Das Buch
Wenn ein indischer Taxifahrer behauptet, dass Ihr Hotel nicht mehr existiert, sollten Sie ihm kein Wort glauben. Und wenn Ihnen auf einer Antarktis-Kreuzfahrt ein Eisbär zuwinkt, ist Skepsis angebracht. Nach dem sensationellen Erfolg ihres Buches Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt geben Stephan Orth und Antje Blinda einen unterhaltsamen Einblick in die Kuriositäten der Urlaubswelt.
Zu Wort kommen Leser von SPIEGEL ONLINE, Touristikunternehmen und bekannte Abenteuerreisende, die ihre besten Pannen-Anekdoten erzählen. Auch die Autoren selber haben in ihren Reisetagebüchern gestöbert und erzählen von Kakerlakenmassakern und Katastrophenkarren, von Busirrfahrten und einem Beinahe-Schiffbruch.
Die Autoren
Antje Blinda, Jahrgang 1967, ist seit 1998 bei SPIEGEL ONLINE, wo sie als Redakteurin das Ressort »Reise« leitet.
Stephan Orth, Jahrgang 1979, arbeitet seit 2008 als Redakteur im Reise-Ressort bei SPIEGEL ONLINE.
Ihr erstes gemeinsames Buch Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt schaffte es bis auf Platz 1 der Taschenbuch-Bestsellerliste und wurde über 400 000 mal verkauft.
Stephan Orth / Antje Blinda
Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt
Kurioses aus dem Urlaub
Mit Cartoons von Hauck & Bauer
Ullstein
Besuchen Sie uns im Internet:
www.ullstein-taschenbuch.de
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen,
wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung
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verfolgt werden.
Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage Mai 2011
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2011
In Kooperation mit SPIEGEL ONLINE, Hamburg
Konzeption: HildenDesign, München
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Titelabbildung: © Artwork HildenDesign
Cartoons im Innenteil: Hauck & Bauer, www.hauckundbauer.de
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
eBook: LVD GmbH, Berlin
ISBN 978-3-8437-0027-6
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1
Touristen-Abzocke Falsche Polizisten, echte Gauner
Infobox: Zehn Tipps zur Reisepannen-Vorbeugung
Kapitel 2
Anekdoten von Touristik-Profis Nackt im Speisesaal
Infobox: Wer nicht fragt, bleibt dumm
Tagebuch Kapverden: Hexe auf Kakerlakenjagd
Kapitel 3
Aus dem Alltag von Flugbegleitern Zieh den Slater
Infobox: Fliegen wie Clooney
Kapitel 4
Prominente Extremreisende Grizzly an der Angel
Infobox: Die fünf nervigsten Tiere der Welt
Tagebuch Botswana: Pipipause mit Raubkatze
Kapitel 5
Bahnfahren weltweit Delirium im Indien-Express
Infobox: Schlaflos mit Bettwanze
Kapitel 6
Skurrile Reise-News Per Straßenbahn nach Afrika
Infobox: Vorsicht, Verwechslungsgefahr!
Tagebuch Japan: Ein Bus, zwei Idioten
Kapitel 7
Flüge, die man nie vergisst, Teil 1 Triebwerk kaputt, Fischreiher tot
Infobox: Wann sind Flugtickets am günstigsten?
Kapitel 8
Kreuzfahrt kurios Das Eisbär-Komplott
Infobox: Was Schiffsreisende wissen wollen
Tagebuch Laos: Per Wasserrakete ins Opiumdorf
Kapitel 9
Penisrestaurant in Peking Wiedergeburt des schönen Phoenix
Infobox: Was hilft wirklich bei Durchfall?
Kapitel 10
Flüge, die man nie vergisst, Teil 2 Quickie auf Reiseflughöhe
Infobox: Welche Rechte haben Flug- und Bahnreisende?
