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Todesflug

erzählt von Ben Nevis

Kosmos

 

 

 

 

 

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage der Gestaltung von Aiga Rasch (9.Juli 1941–24.Dezember 2009)

 

 

 

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

 

 

 

 

© 2000, 2009, 2010, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

 

Based on characters by Robert Arthur.

 

ISBN 978-3-440-12508-3

Produktion: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Vierzehn

»Es ist wirklich zum Abheben!« Wütend trat Peter gegen den Kotflügel des Geländewagens. »Der Motor ist abgereckt!«, rief er. »Schluss! Aus! Wir sind am Ende!«

»So viel Pech auf einmal ist statistisch gesehen absolut unwahrscheinlich«, kommentierte Justus trocken. Bewusst lässig ließ er die Wagentür zufallen und zog den breitkrempigen Hut, den er zum Schutz gegen die stechende Sonne aufgesetzt hatte, tiefer in die Stirn. »Na, dann ist die Fahrt zum summenden Berg wohl endgültig gestorben.« Langsam stapfte er durch den heißen Sand zu Peter hinüber. »Lass mich mal sehen, was passiert ist.«

»Als ob du das besser wüsstest als ich!« Peter legte seine Hand auf die Fronthaube, zog sie aber sofort wieder zurück. »Aua! Diese verdammte Sonne! Just, hilf mir, wir stemmen die Haube zusammen hoch.«

Vorsichtig packte Justus mit an und gemeinsam blickten sie auf das, was in der Werbung als ein Wunderwerk allerneuster Motorentechnik galt.

»Bestimmt Kolbenfresser«, stellte Peter fest.

Justus nickte wortlos. Es hatte einige laute Schläge im Motor gegeben. Peters Diagnose war zweifellos richtig.

»Kolbenfresser, was heißt das?«, fragte Bob. Er war der Dritte im Bunde der jungen Detektive und hatte bisher die Rückbank des Geländewagens gehütet, da ihm draußen die Sonne zu sehr brannte. Jetzt klappte er den Vordersitz nach vorne und stieg umständlich aus dem Auto.

»Kolbenfresser – das bedeutet ganz einfach: Wir benötigen ab sofort eine Menge Glück, sonst werden wir hier in der Wüste qualvoll verdursten.« Justus stellte das nüchtern fest, wie es seine Art war. Aber die Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und dies nicht nur wegen der Sonne.

»Oh, Justus! Wie kannst du nur so ruhig bleiben!«, fuhr Bob ihn an. »Um uns herum ist nichts als eingetrockneter Lehm, kochend heißer Sand und absolute Einsamkeit! Mensch, wir sind mitten in der Wüste! Wir haben uns verirrt! Ein kaputtes Auto! Ein defektes Funkgerät! Warum musstest du auch deine Cola drüberschütten, Peter!« Er schnappte nach Luft.

Jetzt hakte Justus ein. »Das hilft uns doch nicht weiter«, beschwichtigte er. »Verschwende nicht deine Energie, Bob. Wir werden unsere Kräfte noch dringend brauchen!«

»Unsere Kräfte? Um den Wagen hundert Kilometer in Richtung Westküste zu schieben?«, warf Peter lakonisch ein. »Spätestens nach einem Kilometer sind wir am Ende!«

»Immerhin haben wir noch eine ganze Box Wasser!« Justus zog an seiner Unterlippe und überlegte. »Dieser Vorrat sollte zumindest zwei Tage reichen. Bob, schau doch mal nach, ich glaube, es war ein 20-Liter-Kanister.«

Während Bob im Geländewagen verschwand, prüfte Justus den Sonnenstand. »Westen müsste dort sein«, sagte er und wies auf einen rötlich schimmernden Höhenzug, der einige Kilometer entfernt lag. »Wenn wir das Auto hierlassen, könnten wir es in zwei Tagen bis in bewohntes Gebiet schaffen.«

»Ohne mich!« Peter schüttelte den Kopf. »Auf deine Ortsangaben verlasse ich mich nicht mehr!«

In dem Moment schrie Bob laut auf. Er kniete auf der Rückbank und richtete sich entsetzt auf. Justus rannte zu ihm und riss die Beifahrertür auf. »Was ist los, Bob, ein Skorpion? Eine Todesspinne?«

»Schlimm, viel schlimmer.« Bobs Stimme klang weinerlich. Vorsichtig hob er die Decke auf der Rückbank hoch. Sie war klatschnass.

