ISBN 978-3-649-60987-2 (eBook)
eBook © 2011 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG, Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise
ISBN 978-3-8157-9469-2 (Buch)
© 2009 Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG, Münster
Alle Rechte vorbehalten, auch auszugsweise
Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur AG
Karte: Nora Nowatzyk
Redaktion: Valerie Flakowski
Satz: Sabine Conrad, Rosbach
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Das Erste, was Caius spürte, war das furchtbare Dröhnen in seinem Kopf. Es war, als würde ein Schmied seinen Hammer immer wieder und in schneller Folge gegen seine Schädeldecke krachen lassen. Seine Sinne kehrten nur langsam zurück. Er lag auf dem Rücken. Feuchte Kälte hatte sich durch die Kleidung bis auf die Haut vorgearbeitet. Arme und Beine fühlten sich taub an. Sein Kopf lag zur Seite gekippt im Schlamm.
Nach und nach kam die Erinnerung. Bilder tauchten aus der nebligen Dunkelheit seines Bewusstseins auf und hüpften vor seinem inneren Auge im Rhythmus des Hämmerns in seinem Kopf, das nicht aufhören wollte. Gestalten, die plötzlich wie Geisterwesen zwischen den Bäumen aufgetaucht waren. Ohrenbetäubendes Geschrei. Durchgehende Maultiergespanne, umstürzende Wagen. Varus, wie er von seiner Leibwache abgeschirmt wurde. Das Sirren und Klacken von Pfeilen, die aus dem Nichts zu kommen schienen. Und dann hatte ihn irgendetwas am Kopf getroffen.
Caius begann zu zittern. Mach die Augen auf, befahl er sich selbst. Das Dröhnen in seinem Kopf hielt unverdrossen an, und als das erste Licht durch die Lider drang, nahmen die Schläge an Heftigkeit noch einmal zu.
Sehr langsam tauchten die Konturen eines umgekippten Trosswagens aus dem milchigen Schleier auf. Die Plane war aufgerissen und allerlei Gerätschaften waren herausgefallen. Neben einem der Wagenräder lag ein toter Legionär, aus seinem Hals ragte der Schaft eines Pfeils.
Du musst aufstehen, dachte Caius. Immerhin wich die Taubheit allmählich aus seinen Gliedmaßen, obwohl sie sich noch bleischwer anfühlten. Er wälzte sich auf die Seite und drückte sich mit den Armen hoch, dabei wurde ihm so übel, dass er sich beinahe übergeben hätte. Sein ganzer Körper war mit Schlamm bedeckt, der eine harte, verkrustete Schicht bildete.
Bis auf das Hämmern in seinem Kopf war es totenstill im Wald. Mit Mühe drehte Caius den Kopf nach rechts. An einer merkwürdig verwachsenen Buche erkannte er, dass er sich immer noch an der Stelle befand, wo er zuvor inmitten der ganzen Kolonne marschiert war. Vorhin – vor einer Stunde? Vor vier Stunden? Jetzt lagen überall Tote und verstreutes Gepäck herum, dazu einige Packwagen, ein paar davon ohne die Gespanne, bei anderen hingen die Zugtiere tot im Geschirr.
Der Reisewagen des Statthalters war weg. Sie haben Varus, dachte Caius, und das Dröhnen in seinem Kopf schwoll an. Sie haben seinen Wagen und sie haben den Kasten. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie eine Gruppe dieser Barbaren den Kasten aufbrach und beim Anblick ihres Inhalts ungläubig erstarrte. Der Gedanke war unerträglich. Das größte Geheimnis des Imperiums, verschollen in einem namenlosen Wald in Germanien. Was in diesem Kasten war, durfte es eigentlich gar nicht geben. Wenn Augustus davon erfährt, dachte Caius, wird in Rom die Erde beben.
In dem Säulengang, der den offenen Platz des Forums von drei Seiten einrahmte, schob sich eine bunt zusammengewürfelte Menschenmasse vorwärts wie ein zähflüssiger Lavastrom. Von der stuckverzierten Decke hallte das tausendstimmige Schwatzen und Lachen als dumpfes und gleichförmiges Gemurmel zurück. Die Müßiggänger waren hier an diesem Nachmittag in der Mehrheit und machten den wenigen, die es eilig hatten, das Durchkommen schwer. Immer wieder staute sich der Strom, wenn kleine Grüppchen plaudernd vor den vergoldeten Statuen stehen blieben, die zwischen den Säulen aufgestellt waren.
Es war der erste Tag im Mai, und nach einem eiskalten März und einem verregneten April brannte nun die Sonne vom wolkenlosen Himmel, als habe es nie einen Winter gegeben. Ganz Rom stürzte sich in den Frühling.
Caius drängte sich zwischen zwei ägyptischen Trägern durch, die ihre Pakete abgelegt hatten und sich in ihrer fremden Sprache unterhielten. Der eine lehnte am Sockel der Statue eines Diskuswerfers, der andere an einer der korinthischen Säulen, die den überdachten Gang vom Forumsplatz trennten. Die beiden Sklaven verstummten und musterten ohne Scheu seine Toga mit dem breiten Purpurstreifen, die Caius als Angehörigen des senatorischen Adels auswies. Etwas an ihrem Blick war unverschämt. Er trug diese Toga erst seit knapp zwei Monaten und die beiden schienen seinen frischen Stolz genau zu bemerken. Als der eine mit dem Fuß eins der verschnürten Pakete lässig an die Seite schob, um Caius Platz zu machen, hatte auch diese Geste etwas Respektloses.
Liefert lieber eure Ware ab, anstatt hier den Tag zu vertrödeln, dachte Caius noch, dann trat er aus dem Schatten des Säulenganges und stand nach ein paar Schritten und drei Stufen auf dem riesigen Platz des Forums.
