Dieter Lennertz
Produktmanagement
Für Dorrit,
Max und Nina
Produktmanagement
Planung – Entwicklung – Vermarktung
Wie Sie mit innovativen Produkten den Unternehmenserfolg steigern
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek – Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; detailliertere bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Dieter Lennertz
Produktmanagement
Planung – Entwicklung – Vermarktung
Wie Sie mit innovativen Produkten
den Unternehmenserfolg steigern
F.A.Z.-Institut für Management-,
Markt- und Medieninformationen GmbH,
Frankfurt am Main 2006
ISBN-13: 978-3-89981-400-2
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F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- |
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Satz Innen: |
Ernst Bernsmann, Nicole Jäger |
Titelbild: |
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Inhalt
Vorwort
I Einführung
II Produktmanager
III Produktmanagement-Werkzeuge
IV Produktplanung
V Produktentwicklung
VI Produktkomplexität
VII Produktqualität
VIII Produktdienstleistungen
IX Schlussbemerkungen
Glossar
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Literatur
Register
Der Autor
Vorwort
In unseren Zeiten besonders stark zunehmender Konkurrenz wächst die Erkenntnis, dass der Erfolg von Unternehmen nicht allein durch Senkung von Kosten, Straffung von Organisationsstrukturen und Beschleunigung von Prozessen erzielt und gesichert werden kann, sondern vor allem durch innovative, bedürfnisgerechte Produkte. Entsprechend nimmt der Aufwand für Planung und Entwicklung neuer Produkte sowie Veränderung, Ergänzung und Pflege bestehender Produkte ständig zu und damit auch die Bedeutung und Verbreitung des Produktmanagements.
„Produktmanagement“ erscheint also just in time, um der wachsenden Zahl von Interessierten die entsprechenden Grundlagen und Praxistipps zu vermitteln.
Nach einem kurzen Rückblick auf die Entstehung und Entwicklung des Produktmanagements werden dessen wichtigsten Erfolgsfaktoren, Organisationsformen und Aufgaben beschrieben. Anschließend stelle ich die Arbeitsmethoden vor, die der Lösung dieser Aufgaben dienen. Den Schwerpunkt des Buches bildet die Produktentstehungsphase, speziell Produktplanung und -entwicklung. Denn hier fallen die Entscheidungen über den späteren Erfolg des Produktes, und etwa 85 Prozent der Produktlebens- und Entsorgungskosten finden hier ihren Ursprung. Es folgen Betrachtungen zu den besonders aktuellen Themen Produktkomplexität, -qualität und -dienstleistungen.
Das Buch enthält – zur Förderung des Verständnisses – eine Vielzahl von Hinweisen und Beispielen aus der Praxis und liefert damit auch die Handlungsanweisungen zu den beschriebenen Arbeitsmethoden. Dieses Buch ist daher nicht nur ein Lehrbuch für die Studenten/innen des Fachs Produktmanagement, sondern vor allem ein Ratgeber für diejenigen, die Produktmanagement in ihrem Unternehmen einführen oder weiter entwickeln wollen.
Die Entstehung des vorliegenden Produktes (Buches) wurde unterstützt durch wertvolle Anregungen meines Sohnes Dr. Max Lennertz, geschäftsführender Gesellschafter der Lennertz Group GmbH, sowie durch die professionelle und effiziente Betreuung des Verlags Frankfurter Allgemeine Buch, speziell seiner Projektleiterin und Lektorin Danja Hetjens. Ihnen gilt mein ganz besonderer Dank.
Dieter Lennertz
Königstein im Taunus, Juli 2006
Was ist eigentlich Produktmanagement? Wie ist es entstanden und wie hat es sich zu dem entwickelt, was es heute ist? Von welchen Faktoren hängt sein Erfolg ab? Diese Fragen sollen in diesem ersten Abschnitt des einführenden Kapitels beantwortet werden.
Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs Produktmanagement. So legen die meisten Hersteller von Gebrauchsprodukten, z. B. von Maschinen und technischen Ausrüstungen, den Schwerpunkt des Produktmanagements auf die Planung und Entwicklung von neuen Produkten bzw. Produktvarianten.
Dagegen stehen beim Management von Verbrauchsprodukten – wie Nahrungs- und Heilmittel – Vermarktung und Vertrieb im Vordergrund. Die Frage, inwieweit Marktforschung zum Produktmanagement gehört oder hiervon organisatorisch losgelöst betrieben werden soll, wird von den einzelnen Unternehmen oft sehr unterschiedlich beantwortet.