»Oh nein!«, murmelte Justus.

Bob zog den Wasserkanister hervor und schüttelte ihn. »So gut wie leer, Kollegen! Umgekippt und ausgelaufen!«

Justus nahm ihm die Box ab und untersuchte sie. Sofort fand er den Fehler: Der Deckel war falsch aufgeschraubt. Justus machte sich daran, die nass gesogene Decke vorsichtig über der Kanisteröffnung auszuwringen. Es störte ihn wenig, dass das Wasser nicht mehr ganz sauber war. Als er fertig war, blickte er in die Box. »Mehr als zwei Liter dürften nicht mehr drin sein«, sagte er mit tonloser Stimme und verschloss den Kanister sorgfältig. Dann ging er um den Wagen herum, öffnete die Heckklappe und verstaute die Box zwischen den Schlafsäcken. »So, jetzt kann nichts mehr passieren.«

»He, was machst du da, ich brauch mal einen Schluck«, rief Bob und kletterte aus dem Wagen.

»Nein!« Energisch schlug Justus die Heckklappe zu. »Eiserne Notration! Komm, Bob, zieh deinen Hut auf. Sonst siehst du im Gesicht bald so rot gescheckt aus wie Peter.«

Dem Zweiten Detektiv waren die Hüte von Onkel Titus nicht modisch genug gewesen und er hatte nur seine Baseballkappe eingepackt. Je nachdem wie er sie aufzog, brannte ihm die Sonne nun entweder auf die Stirn oder auf den Hals. Beide Stellen hatten sich inzwischen empfindlich gerötet.

»Na, dann lasst uns mal die Lage besprechen«, schlug Bob vor und setzte seinen Hut auf.

»Okay.« Wie ein Sandsack ließ Justus seinen schweren Körper in den schmalen Streifen Schatten fallen, den der Wagen seitlich spendete. Während er in die von der Sonne flimmernde Ebene starrte, arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren. Schon oft hatte er durch intensives Nachdenken einen Ausweg aus schwierigen Situationen gefunden. Doch heute drehten sich alle seine Gedanken im Kreis.

Die drei ??? waren den zweiten Tag unterwegs. Vor Ablauf einer Woche würde sie niemand vermissen. Diese Zeitspanne hatten sie für ihre Tour nach Nevada eingeplant, wo sie ein Filmfestival für Science-Fiction-Filme besuchen wollten. Justus dachte an die letzte Nacht, die sie in einem kleinen billigen Hotel in Barstow verbracht hatten. Alles hatte damit begonnen, dass in der Herberge ein angetrunkener Durchreisender von einem abseits in der Wüste gelegenen Berg berichtet hatte. »Das Merkwürdige war, dass der Berg summte«, hatte der Mann so laut gerufen, dass es alle im Speiseraum hören konnten. »Richtig summte, als ob er beben würde. Und auch Blitze waren zu sehen! Ihr glaubt mir doch, oder?«

Die anderen Gäste des kleinen Hotels hatten ihn ausgelacht. »Außer toten Goldgräbern und ihren eingefallenen Bergstollen gibt es dort nichts mehr zu besichtigen«, hatte der Wirt schließlich gerufen. Dann hatte sich der Mann dem Tisch von Justus, Peter und Bob genähert. »Wenigstens ihr glaubt mir doch«, hatte er genuschelt, »der Berg summte. Ja, so war es. Oder denkt ihr etwa, dass ich betrunken bin?«

»Gewiss nicht, Sir«, hatte Justus erklärt, obwohl er sich nicht ganz sicher war.