Licht und Wärme kamen hier von allen Seiten, er spürte die Sonne im Nacken und musste die Augen zukneifen, so grell warf der mit Marmorplatten ausgelegte Boden das Licht zurück. In seinem Rücken machte der Säulengang einen ersten Knick und nach etwa sechzig Schritten einen zweiten, dann lief er wieder auf den Tempel zu, der an der gegenüberliegenden Schmalseite den Abschluss des Forums bildete. Mitten auf dem Platz stand auf einem mannshohen Sockel eine vergoldete Skulptur, die die ganze Fläche beherrschte: ein vierspänniger Triumphwagen. Caius hatte schon oft hier gestanden, doch immer wieder weckte die Figurengruppe in ihm grenzenlose Bewunderung, weniger wegen ihrer Größe als vielmehr wegen der fast unglaublichen Detailgenauigkeit und Lebendigkeit der Darstellung. Vier Pferde zogen den Wagen, und der Künstler – ein Grieche, wie fast alle großen Bildhauer – hatte es verstanden, ihre unbändige Bewegung so einzufrieren, dass es schien, sie würden jeden Augenblick zum Leben erwachen und weiter voranstürmen: Nervös warfen sie die Köpfe mit den geblähten Nüstern, an Flanken und Beinen zeichneten sich die Muskeln ab und an den Hälsen waren selbst die kleinsten Adern herausgearbeitet. Sechzehn Hufe stemmten sich in den Boden oder wirbelten durch die Luft, eins der Pferde schien gerade steigen zu wollen, und man hörte beinahe das Ächzen der Deichsel. Die ungestüme Dramatik des Gespanns wurde durch den Kontrast zur lässigen Pose des Wagenlenkers noch gesteigert: Sicher und ruhig stand er da und hatte es nicht nötig, sich anzulehnen oder festzuhalten. Seine Arme hatte er leicht abgewinkelt und nach vorn gestreckt. In seinen Händen ruhten die Zügel, als habe sie jemand behutsam hineingelegt. Er trug eine Feldherrenuniform und einen Brustpanzer, der über und über mit Reliefs geschmückt war. In seinen Gesichtszügen wiederholte sich die gelassene Überlegenheit der ganzen Pose: ein schmaler, kaum merklich geschwungener Mund, eine gerade Nase, Augen, die über die Pferderücken hinweg in die Ferne zu blicken schienen. Die Haare waren in Strähnen nach vorn gekämmt und wurden von einem Lorbeerkranz eingerahmt. Das Gesicht war Caius bestens vertraut; man konnte in Rom um keine Ecke biegen, ohne diesem Mann zu begegnen. Als Statue, Büste oder Relief hatte ein Heer von Steinmetzen ihn tausendfach aus dem Marmor geschält und sein Namenszug sprang einem von fast allen Inschriften an öffentlichen Gebäuden entgegen: Caius Julius Caesar Augustus, Princeps und Imperator, Großneffe und Adoptivsohn des göttlichen Caesar. Unwillkürlich schossen Caius die zahlreichen Titel durch den Kopf, mit denen der Senat Augustus im Laufe seiner mehr als vierzigjährigen Herrschaft geehrt hatte. Augustus war mächtiger, als je ein Mann in Rom gewesen war, und Rom war unter seiner Führung mächtiger geworden als jedes andere Reich auf der Erde. Die höchsten Ämter des Staates liefen in seinen Händen zusammen wie die Zügel des goldenen Gespanns, das in der Nachmittagssonne glänzte.
Caius fühlte eine Hand auf seiner Schulter. Sein Vater, der vorhin im Gewühl zurückgeblieben war, hatte sich ebenfalls durch die Menge ins Freie gekämpft und stand nun hinter ihm. »Bist du aufgeregt?«, fragte Quintus Cornelius Castor.
Caius machte keine Anstalten, seine Nervosität zu verbergen, sein Vater kannte ihn ohnehin gut genug. Wie sollte man an einem solchen Tag auch nicht aufgeregt sein? Als er vor zwei Monaten die Toga bekommen hatte, war er vor Stolz beinahe geplatzt. In seiner Fantasie hatte er bereits die verschiedenen Rollen der glanzvollen Karriere durchgespielt, die ihm nun bevorstand: Caius Cornelius Castor der Tribun, Caius Cornelius Castor der Legionslegat, Caius Cornelius Castor der Senator und Caius Cornelius Castor der Konsul. Dann hatte sein Vater ihn beiseitegenommen und mit einer ernüchternden Standpauke auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Seine Worte, streng und spöttisch zugleich, klangen Caius noch immer in den Ohren: Mein Sohn ist auf dem besten Weg, einer von diesen nichtsnutzigen Gockeln zu werden, die aufgeplustert durch die Gegend stolzieren, Titel mit Leistungen verwechseln und Unterwürfigkeit mit Respekt. Was für ein Tribun willst du werden? Einer von denen, die vom Zelt aus Kommandos geben und dabei bretonische Austern und griechischen Wein schlürfen? Und was für ein Senator willst du werden? Einer von denen, die ein paar arbeitslose Schauspieler bezahlen, damit sie bei ihren Ansprachen klatschen? Titel bedeuten nichts, wenn alle wissen, dass du sie geschenkt bekommen hast, weil du aus einer der einflussreichsten römischen Familien kommst. Deine Abstammung ist keine Leistung, sondern ein Ansporn, dir mit echten Verdiensten echten Respekt zu verschaffen! Nachdem er sich Luft gemacht hatte, war sein Vater versöhnlicher geworden. Ich habe das in deinem Alter auch nicht verstanden. Und was ich dir gerade gesagt habe, musste ich mir von meinem Vater ebenfalls anhören. Die Predigt hatte dennoch gesessen.
Vor einer Woche war sein Vater dann mit der Nachricht nach Hause gekommen, dass er bei Augustus persönlich zu einer Unterredung geladen war, und Caius, sein einziger Sohn, sollte mit. Zuerst war Caius natürlich mächtig stolz gewesen, aber jetzt, wo der Zeitpunkt unaufhaltsam näher rückte, wurde er immer aufgeregter. Er blickte zu der überlebensgroßen goldenen Figur im Triumphwagen auf und seine Selbstsicherheit war wie weggeblasen. Er kam sich auf einmal klein vor – so klein, dass selbst ein paar ägyptische Sklaven ihn mit einer anmaßenden Geste verunsichern konnten.
»Keine Sorge«, sagte sein Vater jetzt und legte ihm auch die andere Hand auf die Schulter. »Du wirst dich wundern, was der Princeps für ein Mensch ist. Die meisten Leute kennen nur diese Statuen und glauben, er sei so etwas wie ein Gott, und in seiner Umgebung gibt es viele, die so tun, als sei er das wirklich. Er hat diese Schmeichler immer gehasst. Er schätzt es, wenn man offen mit ihm redet. Mehr noch: Er liebt es, wenn man ihm widerspricht. Wenn man so viel erreicht hat wie er und dabei so alt geworden ist wie er, dann wird die Gefahr immer größer, der Selbstherrlichkeit zu verfallen. Dieser Gefahr begegnet er, indem er sich mit Leuten umgibt, die sagen, was sie denken.«
»Sagst du immer, was du denkst?«
»Manchmal ist es klug, sich zurückzuhalten. Aber niemals aus Bequemlichkeit. Auch das ist etwas, was mein Vater mir immer wieder gesagt hat.« Quintus machte eine Pause, trat neben seinen Sohn und sah zur Figurengruppe hoch. Caius folgte seinem Blick. »Siehst du die Szene in der Mitte?«, fragte sein Vater und deutete auf den Brustpanzer des goldenen Wagenlenkers. Dort war zwischen anderen Figuren eine Gestalt abgebildet, die Augustus eine Standarte überreichte.
»Die Rückgabe der Legionsadler, die Crassus bei Carrhae an die Parther verloren hat«, sagte Caius mechanisch, als antwortete er auf die Frage eines Lehrers.
»Richtig. Über sechzig Jahre ist das her. Crassus war mit sechs Legionen von Syrien aus ins Land der Parther eingefallen. Er glaubte, dass der parthische Feldherr Surenas sich zum Kampf stellen würde. Surenas aber lockte ihn immer weiter ins Land und schließlich in die Wüste.«
»Ich weiß.«
»Das will ich hoffen«, erwiderte Quintus. »Mein Vater – dein Großvater – war damals Tribun im Stab von Crassus. Er hielt das ganze Manöver von Surenas von Anfang an für eine Finte. Er hat Crassus immer wieder gewarnt.«
»Aber der wollte nicht hören.«
»Hören wollte er schon. Aber nur auf die, die ihm nach dem Mund redeten, anstatt zu sagen, was alle dachten. Er lief Surenas geradewegs in die Falle.«
»Und am Ende war Crassus tot und drei Legionsadler waren weg«, sagte Caius.