Im vorliegenden Buch wird Produktmanagement im breiteren und möglichst allgemein gültigen Sinne behandelt, wie dies z. B. in der Beschreibung der Aufgaben des Produktmanagers (siehe Kapitel II, 3) zum Ausdruck kommt. Daraus resultiert folgende Begriffsdefinition:
Ansätze des Produktmanagements findet man schon im Mittelalter. Denn sowohl bei der Hanse als auch bei Handelshäusern wie dem der Augsburger Familie Fugger gab es für bestimmte Produkte und Produktgruppen Spezialisten, deren Aufgaben mit denen der heutigen Produktmanager weitgehend vergleichbar waren.
Der Geburtstag des modernen Produktmanagements ist nach Ansicht von Wirtschaftshistorikern der 13. Mai 1931. Kurz zuvor war Neil McElroy, damaliger Leiter der Werbeabteilung des US-Konzerns Procter & Gamble (P&G), gebeten worden, sich um die Markteinführung des neuen Seifenprodukts „Camay“ zu kümmern. Dadurch sollte jedoch der Erfolg der im Markt schon etablierten P&G-Seife „Ivory“ so wenig wie möglich gefährdet werden. McElroy schlug daher in einem Memorandum mit dem obigen Datum vor, dass er nicht nur für die Werbung der neuen Seife, sondern – als Chef eines Ein-Produkt-Unternehmens und organisatorisch herausgelöst aus der Marketinggruppe „Seifen“ – auch für alle übrigen Produktaufgaben und damit insgesamt für den Markterfolg des Produktes „Camay“ die Verantwortung übernehmen sollte. Richard Depreu, der damalige Präsident von P&G, war von dem neuen Managementkonzept bald so überzeugt, dass es nach bestandener Prüfung im Markt für alle neuen Produkte des Unternehmens übernommen wurde. Dahinter stand die Erkenntnis, dass durch die maßgeschneiderte Betreuung der einzelnen, häufig sogar konkurrierenden Produkte einer Firma der Markterfolg jedes einzelnen Produktes und damit der Unternehmenserfolg gesteigert werden kann.
Das erkannten dann auch andere Unternehmen, die das von P&G entwickelte Konzept kopierten. Jedoch nahm sich zunächst ausschließlich die Verbrauchsgüterindustrie des Produktmanagements an – und zwar bis in die 1950er Jahre nur in den USA, erst zehn Jahre später dann auch in Deutschland. Den Anfang machten hier die Tochtergesellschaften amerikanischer Firmen, denn in den deutschen Unternehmen war damals Marketingbewusstsein kaum vorhanden, und den neuen amerikanischen Managementmethoden begegnete man mit großer Skepsis. Das änderte sich erst Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre unter dem wachsenden Wettbewerbsdruck, der vor allem durch die damalige Ölkrise ausgelöst wurde. Nach und nach führten nicht nur die großen, sondern auch die mittleren und kleinen Unternehmen der deutschen Verbrauchsgüterindustrie Produktmanagement ein.
Anfang der 1980er Jahre entstanden in der Gebrauchsgüterindustrie erste eigenständige Marketingabteilungen, und zwar zu dem Zeitpunkt, als man mit dem Aufbau von Produktbereichen begann. Damals wurden im Rahmen von Dezentralisierungsmaßnahmen die Aufgaben der bis dahin meist funktional gegliederten Unternehmen schrittweise auf Produktbereiche verteilt, die damit sukzessive die Verantwortung für Umsatz und Ergebnis ihrer Produkte bzw. Produktgruppen übernahmen.
Abbildung 1: Entstehung des Produktmanagements bei der Bildung von Produktbereichen und ihrer Abteilungen für Vorentwicklung (Ev), Produktentwicklung (Ep), Fertigung (F), Vertrieb (V) und Kaufmännische Aufgaben (K)
Wie in Abbildung 1 am Beispiel eines großen deutschen Herstellers von Telekommunikationssystemen schematisch gezeigt, waren von dieser Umstrukturierung zunächst die Produktentwicklung und -fertigung betroffen, wenige Jahre später dann auch die bis dahin zentral geführte (produktfernere) Vorentwicklung und schließlich zu Beginn der 90er Jahre auch der Vertrieb und die den Produkten zugeordneten kaufmännischen Aufgaben. Schließlich wurde das Produktmarketing von der zentralen Marketingabteilung an die damit weitgehend autonomen Produktbereiche übertragen. Am Ende dieses Prozesses stand dann – vor etwa zehn Jahren – die Verselbständigung des Produktmanagements, entweder als eigene organisatorische Einheiten der Produktbereiche oder, bei den immer noch funktional gegliederten Unternehmen, als Zentralabteilung.