Als sie spät am Abend endlich auf ihr Zimmer kamen, hatte Bob vorgeschlagen, eine Abkürzung durch die Mojawewüste zu nehmen, in der nach der Erzählung des Mannes der summende Berg liegen sollte. Schließlich hätten sie ja einen guten Geländewagen dabei und so ein kleines Geheimnis am Wegesrand wäre nicht zu verachten …

Justus’ Gedanken kreisten weiter um die Zufälle, die sie mitten in die Wüste geführt hatten. Am Morgen waren sie losgefahren. Nachdem dann bei einem kurzen Stopp der Wind ihre Landkarte weggeweht hatte und Justus sicher gewesen war, er würde auch mithilfe seiner Logik den richtigen Weg finden, hatten sie sich gründlich verirrt. Ein paar Stunden später hatte Peter die Cola über das Funkgerät geschüttet, kurz darauf war die Sache mit dem Motor passiert und nun saßen sie auch noch auf dem Trockenen. Eine brenzlige Situation.

»Wenn wir uns nicht mehr bei unseren Eltern melden, werden sie sich Sorgen machen«, ergriff Peter das Wort und ließ etwas Sand durch die Hände rieseln. »Und uns suchen.«

Der Erste Detektiv schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich habe auch schon daran gedacht. Aber eure Eltern und auch Onkel Titus und Tante Mathilda sind es leider gewohnt, dass wir uns hin und wieder herumtreiben. So angenehm das sonst auch sein mag, dieses Mal könnte es von Nachteil sein.«

Peter seufzte. »Ich fürchte, du hast recht. Und selbst wenn sie uns vermissen: Sie würden uns am falschen Ort vermuten. Noch nicht einmal wir selbst wissen ja genau, wo wir eigentlich sind.«

»Es muss in der Nähe der alten verlassenen Bergwerke sein«, überlegte Bob. »Dort, wo der summende Berg liegt.«

»Wie kommst du darauf?«, fragte Justus skeptisch.

»Mein Ortsgefühl sagt mir das. Die Beschreibung, die der betrunkene Mann gegeben hat, passt genau auf den Höhenzug.« Inzwischen war Bob die Ruhe selbst. »Und wenn das so ist«, folgerte er, »dann war der Mann mit seinem Geländewagen gestern in dieser Gegend. Wir sollten die Hoffnung also nicht aufgeben. Vielleicht findet uns ein anderer Wüstentourist oder, was noch schöner wäre, ein mobiler Getränkeverkäufer. Hm, Wasser wäre toll.«

»Das wäre immerhin eine Möglichkeit«, sagte Justus. »Das mit dem Touristen«, präzisierte er. »Aber dann bitte bald! Ohne Wasser sind wir spätestens morgen Abend verdurstet. Bei dieser Hitze braucht man sehr viel Flüssigkeit.«

»Vielleicht sollten wir doch langsam etwas trinken.« Bob konnte allmählich kaum noch an etwas anderes denken. »Ich glaube, erst wird einem schwindelig, dann setzt langsam das Gehirn aus …«

»Wir können den nächtlichen Tau einfangen«, schlug Peter vor.

»Und unseren eigenen Urin trinken«, sagte Bob. »Ich habe gelesen, wie man ihn vorher in der Erde reinigt.«

»Auäh!« Angeekelt wandte Peter sich ab. »Was liest du eigentlich für Bücher, Bob?«

»Spätestens in ein paar Stunden wirst du mir sehr dankbar sein«, sagte Bob etwas beleidigt. »Und auf Knien vor mir rutschen.« Er stand auf. »Wie ging das noch? Als Erstes braucht man eine Plastikplane.«

»Hinten im Auto müssten welche sein!« Justus erhob sich ebenfalls und stapfte mit Bob zur Heckklappe des Geländewagens. »Versuchen wir, was Sinnvolles zu tun. Rumhängen hilft auch nicht weiter.«

Peter blieb sitzen. »Ich muss aber leider nicht pinkeln!«, erklärte er trotzig und lamentierte gleich weiter: »Warum sind wir nicht einfach auf dem Highway gefahren? Bob, jetzt hast du dein verdammtes Wüstenabenteuer! Hätten wir doch bei dieser blöden Geschichte von dem summenden Berg einfach weggehört!«