»Nicht nur die. Dreißigtausend Soldaten waren auch verloren, vergiss das nicht.«
»Was von beidem war denn schlimmer?«
»Kommt darauf an. Für Roms Ansehen die Adler. Für dreißigtausend Familien die Soldaten.« Quintus Cornelius Castor wies mit dem Kopf auf die goldene Figurengruppe. »Als der Princeps die Adler vor fast dreißig Jahren von den Parthern zurückholte, hat er damit allerdings mehr Ansehen gewonnen, als Rom durch ihren Verlust jemals eingebüßt hat. Die Rückführung war ein Staatsakt, wie ich selten einen gesehen habe. Ich war damals kaum älter als du.«
»Und seitdem werden sie dort hinten im Tempel aufbewahrt, zusammen mit Caesars Schwert.« Caius wies auf das massige Gebäude an der Stirnseite des Forums, dessen Giebel von der Sonne beschienen wurde. Rechts und links vom Podium des Tempels begrenzten die beiden Längsseiten des Säulenganges den Forumsplatz und ließen auf jeder Seite einen Zwischenraum, der jeweils von einem Triumphbogen abgeschlossen wurde. Dahinter erhob sich eine gewaltige Mauer, die selbst den Tempel noch überragte und die Schmalseite des ganzen Baukomplexes nach hinten abschloss wie die Rückwand einer Theaterkulisse. Zwischen den Säulen schoben sich immer noch die bunten Menschenmassen entlang. Gedämpftes Murmeln wehte herüber.
»Wir sollten aufbrechen, mein Sohn. Man wartet auf uns.« Mit diesen Worten wandte sein Vater sich um und ging quer über den Platz auf den rechten der beiden Durchgänge zu. Caius folgte ihm. Hinter dem Triumphbogen führten einige Stufen zu einem Durchlass in der rückwärtigen Mauer hinauf. Dahinter lag ein dicht bebautes Wohnviertel mit verschachtelten Mietshäusern. Kaum hatten sie sich in dem lärmenden Menschenstrom durch das Nadelöhr gezwängt, da schlug ihnen auch schon die unverwechselbare Mischung aus unappetitlichen Ausdünstungen entgegen, die in diesem Stadtviertel vor allem in den Sommermonaten die Luft verpestete. Ein paar Jungen drängelten sich rücksichtslos vorbei. Aus einem Fenster über ihnen ergoss sich ein Schwall von vulgären Beschimpfungen.
Diese Mauer trennt wirklich zwei Welten, dachte Caius. Dann bestiegen sie die beiden Sänften, die direkt hinter dem Durchgang auf sie warteten. Caius zog den Vorhang zu, dann spürte er, wie seine Sänfte angehoben wurde. Er war immer noch aufgeregt, doch das Unbehagen war verschwunden und einer neugierigen Spannung gewichen. Nach kurzer Zeit neigte die Sänfte sich leicht, und die Träger wurden langsamer. Wir steigen zum Palatin hinauf, dachte Caius. Gleich werde ich dem mächtigsten Mann der Welt gegenüberstehen.
Nach dem Anstieg hielten sie mehrmals an. Durch die Vorhänge der Sänfte vernahm Caius undeutliche Worte, die der Führer ihrer Eskorte mit Wachen oder Pförtnern wechselte. Schließlich wurde die Sänfte behutsam abgestellt. Caius zog den Vorhang auf der rechten Seite weg.
Sein Vater war schon ausgestiegen und brachte die Falten seiner Toga in Ordnung. Er lächelte ihm zu. »Wir sind da.«
»Habe ich mir fast gedacht«, gab Caius etwas vorwitzig zurück, um seine erneut aufkommende Nervosität zu überspielen.
Er stieg aus der Sänfte und blickte sich um, während sein Vater immer noch an der Toga zupfte. Sie standen auf einem kleinen Platz, dessen Breitseite von einem gewaltigen Tempel beherrscht wurde. Caius ließ seinen Blick an den Säulen emporwandern. Wenn man es genau nahm, war es eigentlich nur ein mittelgroßer Tempel, aber durch die Enge des Vorplatzes wirkte er auf seinem Sockel fast schon erdrückend. Es war der berühmte Apollotempel, den Augustus dem Gott vor fast vierzig Jahren für seinen Sieg in der Seeschlacht von Actium geweiht hatte. Er bestand vollständig aus weißem Marmor und strahlte in der Sonne des späten Nachmittags, als leuchtete er von innen heraus. Am Ende der Vorhalle im Schatten der Säulen glänzten die Goldbeschläge des von Elfenbeinreliefs eingerahmten Portals, das in das Innerste des Tempels führte.
An den anderen drei Seiten wurde der Vorplatz durch Mauern begrenzt, die ebenfalls mit weißen Marmorplatten verkleidet und mit einer vorgelagerten, umlaufenden Säulenreihe verziert waren. Zwischen den Säulen standen schwarz glänzende Hermen der fünfzig Töchter des Danaos. Der Kontrast zwischen dem dunklen und dem hellen Marmor sah edel, aber auch kühl und irgendwie unerbittlich aus. Caius wurde klar, dass sie nur noch wenige Mauern von dem Mann trennten, der über Millionen von Menschen gebot.
Die Träger hoben die Sänften lautlos an und entfernten sich. Caius hörte Schritte und drehte sich um. In die der Tempelfront gegenüberliegende Wand des Vorplatzes war ein Portal eingelassen, das von zwei Hünen bewacht wurde. Wie in Stein gemeißelt standen sie in der Paradeuniform der Prätorianergarde da und blickten mit blauen Augen ins Leere.
Caius hatte von der geheimnisvollen Leibwache des Princeps gehört, aber noch nie einen ihrer Angehörigen zu Gesicht bekommen. Sie wurden nicht aus den Legionen rekrutiert, sondern irgendwo im Norden bei den Batavern angeworben – Leute, die niemand kannte. Von den anderen Prätorianern wurden sie gehasst. Für sie war es unerträglich, dass der Princeps diesen stummen Barbaren sein Leben anvertraute. Caius musterte die beiden riesigen Männer mit den versteinerten Gesichtern kurz. Unüberwindlich und unbestechlich, dachte er. Bessere Leibwächter konnte es nicht geben.
In diesem Augenblick erschien ein Sklave in einer grünen Tunika im Halbdunkel des Portals. »Dann wollen wir mal«, sagte Quintus und schritt voran, auf den Eingang zu. Caius folgte seinem Vater. Als er zwischen den Batavern durchging, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Die beiden Männer waren mehr als einen Kopf größer als er, und obwohl sie weiterhin bewegungslos dastanden und geradeaus blickten, fühlte er sich von ihnen beobachtet. Kurz rechnete er damit, plötzlich mit eisernem Griff gepackt zu werden, dann war er auch schon vorbei und trat in das schummerige Licht eines Ganges, der nach wenigen Schritten nach rechts abknickte. Der Sklave mit der grünen Tunika trat rückwärts in die Ecke, um sie vorbeizulassen. Caius ging dicht hinter seinem Vater, der dem Sklaven im Vorübergehen lächelnd einen freundschaftlichen Klaps auf den Oberarm gab. »Anaximandros«, sagte er nur. Es hatte nichts Gönnerhaftes. Caius war beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit sein Vater sich in den Räumen des mächtigsten Mannes der Welt bewegte. Es schien hier weit weniger förmlich zuzugehen, als er erwartet hatte, und irgendwie beruhigte ihn das. Du wirst dich wundern, was der Princeps für ein Mensch ist, hatte sein Vater gesagt. Na dann.