Tagebuch Cook-Inseln: Schnorcheln mit Jeans
Kapitel 11
Abenteuer Mitfahrzentrale Raser, Gurus, Trinkgelage
Infobox: Dumm, dümmer, Darwin Award
Kapitel 12
Hotelbewertungen im Internet »Ein Geist lebte in dem Zimmer«
Infobox: Fünf Tipps: So kriegen Sie gute Infos auf Bewertungsportalen
Tagebuch Neuseeland: Scheußlichkeit auf vier Rädern
Kapitel 13
Navi-Pannen Lemminge am Lenkrad
Infobox: Fünf Tipps für die sichere Fahrt mit Navi
Kapitel 14
Interview über Reisepannen »Von Deutschen kommen die lächerlichsten Beschwerden«
Internet- und Buchtipps
Vorwort
Wer nach Indien will, stattdessen aber zunächst auf den Bahamas und dann in der Dominikanischen Republik landet, würde heutzutage vom Reiseveranstalter sein Geld zurückfordern. Vielleicht würde er vor dem Weiterflug noch ein paar Tage all-inclusive in der Karibik auf Kosten des Unternehmens aushandeln. Und sich am berühmten Strand von Cabarete in der Sonne von dem Schock erholen.
Als jedoch einem 41-jährigen Italiener und seinen Dutzenden Begleitern diese Reisepanne widerfuhr, gab es drei Gründe, nicht bei TUI oder Neckermann anzurufen und die Beschwerdeabteilung zu verlangen. Erstens war er für die Navigation selber zuständig gewesen. Zweitens war er überzeugt, tatsächlich auf einer Insel vor Indien gelandet zu sein. Und drittens gab es TUI und Neckermann zu seiner Zeit ebenso wenig wie Telefone.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die folgenschwerste Reisepanne aller Zeiten von dem Betroffenen nie als solche wahrgenommen wurde. Christoph Kolumbus glaubte bis an sein Lebensende, dass er mit seiner Landung auf den Bahamas im Oktober 1492 den westlichen Seeweg nach Indien entdeckt hatte.
Und natürlich fühlt es sich nicht wie eine Panne an, wenn man nach Wochen auf dem Meer mit einer demoralisierten Crew, nach 6 000 beschwerlichen Seekilometern mit ungewissem Ziel eine paradiesische Karibikinsel erreicht. Sie war fast so schön wie »Kastilien im Mai«, wie Kolumbus später sagte.
Heute gibt es GPS-Navigation, präzise Weltkarten und Google Maps auf dem Handy – größere Irrfahrten sollten damit eigentlich der Vergangenheit angehören. Eigentlich.
Valerio Torresi, ebenfalls aus Italien, verfehlte im Juli 2010 per Flugzeug sein Reiseziel um 17 000 Kilometer – noch mehr als die Entfernung zwischen den Bahamas und Indien. Statt in Sydney im australischen Bundesstaat New South Wales (Abkürzung NSW) landete der 26-Jährige mit seiner Freundin in Sydney im kanadischen Nova Scotia (NS). Ein Reisebüromitarbeiter hatte sich bei der Buchung vertippt.
Die beiden Italiener, die zum ersten Mal außerhalb von Europa unterwegs waren, dachten bei der Landung zunächst, es handle sich um einen Zwischenstopp. Dann merkten sie, dass sie am Ziel angelangt waren. »Meine erste Reaktion war Angst«, sagt Torresi. »Die zweite Reaktion war: ›Nein, das ist ein Witz!‹«
Kolumbus wurde von den Taíno-Ureinwohnern zunächst freundlich empfangen, auch Torresi und seine Freundin wurden schnell zu lokalen Berühmtheiten. Die Zeitung bezahlte dem Paar zwei Hotelübernachtungen und ein feines Hummer-Abendessen, sie bekamen eine Gratisführung zu den Sehenswürdigkeiten des 24 000-Einwohner-Kaffs. Immerhin gibt es dort die angeblich größte Geigenskulptur der Welt, mehr als zehn Meter ist sie hoch. »Ich finde, das ist ein schöner Ort, und es ist toll, das kanadische Leben kennenzulernen«, war Torresis Fazit.