Inzwischen wird das Produktmanagementkonzept nicht nur für Verbrauchs- oder Gebrauchsgüter, also materielle Produkte, genutzt, sondern zunehmend auch für immaterielle. Gerade im Dienstleistungssektor, speziell bei Banken und Versicherungen, wächst die Erkenntnis, dass deren Produkte durch den gezielten Einsatz von Produktmanagementmethoden effizienter, schneller und kostengünstiger geplant, entwickelt und vermarktet werden können.
Wirtschaftswissenschaftler, Manager und Unternehmensberater, allen voran Arthur D. Little (siehe Literatur), haben häufig untersucht, warum bestimmte Unternehmen – gemessen an Umsatzwachstum und Eigenkapitalrendite – erfolgreicher sind als die Mehrzahl ihrer Wettbewerber. Dabei wurde festgestellt, dass der Erfolg maßgeblich von der Effizienz der Produktplanung (siehe Kapitel IV) und den daraus resultierenden Eigenschaften der angebotenen Produkte abhängt, nämlich:
• innovative Leistungsmerkmale,
• optimale Komplexität,
• attraktives Design,
• starke Marke,
• hohe Qualität, niedrige Kosten/Preise und
• umfassende Dienstleistungen.
Darüber hinaus zeigen diese Untersuchungen, dass erfolgreiche Produkte ein effizientes Produktmanagement voraussetzen und dass dessen Erfolg in erster Linie von folgenden Faktoren abhängt:
• Eine geeignete Unternehmenskultur, nämlich eine, die ohne Top-down-Hierarchie, ohne autoritären Führungsstil und ohne Bereichsegoismen auskommt und stattdessen Delegation von Aufgaben, interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie Kreativität und Experimentierfreude fördert und fordert.
• Produktmanager, für die der Erfolg ihrer Produkte wichtiger ist als ihr eigener, die Probleme nicht nur erkennen, sondern auch lösen, und die sich auf das Wesentliche konzentrieren.
• „Sponsoren“, die in der Unternehmenshierarchie weit genug oben stehen, um „ihrem“ Produktmanager bei der Versorgung mit den erforderlichen finanziellen und anderen Ressourcen helfen und ihnen den Rücken freihalten zu können.
• Eine schlanke und durchlässige Organisationsstruktur, die schnelle Entscheidungen und kurze Reaktionszeiten bei der Abstimmung und Umsetzung von Korrekturmaßnahmen gewährleistet.
• Ein gut funktionierendes innerbetriebliches Kommunikationssystem, das diese Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse unterstützt.
In den Kapiteln II und III werden die hier genannten Erfolgsfaktoren untersucht und Maßnahmen zu ihrer Stärkung vorgestellt – ergänzt durch entsprechende Beispiele und Hinweise aus der Praxis.
Aber was ist denn eigentlich ein Produkt? Auf diese Frage erhält man – je nachdem ob man mit einem Produktanbieter oder einem Produktnachfrager spricht – unterschiedliche Antworten. Für den letzteren ist das Produkt Mittel zur Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen, für den Anbieter dagegen Grundlage seiner Daseinsvorsorge. So dient ein Fahrrad einerseits der sportlichen Fortbewegung des Käufers und andererseits dem finanziellen Wohl des Verkäufers und seiner Mitarbeiter und Lieferanten. Diese begriffliche Ambivalenz bringt folgende, in der Betriebswirtschaftslehre gebräuchliche, Definition zum Ausdruck:
Produkte lassen sich nach bestimmten Kriterien gruppieren. Die drei wichtigsten sind:
Substanz
• Materielle Produkte sind stofflicher Natur und lassen sich unterteilen in
– naturgegebene Produkte (Boden, Wasser, Luft, Pflanzen …) und
– hergestellte Produkte (Nahrungsmittel, Medikamente, Werkzeuge, Geräte …).
• Immaterielle Produkte haben keine – zumindest keine körperliche – Substanz und gliedern sich in
– reale Produkte (Dienstleitungen, Informationen, Ideen, Rechte …) und
– nominale Produkte (Geld, Wertpapiere …).