Ohne Eile schritten sie eine Rampe hinab, die nur von kleinen Feuerschalen erhellt wurde. Danach durchquerten sie einen kleinen Raum mit sehr hoher Decke und reich bemalten Wänden.
Wieder mussten sie an zwei bewegungslosen Leibwächtern vorbei, dann standen sie unter den Säulen eines eleganten Peristyls. Quintus schritt die drei Stufen zum Innenhof hinunter. Einen Augenblick später war Caius neben ihm.
Im Innenhof stand mit dem Rücken zu ihnen ein mittelgroßer grauhaariger Mann mit weißer Toga, der einem Sklaven ein paar Anweisungen gab. Als er fertig war, nickte er aufmunternd und legte kurz die Hand auf die Schulter des Sklaven, der sich sofort entfernte und zwischen den Säulen des Peristyls verschwand. Der Mann mit der Toga schien noch einen kurzen Moment nachzudenken, dann drehte er sich langsam zu Caius und seinem Vater um, als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass sie dort warteten. Der Anflug eines Lächelns streifte sein Gesicht. Es war das Gesicht eines älteren Mannes, doch seine aufmerksamen Augen, die vollen grauen Haare, die seine hohe Stirn einrahmten, und nicht zuletzt der ironische Zug um seinen Mund machten ihn jünger. Während Caius sich noch fragte, wie alt der Mann sein mochte, kam dieser mit ein paar ausladenden Schritten auf sie zu. »Castor«, sagte er und legte Quintus beide Hände auf die Schultern. »Immer wieder eine große Freude, dich hier zu sehen.«
»Und immer wieder eine große Freude, hier zu sein, Princeps.«
Caius durchfuhr es wie ein Blitzschlag, als ihm klar wurde, wen er da vor sich hatte. Wie selbstverständlich war er davon ausgegangen, dass der grauhaarige Mann selbst ein Besucher war, vielleicht ein Legionslegat oder Provinzstatthalter im Ruhestand, der hier wie sie darauf wartete, bei Augustus vorgelassen zu werden, der seinerseits irgendwo in einem Audienzsaal auf einem purpurbezogenen Sessel thronte – riesig, alterslos und unnahbar wie die sitzende Jupiterstatue im Tempel auf dem Kapitol. Dieser Augustus war nicht riesig und nicht alterslos und schon gar nicht unnahbar, als er sich jetzt Caius zuwandte und ihm ebenfalls die Hände auf die Schultern legte. »Du bist Caius«, stellte er fest, dann beugte er sich vertraulich vor. »Dein Vater erzählt viel von dir.« Er richtete sich auf. »Oder sollte ich das nicht sagen?«, fragte er in Richtung Quintus.
»Es wird den letzten Rest von Bescheidenheit in ihm auslöschen«, entgegnete dieser.
»Mit Bescheidenheit sind wir früher auch nicht weitergekommen«, gab der Princeps zurück. Aus seinen Worten sprach ein Standesbewusstsein, das ohne jede Eitelkeit auskam. Augustus wies mit dem Kopf zu der Seite des Säulenumgangs, auf dem die Sonne stand. »Gehen wir doch rein«, sagte er wieder an Quintus gewandt. »Ich habe da ein Tröpfchen aus Hispanien, so was hast du noch nicht getrunken.«
Caius war völlig überrumpelt von der ungezwungenen Natürlichkeit ihres Gastgebers, dem sie nun in den Schatten folgten. Sie durchquerten eine Vorhalle und betraten einen großen Raum, an dessen drei geschlossenen Seiten ein umlaufendes Podium aus Marmor verlief, das rechts und links jeweils über drei Stufen betreten werden konnte.
Oberhalb des Podiums waren die Wände mit perspektivischen Landschaftskulissen dekoriert, unterbrochen von aufgemalten Säulen und dunkelroten Bildfeldern mit feingliedrigen Gestalten aus der griechischen Mythologie. Außer vier Faltsesseln mit Messingbeschlägen und dunkelroter Bespannung war der Raum leer.
Augustus wies seinen Gästen zwei Sessel zu und nahm zwischen ihnen Platz. Augenblicklich erschien ein Sklave in der Tür. »Dann bring uns mal den hispanischen Zaubertrank«, befahl der Princeps gut gelaunt. »Den nehmen wir ausnahmsweise mal unverdünnt.«
Der Sklave verschwand. Hinter der Wand war ein zweimaliges Händeklatschen zu hören, und sofort erschienen zwei weitere Sklaven, die einen kleinen dreibeinigen Tisch hereintrugen, auf dem eine Karaffe und vier sehr schlanke Becher aus Glas standen. Während einer der beiden fast lautlos den strohgelben Wein eingoss, reichte der andere zuerst dem Hausherrn, dann den Gästen die Becher. Anschließend entfernten sich beide wieder.
»Diesen Wein trinken wir mal lieber langsam«, sagte Augustus und lehnte sich behaglich zurück. »Er hat es in sich, aber ich bringe es nicht über mich, ihn mit Wasser zu verpanschen. Das ist, als würde man in eine Linie arabischer Rennpferde auf einmal Esel einkreuzen. Und wir wollen unseren Verstand ja nicht unfruchtbar machen.« Er hob den Becher mit einer lässigen Geste ein Stück an. Der Wein schien gut gekühlt zu sein, denn das dünne Glas war schon beschlagen.
Sie nippten an den Bechern. Der Wein war stark und dennoch sehr fruchtig. Fast sofort spürte Caius, wie er sich im Kopf bemerkbar machte. Seine Anspannung lockerte sich.
Nach einem kurzen genießerischen Schweigen ergriff Augustus wieder das Wort. »Eigentlich gehört es sich nicht, dass man anfängt, bevor alle da sind. Aber Appius Aemilius Rullianus wird sich etwas verspäten. Wie ihr wisst, hat er sich auf eine wichtige Aufgabe vorzubereiten.« Wieder streifte die Lippen des Princeps der Hauch eines ironischen Lächelns. Obwohl Caius keine Ahnung hatte, wovon die Rede war, fühlte er sich geschmeichelt, dass Augustus ihn ganz selbstverständlich als Eingeweihten in den politischen Gedankenaustausch einbezog. Aber von welcher Aufgabe war die Rede?
Als könne er Gedanken lesen, fuhr der Princeps jetzt geschäftsmäßig fort: »Und wenn ihr es noch nicht wisst: Ich habe Rullianus zum Legaten der XIX. Legion ernannt.«
»Das ist mir neu«, sagte Quintus. Caius bewunderte seinen Vater dafür, mit welcher Gelassenheit er seine Unwissenheit einräumte. Anscheinend war es tatsächlich besser, sich vor dem Princeps nicht zu verstellen.
