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Nr. 371

 

Attentat auf die Sonne

 

Mausbiber Gucky als blinder Passagier – und als Eroberer des Geheimplaneten

 

von CLARK DARLTON

 

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Auf Terra und den anderen Welten des Solaren Imperiums der Menschheit schreibt man Mitte Oktober des Jahres 2436 n. Chr.

Heiko Anrath, der Mann, der während der Abwesenheit des Großadministrators als Perry Rhodans Double nach außen hin die Geschicke der Menschheit lenkte, war seiner verantwortungsvollen Rolle auf die Dauer nicht gewachsen. Gegnerische Agenten trieben den falschen Großadministrator in eine Psychokrise und beeinflussten ihn derart, dass er zum willenlosen Werkzeug in ihren Händen wurde.

Trotzdem wurden die Pläne der akonischen Geheimagenten unter Führung Orlin Raskanis durchkreuzt. Durch sein plötzliches Erscheinen im Solsystem und seine rückhaltlos offenen und ehrlichen Worte an die Menschheit konnte Perry Rhodan das Schlimmste verhindern und dafür sorgen, dass die Verteidigung des Solsystems gegen den zu erwartenden Großangriff der Zeitpolizisten nicht entscheidend geschwächt wurde. Major Orlin Raskani und seine Genossen mussten die Flucht ergreifen, ohne den Auftrag erfüllen zu können, der ihnen vom Energiekommando des blauen Planeten erteilt worden war.

Die Space-Jet, in der die Agenten fliehen, trägt zwei blinde Passagiere: Mausbiber Gucky und der Siganese Harl Dephin sind an Bord.

Die beiden verhalten sich ruhig, um nicht entdeckt zu werden. Doch sie greifen mit allen Mitteln ein, sobald sie vom ATTENTAT AUF DIE SONNE erfahren ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Major Orlin Raskani – Ein Mörder und ein Verräter.

Tathos von Abessos – Chef des Energiekommandos der Akonen.

Gucky und Harl Dephin – Zwei blinde Passagiere, die das Attentat auf Sol verhindern wollen.

Thuma Morbote – Kommandant des Terra-Kreuzers NEWPORT.

Captain Fang-Lu – 1. Offizier der NEWPORT.

Rugilat Pichens – Ein Flottenoffizier des Imperiums im Dienst der Akonen.

Perry Rhodan – Der Großadministrator empfängt den Notruf Nr. Eins.

1.

 

Durch die Unendlichkeit des Weltraums raste die diskusförmige Space-Jet ihrem noch unbekannten Ziel entgegen. Sie war bereits mehr als zweitausend Lichtjahre von der Erde entfernt, und mit jeder Sekunde wurde die Entfernung größer.

Der Kommandant, Major Orlin Raskani, war ein Doppelmörder und auf der Flucht.

Sein erstes Opfer war die Mutantin Laury Marten gewesen, der er den Zellaktivator abnahm, nachdem er sie kurzerhand erschossen hatte. Zusammen mit Rhodans Doppelgänger, dem inzwischen zum Verräter gewordenen Heiko Anrath, und sechs Akonenagenten floh er dann aus der gigantischen Raumfestung OLD MAN. Der Plan der Akonen, den Terranern diese stärkste aller Waffen zu rauben, war missglückt.

Aber auch Heiko Anraths Rolle war ausgespielt. Rhodan hatte die Menschheit davon unterrichtet, dass er mehr als acht Monate in der Kugelgalaxis M 87 verschollen war, während auf der Erde der eigens dafür geschulte Heiko Anrath notgedrungen seine Rolle übernahm. Die Absicht der Akonen, die Terraner gegen Rhodan aufzuwiegeln, war mit dieser Aufklärungsrede undurchführbar geworden. In seiner Wut tötete Orlin Raskani seinen nun wertlosen Verbündeten Anrath.

Nun gab es nur noch sechs Personen, die von dem geraubten Zellaktivator wussten.

Wer ihn besaß, der besaß zugleich auch das ewige Leben. Er, Major Orlin Raskani, konnte unsterblich werden – aber noch zögerte er, den kaum eigroßen Gegenstand um den Hals zu hängen. Erst wenn das geschah, würden die unsterblich machenden Impulse seinen Organismus durchdringen und jeden Alterungsprozess stoppen. Gleichzeitig aber begab sich Raskani in eine fürchterliche Gefahr. Wenn er den Zellaktivator auch nur wenige Stunden oder Tage trug, würde er ihn nie mehr ablegen dürfen, wenn er nicht binnen kürzester Zeit altern und sterben sollte.