Dies sind nur zwei Beispiele dafür, dass beim Unterwegs-sein Pannen ein gutes Ende finden können. Die Kunst besteht darin, auch unerwartete Wendungen des Schicksals zu akzeptieren – und mit Improvisationsbereitschaft das Beste daraus zu machen. Nennen wir es mal den »Torresi-Faktor« des Reisens: Die unvergesslichsten Erlebnisse sind oft diejenigen, die man vorher nicht geplant hatte.
Wer würde noch Jahre später von seinem gelungenen Urlaub auf Mallorca berichten – als das Wetter stimmte, das Hotel angenehm und das Essen gut war? Selbst die Erinnerung an den grandiosen Sonnenuntergang an einem Karibik-Traumstrand verblasst irgendwann.
Valerio Torresi und seine Freundin dagegen werden die Anekdote von ihrem unfreiwilligen Abstecher nach Nova Scotia wohl noch im Rentenalter zum Besten geben. Und auch die im isländischen Vulkanasche-Chaos im April 2010 ausgebremsten Flugpassagiere werden noch Jahre später von den Odysseen zu ihren Reisezielen berichten.
Wer weiß schon, wie viele Ehen das Luftverkehrsdesaster gestiftet hat, da hier Fremde miteinander litten und einander nahekamen? So manche Freundschaft fürs Leben kann entstanden sein, als Griechenland im Generalstreik versank und weder Bus noch Fähre fuhren – und der nette Einheimische mit seinem Auto aushalf. Mitreisende, Land und fremde Kulturen lernt man besser kennen, wenn die normale Touristeninfrastruktur versagt.
Daher wollen wir an dieser Stelle eine Lanze für die Urlaubspanne brechen. Denn solange es sich nicht um einen schlimmen Fall für die Reiseversicherung handelt, kann Scheitern auch eine Chance sein: Man muss nicht gleich den Lauf der Weltgeschichte verändern, weil man aus Versehen Amerika entdeckt wie der Reisepannenkönig Kolumbus. Auch im Kleinen können Missgeschicke mehr Gutes mit sich bringen als nur den Stoff für eindrucksvolle Abenteuerberichte bei der nächsten Party.
Damit Sie allerdings unterwegs nicht jeden erdenklichen Horror selber erleben müssen, um für den Urlaubspannen-Smalltalk gerüstet zu sein, gibt es nun dieses Buch. »Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt« ist ein Reiseführer der besonderen Art, ein Handbuch, das anhand von lustigen oder skurrilen Erlebnissen und Berichten durch die Untiefen des Abenteuers Urlaub lotst.
Statt wie der Lonely Planet oder Baedeker vor bissigen Haien in Australien zu warnen, lassen wir die Extremkajakfahrerin Freya Hoffmeister von einem Raubfisch-Angriff berichten. Wir stellen keine Listen der besten Gourmettempel Chinas auf, sondern schildern das erstaunliche Geschmackserlebnis in Pekings Penisrestaurant »Ghoulizhuang«. Und wir warnen nicht vor betrügerischen Taxifahrern, sondern lernen von unserem Leser Peter Titze, wie man sie mit ihren eigenen Waffen schlägt.
Pannen, so absurd, schräg und erstaunlich, dass man sie kaum glauben kann, und Amüsantes rund um die Urlaubswelt finden Sie hier versammelt. Zu Wort kommen Leser von SPIEGEL ONLINE, die uns ihre Anekdoten aus Zügen, Flugzeugen und von Mitfahrgelegenheiten zugeschickt haben. Viel Humor haben Touristikunternehmen wie Reisebüros, Veranstalter und Kreuzfahrtreedereien bewiesen, die ihre kuriosesten Kundenerlebnisse mit uns teilten. Ebenso die prominenten Extremreisenden, die bis in die entlegensten Ecken der Welt vordrangen.
Letztlich blieben auch wir Autoren im Urlaub nicht von Pech und Pleiten verschont. So haben wir in unseren Reisetagebüchern gewühlt und erzählen von Kakerlakenmassakern und Katastrophenkarren, von Busirrfahrten und einem Beinaheschiffbruch.