»Ich habe es auch erst vor ein paar Tagen entschieden«, sagte Augustus nachsichtig. »Und es wird nicht die einzige personelle Veränderung bei der Rheinarmee sein. Ich will offen mit dir sprechen. Varus ist jetzt seit zwei Jahren Statthalter in Germanien. Der Aufbau der Provinzverwaltung macht Fortschritte. Ich frage mich allerdings: Ginge es vielleicht schneller?«
»Wäre es denn gesund, wenn es schneller ginge?«, gab Quintus zurück. Er schien sofort im Thema zu sein.
»Eigentlich nicht. Aber haben wir die Zeit zu warten? Unsere ganze Nordgrenze ist ein einziges Risiko. Tiberius ist mit zwölf Legionen in Pannonien und bekommt die Lage nicht unter Kontrolle. Unsere Verluste sind enorm.«
Caius war irritiert. In der Öffentlichkeit war kaum die Rede von drohenden Gefahren, schon gar nicht von Verlusten. Es gab Gerüchte. Aber diese gingen in den pompösen Inszenierungen der Siegesfeiern unter. Wenn man es genau bedachte, dann wusste eigentlich niemand so richtig, was im Norden passierte.
»Und dann die Markomannen«, sprach Augustus weiter. »Wie lange die stillhalten, wissen die unsterblichen Götter. Ich kenne Marbod gut genug. Er hat in seiner Zeit hier in Rom alles erfahren, was man wissen muss, um aus diesem scheinbar unkontrollierbaren Stammeshaufen einen Staat zu schmieden. Diese Barbaren lernen so schnell, dass einem angst und bange werden kann. Schau dir unsere Hilfstruppen an. Dieser Arminius, von dem alle reden. Seine Reiter sind die besten, die wir haben. Und warum? Weil sie ehrgeizig sind. Unsere Leute haben keinen Ehrgeiz mehr, jedenfalls keinen richtigen. Warum auch? Ihre Karriere ist berechenbar. Sie sehen zu, dass sie ein paar Rangstufen aufsteigen, und denken dabei die ganze Zeit an ihren Ruhestand, der eine auf seinem Bauernhof in Umbrien, der andere in seiner Villa in Campanien. Diese Barbaren sind ganz anders. Ihnen steht die Welt offen. Von Kindesbeinen an lernen sie, dass man sich alles nehmen kann, was man will. Dann kommen wir. Wir füttern sie an mit Beute und Titeln und zeigen ihnen, wie man noch mehr zusammenrafft. Wir gießen ihre Rastlosigkeit zu Ehrgeiz um und der Ehrgeiz härtet aus und wird zur Gier. Und dann kommen sie dahinter, dass sie uns eigentlich gar nicht brauchen. Marbod ist gerade dabei, genau das zu begreifen.«
»Marbod schuldet uns sehr viel«, merkte Quintus an.
»Deshalb ist er noch lange nicht dankbar. Ich bin auch niemals dankbar gewesen«, erwiderte Augustus.
»Du hast alles für den Staat getan. Das weißt du genauso gut wie ich.«
»Und Marbod tut alles für seinen«, sagte Augustus.
»Er handelt aus Machtbesessenheit.«
»Auch in der Hinsicht hat er bei uns den letzten Schliff bekommen. Wir nennen es Zielstrebigkeit.« Der ironische Zug um den Mundwinkel des Princeps verbreiterte sich zu einem spöttischen Lächeln. Der kleine Schlagabtausch schien ihm Spaß zu machen. »Das Problem ist aber nicht Marbod allein«, fuhr er fort. »Nehmen wir mal an, so jemand wie Arminius kommt auf die Idee, es wie Marbod zu machen, und bringt diese germanischen Stämme hinter sich. Nehmen wir mal an, da oben entsteht so etwas wie eine Allianz der Stämme unter der Führung von Leuten, die das Talent haben, mehr als ein paar Sippenälteste auf der Stammesversammlung für einen kleinen Beutezug zu den Nachbarn hinter dem nächsten Wald anzustiften. Leute, die rastlos sind und ehrgeizig und gierig. Leute, die wissen, wie man eine Pontonbrücke über den Rhein schlägt. Leute, die mit eigenen Augen gesehen haben, was es in Gallien zu holen gibt, wenn man ein paar Legionslager am Rhein knackt – und die wissen, wie man sie knackt, weil sie selbst solche Lager gebaut haben.«
»Traust du Arminius nicht?«, fragte Quintus.
»Natürlich nicht. Was nicht heißt, dass er nicht verlässlich ist. Ich traue ja noch nicht einmal meinem eigenen Prätorianerpräfekten. Und das weiß er. Und es ist gut, dass er das weiß.« Augustus nippte an seinem Glas und legte in stillem Genuss den Kopf zurück.
»Varus vertraut ihm blindlings«, warf Quintus ein.
»Das kam mir auch zu Ohren. Und ehrlich gesagt: Ich kann es bald nicht mehr hören. Da oben scheint irgendwie jeder diesem Cherusker zu trauen, und genau das will mir nicht so recht gefallen. Aber es geht eigentlich nicht um Arminius. Er könnte auch anders heißen. Er könnte auch noch gar nicht geboren sein. Irgendwann wird er kommen. Und wenn es ihm gelingt, diese Stämme alle zusammen gegen uns aufzuhetzen, dann kann die Luft am Rhein sehr schnell sehr dünn werden.«
»Ich glaube nicht, dass das passieren wird«, erwiderte Quintus. »Dazu sind sie unter sich viel zu zerstritten. Bei jeder Gelegenheit fallen sie übereinander her. Was sollte sie dazu bringen, sich zu einigen?«
»Ah, mein lieber Castor«, gab Augustus zurück. »Du ruhst in dir selbst. Du hast dein Vermögen, deine Ländereien, deine Familie. Du bist zufrieden. Du weißt nicht, was Gier ist.«
»Ich bin zufrieden, weil ich alles habe.«
»Nein. Du bist zufrieden, obwohl du alles hast.«
»Und diese Barbaren? Sind sie gierig, weil sie nichts haben?«
»Nein. Sie werden gierig, weil sie bei uns sehen, was sie alles haben könnten.«
»Rom steht für viel mehr. Rom steht für eine Lebensweise«, sagte Quintus.
