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Nr. 413

 

Die Sonnenforscher

 

Sie suchen den Todessatelliten – ihr Weg führt ins Innere der Sonne

 

von H. G. EWERS

 

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Im Solsystem, das seit dem »Tag Laurin« um fünf Minuten in die Zukunft versetzt und dadurch für das übrige Universum unsichtbar und nicht-existent wurde, schreibt man Anfang November des Jahres 3432.

Innerhalb des Solsystems herrscht wieder Ruhe, und der Handel mit dem Planeten Olymp, der über die Zeitschleuse getätigt wird, verläuft planmäßig. Allerdings müssen die Terraner höllisch aufpassen, dass das Geheimnis vom Weiterleben ihres Sonnensystems gewahrt bleibt – nicht nur gegenüber den Großmächten der antisolaren Koalition und den anderen Machtgruppen der Galaxis, sondern speziell gegenüber Ribald Corello, dem Supermutanten, der die Menschheit abgrundtief hasst.

Spezialagent Joak Cascal, der im Auftrag der Solaren Abwehr handelt, hat bereits versucht, Ribald Corellos Existenz nichtig zu machen. Doch der Zeitreisende kam zu spät, um seine Mission in vollem Umfang zu erfüllen. Und so stellt Ribald Corello, der anscheinend das Ziel verfolgt, sich zum Diktator der Galaxis aufzuschwingen, auch weiterhin eine tödliche Bedrohung für alle Sternenvölker dar.

Eine weitere tödliche Bedrohung, die allein dem Solsystem und seinen Bewohnern gilt, wird anschließend akut. Accutron Mspoern, ein unsagbar fremdartiges Wesen, erkennt als erster die Gefahr. Und der Accalaurie, den die Terraner aus Raumnot gerettet hatten, findet sich seinerseits zur Hilfeleistung bereit.

Accutron Mspoern und sein skurriler Robot begleiten DIE SONNENFORSCHER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Gründer und Großadministrator des Solaren Imperiums der Menschheit.

Atlan – Der Lordadmiral plädiert für die Evakuierung der Terraner.

Lord Zwiebus – Der Neandertaler erinnert sich an seine Kidnapper.

Accutron Mspoern – Der Accalaurie entdeckt den Todessatelliten.

Geoffry Abel Waringer – Chefwissenschaftler des Solaren Imperiums.

Anson Argyris – Ein Robot mit vielen Masken.

Oberstleutnant Gertsa Hamesener – Kommandant des Forschungsschiffes SUN DRAGON.

1.

 

»Er ist weder Tier noch Homo sapiens – und doch ist er ein Mensch; wenn nicht wie wir, so fühlt er doch wie wir.«

Perry Rhodan blickte verwundert in Galbraith Deightons Gesicht. Worte wie diese hatte er von ihm noch nie zu hören bekommen. Der Erste Gefühlsmechaniker des Solaren Imperiums und Chef der Solaren Abwehr galt allgemein als nüchtern denkender Logiker, und so, wie er dachte, so sprach er auch – bisher.

»Ich kenne Sie nicht mehr, Solarmarschall«, sagte der Großadministrator und lauschte dabei dem telepathischen Geflüster Whispers, der sich als hauchzarter Umhang um seine Schultern gelegt hatte. »Seit wann sprechen Sie die Sprache des Poeten?« Galbraith Deightons Gesicht zuckte. Er hob die Hände und ließ sie wieder sinken, eine hilflos wirkende Geste, die nicht recht zu diesem Mann passen wollte.

»Vielleicht war ich in einem früheren Leben ein Dichter«, murmelte er halb scherzhaft, halb ernst.

Ohne Übergang verwandelte er sich wieder in den klardenkenden und sachlich argumentierenden Abwehrchef. Seine Augen musterten den Großadministrator kühl abwägend.

»Was ich sagen wollte, ist: Lord Zwiebus fordert von uns, dass wir ihn einem neuen paramechanischen Verhör unterziehen. Verstehen Sie mich recht, Sir: Er meldet sich nicht freiwillig dafür, sondern er verlangt es von uns, weil er sich als Mensch fühlt und seine Pflicht darin sieht, der Menschheit zu helfen, so gut er kann.«

Galbraith Deighton steht noch immer im Bann eines Gefühlsausbruchs von Lord Zwiebus!, wisperte der Symbiont von Khusal lautlos, wobei er wie stets seine Gedankenimpulse über Rhodans verlängertes Rückenmark in die Zirbeldrüse schickte, von wo sie unmittelbar ins Wachbewusstsein drangen.

