen Etiennes Ehefrau Rachel gefragt, ob sie ihr bei der Geburt zur Seite stehen würde. Auch wenn die im örtlichen Leichenschauhaus ihrer Tätigkeit nachging, war sie doch eine ausgebildete Ärztin und leistete ganze Arbeit dabei, die jüngste Argeneau-Generation zu entbinden.

„Einfach so zu verschwinden, ist ganz und gar nicht ihre Art“, seufzte Thomas.

„Richtig“, pflichtete Etienne ihm bei. „Zumal sie wusste, wie dicht Lissianna vor der Geburt stand. Ich hatte ihr noch versprechen müssen, sie sofort anzurufen, sobald es ein erstes Anzeichen dafür gibt, dass das Baby unterwegs sein könnte.“

„Das Versprechen wollte sie von mir auch hören“, gab Thomas zurück. „Vermutlich hat sie sich das von jedem von uns zusichern lassen.“

Sie verfielen beide in Schweigen, da sie zum wiederholten Mal darüber grübelten, was Marguerite Argeneau davon abhalten mochte, sich nach ihrer Tochter zu erkundigen. Die Antwort war denkbar einfach: Entweder sie war tot, oder sie war körperlich nicht in der Lage, zum Hörer zu greifen und anzurufen – andere Möglichkeiten als diese gab es nicht.

Er verdrängte diese Überlegung und wuchtete sich den Rucksack auf den Rücken, griff nach dem Ringbuch auf dem Nachttisch und ging zur Tür.

„Komponierst du etwas?“, wollte Etienne neugierig wissen, als er ihm aus dem Zimmer folgte.

Die Frage veranlasste Thomas unwillkürlich dazu, das Ringbuch fester zu halten. Er war in einem von Musik erfüllten Haus aufgewachsen. Tante Marguerite liebte Musik in allen Formen und Variationen, und diese Liebe hatte sie auch bei ihm zu wecken vermocht. Er verband wunderschöne Erinnerungen damit, wie er als kleiner Junge zu den lieblichen Klängen der verschiedenen Klavierkonzerte eingeschlafen war, die sie ihm vorgespielt hatte. Als er schließlich sein Interesse an Musik bekundete, hatte sie ihm beigebracht, Klavier und Gitarre zu spielen, und in der Folgezeit erlernte er den Umgang mit einer Vielzahl von anderen Instrumenten.

Mit vierzehn begann Thomas dann seine ersten ungelenken Versuche, selbst etwas zu komponieren, doch leider war Jean Claude kein Freund von Musik und machte sich über diese Bemühungen nur lustig. Schon bald beschloss Thomas, seiner Leidenschaft nur im Geheimen nachzugehen, um sich so vor dem Spott des alten Mistkerls zu schützen. Da er fürchtete, seine Cousins könnten der Musik genauso ablehnend gegenüberstehen, hielt er es auch vor ihnen geheim. Tante Marguerite, Lissianna und Jeanne Louise hatten es dagegen immer gewusst und ihn auch gelobt, als die von ihm geschriebene Musik zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts verlegt wurde und sich großer Beliebtheit erfreute. Zu ihrer Bestürzung hatte er stets darauf beharrt, seine Kompositionen ausschließlich anonym zu veröffentlichen und den anderen zu verschweigen, was er in Wahrheit leistete. Bislang war er immer davon ausgegangen, dass die drei seinen Wunsch respektiert hatten, doch nun …

„Wer hat es dir gesagt? Lissianna oder Jeanne Louise?“, fragte er mürrisch. Sie hatten ihm beide geschworen, kein Wort über seine heimliche Karriere verlauten zu lassen, und es gefiel ihm nicht, zu erfahren, dass sie ihr Versprechen gebrochen hatten.

„Weder noch“, antwortete Etienne. „Mutter war es.“

Überrascht blieb er stehen und sah sich um.

„Du hast doch nicht etwa geglaubt, du könntest vor ihr etwas geheim halten, oder?“, fragte Etienne amüsiert und fügte dann ironisch hinzu: „Sie liest unsere Gedanken und weiß alles über jeden von uns.“

Thomas verzog den Mund. „Ich wusste, dass sie es wusste. Was denkst du denn, von wem ich gelernt habe, Noten zu lesen und zu schreiben? Mich wundert nur, wieso sie es dir gesagt hat. Bastien und Lucern wissen doch nichts davon, oder?“

Etienne schüttelte den Kopf. „Dein Ruf als nutzloser Faulenzer ist vor den beiden sicher, Cousin. Soweit mir bekannt ist, hat sie ihnen keinen Ton verraten. Schließlich musste ich ihr ja auch versprechen, mit keinem der beiden darüber zu reden. Sie meinte, du würdest es ihnen schon sagen, wenn du dazu bereit bist.“

„Hmm“, gab Thomas nachdenklich von sich. Diese Erklärung beruhigte ihn, dennoch fragte er: „Dann verstehe ich nicht, warum sie es dir gesagt hat.“