»Das stimmt. Aber diese Lebensweise ist kein Mittel gegen die Gier. Wir bilden uns viel ein auf unsere Lebensweise. Und wir behaupten, sie sei auch für andere gut, weil sie uns den Vorwand liefert, ihnen unseren Willen aufzuzwingen.«
»Ich behaupte weiterhin, dass sie auch für andere gut ist.«
Das spöttische Lächeln auf dem Mund des Princeps wurde breiter. »Das mag sein. Aber interessiert es uns, ob sie damit glücklich werden? Natürlich interessiert uns das nicht. Diese Lebensweise, mein lieber Castor, diese Lebensweise leisten wir uns, weil wir uns die Mittel dazu einfach nehmen. Und was treibt uns? Die Gier. Die Gier deines Nachbarn im Senat, der sich den nächsten Posten erschachert, auf den du verzichtest, weil der Klang von Poesie und der Geschmack eines besonders feinen Falerners dir lieber sind als der Klang von prasselnden Goldmünzen und der Geschmack von Macht. Es ehrt dich, dass du glaubst, es sei diese Lebensweise, die die Welt vorantreibt. Doch das ist nur die eine Seite. Die andere heißt nun mal Gier. Rastlose Gier. Und diese Gier ist es, die sie leider noch vor der Lebensweise von uns übernehmen werden. Du glaubst, dass diese Barbaren, die nicht lesen können und Brackwasser trinken, nicht zu derselben Gier imstande sind wie Senatoren und Großgrundbesitzer. Mein lieber Castor! Das ist die wohlwollendste Form der Arroganz, die man sich nur denken kann. Ich sage dir: Die Gier wird sie einen, wenn auch nur für kurze Zeit. Unsere einzige Möglichkeit besteht darin, sie zu Römern zu machen, bevor diese Gier sich gegen uns kehrt. Und deshalb sage ich: Es muss schneller gehen.«
Quintus schwieg für eine Weile und Augustus fuhr fort: »Das schlimmste denkbare Szenario ist eine Allianz zwischen Marbod und den germanischen Stämmen gegen uns. Marbod fällt uns in Pannonien in den Rücken und seine Verbündeten gehen über den Rhein. Wir haben also drei Aufgaben. Erstens: den Aufstand in Pannonien niederschlagen. Zweitens: Marbod in Schach halten. Und drittens: den Aufbau der Provinz Germanien so weit vorantreiben, dass niemand dort oben auf dumme Gedanken kommt. Um Pannonien kümmert sich Tiberius, und wenn zwölf Legionen nicht reichen, dann bekommt er fünfzehn. Marbod ist – noch – ein Fall für die Diplomatie. Und Germanien? Ich wiederhole meine Frage: Ginge es vielleicht schneller?«
»Du glaubst, dass Varus nicht hart genug durchgreift?«, fragte Quintus.
»Durchgreifen ist nicht seine Stärke, aber auch nicht seine Aufgabe. Varus verwaltet. In ihm haben die Willigen jemanden, den sie schätzen können. Aber die Unwilligen brauchen Leute, die sie fürchten können.«
»Leute wie Appius Aemilius Rullianus.«
»Genau. Rullianus besitzt die Rücksichtslosigkeit, die Varus fehlt. Leute wie Varus und Rullianus sind im Zusammenspiel unschlagbar.«
»Solange sie sich nicht ins Gehege kommen.«
In diesem Moment erschien ein Sklave mit einer Papyrusrolle in der Hand in der Tür. Augustus winkte ihn heran. Der Sklave reichte ihm wortlos das Schriftstück, der Princeps entrollte es und überflog den Text. Dann nickte er und blickte zu dem wartenden Sklaven auf. »Das läuft nicht über den normalen Kurier.«
»Patroklos?«, fragte der Sklave.
Der Princeps nickte. »Wenn es geht, sofort.«
Der Sklave verschwand wieder. Eine Weile war es still. Caius ließ seinen Blick über die Wandmalereien schweifen. Apollo und Daphne, die zum Lorbeerbaum wurde. Artemis mit einem Jagdhund, der fragend zu ihr aufschaute. Poseidon, lässig auf den Dreizack gestützt.
Nach wenigen Augenblicken tauchte ein kleiner, drahtiger Sklave mit pechschwarzen, etwas unordentlichen Haaren in der Tür auf. In der Hand hatte er eine runde Schatulle aus Leder, in die ein geometrisches Muster geprägt war.
»Das geht an den Propraetor in der Lugdunensis«, sagte Augustus mit leicht gedämpfter Stimme, während er den Papyrus mit geübten Händen wieder zusammenrollte und dem Sklaven überreichte. »Warte die Antwort ab.«
Der Sklave nickte, schob die Rolle vorsichtig und etwas umständlich in die Lederschatulle, zog an einem Band am oberen Rand des röhrenförmigen Behälters und setzte einen Deckel darauf, auf den eine ähnlich schlichte Verzierung geprägt war wie auf die Schatulle selbst. Dann entfernte er sich.
Augustus blickte auf seinen Becher. »Patroklos ist mein schnellster Bote«, sagte er mit einem anerkennenden Lächeln. »Er hat es mal fertiggebracht, die Strecke von hier nach Lugdunum und zurück in neun Tagen zu reiten. Wie er das geschafft hat, ist mir bis heute ein Rätsel. Seitdem überrascht er mich immer aufs Neue. Auch diese doppelwandige Schatulle ist eine Idee von ihm. Alle meine persönlichen Boten verwenden sie inzwischen für wichtige Nachrichten. Falls sie überfallen werden, findet man nur ein paar belanglose Briefe, in denen von Getreidehandel die Rede ist.« Augustus leerte den Becher mit einem Zug und nahm den Faden des Gesprächs mühelos wieder auf. »Solange sie sich nicht ins Gehege kommen«, rekapitulierte er, und Caius brauchte etwas, um zu begreifen, dass erneut von Varus und Rullianus die Rede war. »Früher oder später werden sie sich ins Gehege kommen. Rullianus ist ehrgeizig. Er wird nach dem Posten des Provinzstatthalters schielen. Das wiederum wird Varus anspornen. Ich denke, es werden noch zehn Jahre ins Land gehen, dann können wir die Lager vom Rhein an die Albis verlegen. Damit wäre die Grenze zu Gallien gesichert. Leider haben wir noch nicht viele genaue Informationen über das Land. Es heißt, vom Rhein bis zur Albis sind es dreitausend Stadien, aber nach neueren Berechnungen scheint es eher etwas weniger zu sein. Wie es weiter im Osten aussieht, darüber wissen wir fast gar nichts. Die Stämme dort sind angeblich noch zügelloser und kriegerischer als die Germanen, mit denen wir zu tun haben. Wenn das stimmt, dann frage ich mich: Kann es Menschen geben, bei denen jeder Versuch aussichtslos ist, sie an unsere Lebensweise zu gewöhnen?«
Quintus schwieg, und Augustus wandte sich völlig unerwartet an Caius und legte ihm die Hand auf den Arm. »Fragen wir doch mal die Jugend. Gibt es Menschen, die sich nicht zähmen lassen?«
Caius war völlig überrumpelt und die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Augustus lächelte ihn aufmunternd an. »Sag mir, was du denkst!«
Caius überlegte fieberhaft. »Ja«, antwortete er schließlich. »Ich glaube, dass es solche Menschen gibt.«
Augustus schien mit der Antwort gerechnet zu haben. »Aber haben wir das von den Germanen hinter dem Rhein nicht auch gedacht? Erleben wir mit ihnen nicht gerade genau das Gegenteil – mit Leuten wie Arminius?«
Alles, was Caius dazu einfiel, kam ihm unsagbar dumm vor. Da streifte ihn ein viel grundsätzlicherer Gedanke. Die Stimme seines Vaters klang ihm noch im Ohr: Er liebt es, wenn man ihm widerspricht. Caius nahm seinen Mut zusammen, doch gerade als er antworten wollte, betrat wieder einer der Sklaven den Raum. Die drei blickten auf.