Wie kann ein Urmensch den überwiegend intellektuell angelegten Geist bewältigen, da dessen Emotionen von der reinen Vernunft dirigiert werden?, so dachte Perry Rhodan zurück.

Gerade weil es ein Urmensch, ein Neandertaler war, dessen menschliche Größe über seine Urinstinkte siegte!, gab Whisper zurück.

Rhodan nickte unwillkürlich; er hatte begriffen.

Solarmarschall Deighton bemerkte es, zog den richtigen Schluss daraus und lächelte.

»Ich befürworte Zwiebus' Verlangen, Sir«, erklärte er. »Und ich darf es mit gutem Gewissen tun. Die letzten Untersuchungen haben gezeigt, dass Zwiebus geistig wieder völlig gesund ist.«

Der Großadministrator dachte an die letzte paramechanische Abhörung von Lord Zwiebus' Unterbewusstsein zurück. Damals war er, wohl durch einen Erinnerungsschock, sehr unruhig und aggressiv geworden, hatte vorübergehend an Gedächtnisschwäche gelitten und sich nur schwer konzentrieren können. Der aus seinem Unterbewusstsein gewonnene unklare »Geisterfilm« hatte allerdings bewiesen, dass der Neandertaler mehr wusste, als sein Unterbewusstsein bisher preisgegeben hatte.

»Ich bin skeptisch, Deighton«, erwiderte Rhodan nach einer Weile. »Sicher, es wäre ein großer Gewinn für die Menschheit, wenn wir erfahren könnten, was sich damals – vor rund zweihunderttausend Jahren – wirklich auf der Erde abgespielt hat. Ich fürchte nur, Lord Zwiebus hat das, was er sah, geistig nicht verarbeiten können. Dadurch müssen seine Wahrnehmungen unklar oder verfälscht gewesen sein.«

»Vielleicht gewinnen wir doch einige Anhaltspunkte«, sagte Galbraith Deighton. »In einer Lage wie unserer, wo die gesamte solare Menschheit Gefahr läuft, durch eine Langzeitwaffe jener unbekannten Besucher vernichtet zu werden, sollten wir jede noch so geringe Chance wahrnehmen.« Er räusperte sich. »Außerdem kann ich Ihnen versichern, dass es eine Panne wie beim letzten Mal nicht mehr geben wird. Professor Stanley Bogner hat das Verfahren so verfeinert, dass das Bewusstsein vom Unterbewusstsein getrennt wird, wodurch keine neuerweckten Erinnerungsbilder des Unterbewusstseins ins Bewusstsein aufsteigen können.«

Rhodan wölbte die Brauen.

»Das hätten Sie mir zuerst sagen sollen, Solarmarschall. Wenn Lord Zwiebus keine Gefahr droht, weshalb sollte ich dann nein sagen. Wann kann das Experiment stattfinden?«

Galbraith Deighton warf einen Blick auf seinen Armbandchronographen.

»In einer Viertelstunde, Sir. Ich habe dafür gesorgt, dass alle Vorbereitungen getroffen werden.« Er hüstelte schwach. »Übrigens: Lord Zwiebus wartet im Vorzimmer ...«

»Wie, bitte?«

Rhodan sah Deighton verblüfft an. Dann lächelte er verstehend.

»Sie wollten also ganz sichergehen, wie? Notfalls hätten Sie den Neandertaler argumentieren lassen.«

»Man tut, was man kann, Sir«, erwiderte Deighton trocken und ging dem Großadministrator voran.

Als sie ins Vorzimmer traten, erhob sich eine massige Gestalt mit breiten Schultern, mächtigem Brustkorb, kurzen stämmigen Beinen und muskulösen Armen aus einem Schalensessel.

Lord Zwiebus trug nur eine leichte atmungsaktive Kombination; dennoch fühlte er sich darin sichtlich unbehaglich. Am liebsten ging er unbekleidet, wie er und die anderen seiner Horde es vor zweihunderttausend Jahren getan hatten. Die Notwendigkeit, zumindest seine Blöße zu bedecken, war sein größter Kummer, seit er aus der energetischen Konservierung erweckt worden war. Aber selbstverständlich konnte er das im fünfunddreißigsten Jahrhundert bestenfalls in seinen eigenen vier Wänden lassen; ansonsten trug er einen ledernen Lendenschurz oder – bei besonderen Anlässen – eine leichte Kombination. Diesmal hatte er es sogar über sich gebracht, seine maßgearbeiteten Fußbettsandalen anzuziehen.

