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Nr. 345

 

Verfolgungsjagd im Halbraum

 

Planeten zerbrechen unter ihren Händen! – Überriesen bedrohen die Sterneninsel M 87

 

von H. G. EWERS

 

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Abgeschnitten von der Erde und der heimatlichen Milchstraße, befinden sich Perry Rhodan, die Männer der CREST IV und die beiden Haluter Icho Tolot und Fancan Teik schon seit langen Wochen in der Kugelgalaxis M 87. Ein gangbarer Weg zurück konnte bisher noch nicht entdeckt werden, trennen doch mehr als 30 Millionen Lichtjahre das Solare Flaggschiff von seinem Heimatstützpunkt. Auch weiß niemand von den in den Weiten des Universums verschollenen Terranern, ob das Solare Imperium der Menschheit den Angriffen der Zeitpolizisten überhaupt wirksam hatte Widerstand leisten können.

Inzwischen schreibt man an Bord der CREST den 24. März des Jahres 2436 irdischer Zeitrechnung. Die Abenteuer und Gefahren, die Perry Rhodan und seine Gefährten seit Beginn ihrer Sternenodyssee in M 87 zu bestehen hatten, übersteigen bereits weit das Maß dessen, was terranische Raumfahrer in Jahrzehnten des galaktischen Flottendienstes gemeinhin zu erleben pflegen.

Aber noch läßt sich kein Ende der gefahrvollen Ereignisse absehen!

Nur wenn es Perry Rhodan gelingen sollte, die Herren von M 87 zur Hilfeleistung zu bewegen, könnte die CREST in die Milchstraße heimkehren. Der Großadministrator hat schon mehrere Versuche dieser Art unternommen – leider vergeblich, denn die Intelligenzen der Kugelgalaxis M 87 wollen nichts mit Leuten zu tun haben, die Freunde der sogenannten »Bestien« von Halut sind und bleiben.

Inzwischen hat Perry Rhodan dafür gesorgt, daß ein anderer Weg der »Kontaktaufnahme« beschritten wurde! Stützpunktingenieur Agen Thrumb, der verehrungswürdige Träger des blauen Zentrumsleuchtens, wurde vom »Planeten der tausend Freuden« entführt und zur CREST gebracht.

Der unfreiwillige Gast an Bord des Solaren Flaggschiffs ist allerdings nicht bereit, auf Perry Rhodans Angebote einzugehen. Als der Großadministrator dann schweres Geschütz auffährt, kommt es zur Katastrophe. Drei Lebewesen werden zu Überriesen, als die VERFOLGUNGSJAGD IM HALBRAUM beginnt ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Großadministrator des Solaren Imperiums.

Agen Thrumb – Der Stützpunktingenieur flieht in den Tod.

Roi Danton – Der Freihändlerkönig veranlaßt eine »Orgie«.

Gucky und Ras Tschubai – Die Mutanten finden einen neuen Freund.

Tschai Kulu, Ramdor und Jefferson – Planeten zerbrechen unter ihren Händen.

Das Alph – Ein rätselhaftes Energiewesen.

1.

 

Perry Rhodans Blick wanderte von der haluterähnlichen Gestalt des Stützpunktingenieurs hinüber zu John Marshall, der sich mit anderen Mutanten an Bord der CREST IV zu einem Funktionsblock zusammengeschlossen hatte.

Marshall schüttelte betrübt den Kopf.

Also nichts! dachte der Großadministrator. Wie konnte man diesem rätselhaften Wesen nur beikommen, wenn es absolut nicht gewillt war, sich mit den Menschen zu verständigen?

Erneut starrte er den Stützpunktingenieur an.

Agen Thrumb hatte sich seit seiner Gefangennahme in eisiges Schweigen gehüllt. Er schien die Menschen, die ihn überwältigt hatten, zu verachten, obwohl er am eigenen Leibe erfahren hatte, zu welchen Leistungen sie fähig waren.

Dennoch verhielt er sich keineswegs feindselig. Zweifellos verfügte er über gewaltige Körperkräfte, denn seine Verwandtschaft mit den Halutern stand fest. Er besaß nicht nur sechs Extremitäten, sondern auch den gleichen Halbkugelkopf mit Ordinär- und Planhirn wie Icho Tolot und Fancan Teik. Der Unterschied bestand hauptsächlich in der Körpergröße, die bei dem Stützpunktingenieur zwei Meter betrug – und in der beinahe blütenweißen Haut, die nur auf der Bauchseite von unregelmäßigen gelben Flecken bedeckt wurde.