»Appius Aemilius Rullianus ist soeben angekommen«, sagte der Sklave mit einem melodischen Singsang in der Stimme.
»Dann sind wir ja vollzählig«, gab Augustus zurück und erhob sich. Caius und sein Vater standen ebenfalls auf.
Ein paar Augenblicke später erschien ein keine vierzig Jahre alter, großer und massiger Mann mit sehr kurzen schwarzen Haaren im Schatten der Säulen. Er trug eine Feldherrenuniform, an deren Brustharnisch ein weißer Umhang mit Spangen befestigt war. Während der Sklave rückwärtsgehend aus der Tür verschwand, kam von der Seite ein zweiter Sklave, der dem Ankömmling schweigend Mantel, Harnisch und Schwertgehänge abnahm, während ein dritter dem neuen Gast eine Schale mit Wasser reichte. Achtlos tauchte Rullianus seine Hände hinein, rieb nachlässig die nassen Handflächen aneinander und ließ sie sich von einem vierten Sklaven umso ausgiebiger abtrocknen. Anschließend trat er mit einem breiten Lächeln in den Türrahmen.
»Rullianus«, sagte Augustus freundlich. »Deine neue Aufgabe steht dir.« Rullianus verneigte sich leicht. Er hatte Schweißperlen auf der Stirn und atmete schwer. »Keine Sorge«, setzte Augustus nach, dem nichts entging. Dann lächelte er vieldeutig. »Es wartet Kühlung auf dich.«
Nach der Begrüßung reichte ein Sklave Rullianus einen Becher mit goldfarbenem Wein, bevor er sich wieder entfernte.
Rullianus machte es sich auf dem Sessel links neben Caius bequem und blickte in sein Glas. Trotz seiner Statur hatte er ein fein geschnittenes Gesicht, das jedoch durch den militärisch kurzen Haarschnitt und einen überheblichen Zug um seine Mundwinkel eine unnahbare Härte bekam. Kurz begegnete Caius seinem abschätzigen Blick.
Dann schauten alle zu Augustus, der jetzt seinen Becher hob, den Gästen zutrank und sofort den Faden der Unterhaltung wieder aufnahm. »Wir sprachen über die Aufgaben, die in Germanien warten«, sagte er sachlich. Rullianus schwieg abwartend, und der Princeps fuhr fort: »Seit ein paar Tagen bekomme ich Nachrichten, dass Krieger einiger suebischer Teilstämme westlich der Albis aufgetaucht sind. Unsere cheruskischen Verbündeten glauben, es könnte sich um Anhänger von Marbod handeln. Sie wollen nicht ausschließen, dass von dieser Seite ein Angriff droht.«
Caius sah aus dem Augenwinkel, wie Rullianus Luft holte und seine Gedanken ordnete. Die Ankunft des Legaten hatte dazu geführt, dass er sich in Gegenwart von Augustus wieder klein und überflüssig vorkam. Er spürte, dass sich die Aufmerksamkeit des Princeps von einem Moment zum anderen vollständig auf die Angelegenheiten in Germanien konzentrierte.
»Ich habe gerade die Berichte der Kundschafter gelesen«, entgegnete Rullianus schließlich. »Marbod hält sich zurzeit am ganz anderen Ende seines Reiches auf.«
»Wie es der Zufall will, habe ich die Berichte auch gelesen«, gab Augustus spöttisch lächelnd zurück. »Marbod selbst wird dort ohnehin nicht angreifen. Vielleicht schickt er seine Freunde vor, um zu zeigen, dass man jederzeit mit ihm rechnen muss.«
Rullianus überlegte wieder. »Ich sehe da noch ein ganz anderes Problem«, sagte er. »Wie lange sind diese Cherusker schon unsere Verbündeten?«
»Spar dir deine rhetorischen Fragen.« Augustus machte eine wegwerfende Handbewegung.
Rullianus überging den Einwurf des Princeps. »Diese Sueben sind nicht nur wegen ihrer eigenen Überfälle ein Risiko. Sie hetzen unsere Verbündeten gegen uns auf.«
»Denen du ohnehin nicht über den Weg traust.«
»Wozu sie uns ja auch keinen Grund liefern. Sie haben in der Vergangenheit oft genug die Seite gewechselt.«
»Ihre Hilfstruppen sind hervorragend«, widersprach ihm Augustus.
»Solange sie für uns kämpfen.«
»Dazu werden sie bald wieder Gelegenheit bekommen.« Der Princeps richtete sich in seinem Sessel auf.
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Rullianus.
»Varus wird in ein paar Wochen zu einer weiteren Inspektionsreise ins Innere der Provinz aufbrechen. Allerdings wird er diesmal statt der üblichen Eskorte drei Legionen der Rheinarmee samt Hilfstruppen mitnehmen. Er hat von mir den Auftrag bekommen, an die Albis zu ziehen, den Strom zu überqueren und diesen Sueben einen Denkzettel zu verpassen. Die XVII. und die XVIII. unter dem Kommando von Caius Numonius Vala sind dabei. Und die XIX. Deine XIX.«
Rullianus zog eine Augenbraue hoch. »Vala und ich. Da werden die Sueben nicht viel zu lachen haben.«
Caius sah, dass Augustus seinem Vater einen kurzen Blick zuwarf, bevor er weitersprach: »Nicht nur die. Wir haben in der Provinz hier und da Probleme mit der Steuereintreibung.«
»Und Varus greift nicht richtig durch«, sagte Rullianus kopfschüttelnd.
»Varus ist ein erstklassiger Statthalter.«
»Aber er ist es gewohnt, Provinzen zu verwalten, in denen die Leute wissen, was Gesetze sind, was Steuern sind und warum man sie bezahlt. Das Problem in Germanien ist grundsätzlicher. Für die Leute dort sind unsere Steuern nichts anderes als Tribute, die der eine Stamm dem anderen so lange abpressen kann, wie das Kriegsglück auf seiner Seite ist. Dass sie mit ihren Steuern eine staatliche Ordnung erhalten, kümmert sie nicht, weil sie mit dieser Art von Ordnung gar nichts anfangen können. Dass unsere Gesetze den Frieden sichern, macht auf sie überhaupt keinen Eindruck, weil Frieden für sie kein erstrebenswerter Zustand ist. Wer Frieden bringt, ist nach ihrer Logik geradezu ein Unruhestifter.«
In diesem Augenblick schaltete sich Quintus ein, der das Gespräch die ganze Zeit aufmerksam, aber schweigend verfolgt hatte. »Da spricht der Soldat«, sagte er ruhig. »Kann es sein, dass Leute wie du und Vala nach all den Jahren bei den Legionen den Frieden selbst als eine Art unnatürlichen Zustand betrachten? Haben wir die meisten unserer Kriege nicht selbst vom Zaun gebrochen oder zumindest provoziert, um anschließend zu behaupten, die anderen hätten uns keine Wahl gelassen?«
Rullianus schien für einen kurzen Moment verunsichert. Offenbar war er Widerspruch nicht gewohnt, zudem strahlte Quintus nicht zuletzt durch sein höheres Alter eine überlegene Gelassenheit aus, auf die er nicht recht zu antworten wusste. »Natürlich haben wir das«, gab er zurück. »Aber alles andere hätte uns über kurz oder lang den nächsten Bürgerkrieg beschert.«
»Dann stimmst du mir zu, dass wir im Grunde nicht besser sind als sie. Wir fallen bei jeder Gelegenheit übereinander her.«
»Legionäre wollen beschäftigt werden.«
»Oder man entlässt sie mit einem Landgut.«
»Und wohin soll man sie entlassen, wenn es bei uns keine Landgüter mehr gibt? Oder willst du dein eigenes zur Verfügung stellen? Wenn man es passend parzelliert, dürfte es doch für ein paar Kohorten reichen!«
»Davon gehe ich aus«, sagte Quintus mit einem süffisanten Lächeln, ohne auf die Provokation einzugehen. »Aber du hättest Verständnis dafür, dass ich mich wehren würde, wenn man mir mein Land wegnehmen wollte?«
Rullianus begriff, dass er in die Falle gegangen war. Er blickte zu Augustus, als erwartete er Unterstützung von dieser Seite.