Viel Spaß beim Lesen wünschen
Stephan Orth und Antje Blinda
Kapitel 1
Touristen-Abzocke
Falsche Polizisten, echte Gauner
Nicht nur für Reisefreunde, auch für Diebe und Betrüger ist die Urlaubszeit die schönste Zeit des Jahres. Denn Touristen wollen die Seele baumeln lassen, die Probleme des heimischen Alltags vergessen – und sind dabei häufig unglaublich sorglos und vertrauensselig. Das böse Erwachen kommt erst, wenn der freundliche Herr, der sich anbot, ein Familienfoto zu schießen, mit der nagelneuen Digitalkamera davonrennt. Oder wenn sich die auf der Straße gewechselten Banknoten als Falschgeld entpuppen. Viele Betrüger sind noch weitaus kreativer, wenn es darum geht, unvorsichtige Touristen um ihre Urlaubskasse zu bringen.
Wer ihr Schauspiel durchschaut, erkennt eher die Zeichen, wann gesunde Skepsis angebracht ist, und kann oft das Schlimmste verhindern. SPIEGEL-ONLINE-Leser berichten von den fiesesten Tricks aus aller Welt.
Indien: Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt
Ich arbeite bei einem Reiseveranstalter, und mehrere unserer Kunden wurden im indischen Delhi Zeuge der folgenden Masche: Dem freundlichen Taxifahrer vom Flughafen fällt auf der Fahrt zu dem von uns gebuchten Hotel plötzlich ein, dass genau diese Unterkunft in der vergangenen Nacht fast völlig abgebrannt sei. Weil die Straßen in der Umgebung noch gesperrt seien, sei es kaum möglich, überhaupt bis zum Hotel zu gelangen. Von anderen Kunden habe er gehört, dass die Rezeption eine kurzfristige Umbuchung in ein anderes Hotel vornehmen könne, daher empfiehlt er dem Fahrgast, dort einmal anzurufen.
Der Fahrer hält nach kurzer Zeit an einem Büro der »Western Union« mit Telefonservice, tritt ein und stellt eine Verbindung zum Hotel her. Am anderen Ende der Leitung entschuldigt sich eine angebliche Rezeptionsangestellte wegen des Feuers, hat aber die gute Nachricht, dass man den Kunden bereits auf ein anderes Hotel umgebucht habe.
Das andere Hotel entpuppt sich dann natürlich als ziemliche Absteige, und von dem Kunden wird ein überhöhter Preis verlangt. Vorausbezahlte Vouchers werden nicht angenommen, dem Touristen wird aber versprochen, dass er eine Rückerstattung vom Reisebüro erhält – was natürlich genau wie die Sache mit dem Hotelbrand eine glatte Lüge ist.
Peter Titze, Sydney, Australien
Brasilien: Der Tankstellenzaubertrick
In Rio de Janeiro hatten wir uns einen Wagen gemietet. Abgesehen von dem zuweilen ungewöhnlichen Fahrverhalten mancher Verkehrsteilnehmer ging auch alles gut – bis zu unserem letzten Urlaubstag. Als wir noch einmal tanken mussten, zeigte uns ein Blick auf die Anzeige der Tanksäule, dass unser kleiner Fiat angeblich 90 Liter fassen konnte. Die Bemerkung, dass er ein Zauberer sein müsse, beeindruckte den Tankwart nicht. Wir mussten bezahlen. Der Zaubertrick ist natürlich ziemlich simpel: Die Strolche setzen einfach den Zähler vom vorigen Kunden nicht zurück.