Viele immaterielle Produkte haben beide Komponenten, so z. B. das Bankprodukt Vermögensverwaltung. Der reale Teil des Produktes besteht aus Beratung (Dienstleistung, Informationsbeschaffung) und der nominale ist das Wertpapiergeschäft. Immaterielle Produkte treten häufig in Verbindung mit materiellen Produkten auf, z. B. Geräte oder Anlagen mit Wartungs- und/oder Reparaturleistungen.
Verwendungshäufigkeit
• Verbrauchsprodukte wie Nahrungsmittel, Medikamente, Getränke oder Waschpulver zeichnen sich aus durch einmalige Verwendung und durch relativ geringe Lagerfähigkeit (im Allgemeinen nicht länger als ein Jahr).
• Gebrauchsprodukte, hierzu gehören Möbel, Automobile, Maschinen, Computer und andere Geräte, können dagegen mehrfach genutzt und relativ lange (meist mehrere Jahre) gelagert werden.
Nachfrager
• Konsumprodukte werden von Privatpersonen/-haushalten nachgefragt (Business to Consumer, B2C),
• Investitionsprodukte dagegen von gewerblichen Kunden, z. B. Herstellern, Händlern oder Organisationen (Business to Business, B2B).
Konsumprodukte werden also von einem Hersteller oder Händler dem Endkunden direkt angeboten, Investitionsprodukte dagegen indirekt, z. B. als Bestandteil des Endproduktes (siehe Abbildung 2). In beiden Fällen kann es sich dabei um Verbrauchs- oder Gebrauchsprodukte handeln. Entscheidend ist, wer nachfragt bzw. wem das Produkt angeboten wird. Ein Automobil (Gebrauchsprodukt) und Benzin (Verbrauchsprodukt) sind z. B. für eine Privatperson Konsumprodukte 1, für ein Transportunternehmen dagegen Investitionsprodukte. Gleiches gilt für den Backofen und die Kuchenzutaten, die für den Bäcker Investitionsprodukte sind, für die Hausfrau jedoch Konsumprodukte.
Abbildung 2: Produkte für private und gewerbliche Nachfrager
Weitere Unterscheidungskriterien sind z. B. die Verwendungsreife eines Produktes (Rohstoffe, Halbfertigerzeugnisse, Fertigerzeugnisse), die Produktposition im Herstellungsprozess (Inputprodukte, Outputprodukte) oder die Zahl der Bedarfsträger (Massenprodukte, Individualprodukte).
Diese Unterscheidungskriterien gilt es zu beachten, denn je nach Substanz, Verwendungshäufigkeit und Nachfrager eines Produktes gibt es z. B. Unterschiede bei der Produktgestaltung und Vermarktung.
Hierzu gibt es je nach Betrachtungsweise unterschiedliche Abgrenzungen und Gruppierungen von Produktmerkmalen.
Die Tabelle von Abbildung 3 nennt die (nach Thommen) zur Charakterisierung eines Produktes wichtigsten Kriterien und deren Ausprägungen.
Kriterien | Ausprägungen |
Verwendungszweck | Konsumgüter / Produktionsgüter (Investitionsgüter) |
Verwendungsdauer | Verbrauchsgüter / Gebrauchsgüter |
Erklärungsbedürftigkeit | nicht erklärungsbedürftige / erklärungsbedürftige Güter |
Lagerfähigkeit | lagerfähig / beschränkt lagerfähig / nicht lagerfähig |
Zahl der Bedarfsträger | Massengüter / Individualgüter |
Art der Güter | z.B. Haushaltsgüter / Freizeitgüter / Lebensmittel |
Einkaufsgewohnheiten | z.B. Anzahl der Einkäufe pro Zeitperiode, Einkaufszeitpunkt |
Neuheitsgrad | neue / modifizierte alte / alte Produkte |
Bekanntheitsgrad | anonyme / markierte / Marken-Produkte |
Abbildung 3: Produktcharakterisierung (nach Thommen)
Produktmerkmale, die (nach Weis) in besonderem Maße den Verkauf fördern, werden in Abbildung 4 gezeigt.
Abbildung 4: Verkaufsfördernde Produktmerkmale (nach Weis)
Andere unterscheiden zwischen den Basismerkmalen/Basisnutzen und den Zusatzmerkmalen/Zusatznutzen eines Produkts.