Doch der Princeps schien den Wortwechsel vor allem unterhaltsam zu finden. Schließlich ergriff er selbst wieder das Wort. »Wir sind bei unserer Ausgangsfrage: unterwerfen oder erziehen? Ich würde sagen, eine entschlossene Kombination aus beidem. Entschlossener als bisher. Härtere Strafen und reizvollere Belohnungen. Sie müssen verstehen, dass es keinen Sinn hat, sich uns zu widersetzen. Und sie müssen verstehen, dass sie aus ihrem Land mehr machen können, wenn sie von uns lernen.«
»In Germanien gibt es nicht viel zu holen«, sagte Rullianus mit abfälligem Unterton.
»Du solltest die Berichte genauer lesen. Unsere Landvermesser entdecken fast jeden Tag neue Hinweise auf Bodenschätze. Und die Äcker sind in weiten Landstrichen weitaus besser, als das Klima vermuten lässt. Ein paar von ihren Anführern haben bereits verstanden, was die neue Zeit ihnen für Möglichkeiten bietet. Ein paar andere beginnen es zu ahnen. Ein paar hundert Personen haben schon das Bürgerrecht. Und es werden mehr.«
»Das Bürgerrecht macht sie noch lange nicht zu Römern«, entgegnete Rullianus.
Augustus zog eine Augenbraue hoch. »Was sind denn Römer anderes als die Nachfahren derer, die irgendwann das Bürgerrecht bekommen haben?«
»Princeps«, sagte Rullianus und sah Augustus eindringlich an, »diese Barbaren werden niemals mit uns auf einer Stufe stehen. Sie kennen keine Loyalität. Sie verstehen nur eine Sprache.«
»Ich glaube, sie verstehen zwei Sprachen. Du sprichst eine davon. Varus spricht die andere. Und so findet jeder einen, der ihn versteht.« Augustus lächelte hintergründig. »Und da es zu einer Provinz Germanien schon wegen der Sicherung der Grenze zu Gallien keine Alternative gibt, müssen wir die Gangart wechseln. Mit dem neuen Feldzug zeigen wir den Einwohnern der Provinz und ihren Nachbarn, wo ihre Grenzen sind. Und zwar in jeder Hinsicht: die Grenzen des Landes und die Grenzen dessen, was wir zu dulden bereit sind. Und um die Zusammenarbeit zwischen Armee und Verwaltung besser zu koordinieren, werde ich einen Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen einsetzen. Jemanden, der keine eigenen Interessen vor Ort hat und weder der Armee noch der Verwaltung verpflichtet ist, aber beide Seiten kennt.«
Rullianus beugte sich vor und blickte wieder auf seinen Becher. Caius sah, wie er versuchte das Misstrauen in seinem Blick wie angestrengtes Nachdenken aussehen zu lassen. Die Idee mit dem Sondergesandten schien ihm nicht zu behagen.
Der Princeps fuhr unbeirrt fort. »Jemanden, dem ich voll und ganz vertrauen kann. Jemanden, der die Interessen des Staates im Auge hat und nicht die seiner eigenen Karriere.« Es klang wie ein Seitenhieb.
»Ich nehme an, du hast schon jemanden dafür ausgesucht«, sagte Rullianus lauernd.
»Das habe ich.«
»Und der Betreffende weiß, was ihn erwartet.«
»Er weiß es. Er weiß nur noch nicht, dass er ausgesucht wurde.«
»Dann wird es wohl auch Zeit, dass Varus davon erfährt.«
»Du willst damit sagen, es wird Zeit, dass du es erfährst.«
Rullianus lachte leise auf. »Ich will mich nicht vordrängeln. Vielleicht sollte dein Auserwählter es erst einmal selbst erfahren.«
Augustus lächelte und der ironische Zug um seine Mundwinkel war unübersehbar. »Es wäre ja auch gar nicht deine Art, dich vorzudrängeln.« Der Princeps machte eine Pause und beugte sich vor, um seinen Becher auf dem kleinen Tisch neben der Karaffe abzustellen. Die Spannung war kaum zu ertragen. Caius hörte, wie sein Vater Luft durch die Nase einzog. Augustus lehnte sich wieder zurück, dann blickte er Quintus gerade in die Augen. »Quintus Cornelius Castor«, sagte er, »mir fällt niemand ein, der für diese Aufgabe besser geeignet ist als du.«
Caius traute seinen Ohren kaum. Sein Vater als Sondergesandter des Princeps in Germanien! Ein Gefühl von Stolz durchflutete ihn wie ein warmer Regen.
»Du hast den besten Ruf in allen maßgeblichen Kreisen. Du kennst dich mit der Verwaltung aus und mit der Armee und hast von beiden den nötigen Abstand. Du hast Augenmaß und diplomatisches Geschick. Du bist ein hervorragender Anwalt. Und genau das brauche ich in Germanien: einen hervorragenden Anwalt.«
»Hervorragende Anwälte gibt es viele in Rom«, erwiderte Quintus.
»Aber keinen, der unbestechlich ist.«
Quintus schob das Kinn vor und lächelte. »Es ehrt mich, was du sagst, Princeps. Und es hätte mich doch sehr gewundert, wenn ich heute ungeschoren davongekommen wäre.«
»Du nimmst an?«
»Ja.«
»Du enttäuschst mich. Ich hatte damit gerechnet, dich lange bitten zu müssen.«
»Die Antwort wäre am Ende dieselbe gewesen.«
Mit welcher lässigen Entschlossenheit sein sonst so besonnener Vater eine Entscheidung fällte, die seinem ganzen Leben und dem seiner Familie eine neue Wendung geben würde, erstaunte Caius. Aus dem Augenwinkel musterte er Rullianus, der nicht recht wusste, wo er hinblicken sollte. Sein dünnes Lächeln kostete ihn einige Anstrengung. Die Idee mit dem Sondergesandten hatte ihm ganz offensichtlich schon nicht gefallen; darüber hinaus schien die Lobeshymne des Princeps auf Quintus seine eigene Eitelkeit zu verletzen.
Augustus beugte sich wieder vor und griff nach seinem Glasbecher. »Auf was trinken wir?«, fragte er.
»Auf die neue Provinz«, sagte Quintus.
»Auf die Rheinarmee«, gab Rullianus zurück.