Jürgen Hesse, Stouffville, Kanada
Bolivien: Trickdiebstahl im Dreier-Team
In Cochabamba wollte ich zusammen mit einem Freund die bekannteste Attraktion der Stadt sehen: eine 34 Meter hohe weiße Christusfigur auf dem Berg Cerro de San Pedro. Ein junger Mann, der sich als argentinischer Tourist ausgab und passend dazu ein Maradona-Fußballtrikot trug, sprach uns an, ob wir auch auf den Berg wollten. »Das ist viel zu heiß zu Fuß«, sagte er und schlug vor, ein Taxi zu teilen. Wir zögerten zunächst, da wir gehört hatten, dass die Fahrer hier von Touristen gerne ein Vielfaches des normalen Tarifs verlangen. Der Mann aber behauptete, die Fahrt sei »extrem billig«, zumal wir die Kosten durch drei teilen könnten.
Wenige Minuten später fuhr ein Taxi vor, und tatsächlich – der Preis, den der Fahrer nannte, war ein Schnäppchen. Also stiegen wir ein: Unser neuer Freund im Argentinien-Shirt hastete nach vorne, wir nahmen auf dem Rücksitz Platz. Doch dann beschwerte er sich, dass der Beifahrersitz nass sei, und kam zu uns auf die nun sehr enge Rückbank. Wir plauderten über die Eigenheiten Boliviens, er erzählte, dass ihn die ständigen Polizeikontrollen nerven.
Nach etwa einem Kilometer hielt ein uniformierter Polizist das Taxi an. Er setzte sich neben den Fahrer, zeigte eine Art Dienstausweis und sagte, er müsse unsere Pässe sehen und die Rucksäcke auf Drogen kontrollieren. Zuerst nahm er sich das Gepäck des Argentiniers vor. Der protestierte lautstark und beschimpfte den Polizisten mehrere Minuten lang so wüst, dass wir uns nur mit Mühe ein Lachen verkneifen konnten.
Dann waren unsere Rucksäcke dran. Sehr genau beobachteten wir den Beamten, der jeden Reißverschluss öffnete und zuletzt auch noch unsere Brieftaschen verlangte – angeblich, um sie auf Falschgeld zu kontrollieren. Immer wieder hielt er einen Schein in die Luft und steckte ihn dann gut sichtbar zurück. Unsere Reisepässe hatte er vor die Windschutzscheibe gelegt, wir waren jetzt ernsthaft nervös. Als der Mann dann schließlich »zur Identifikation« nach den PIN-Nummern unserer Kreditkarten fragte, wurde es uns zu bunt: Wir verlangten, sofort zur Touristenpolizei des Ortes gebracht zu werden.
Der Taxifahrer nickte, wendete den Wagen und fuhr uns zurück in die Stadt. In der Zeit packte der angebliche Polizist unsere Sachen zusammen, wobei wir misstrauisch jeden Handgriff beobachteten. Das Taxi hielt vor einem offiziell aussehenden Gebäude mit einer Bolivien-Fahne. Wir bekamen unsere Sachen zurück, stiegen aus – und das Auto brauste samt Polizist und Maradona-Typ in hohem Tempo davon.
Kurz darauf stellten wir fest, dass 250 Euro in bar, mehrere Reiseschecks und die kleine Digitalkamera meines Mitreisenden fehlten. Vor einem Gebäude der Touristenpolizei standen wir übrigens nicht: Auch der Taxifahrer steckte mit den beiden anderen unter einer Decke und hatte uns kilometerweit von der nächsten Wache entfernt abgesetzt.
Wir hatten mit allen möglichen Tricks gerechnet – aber dass gleich drei Akteure so perfekt zusammenarbeiten, um an das Geld der Touristen zu kommen, das war schon Schauspielkunst vom Feinsten. Da stimmte jedes Detail: Wie der Argentinier den Beifahrersitz räumte, damit der »Polizist« dort mehr Sichtschutz beim Verschwindenlassen unserer Sachen hatte. Dann die Schimpftiraden, damit wir gar nicht erst auf die Idee kamen, dass beide in Wahrheit zusammengehören. Und schließlich die absolut echt aussehende Uniform und der Dienstausweis des Beamten. Wäre es nicht so viel Geld gewesen, hätten wir den dreien ihren Triumph fast gegönnt.