• Basismerkmale
Typische Basismerkmale eines Produktes sind seine physikalisch-chemisch-technischen Eigenschaften – z. B. Gewicht, Abmessungen, Aufbau – und die von ihnen geprägten Merkmale wie Lagerfähigkeit, Lebensdauer, operative Zuverlässigkeit und Preis. Die Basismerkmale liefern den Basisnutzen, den der Käufer vom praktischen Gebrauch oder Verbrauch des Produktes hat.
• Zusatzmerkmale
Die über die Basismerkmale hinausgehenden – eher ästhetischen und emotionalen – Eigenschaften eines Produktes, wie z. B. das Design (siehe Kapitel IV, 5.2), die Marke (siehe Kapitel IV, 5.3) und das Image – auch das seines Anbieters – gehören zu den Zusatzmerkmalen. Der daraus hervorgehende Zusatznutzen artikuliert sich z. B. in der Freude, die der Nutzer bei der Betrachtung und/oder des Ge- bzw. Verbrauchs seines Produktes empfindet, und/oder dem positiven Eindruck, den das Produkt auf andere macht (persönliche Anerkennung, Prestige).
So besteht beispielsweise der Basisnutzen einer Armbanduhr darin, jederzeit anzuzeigen, wie spät es ist. Erst die zusätzlichen – meist nur selten genutzten – Funktionen (Stoppuhr, Wecker oder Anzeigen des Datums, des Wochentags und der Mondphasen), die Verwendung von Gold statt Kunststoff, ein gutes Design und die Luxusmarke eines renommierten Uhrenherstellers liefern dem Erwerber den Zusatznutzen im oben beschriebenen Sinne.
Ähnliches gilt für das Automobil. Der den Basismerkmalen entsprechende Basisnutzen besteht z. B. in der sicheren, kurzen und bequemen Reise zum Zielort. Die Extras sorgen für den Zusatznutzen, z. B. das angenehme Fahrgefühl, die Begeisterung über das Design sowie die Bewunderung, die andere für dieses Produkt und seinen Besitzer haben.
Bevor ein Produkt vermarktet werden kann und damit sein eigentliches Leben beginnt, muss es natürlich erst einmal geschaffen werden. Nach einem meist wechselvollen Leben „stirbt“ das Produkt, und seine Überreste werden dann einer möglichst sinnvollen Bestimmung überführt. Daraus ergeben sich die im Folgenden beschriebenen drei Phasen eines Produktes (siehe Abbildung 5).
Entstehungsphase | Lebensphase | Entsorgungsphase |
„pränatale“ Phase | „vitale Phase“ | „postmortale“ Phase |
• Planung | • Einführung | • Recycling |
• Entwicklung | • Wachstum | • Downcycling |
• Fertigung | • Reife | • Abfall |
• Rückgang | • Emissionen | |
Abbildung 5: Produktphasen
1. Entstehungsphase (pränatale Phase)
Am Anfang dieser Phase steht die Produktplanung. Zu ihr gehören die Bewertungen des Marktes, des Wettbewerbs und der angebotenen Produkte, die Suche nach Produktideen und die Festlegung der Eigenschaften des neuen Produktes. Diese Kernaktivitäten der Produktplanung werden ergänzt durch Kostenabschätzungen sowie Studien bezüglich der Verfügbarkeit kritischer Komponenten und der Durchführung neuartiger Prozesse (technical feasibility studies).
Es folgt die Produktentwicklung, meistens in Form eines zeitlich und finanziell klar umrissenen Entwicklungsprojektes, das mit der Herstellung und dem Testen der ersten Versuchsmuster und Prototypen beendet wird.
Den Abschluss der Entstehungsphase bildet die Produktfertigung. Nach der Vorserie und erneuten Tests, die z. T. auch bei potenziellen Kunden durchgeführt werden, beginnt die Serienfertigung des Produktes. Inzwischen wurden auch die für die Produkteinführung benötigten Marketingund Vertriebsmaßnahmen vorbereitet – die Lebensphase kann beginnen.
2. Lebensphase (vitale Phase)
Im Allgemeinen unterteilt man das Leben eines Produktes in vier Abschnitte2, nämlich Einführung, Wachstum, Reife und Rückgang. Wie in Abbildung 6 gezeigt, können alle Abschnitte durch bestimmte Kriterien der Umsatz-, Umsatzwachstums- und Gewinnkurven klar abgegrenzt werden3:
Die Produkteinführung ist abgeschlossen, wenn die Umsätze die Kosten decken, d. h. der Break-even-Punkt erreicht ist, ab dem die Produktvermarktung kein Verlustgeschäft mehr ist.