Justus, der gerade ein Bündel von der Ladefläche gehoben hatte, warf es wütend in den Sand. »Peter! Halt die Klappe!«, rief er. »Wir sind doch alle schuld. Bob hat ein Geheimnis gewittert, du killst mit deiner Cola das Funkgerät und ich, äh …«

»Ja, Erster?«

»… äh, ich, nun ja, ich dachte, wir kämen auch ohne Karte …«

»Jaja, Kollege.« Peter deutete auf das Bündel, das Justus hingeworfen hatte. »Was hast du da eigentlich aus dem Auto gezogen, Just? Schau doch, da ist ja was rausgerollt, sieht aus wie …« Peter sprang auf. »… das sind ja Leuchtraketen!«

»Tatsächlich!« Justus bückte sich und zog die Patronen aus dem Sand. Auch eine Abschusspistole war herausgefallen. »Diese Gerätschaften müssen noch von deinem Vater drin gewesen sein, Peter, bevor er uns den Wagen ausgeliehen hat.«

Mit einem wuchtigen Schlag schloss Bob die Heckklappe. »Vielleicht sind die Leuchtraketen der Beginn unserer Rettung!«, rief er aus.

»Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein«, sagte Justus und drehte die Patronen in seiner Hand. »Fünf Stück. Eigentlich könnten wir gleich eine opfern.«

»Und sie schon jetzt zünden?«, fragte Bob aufgeregt.

»Ich bin dafür«, meldete sich Peter.

»Also gut«, sagte Justus. »Welche Farbe?«

»Rot.«

Vorsichtig legte Justus die Patrone in die Pistole ein. Dann zielte er in den Himmel und begann wie bei einem Countdown rückwärts zu zählen. Die beiden anderen fielen ein. »… acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, null und Feuer!«

Mit einem lauten Pfeifton stob die Patrone davon. Die drei Detektive sahen ihr hinterher. Ein helles Licht, das einen Bogen am wolkenlosen Himmel beschrieb und wie ein Komet einen Schweif hinter sich herzog. Viel zu schnell war der Flug wieder vorbei.

»Hat das denn niemand bemerkt?« Bob sah sich um, als würde er hunderte von Rettern erwarten, die von allen Seiten auf sie zuströmten.

Doch nichts geschah. Flirrende Hitze. Aufgewehte Wanderdünen. In der Ferne der Höhenzug. Auf halbem Weg glänzte ein ausgetrockneter Salzsee. Kein Lebewesen war zu sehen. Eine bedrückende Stille. Kein Windhauch. Nichts. Der Rauch der Leuchtrakete stand noch eine Weile am Himmel, bevor er sich langsam auflöste.

»Wo bleibt ihr denn«, schrie Peter in die Ruhe. »Rettet uns!«

Dreizehn

In dem Moment donnerte es. Es klang wie ein entferntes Gewitter, doch das Grollen wurde sehr schnell lauter. Die Jungen drehten sich in die Richtung, aus der der Lärm zu ihnen heranschoss. Fast gleichzeitig flog ein Schatten dicht über ihren Köpfen hinweg. Erschrocken zuckten sie zusammen. Ein starker Luftstoß folgte, der den Sand aufwirbelte, begleitet von einem unbeschreiblichen Krachen. Als die Sandwolke sich legte und der Himmel wieder klar wurde, sahen die drei Detektive, wie ein kleines, klobiges Flugzeug nur wenige Kilometer entfernt eine Kurve beschrieb. Es flog so tief über dem Boden, dass den Detektiven kurz darauf eine Wanderdüne die weitere Sicht nahm.

»Verdammtes Militär«, schimpfte Peter los und rieb sich den Sand aus den Augen.

Bob hielt sich noch immer die Ohren zu. »Fetzen die hier mit ihren Tieffliegern durch. Unglaublich!«

»Aber es hatte nicht die offiziellen Air-Force-Zeichen, durch die man die Flugzeuge identifizieren kann.« Justus hustete. »Bestimmt ein neues Modell, das die hier austesten. Es sah auch so komisch aus. Dicker als gewöhnliche Flugzeuge. Und erst diese auffällige Dreiecksform.«

»Ob der Pilot uns bemerkt hat?« Peters Augen blitzten hoffnungsvoll auf.