Er kümmerte sich nicht um die sechs Akonen, die froh waren, mit dem Leben davongekommen zu sein. Tief in Gedanken versunken starrte er auf den Panoramaschirm, der in Flugrichtung einen einzelnen Stern zeigte. Der Computer gab in regelmäßigen Zeitabständen die Position bekannt. Der Kurs regulierte sich mit Hilfe des automatischen Programmgebers.

Und dieser Kurs führte direkt zum Rand der Galaxis.

Orlin Raskani strich sich nervös durch die rotbraunen Haare. Er war ein schlanker, hochgewachsener Mann, kühl, beherrscht und äußerst klug. Es gehörte zu seinen hervorstechenden Eigenschaften, niemals unüberlegt zu handeln, und er galt als skrupellos und brutal, wenn er sein Ziel erreichen wollte. Das hatte er mit dem Doppelmord wieder einmal bewiesen.

Immer wieder ging sein Blick zu dem verschlossenen Fach in der Wand, in dem der Zellaktivator ruhte. In seinem Rücken spürte er die Augen der Akonen, er fühlte ihre Gier nach dem unermesslichen Schatz, der so plötzlich in ihre Reichweite gerückt war.

Ein Zellaktivator, der ewiges Leben verlieh ...

Er war mehr wert als nur zwei Morde!

Er musste noch weitere sechs wert sein.

Als Orlin Raskani an diesem Punkt seiner Überlegungen anlangte, stand sein Entschluss bereits fest. Diese sechs Akonen, Mitglieder des berüchtigten »Energiekommandos«, das etwa mit dem Solaren Abwehrdienst verglichen werden konnte, waren Kreaturen, die jederzeit ersetzt werden konnten. Es würde kaum schade um sie sein. Und Raskani war durchaus in der Lage, die Space-Jet ohne Mannschaft zu steuern und sicher an ihren Bestimmungsort zu bringen.

Bestimmungsort ...?

Ziel ...?

Wohin wollte er überhaupt? Orlin Raskani, der kühle Denker, hatte plötzlich ein neues Problem, dem er seine Zeit widmen konnte. Sicher, nur die sechs Akonen in seinem Schiff wussten von dem Zellaktivator, aber mussten nicht auch Rhodan und seine Leute ahnen, wo der wertvolle Gegenstand geblieben war? Sie hatten die ermordete Mutantin gefunden und wussten, wer der Mörder war. Der Zellaktivator fehlte. Der logische Schluss musste sein: Der Mörder hatte ihn an sich genommen. Und wenn Rhodan es wusste, dann wussten es auch bald die Akonen.

Es gab kein sterbliches Wesen, das für ewig den Spürhunden zweier galaktischer Geheimdienste entkommen wäre.

Raskani versank erneut in tiefes Nachdenken und vergaß seine Umgebung. Die Space-Jet lag auf Kurs. Erst in einer halben Stunde kehrte sie in das Einstein-Universum zurück, um sich zu orientieren. Bis dahin war Zeit ...

Unsterblichkeit!

War das nicht der Wunschtraum aller Lebenden? Und dort, in dem kleinen Fach neben den Kontrollen, lag die Unsterblichkeit. Er brauchte nur danach zu greifen, denn sie gehörte ihm. Dann hatte der Tod seine Schrecken für ihn verloren, wenn er auch vor dem Mord oder Unfall nicht sicher sein konnte. Aber Krankheiten würde es nicht mehr geben, und niemals endende Frische würde durch seinen oft so müden Körper pulsieren.

Aber die Jäger, die Spürhunde ...!

Nun, die Galaxis war weit und unübersichtlich. Auch wenn Terraner und Akonen Tausende von Planeten kannten und besiedelt hatten, so war das doch nur ein winziger Bruchteil dessen, was erst bekannt geworden war. Es konnte noch Millionen unbekannter Planetensysteme mit fremden, intelligenten Rassen geben, die niemals die Raumfahrt entwickelt und Kontakt gesucht hatten. Wenn er, der unsterbliche Orlin Raskani, zu so einer Welt gelangte, würde er ihr Herrscher sein können – ihr ewiger Herrscher.

Bis die Spürhunde ihn fanden.

Nun gut, er würde erneut fliehen, bis er eine andere Welt fand. Vielleicht draußen am Rand der Galaxis, wo solche Welten dünner gesät und seltener waren. Genau am entgegengesetzten Ende des bekannten Universums, wo es nicht einmal geheime Stützpunkte der Terraner oder Akonen gab. Vielleicht würde es dort länger dauern, bis man ihn entdeckte, Jahrhunderte vielleicht, aber das spielte für ihn keine Rolle mehr.