Christoph Gunkel, Hamburg
China und Philippinen: Begehrte Reisepässe
In China ist es üblich, bei der Ankunft der Gäste im Hotel eine Kopie von deren Reisepässen anzufertigen. Mehrere Touristen berichteten von folgenden Vorfällen in einem Fünfsternehaus: Etwa eine halbe Stunde nach seiner Ankunft klingelt das Telefon im Zimmer des Gastes. Eine »Dame von der Rezeption« sagt, dass es ihr sehr leidtue, aber sie brauche noch einmal den Pass, da die Kopie nicht gut lesbar sei. »Ich schicke Ihnen gleich jemanden vom Personal vorbei, um den Pass abzuholen.« Kurze Zeit später klopft tatsächlich ein freundlicher Herr in Hoteluniform an die Tür und lässt sich den Pass aushändigen. Dann verschwindet er auf Nimmerwiedersehen. Das Hotel lehnt jegliche Verantwortung ab. Auf diese Weise haben in kurzer Zeit gleich mehrere Gäste ihre Pässe verloren.
Im Vergleich zu einem Vorfall in Angeles City auf den Philippinen ist das allerdings harmlos. Dort befindet sich in dem kleinen Hotel »Sunset Garden« die Rezeption unmittelbar hinter der Eingangstür. Die Pässe und Wertsachen der Gäste werden in einem ziemlich großen Safe aufbewahrt, der dort für alle sichtbar angebracht ist. Das Nachtpersonal, ein junges Mädchen, kann den Safe nicht öffnen, da der Chef den Schlüssel mit nach Hause nimmt.
Mitten in der Nacht fuhr ein Jeepney-Kleinbus rückwärts an die Tür heran. Drei bewaffnete Männer sprangen heraus, holten den Safe ungeöffnet mit einer Sackkarre ab und luden ihn auf den Jeepney. Der Fahrer hielt inzwischen den Wachmann, der vor der Tür stand, mit einer Flinte in Schach. Das Ganze war in weniger als einer Minute erledigt, circa 30 Pässe sowie Bargeld und Wertgegenstände waren weg. Das Hotel war natürlich nicht versichert.
Peter Titze, Sydney, Australien
Spanien: Fingerfertige Nelkenfrau
Auf gar keinen Fall darf in Ihrer Sammlung von Abzocke-Tricks die Nelkenfrau fehlen. Sehr beliebt in Südspanien, Portugal oder auf Mallorca. Oftmals wie eine Zigeunerin gekleidet, verschenkt eine Frau auf der Straße Blumen, meistens Nelken. Dann will sie aber doch eine kleine Spende.
Wenn Sie dann den Geldbeutel zücken, deutet sie mit wilden Gesten an, dass sie nur ein paar Münzen möchte, und berührt dabei mehrfach mit den Händen Ihr Portemonnaie. Bevor Sie irgendwas merken, hat sie mit großer Fingerfertigkeit sämtliche Scheine herausgefischt.
Dominik Pietsch, München
China: Teure Teezeremonie
In China-Reiseführern wird gewarnt, dass in der Verbotenen Stadt in Peking jede Menge Verkäufer irgendwelchen Ramsch zu überhöhten Preisen anbieten. Berüchtigt sind auch angebliche Kunststudenten, die minderwertige Bilder verkaufen wollen. Doch nicht weit vom Tor des himmlischen Friedens mit seinem riesigen Mao-Abbild und den streng dreinblickenden Wachleuten habe ich eine Variante der Abzocke erlebt, die in den Reisebüchern nicht erwähnt wird.
Zwei zierliche Mädchen sprachen mich in fließendem Englisch an: »Hello, wo kommst du her?« Sie wollten wissen, was ich in Peking mache, wie es mir gefällt, wie alt ich bin. Eine der beiden erzählte, dass sie als Englischlehrerin arbeite und aus Schanghai komme, ihre Begleiterin studiere Buchhaltung. Sie seien Anfang zwanzig und für fünf Tage in Peking. Zufällig müssten sie in die gleiche Richtung wie ich.