Der darauf folgende Wachstumsabschnitt endet, wenn der Umsatz nicht mehr steigt, d. h. die Umsatzwachstumskurve4 ihr Maximum erreicht hat.
Während des anschließenden Abschnitts der Reife sinkt dieser Zuwachs auf Null, der Umsatz erreicht sein Maximum.
Schließlich fällt im Rückgangsabschnitt der Umsatz ab, und wenn durch den Verkauf des Produktes kein Gewinn mehr erzielt werden kann, wird es normalerweise vom Markt genommen. Wie im Bild schematisch gezeigt, kann man diesen Zeitpunkt nach hinten verschieben, also das Leben des Produktes verlängern, wenn man rechtzeitig die Produktattraktivität durch Produktverbesserungen – auch Product Facelifting genannt – erhöht oder die Marketingbemühungen steigert. Diese Maßnahmen sind natürlich mit zusätzlichen Kosten verbunden (siehe Gewinnrückgang), können sich aber insgesamt lohnen, wie das in der Abbildung 6 gewählte Beispiel zeigt.
Abbildung 6: Einteilung des Produktlebens in vier Abschnitte
3. Entsorgungsphase (postmortale Phase)
Nicht erst am Lebensende, sondern schon bei der Planung, spätestens aber bei der Entwicklung eines Produktes werden die Weichen für Möglichkeiten der Produktentsorgung (z. B. durch Recycling) und für die entsprechenden Kosten gestellt. Dieses Thema wird im Kapitel V, 3.3 Öko-Engineering ausführlich behandelt.
Wie Abbildung 7 am Beispiel eines Unternehmens der Heizungstechnik zeigt, besteht ein Produktprogramm aus
• einzelnen Produkten,
• Produktgruppen6, die gleichartige Produkte erfassen, und
• Produktlinien, denen unterschiedliche Produktgruppen angehören.
Abbildung 7: Produktprogramm (Auszug) eines Unternehmens der Heizungstechnik
Die Produktpolitik ist eines – sicherlich auch das wichtigste – von vier Marketinginstrumenten, die im Verbund (Marketing-Mix) zur Realisierung von Marketingzielen eingesetzt werden7.
Betroffen sind hiervon zum Beispiel:
• die Breite und Tiefe des Produktprogramms bzw. die Zahl und Zusammensetzung seiner Produktlinien und -gruppen (siehe Kapitel I, 2.5),
• die Qualität, das Design, die Verpackung oder andere Merkmale der Produkte (siehe Kapitel I, 2.3),
• Wartung, Reparaturdienst, Schulung oder andere Dienstleistungen (siehe Kapitel VIII).
Falls das Produktprogramm eines Unternehmens, z. B. im Rahmen einer bestimmten Produkt-Markt-Strategie (siehe Kapitel IV, 3), verändert werden muss, gibt es eine Vielzahl produktpolitischer Möglichkeiten. Die wichtigsten sind:
• Produktmodifikation: Dabei geht es bei einem vom Unternehmen im Markt schon angebotenen Produkt um die (meist geringfügige) Veränderung ganz bestimmter Eigenschaften, z. B. der Leistungsmerkmale, Größe, Form, Farbe, Marke und/oder Serviceleistungen.
• Produktinnovation: Darunter versteht man die Aufnahme eines neuen Produktes in das Produktprogramm, entweder
– um ein bestehendes Produkt zu ersetzen (Produktablösung), z. B. infolge neuer technologischer Möglichkeiten ein analoges durch ein digitales Telefon, oder
– um mit diesem neuen Produkt einen für das Unternehmen neuen Markt zu erschließen (Produktdiversifikation), z. B. indem eine Kaffee-Rösterei auch Mobiltelefone mit Nutzungsverträgen anbietet.
• Produktelimination: Das bedeutet, dass sich das Unternehmen von einem/mehreren Produkt/en oder einer/mehren Produktgruppe/n bzw. Produktlinie/n trennt, um damit sein Absatzprogramm zu straffen, z. B. dadurch, dass ein Telekommunikationsunternehmen keine Faxgeräte mehr vertreibt.