Tausend Jahre spielten keine Rolle.

Orlin Raskani schüttelte den Kopf. Er wusste plötzlich, dass er sich etwas vormachte. Niemals würde es tausend oder auch nur hundert Jahre dauern, bis die Terraner ihn fanden. Ein Zellaktivator sandte Impulse aus, lichtschnelle und sehr starke Impulse, die über große Entfernungen hinweg registriert und identifiziert werden konnten. Empfing man diese Impulse, dann würde man wissen, dass sie von jenem Aktivator stammten, der einmal der Mutantin Laury Marten gehört hatte.

Nein, es gab kein Entkommen für ihn, solange er den Zellaktivator besaß. Die Galaxis war groß, unermesslich groß, aber sie war nicht groß genug, einem so begehrten Flüchtling wie ihm Schutz zu gewähren.

Er musste eine andere Lösung finden. Und vor allen Dingen musste er Freunde finden, die ihm halfen.

Seine sechs Begleiter kamen nicht in Frage. In ihren Augen hatte er die Gier aufblitzen sehen, als er den Zellaktivator ins Fach legte. Sie dachten an ein ewiges Leben, vergaßen aber dabei die Konsequenzen der Unsterblichkeit. Sie würden ihn töten, und der erste, der das Gerät packen könnte, würde es anlegen. Dann erst würde er begreifen, dass er sich damit fünf Todfeinde geschaffen hatte, mit denen er fertigwerden musste.

Dann würden es vielleicht nur noch vier, oder drei sein, ehe er starb. Der Überlebende, der Sieger, würde sich in der gleichen Lage befinden wie er, Orlin Raskani.

Warum also nicht gleich er, und dann überlegen?

Als Orlin Raskani sich vorsichtig umdrehte, sah er nur noch fünf Akonen. Der sechste, Menos von Thalan, war verschwunden.

»Wo steckt Menos?«, fragte er, ohne die Kontrollen zu vernachlässigen, die fast ständiger Beobachtung bedurften. Eine Space-Jet flog automatisch, aber selbst im Linearraum konnte es Hindernisse geben. »Ich habe angeordnet, dass wir uns alle in der Kommandozentrale aufhalten.«

»Was wollen Sie von Menos?«, kam die Stimme des Akonen plötzlich aus einer anderen Richtung, nämlich aus der Funkzentrale, gleich neben der Kommandozentrale. Orlin drehte sich um und blieb wie erstarrt sitzen. In der offenen Tür stand Menos von Thalan, in seiner Hand einen schweren Impulsstrahler, dessen Mündung er genau auf Orlin Raskanis Brust gerichtet hielt. »Ruhig bleiben, Raskani. Keine schnelle Bewegung!«

Raskani nahm sich als kluger Mann den Rat zu Herzen und blieb ruhig. Er warf einen Blick auf die Instrumente, ehe er sagte: »Was soll das, Menos? Sie wissen so gut wie ich, dass Ihre Handlungsweise sinnlos ist. Auch wenn Sie mich töten und den Zellaktivator nehmen, so werden Sie nicht weit damit kommen, auch wenn Sie unsterblich geworden sind ...«

Menos unterbrach ihn sachlich: »Wer sagt denn, dass ich ihn nehmen will? Ich will nur verhindern, dass Sie ihn nehmen, Raskani. Außerdem kann ich Ihre Gedankengänge erraten, wenn ich auch kein Telepath bin. Sie wissen noch nicht genau, was Sie mit dem Gerät anfangen sollen, aber es gibt einen ganz bestimmten Entschluss, den Sie bereits fassten und der unumstößlich ist: Sie haben die Absicht, mich und meine fünf Kollegen zu töten. Habe ich recht?«

Raskani fiel es nicht schwer, entrüstet zu tun.

»Sie sind wahnsinnig, Menos! Warum sollte ich Sie töten? Ich sehe keinen logischen Grund dafür.«

»Ich aber eine ganze Menge, Raskani.« Menos von Thalan kam nun ganz in die Kommandozentrale und ließ sich im Sessel des Zweiten Piloten nieder. Die Männer musterten einander, als versuchten sie, mit ihren Blicken in das Gehirn des anderen vorzudringen, um auch die geheimsten Gedanken erfassen zu können. »Es könnte doch sein, dass Sie den Zellaktivator für sich nehmen und damit fliehen wollen. Sie müssten uns dann erst beseitigen, denn lästige Zeugen können Sie nicht gebrauchen. Nach zwei Morden sechs weitere, und zwar an Freunden und Verbündeten. Nun, wie gefällt Ihnen das?«

Raskani lehnte sich zurück und drehte den Kopf so, dass er auch die übrigen fünf Männer im Auge behielt.