»Hast du eine Freundin? Nicht? Dann bist du bestimmt sehr wählerisch!« Jede Minute des heiteren Geplauders überzeugte mich mehr davon, dass ich offensichtlich eine bislang unentdeckte, geradezu magische Anziehungskraft auf die asiatische Damenwelt ausübte.
»Wenn du Zeit hast, können wir ja noch eine Kleinigkeit essen und einen Tee trinken.« Im Rausch der neuentdeckten Unwiderstehlichkeit kam es nicht in Frage, abzulehnen. Zielstrebig steuerten die beiden auf ein gepflegtes Teehaus zu, in der Nanchisi Dajie, Hausnummer 72. Rote Fenstergitter, Blumenornamente und die unvermeidlichen roten Laternen schmückten die Außenwand. Direkt am Eingang saßen die einzigen anderen Gäste, zwei kräftige Chinesen mittleren Alters, die sich voll auf ihr Brettspiel konzentrierten. Hinter einer Bartheke standen, in traditionelle jadegrüne Seidenkleider gehüllt, mehrere Kellnerinnen.
Auf vier großen Tellern tischte die Bedienung mehr Kekse auf, als eine Großfamilie in einer Woche essen kann, dazu kam eine Platte frisches Obst. Zum Glück ist in China das Essen so billig, dachte ich. Dann begann die Teezeremonie.
Auf einem kleinen Holzbrettchen standen dafür an jedem Platz zwei weiße Porzellan-Teetassen bereit, eine schmal und hoch, die andere breiter und mit Lilienmuster verziert. Sechsmal wurde nachgeschenkt, jedes Mal probierten wir eine neue Teesorte, und alle schmeckten wunderbar. »Sie ist sehr schön, die Kellnerin, oder?«, sagte die Englischlehrerin.
Schließlich konnte ich keinen Tee mehr sehen und bat um die Rechnung. Hier gab es eine Überraschung: 1800 Yuan, mehr als 200 Euro, sollte der Spaß kosten. Und das in einer Stadt, wo man für drei Euro eine hervorragende Mahlzeit kriegt! Auch meine beiden Begleiterinnen wirkten baff, gaben aber gleichzeitig zu verstehen, dass sie nur ein paar Yuan in der Tasche hätten.
Als ich mich verwundert über den Preis zeigte, standen die beiden Männer von ihrem Brettspiel auf und stellten sich neben mich und die Bedienung. Jetzt wurde die Situation wirklich unangenehm. Ich sagte, ich hätte nicht so viel Bargeld dabei. »Haben Sie keine Kreditkarte?« »Nein«, log ich. »Wie viel haben Sie denn?« Ich drückte der Kellnerin 600 Yuan (67 Euro) in die Hand und verließ eilig das Lokal. Hinter mir hörte ich Flüche, aber zum Glück folgte mir niemand. Ich hatte mit Sicherheit immer noch einen völlig überzogenen Preis gezahlt – und die beiden durchtriebenen Mädchen haben bestimmt auch ihren Anteil erhalten.
Sebastian Reuter, Berlin
Indien und Malaysia: Gepäcktransport extra
Auf einem geschäftigen Busbahnhof im indischen Madras wollten wir mit unseren Rucksäcken in einen Fernbus einsteigen. Ein Mann, der neben dem Fahrer stand, machte uns darauf aufmerksam, dass großes Gepäck auf das Dach müsse. Er nahm unsere Rucksäcke, kletterte damit nach oben und zurrte sie dort fest. Dann verlangte er eine Summe, die ungefähr das Fünffache des Fahrpreises betrug. Wir fragten den Busfahrer, aber der antwortete nur mit einem »Ich kann kein Englisch«Blick. Der Mann am Kartenschalter meinte aber dann, dass wir die Rucksäcke auch gern mit in den Bus nehmen könnten. Erst als wir Anstalten machten, selbst auf das Dach zu klettern, schnürte der »nette Helfer« die Rucksäcke wieder los und gab sie uns fluchend zurück.