Lord Zwiebus – den Namen hatte er alsbald nach den ersten Lauten, die er nach der Revitalisierung von sich gegeben hatte, erhalten – kam mit wiegendem Gang auf den Großadministrator zu. Er lächelte voll ehrlicher Freude, gehörte doch seine ganze Sympathie Perry Rhodan, seit er ihm zum ersten Mal begegnet war.

Rhodan erwiderte das Lächeln und streckte Zwiebus die Rechte entgegen. Der Neandertaler nahm sie in seine behaarte Pranke und drückte sie behutsam, als hätte er ein rohes Ei in der Hand. Diese Vorsicht war durchaus angebracht, denn seine Kraft reichte aus, die Hand eines jeden zivilisierten Menschen zu zerdrücken.

»Ich freue mich, dich zu sehen, Großer Administrator!« Eigenartigerweise lernte er die schwierigsten Wörter am schnellsten, wie er sich eigentlich überhaupt erstaunlich schnell an den Gebrauch des Interkosmo gewöhnt hatte.

»Auch ich freue mich, Lord Zwiebus«, sagte Rhodan. »Komm in mein Arbeitszimmer. Wie geht es dir?«

»Schlecht«, erwiderte Zwiebus grollend und begann unwillkürlich zu hinken. »Schuhe quälen meine Füße. Ich greife nicht, wie du es einhalten in den Quetschungsröhren.«

»Er meint Ihre Stiefel, Sir«, sagte Deighton belustigt.

Perry Rhodan nickte. Es berührte ihn jedes Mal unangenehm, wenn Lord Zwiebus das Interkosmo verballhornte oder eigenwillige Sprachschöpfungen anwandte; er fragte sich dabei immer wieder, ob es sich überhaupt verantworten ließ, einen Naturmenschen in die Zwangsjacke einer hochgezüchteten Zivilisation zu stecken. Aber natürlich blieb ihnen gar nichts anderes übrig. Es gab keinen Naturpark, in dem der Neandertaler vor sensationshungrigen Zeitgenossen sicher gewesen wäre. Folglich musste man ihn so anpassen, dass er so wenig wie möglich auffiel.

Er bot Zwiebus und Deighton Plätze an, ließ von einem Dienstroboter, der zugleich Wächter war, Erfrischungen bringen und musterte den Neandertaler forschend.

Zum wiederholten Mal fragte er sich dabei, wie die Menschen heute lebten, wären nicht die langschädeligen Neuzeitmenschen, sondern die Neandertaler ihre direkten Ahnen gewesen. Immerhin hatten sich beide Spezies aus verschiedenen Ästen jenes Stammes entwickelt, aus dem auch die Neuzeitaffen gekommen waren.

Er verwarf diese Frage als müßig. Vielleicht hätten auch die Ahnen des Neandertalers früher oder später den Weg zu den Sternen gefunden; doch sie waren eben den Vettern mit den besser differenzierten Gehirnen unterlegen.

Ein Schatten flog über Rhodans Gesicht.

Sollte sich die Tragödie aus dem Morgengrauen der Menschheit wiederholen? Stellten die Erbauer jener geheimnisvollen Langzeitwaffe etwa die Vettern mit den besser differenzierten Gehirnen dar?

Er verneinte diese Frage.

Auch absolut überlegene Intelligenzen brauchten eine unterlegene Spezies nicht direkt zu vernichten; sie konnten das der Entwicklung überlassen, wie es damals auch gewesen war, denn nicht die Neuzeitmenschen hatten die Neandertaler ausgerottet, sondern das unerbittliche Gesetz der natürlichen Auslese.

Oder waren daran die Fremden beteiligt gewesen?

Wohl kaum!, stiegen Whispers Gedanken an die Oberfläche seines Bewusstseins. Die Fremden verfügten über genügend Wissen, um erkennen zu können, dass der Neandertaler als Fehlentwicklung der Natur bereits vor zweihunderttausend Jahren zum Aussterben verurteilt war.

Der Großadministrator erwachte aus seinen Grübeleien, als er merkte, dass Lord Zwiebus ihn ansprach.