„Das war eigentlich nur ein dummer Zufall. Sie hat mitbekommen, wie ich ‚Highland Mary‘ gesummt habe, damals, als das Stück gerade aktuell war, und sie hat gesagt, das sei eine von deinen Kompositionen, die ihr am besten gefalle. Natürlich hatte ich keine Ahnung, was sie damit meinte, und ich ließ es mir erklären. Anschließend verdonnerte sie mich zu Stillschweigen.“

„Und jetzt brichst du dieses Schweigen?“, fragte Thomas amüsiert. „Wieso?“

„Mir war nicht klar gewesen, wie lange ich den Mund würde halten müssen. Das ist fast zweihundert Jahre her, Cousin, und du lässt keine Anzeichen dafür erkennen, dass du dich in nächster Zeit zu deinen Aktivitäten als Komponist bekennen wirst.“ Nach einem Schulterzucken fügte er dann eine neugierige Frage hinzu: „Warum verschweigst du das?“

Thomas ging weiter durch den Flur und murmelte: „Ein paar Leute wissen sehr wohl darüber Bescheid. Aber Bastien und Lucern würden es als ein ‚nettes kleines Hobby‘ abtun und mich auffordern, solche kindischen Sachen zu unterlassen und stattdessen lieber im Familienbetrieb mitzuarbeiten.“

„Das klingt nach einer Bemerkung, die von Vater hätte stammen können“, gab Etienne zurück.

Es war tatsächlich eine Bemerkung, die von Jean Claude Argeneau stammte, und sie hatte ihn so verletzt, dass er nicht daran interessiert war, sie sich von Bastien und Lucern noch einmal anhören zu müssen.

„Da seid ihr ja.“ Rachel lächelte die beiden an, als sie zu ihr ins große Wohnzimmer des Apartments kamen. „Thomas, ist das deine Mutter?“

Sein Blick wanderte zu dem Porträt über dem Kamin, und er nickte bedächtig. Althea Argeneau war eine wunderschöne Frau gewesen, doch er besaß keinerlei Erinnerung an sie. An dem Tag, an dem er aus Marguerites Haus ausgezogen war, hatte sie ihm das Gemälde übergeben, das die einzige Verbindung zu der Frau darstellte, die ihn zur Welt gebracht hatte. Langsam glitt sein Blick über das Bild an der gegenüberliegenden Wand, das seine Tante Marguerite zeigte. Inständig hoffte er, es möge inzwischen nicht auch die letzte Verbindung zu jener Frau darstellen, von der er großgezogen worden war. Er musste sie lebend und wohlauf wiederfinden.

„Und … ist es bald so weit, dass sie ihr nächstes Kind bekommen kann?“, fragte Rachel belustigt und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf das Porträt seiner seit Langem toten Mutter.

Er musterte das Gemälde, dann schaute er Rachel verständnislos an, woraufhin sich Etienne zu Wort meldete: „Du bist Rachel das erste Mal im Night Club begegnet. Sie dachte, du wärst jünger als Jeanne Louise. Du hast zu ihr gesagt, sie würde sich irren, und dann hast du hinzugefügt, dass deine Mom gern mehr Kinder hätte, aber wegen der Hundert-Jahre-Vorschrift noch so etwa zehn Jahre warten müsse.“

„Ach ja.“ Thomas lächelte ironisch, als er sich an das Gespräch erinnerte. Es war eine beiläufige Bemerkung gewesen, die für einen Fremden bestimmt war, den die wahren Verhältnisse nichts angingen. Zu der Zeit hatte er ihr nichts von den Tragödien in seiner Familie erzählen wollen; dass es keine „Mom“ in seinem Leben gab und dass Jeanne Louise nur seine Halbschwester aus der dritten Ehe seines Vaters war.

Es schien, dass ein Fluch auf Thomas’ Vater lag, sobald es um Ehefrauen ging. Sie starben ihm eine nach der anderen weg, was umso schwerer wog, da sie alle Unsterbliche gewesen waren. Als Folge davon hatte er sich über die Jahrhunderte hinweg zu einem verbitterten, wütenden Mann entwickelt, der keinen Kontakt mit seinem Sohn und seiner Tochter wollte. Dieser Punkt machte Thomas zu schaffen, und er zog es vor, das Thema zu meiden, weshalb er zu jener Zeit auch nur diese Bemerkung von sich gegeben hatte, anstatt zu erklären, dass Jeanne Louise lediglich seine Halbschwester war und dass sie außer Marguerite Argeneau niemanden hatten, den sie als Mutter hätten bezeichnen können.

Jetzt sah es allerdings so aus, als müsste er doch noch eine Richtigstellung nachliefern. „Ich …“

„Schon gut. Nach unserer Hochzeit hat mir Etienne die ganze Geschichte erzählt“, unterbrach Rachel ihn leise und ging zu ihm, um besänftigend über seine Hand zu streichen. „Ich wollte dich nur ein bisschen auf den Arm nehmen. Tut mir leid, wenn ich unangenehme Erinnerungen geweckt habe.“

Thomas reagierte mit einem Schulterzucken, als sei das alles keine große Sache, und wandte sich zur Tür. „Wir sollten allmählich aufbrechen. Je eher du mich am Flughafen absetzt, umso eher komme ich in London an, kann Tante Marguerite aufspüren und euch wissen lassen, dass ihr euch keine Sorgen machen müsst.“