1 In der Alltagssprache, und leider auch in vielen Veröffentlichungen, werden Konsumprodukte bzw. -güter mit Verbrauchsprodukten (-gütern) gleichgestellt. In dieser eingeschränkten und daher falschen Betrachtung wird der Konsument nur als Endverbraucher gesehen und Konsum mit Verbrauch oder Verzehr gleichgesetzt, nicht aber auch mit dem Gebrauch von Produkten.
2 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig von Lebenszyklusphasen gesprochen. Um Verwechslungen mit den Phasen eines Produktes zu vermeiden, verwende ich den Begriff Lebensabschnitt – ohne den Zusatz Zyklus. Denn es handelt sich im Leben eines Produktes um vier einzigartige, einmalige und nicht wiederkehrende Abschnitte.
3 Die gelegentlich bevorzugte Einteilung in fünf Abschnitte (Einfügen der „Sättigung“ nach der „Reife“ und vor dem „Rückgang“) lässt diese Form der Abgrenzung nicht zu.
4 Sie ist mathematisch betrachtet die „erste Ableitung“ des Umsatzverlaufs.
5 Dieses wird allgemein auch Absatzprogramm oder Produkt-Mix genannt und im Handel Sortiment.
6 Sie werden gelegentlich auch in „Produktfamilien“ unterteilt.
7 Die anderen Marketinginstrumente sind die Distributionspolitik (betr. Vertriebswege, Handel, Logistik), die Konditionenpolitik (Lieferbedingungen, Preise, Rabatte) und die Kommunikationspolitik (Verkaufsförderung, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit).
Der Erfolg von Produkten bzw. des Produktmanagements hängt in sehr starkem Maße vom Produktmanager ab. Wie man ihn sucht, auswählt und im Unternehmen eingliedert, welche Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung ihm übertragen werden, sind daher die entscheidenden Fragen. Sie sollen in den folgenden Abschnitten beantwortet werden.
Das Studium der Stellenanzeigen für Produktmanager führt zu folgenden Ergebnissen:
• Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen nimmt ständig zu, allein in den letzten fünf Jahren um mehr als 100 Prozent.
• Etwa die Hälfte aller Anzeigen bezieht sich auf Verbrauchsprodukte, insbesondere aus dem Pharmabereich, bei den übrigen Angeboten geht es um Gebrauchs- und Dienstleistungsprodukte.
• Die Aufgaben des gesuchten Produktmanagers und die an ihn gestellten Anforderungen werden meistens detailliert beschrieben. Über andere Teile der Stellencharakteristik, z. B. über Kompetenzen und Verantwortung des Produktmanagers sowie seine Einbindung in die Unternehmensstruktur bzw. über die praktizierte oder vorgesehene Produktorganisationsform, wird in diesen Anzeigen nur selten Auskunft gegeben.
Die im letzten Punkt angesprochenen Fragen müssen dann während des Vorstellungsgesprächs und letztendlich im Rahmen des Anstellungsvertrages beantwortet werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung einander entsprechen: Denn die Verantwortung für die Erfüllung einer Aufgabe kann nur derjenige übernehmen, der die hierfür erforderlichen Kompetenzen erhält.
Auf diese vertragliche Vereinbarung kann man sich dann auch beziehen, wenn die Regeln der Zusammenarbeit zwischen Produktmanager und Fachbereichen festgelegt werden. Denn einige ihrer Vertreter betrachten die Einführung von Produktmanagement gelegentlich mit Argwohn und Misstrauen, da sie bei der Neuordnung der Arbeitsprozesse in erster Linie an den vermeintlichen oder auch reellen Verlust von Teilen ihrer Macht und weniger an die neuen Herausforderungen denken.
Was die an einen Produktmanager gestellten Anforderungen anbelangt, ergibt die Auswertung der Stellenanzeigen, nach prozentualer Häufigkeit der Nennungen sortiert (in der Summe daher nicht 100 Prozent), folgendes grobe Profil:
80% • Hochschulabschluss
• Fremdsprachenkenntnisse
50% • Kommunikative Fähigkeiten
• Teamfähigkeit
• EDV-Kenntnisse
20% • Kreativität, Initiative
• Verhandlungsgeschick
• Fähigkeit, Mitarbeiter zu führen und zu motivieren
• Berufliche Erfahrung
10% • Internationale Erfahrung
• Lernfähigkeit
Darüber hinaus ergeben sich aus diesen Auswertungen folgende Trendaussagen:
•