»Lasst mich noch einen Versucher machen!«, bat der Neandertaler. »Zwiebus keine Furcht nicht, Zwiebus tapferer Mensch wie Großer Administrator und Solarmarschall Deighton.«

Rhodan blickte auf und begegnete dem Blick, den Zwiebus ihm unter den vorgewölbten Brauenwülsten zuwarf. Sicherlich, der Blick dieser Augen hatte noch Spuren des Tierhaften, aber er verriet doch schon ein Maß Intelligenz, das ihn über jedes Tier erhob.

»Ich weiß«, murmelte er. »Du bist tapfer, Lord Zwiebus. Gut, wir wollen es versuchen.«

 

*

 

Bereitwillig nahm das Bewusstsein die paramechanisch erzeugten Halluzinationen in sich auf, ließ sich von ihnen zu dem rosafarbenen Wolkenfeld führen, wo es sich so gut träumte ...

Das Unterbewusstsein spürte, wie die Oberfläche des immateriellen Geistes sich verdunkeln wollte. Doch bevor der Schreck darüber Panik hervorrufen konnte, entstand ein Netz vertrauter Gedanken.

Fühlerhafte Vorstellungen streckten sich nach dem Unterbewusstsein aus, nicht brutal drängend oder fordernd, sondern spiegelbildliche Vorstellungsinhalte suchend.

Steppengras, vom Wind bewegte Halme. Dahinjagende Wolkenfetzen am blauen Himmel; dazwischen ab und zu das glühende Auge der Sonnengöttin auftauchend.

Es roch nach Rauch, Gras und Feuchtigkeit, nach Tierkot – und nach der Horde.

Die beiden Jäger rannten schneller. Ihre harten Fußsohlen stampften den Boden des Pfades noch fester. An einer Stange zwischen ihren Schultern hing der Körper eines erlegten Tarpans. Blaugrün schillernde Fliegen krochen über das Fell und sammelten sich an den Streifen geronnenen Blutes.

Endlich: der freie Platz, der große Baum, davor das Feuer der Horde ...!

Grunzen und schrilles Geschrei begrüßte die beiden Jäger. Männer, Frauen und Kinder stürzten sich auf die Jäger, rissen sie fast zu Boden.

Die beiden Männer mussten sich mit Schlägen, Bissen und wütendem Knurren Luft verschaffen. Dann erschien Einauge. Seit er nicht mehr mit auf die Jagd gehen konnte, machte er sich bei anderen Arbeiten nützlich. Darum hatte ihn die Horde bisher nicht verstoßen wie die Alten und unheilbaren Kranken, die nur Ballast dargestellt hätten.

Einauge riss und zerrte mit seinem Steinmesser und den krallenartigen Fingernägeln das Fell des Tarpans auseinander. Er hätte das Tier abgehäutet, aber die Horde – halbverhungert, seit sie aus ihrem ehemaligen Jagdgebiet verdrängt worden war – hätte ihn gesteinigt, wenn er das Mahl hinausgezögert hätte. So begann er sofort mit dem Zerstückeln und Aufteilen der Beute. Selbstverständlich erhielten die beiden Jäger die größten und besten Fleischstücke. Auch die Stärksten der Horde bekamen große Portionen; Einauge hätte niemals gewagt, ihren Unmut zu erregen. Zuletzt bediente er sich selbst.

Am späten Nachmittag erwachte einer der Jäger aus dem Schlaf. Er stemmte den Oberkörper hoch und schnüffelte. Neben ihm regte sich die Gefährtin. Sie drängte sich an ihn, aber er stieß sie von sich; als sie nicht locker ließ, sprang er mit gefletschten Zähnen auf sie zu und knurrte so zornig, dass sie die Flucht ergriff.

Er schnüffelte erneut.

Aber der Wind hatte sich plötzlich gelegt, so dass er keine brauchbare Witterung mehr erhielt. Er überwand seine Trägheit und kletterte auf den Baum. Dabei lief er meist frei über die Äste, bis er mit den Händen den nächsthöheren Ast erreichen und sich emporziehen konnte. Es sah ungeschickt aus; seine Art verlernte das Klettern mehr und mehr, seit sie sich vor ungezählten Generationen auf das Leben in der Steppe und den Klippen umgestellt hatte.