Einen anderen Abzockertrick erlebte ich in Malaysia. Wir kamen spätnachts am Flughafen von Kuala Lumpur an und nahmen ein Taxi. Mir fiel auf, dass der Fahrer ständig seine Hand am Taxameter hatte. In dem Moment, als er nach vorne zeigte und sagte, wir seien gleich da, machte das Taxameter einen gewaltigen Sprung. Nach ein paar Minuten des Verhandelns willigte er wütend in den Preis ein, der zuvor angezeigt worden war.
Wolfgang Hecht, München
Türkei: Münze, wechsel’ dich
Vor unserem Hotel in der Divan-Yolu-Straße in Istanbul wurden wir von Postkartenverkäufern in perfektem Deutsch angesprochen. Sie kamen stets zu zweit und wirkten sehr seriös: dunkler Anzug, weißes Hemd. Nachdem wir ihnen klargemacht hatten, dass wir mit Postkarten bereits gut versorgt seien, schlugen sie einen anderen Deal vor: Ob wir nicht ihr Kleingeld an Zwei-Euro-Münzen in einen 20-Euro-Schein tauschen könnten? Die Bank wolle die Münzen nicht eintauschen.
Spontan sah ich keinen Grund, die Bitte zu verwehren, und bekam zehn Zwei-Euro-Münzen in die Hand gedrückt. Als Dank für meine Hilfe wollte der Mann mir ein bisschen »Kleingeld«, bestehend aus Fünf- und Zehn-Cent-Münzen schenken. Ich hatte immer noch die zehn Zwei-Euro-Münzen in der Hand, als er mir das Kleingeld in die Hand drückte und gleichzeitig mit seinen Postkarten vor meiner Nase herumwedelte.
Ich lehnte erneut ab. Aber als ich jetzt die Hand öffnete, hatte ich nur noch das Kleingeld und eine einzige Zwei-Euro-Münze in der Hand. Wie er es geschafft hatte, den Rest an sich zu nehmen, war mir ein Rätsel – ich war ehrlich beeindruckt.
Nachdem ich das Betrugsmanöver erkannt hatte, drückte ich dem »großzügigen Schenker« auch noch seine Centmünzen wieder in die Hand. Ich lachte über die gekonnte Geschicklichkeitsnummer und ging weiter.
Zwei Tage später lungerten dort die gleichen Postkartenverkäufer herum, hatten aber wohl vergessen, dass sie uns schon einmal angesprochen hatten. Ich lehnte erneut dankend ab, erklärte danach aber noch meine Hochachtung für den Taschenspielertrick. Mit so einer freundlichen Reaktion hatte der Betrüger wohl nicht gerechnet. Um sicherzugehen, dass er mich richtig verstanden hatte, bat er mich, meinen Kommentar noch einmal auf Englisch zu wiederholen. Dann strahlte er über meine Anerkennung und erklärte, den Trick habe ihm ein Spanier beigebracht.
Wolfgang von Marientreu, Hamburg
Deutschland: Geschenkte Lederjacke
An einer Tankstelle in Deutschland wurde ich von einem Italiener angesprochen. Er fragte, ob ich ihm den Weg nach Basel erklären könne. Dies war kein Problem, der Weg war einfach zu beschreiben. Er bedankte sich und wollte mir eine Jacke dafür schenken. Dazu erklärte mir der wie ein seriöser Geschäftsmann wirkende Herr, er sei der Eigentümer einer Boutique und diese Jacke hätte die richtige Größe für mich.
Allerdings stecke er in einer Klemme, seine Kreditkarte sei defekt und er könne nicht mehr tanken.
Er fragte, ob ich ihm zwei-, dreihundert Euro leihen könne, da er dringend nach Basel müsse. Ich sagte, dass ich so viel Geld nicht dabeihätte, woraufhin er meinte, er wisse, wo in der Nähe ein Geldautomat stehe. Als ich behauptete, keine EC-Karte zu haben, schlug er mir vor, an der Tankstelle mit meiner Kreditkarte Zigaretten zu kaufen – die könne er dann bei einem bekannten Restaurantbesitzer gegen Bargeld eintauschen.