»Sehr gut, Menos von Thalan, wenn der Plan für Sie gilt. Genauso werden Sie es wahrscheinlich machen, nur wissen Ihre fünf Freunde noch nichts davon. Sie werden mit ihrer Hilfe den Zellaktivator an sich bringen und uns dann alle töten. Gut erraten, Menos?«

Er beobachtete die Gesichter der anderen fünf und konnte feststellen, dass sich Zweifel und Betroffenheit auf ihnen abzuzeichnen begann. Sein Schuss hatte ins Schwarze getroffen. Wenn er erst einmal Misstrauen gesät hatte, dann würde sein Plan, sich der Mitwisser zu entledigen, noch leichter gelingen.

»Reden Sie keinen Unsinn, Raskani«, sagte Menos wütend und ein wenig unsicher. »Sie sind so intelligent wie ich. Sie wissen daher auch genauso wie ich, wie sinnlos es wäre, den Zellaktivator anzulegen, um unsterblich zu werden. Man würde Sie oder mich durch das ganze Universum jagen. Und doch – Raskani: Der Zellaktivator schenkt seinem Träger nicht nur das ewige Leben. Er kann mehr! Er ist in der Lage, einem Sterblichen das ehrenvollste, ruhmvollste und reichste Leben zu ermöglichen. Haben Sie daran noch nicht gedacht?«

Raskani nickte langsam und betrachtete die Schublade unter dem Kontrolltisch, unauffällig und scheinbar ohne Absicht. In der Schublade lagen seine beiden kleinen Nadelstrahler.

»Natürlich habe ich daran gedacht, Menos. Es ist ohnehin die einzige vernünftige Lösung. Aber warum sollten Ruhm und Dankbarkeit nur einem einzigen von uns gelten? Warum nicht uns allen? Haben wir einen sorglosen Lebensabend nicht verdient, nachdem wir einen Zellaktivator fanden?«

Menos von Thalan schüttelte den Kopf. Die Mündung seines Impulsstrahlers zeigte unverändert auf Raskanis Brust, keinen Meter entfernt.

»Nein, denn wir haben versagt. Es war nicht unsere Aufgabe, einen Zellaktivator zu besorgen. Wir sollten OLD MAN erobern helfen, aber unser Plan wurde vereitelt. Hier im Schiff liegt noch die Leiche des Mannes, der Rhodans Doppelgänger war. Vielleicht wäre es uns möglich, mit dieser Leiche, wenn wir sie konservieren, noch einige Schachzüge durchzuführen – auch daran habe ich gedacht. Aber ich halte es für sinnlos. Wir haben versagt, und wir alle kennen die Strafe für Versagen. Tod!«

»Dann nützt uns auch der Aktivator nichts, Menos.«

»Doch, einem von uns! Nur einem von uns. Ich sehe Ihrem Gesicht an, Raskani, dass Sie nun begriffen haben. Und Sie werden verstehen, dass ich Sie nicht zu töten beabsichtige. Wenn wir unseren Vorgesetzten gegenübertreten, muss es einen Schuldigen geben – und der werden Sie sein, Raskani. Ihr Abstreiten wird nicht helfen, denn Sie haben sechs Zeugen gegen sich. Und wenn Sie gar beabsichtigen, dem Chef des Energiekommandos das Märchen aufzutischen, der Zellaktivator stamme von Ihnen und Sie hätten ihn einem Terraner abgenommen, wird das Gelächter von einem Ende der Milchstraße zum anderen brausen.«

Raskani hatte begriffen, was sie mit ihm vorhatten. Wenn er wirklich moralische Bedenken gehabt hätte, seine Verbündeten zu töten, so waren diese nun restlos geschwunden. Nun war es nicht mehr sein Entschluss, sie umzubringen, sondern sie zwangen ihn förmlich dazu, wenn er überleben wollte.

»Sehr poetisch ausgedrückt«, lobte er ironisch. »Ich frage mich nur, warum man Ihnen das glauben sollte? Schließlich wird jeder es durch unsere Agenten erfahren, wen Rhodan als Mörder dieser Mutantin sucht, der ich das Gerät abnahm.«

Menos von Thalan betrachtete ihn aufmerksam.