Doch Justus brachte ihn zurück auf den Boden der Tatsachen. »Das glaube ich kaum«, antwortete er. »Er war zu schnell, obwohl er unterhalb der Schallgeschwindigkeit geflogen ist. Sonst hätten wir ihn vorher auch nicht gehört. Er mag uns gesehen haben, aber unsere Notlage dürfte er schwerlich erkannt haben.«

»Wahrscheinlich hast du recht.« Peter nickte und hob seine Baseballkappe auf, die ihm der Windstoß vom Kopf gefegt hatte. »Sah fast so aus, als ob er dahinten gelandet wäre, Just.«

Auch Bob sah in die Richtung, in der das merkwürdige Flugzeug verschwunden war. »Schade, dass wir die Leuchtrakete nicht kurze Zeit später gezündet haben«, seufzte er. »Die hätte er wohl nicht übersehen können.«

»Immerhin haben wir noch vier Stück!«, gab sich Peter bewusst optimistisch. »Die nächste zünden wir, wenn es etwas dunkler ist. Dann sieht man sie besser und vielleicht macht der Pilot ja noch einen Nachtflug.«

»Am besten schießen wir das nächste Mal von der Sanddüne aus.« Justus deutete auf einen Berg von angewehtem Sand. »Ich wollte sowieso mal hochsteigen. Vielleicht kann man von dort aus etwas erkennen.«

Bobs Blick klebte immer noch am Horizont. »War fast wie in meinem Computerspiel«, murmelte er. »Aber dann hätte er uns ausgelöscht.«

»Was redest du da?«, fragte Peter. »Dein Computerspiel? Hör doch damit auf. Seitdem du dauernd vor dem Bildschirm hängst, bekommen wir dich ja kaum noch zu sehen. Ohnehin ein Wunder, dass wir dich zu unserer Reise nach Nevada überreden konnten.« Er bemerkte Bobs verärgerten Blick. »Ich meine es doch nur gut mit dir!«

»Du bist ja schon wie meine Eltern«, blaffte Bob ihn dafür an. »Die meckern auch dauernd an irgendetwas herum.«

»Bob, schau mich an«, erklärte Justus. »Ich hocke zwar auch ab und zu vorm Computer herum. Ich weiß aber, wie ich die Kiste wieder auskriege.«

Bob schüttelte nur den Kopf. »Du bist auch nicht viel besser, Justus Jonas! Und überhaupt, das Spiel, das ich entdeckt habe, ist wirklich spannend. Man kann sich im Internet einloggen, aber nur, wenn man clever ist und den Eingang findet.«

»Es ist so eine Art geheimer Club, oder wie?«, fragte Peter nach.

»Na ja, jeder kommt wirklich nicht rein. Und selbst wenn man es geschafft hat: Nach dem Einstieg muss sich der Neuling langsam hochdienen. Man beginnt als schutzloser Mensch, der von Flugzeugen gejagt wird. Aber man kann sich wehren, mit einfachen Mitteln. Und wenn man endlich ein Flugzeug erwischt hat, bekommt man eine Laserwaffe. Damit müssen dann drei Flugzeuge getroffen werden, damit man selbst Pilot werden darf. Allerdings erst mal nur von einer wirklich lahmen Propellerkiste, die selbst wieder gejagt wird.«

»Wovon?«, fragte Justus. »Von den schnellen Düsenjets?«

Bob nickte. Er war bei seinem derzeitigen Lieblingsthema. »Davon gibt es allerdings mehrere Klassen. Es geht immer weiter aufwärts, je mehr Flugzeuge man getroffen hat, bis zu den allermodernsten Maschinen. Und jeder, der gerade angedockt ist, fliegt mit. Das sind weltweit inzwischen mehrere tausend Spieler.«

»Vom Tellerwäscher zum Millionär, hahaha«, sagte Peter. »Immer das alte Prinzip. Und was passiert, wenn das Flugzeug dich erwischt?«