Der Jäger verhielt etwa in halber Höhe. Schnaufend lehnte er sich an den Stamm und starrte blinzelnd in die Richtung, aus der er zuvor den eigentümlichen Geruch empfangen hatte. Unwillkürlich sträubten sich seine Nackenhaare, ein dumpfes Grollen stieg aus seiner Kehle, als er in mehreren Steinwürfen Entfernung geduckte Gestalten durch das Steppengras eilen sah.

Die Fremden besaßen keine Ganzbehaarung; große Körperstellen schimmerten in hässlicher Nacktheit. Dafür trugen viele von ihnen die Felle erlegter Tiere am Körper. Als einer der Fremden den Kopf hob, sah der Jäger im Baum die viel zu schwach ausgebildete Mundpartie, eine zarte schmalrückige Nase und unter glatt gestriegeltem Kopfhaar eine vorgewölbte Stirn. Unter dem – für des Jägers Begriffe – viel zu kleinen Mund sprang eine Knochenwölbung hervor und machte den Fremden noch hässlicher.

Der Jäger grunzte verächtlich.

Schwächling!, war sein erster Gedanke. Aber dann erinnerte er sich an die letzte Auseinandersetzung mit den Langschädeln. Seine Horde hatte zuletzt weichen müssen, weil die Fremden aus einer Entfernung töteten, die die Waffen der Horde nicht überbrücken konnten.

Aber diesmal hatte er sie entdeckt, ohne dass sie dessen gewahr geworden waren.

Hastig kletterte der Jäger vom Baum, rannte, Kehllaute ausstoßend, zwischen den Gefährten umher und machte sie aufmerksam auf die Gefahr. Während er sich mit einer Keule bewaffnete, versuchte er, die Horde zu einer neuen Taktik zu bewegen. Man konnte die Fremden doch in eine Falle locken, sie in Sicherheit wiegen und dann überraschend angreifen.

Aber niemand zeigte Verständnis für den Plan des Jägers. Jener Gehirnteil, in dem die planenden Vorgänge abliefen, waren zu schwach differenziert; der flache fliehende Stirnraum wurde weitgehend vom gut entwickelten Riechgehirn beansprucht.

Die Männer der Horde bewaffneten sich lärmend. Heftig gestikulierend knurrten und grunzten sie sich Mut zu, steigerten sich in ekstatische Kampfeslust, deren Entladung schließlich keinen Aufschub mehr duldete.

Lärmend stürmte die Horde durch das schulterhohe Steppengras, auf den Ort zu, den der Jäger ihnen gewiesen hatte. Der aber rannte verzweifelt neben ihnen her, fuchtelte mit den langen behaarten Armen und versuchte, sie zurückzutreiben.

Zu spät.

Drei Männer der Horde strauchelten plötzlich. Vor Schmerz und Zorn brüllend, versuchten sie, die gefiederten Pfeile aus ihren Körpern zu ziehen. Es gelang ihnen nicht; die Schäfte brachen ab. Einer stürzte und blieb liegen, die anderen rannten weiter, während ein zweiter Pfeilhagel sich herniedersenkte und seine Ziele fand.

Der Jäger sah aus den Augenwinkeln einen Speer von rechts kommen. Er warf sich herum, setzte dem Speer mit einem gewaltigen Sprung nach und bekam den Schaft zu fassen. Bevor der Angreifer einen Pfeil auf seinen Bogen legen konnte, hatte der Jäger den Speer geschleudert. Die verkeilte Steinspitze bohrte sich durch den Hals des Gegners. Überall ringsum kämpfte jetzt Mann gegen Mann. Doch die Fremden waren in der Überzahl, besser bewaffnet und in der günstigeren Position, während die Horde bereits vor dem eigentlichen Kampf dezimiert worden war.

Erneut bewies der Jäger, dass er besser denken konnte als seine Gefährten. Er vermochte sich – im Unterschied zu ihnen – Ereignisse vorzustellen, die sich erst nach vielen Tagen und Nächten ereignen würden.

Mit bellenden Kehllauten rief er die Stärksten der Horde aus dem Kampf zurück. Diesmal gelang es ihm, da die Männer ihren Blutrausch bereits abreagiert hatten. Sie folgten ihm, seinen Versprechungen glaubend. Die Schwächeren bemerkten es zu spät; sie konnten nicht mehr fliehen und wehrten sich verzweifelt. Ungewollt banden sie dadurch die Fremden noch einige Zeit, so dass die Flüchtenden einen Vorsprung gewannen.