»Sie sind ein kluger Mann, Raskani, darum versuche ich nun zu begreifen, warum Sie etwas sagen, das meine Pläne ändern könnte. Wenn Sie tot sind, können Sie nicht mehr reden. Ich hingegen könnte dann behaupten, Sie hätten mit dem Aktivator fliehen wollen, um ihn für sich zu behalten. Als Toter werden Sie kaum das Gegenteil beweisen können.«

»Dann überlegen Sie mal«, schlug Raskani ruhig vor, ohne die Schublade aus den Augen zu lassen. Wenn er an seine beiden kleinen, tödlichen Waffen herankam, würde sich das Blatt in Sekundenschnelle wenden. Menos mit seinen schweren Impulsstrahlern würde gar nicht so schnell reagieren können. Ein Nadelstrahler verschoss winzige Stahlgeschosse, die beim Aufprall detonierten und einen Körper sofort zerrissen. Eine etwas altmodische Waffe gegen einen Impulsstrahler, aber sie hatte ihre Vorteile. Man musste sie aber vor allen Dingen erst einmal in der Hand haben. »Sie wollen den Zellaktivator einem Mann übergeben, der mit seinem Einfluss dafür sorgen kann, dass Sie den Rest Ihres Lebens, den Sie ja schließlich ihm zu opfern bereit sind, in Luxus verbringen dürfen. Der Gedanke ist nicht dumm, und ich hatte ihn bereits auch. Aber bedenken Sie, Menos: Dieser Mann wird unter allen Umständen erfahren, dass ich es war, der den Aktivator besorgte. Da werden Ihnen auch die Intrigen nicht helfen, die Sie gegen mich einzusetzen beabsichtigen. Und mein Tod erst recht nicht. Das Misstrauen wird immer bleiben – das Misstrauen gegen Sie, Menos.«

Raskani hatte längst registriert, dass alle Akonen bewaffnet waren. Aber sie trugen ihre Strahler im Gürtel. Nur Menos hielt den seinen schussbereit.

»Lassen Sie das meine Sorge sein, Raskani.«

»Nun gut. Aber Sie gestatten, dass ich mich um das Schiff kümmere, oder haben Sie alle Lust, dass wir im Innern eines Sterns in den Normalraum zurückkehren?«

»Ich werde das Kommando übernehmen, sobald der neue Kurs programmiert worden ist«, sagte Menos von Thalan und lehnte sich bequem zurück. Die Waffe behielt er im Anschlag. »Im übrigen weiß ich genau, dass ein Eintauchen im Kern einer Sonne unmöglich ist. Seien Sie also ein wenig vorsichtiger, wenn Sie mich abzulenken wünschen.«

Raskani nickte. Das war ein guter Rat, den er nur zu gern befolgen würde. Ihm blieb noch eine halbe Stunde, sich zu entscheiden. Eher konnte der neue Kurs nicht programmiert werden. Aber auch dieser Kurs führte ins Ungewisse – bis jetzt wenigstens.

Thalan hatte ihn auf einen Gedanken gebracht. Wenn er, Raskani, den Zellaktivator seinem obersten Chef überbrächte, so durfte niemand etwas davon erfahren, oder der Kommandant des akonischen Energiekommandos würde keine ruhige Minute mehr haben. Man würde von terranischer Seite aus noch immer ihn, Raskani, für den Träger des Aktivators halten, obwohl ein anderer ihn trug. Solange er sich in der Nähe des Chefs aufhielt, konnte man den Unterschied nicht feststellen. Das war seine Lebensversicherung.

Auf der anderen Seite durfte es keine Mitwisser geben, um die Tatsache eines Verrats auszuschalten. Er musste also seine sechs Verbündeten töten, und damit tat er seinem Chef noch einen lebenswichtigen Gefallen. Der Mord an ihnen würde gerechtfertigt sein.

»Wo haben Sie Ihre Waffe?«, fragte Menos von Thalan plötzlich.

Raskani wurde aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Er musste blitzschnell überlegen, um sich nicht zu verraten.

»Meine Waffe ...?«, dehnte er, um Zeit zu gewinnen – wertvolle Zeit, die über Leben und Tod entschied. »Welche Waffe meinen Sie?«

»Fragen Sie nicht so naiv, Raskani. Ich meine Ihren Nadelstrahler. Das wissen Sie genau. Wo ist er? Geben Sie ihn mir.«

Raskani vermied es, zur Schublade zu schielen. Ein Druck auf den Knopf unter dem Tischrand würde genügen, die Lade herausgleiten zu lassen. Es würde nur eine knappe Sekunde in Anspruch nehmen, sie in die Hand zu bekommen. Aber auch diese Zeitspanne konnte verkürzt werden, wenn er es geschickt anfing und sein Bluff gelang.

»Hier in der Lade«, sagte er ruhig.

Menos von Thalan rührte sich nicht von seinem Platz, und Raskani atmete erleichtert auf.