»Dann wird man vier Wochen gesperrt und muss wieder von vorne anfangen. Ich kenne Leute, die sich einen neuen Computeranschluss beschafft haben, um die Sperre nicht absitzen zu müssen. So gut ist die Kontrolle.«

»Komplett verrückt«, sagte Peter. »Und du, bist du inzwischen Propellerpilot?«

»Bin leider getroffen worden.«

Peter grinste. »Und nun heißt es: warten, warten, warten …«

»Wahrscheinlich ist er nur deswegen mit uns nach Nevada gereist«, sagte Justus süffisant. »Aber was nützt uns das jetzt. Jedenfalls war das Flugzeug, das gerade über unsere Köpfe gekracht ist, nicht Teil dieses Spiels. Zum Glück. Sonst hätten wir ein Problem mehr.«

»Trotzdem säße ich jetzt lieber vor meinem Computer als hier im heißen Sand«, sagte Bob.

»In diesem Punkt kann ich dir zustimmen!« Peter ging zurück zum Auto und öffnete die Heckklappe. »Lasst uns wieder auf die Überlebensfrage zurückkommen: Tun wir was.«

»Und das wäre?«, fragte Bob interessiert.

»Dein Pinkelsystem bauen«, sagte Peter. »Ich muss nämlich mal.«

Auch ein kleiner Spaten gehörte zur Ausrüstung des Geländewagens und so konnten die drei Detektive damit beginnen, ein Loch zu graben, um die Plastikfolie einzuarbeiten. In der Hitze war jede Bewegung sehr anstrengend. Sie arbeiteten schweigend. Allen gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Es war sehr unwahrscheinlich, dass in dieser Gegend jemand eine Leuchtrakete sehen würde. Und die große Chance mit dem Flugzeug war leider vorbei.

Nach einer Weile mussten sie die Arbeit abbrechen. Es war einfach viel zu heiß. Justus und Peter setzten sich in den inzwischen deutlich breiter gewordenen Schatten des Autos. Bob holte den Rucksack mit den Essensvorräten aus dem Wagen und gesellte sich zu ihnen.

»Corned Beef, süße Riegel, noch ein Corned Beef …« Päckchen für Päckchen packte er aus und stellte alles neben sich in den Sand. »Oh, noch eine Dose Cola!«

»Wow!« Peter nahm sie andächtig in die Hand. »Komisch«, sagte er und blickte Justus an, »wenn man wirklich Durst hat, ist einem reines Wasser lieber.« Er öffnete sie und trank einen Schluck. »Zu süß, das Zeug! Aber besser als gar nichts!«

Sie reichten die Dose herum. Dann begutachteten sie die weiteren Vorräte und stellten fest, dass sie sich ziemlich planlos in das Abenteuer begeben hatten. Da sie keinen Hunger hatten, packte Bob die Reste wieder ein und drückte Peter den Rucksack in die Hand. »Wegbringen darfst du es.«

»Okay.« Peter stand auf und ging zur Heckklappe des Wagens. »Zumal ich allmählich wirklich pinkeln muss.«

Bob schloss die Augen und lehnte sich gegen das Auto. Er sah aus, als ob er träumte. »Vielleicht kommt doch jemand und holt uns ab. Selbst unsere Geschichtslehrerin wäre mir recht …« Seine Stimme klang matt.

Justus tat so, als hörte er nicht hin. »Ein Kaktus!«, überlegte er. »Ich habe gelesen, Kakteen können Wasser speichern. Vielleicht wäre das eine Lösung. Wir müssen irgendwo Kakteen finden.«

»Oder ein Hubschrauber, ein Feuerwehrhubschrauber, der uns mit klarem kalten Wasser bespritzt und dann rettet«, murmelte Bob.

»Ab und zu gibt es sogar im Sommer hier einen sintflutartigen Regenschauer.« Justus zog die Stirn in Falten. »Alle hundert Jahre vielleicht. Aber die wiederum sind ziemlich gefährlich, man sollte auf hohem Gelände campieren. Sonst wird man vom Schlamm weggerissen.«