Davon war allerdings im Moment nichts zu sehen, denn Agen Thrumb trug die Spezialkombination, die nach seinen Maßen von einem Fertigungsrobot der CREST IV angefertigt worden war, da der Haluterähnliche bei seiner Gefangennahme lediglich ein dünnes Nachtgewand getragen hatte.

Die vier Augen schimmerten gelblich und schienen gelinden Spott auszustrahlen, als sie Rhodans durchdringendem Blick standhielten.

Der Großadministrator erhob sich aus seinem Schalensessel und trat dicht vor Agen Thrumb hin. Sofort rückten Melbar Kasom und Oro Masut näher, um bei einem Angriff auf den Großadministrator eingreifen zu können. Die beiden Ertruser verfügten über etwa die gleichen Körperkräfte wie der Haluterähnliche.

Perry Rhodan winkte sie zur Seite. »Intelligente Lebewesen«, sagte er in der Sprache der Intelligenzen von M 87, »besitzen nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Pflicht, sich gegenseitig zu verständigen. Andernfalls erfüllen sie die Anforderungen nicht, die man an vernunftbegabtes Leben stellen muß. Weshalb also schweigen Sie, Druis?«

Absichtlich verwandte er die respektvolle Anrede, die von den untergeordneten Intelligenzen der ellipsoiden Kugelgalaxis M 87 den Stützpunktingenieuren gegenüber gebraucht wurde. Er war gewillt, die diplomatischen Höflichkeitsformen nicht zu verletzen, auch wenn es ihm unter den gegebenen Umständen schwerfiel.

Agen Thrumb gab lediglich durch ein Verziehen seines monströsen Mundes zu verstehen, daß er die Worte verstanden hatte. Aber er reagierte wiederum nur mit abweisendem Schweigen.

»Man sollte ihm die Zähne einzeln und ohne Betäubung ziehen, Sir!« murmelte Oro Masut grimmig, aber keineswegs ernsthaft.

Rhodan reagierte nicht darauf. Für ihn kam es überhaupt nicht in Frage, ein anderes intelligentes Lebewesen mit Hilfe mittelalterlicher Foltermethoden zu verhören. Damit hätte er sich und die Menschheit nur selbst degradiert.

Er wandte sich nach Marshall um.

»Rufen Sie Kitai, John!«

Der Chef des Solaren Mutantenkorps hob das rechte Handgelenk an die Lippen und sprach in den uhrförmigen Telekomempfänger, den er an einem Armband mit sich trug.

Knapp eine Minute später öffnete sich die Panzerpforte des Verhörraums und Kitai Ishibashi, der leistungsstarke Suggestor des Mutantenkorps, trat ein. Der ehemalige Arzt und Psychologe ging wie immer etwas vornüber geneigt, was zusammen mit seiner Körpergröße und Hagerkeit wirkte, als könnte er jeden Moment zusammenbrechen. Die schlitzförmigen Mandelaugen des geborenen Japaners aber verrieten mehr als normale Energien.

Drei Schritte vor Rhodan salutierte er lässig.

»Sir ...?«

Der Großadministrator lächelte gezwungen.

»Dieser Herr hier ...«, sagte er auf englisch und deutete mit den Augen auf den Stützpunktingenieur, »... zeigte bisher wenig Interesse an einer Unterhaltung. Ich möchte, daß sich das ändert, Kitai.«

In Ishibashis Augenwinkeln entstanden zahllose Fältchen. Mit scheinbar geistesabwesendem Blick umfaßte er die Gestalt des Haluterähnlichen, dann verhärteten sich seine Gesichtszüge blitzartig.

Perry Rhodan wartete mit angehaltenem Atem. Er wußte, daß Kitai Ishibashi soeben zu einem Überraschungsangriff auf paranormaler Ebene angesetzt hatte und versuchte, den Geist des Stützpunktingenieurs unter seinen Willen zu zwingen.

Auf Kitais Gesicht erschienen nach einer Weile feine Schweißperlen. Der Suggestor versteifte sich innerlich. Sein Blick trübte sich, und mit einem tiefen Seufzer gab er es auf.

»Kein Resultat, Sir!« meldete er in englischer Sprache, um dem Stützpunktingenieur keine Informationen zu geben. »Ich bin überzeugt davon, daß es nicht an der Gehirnstruktur dieses Wesens liegt. Agen Thrumb muß besonders konditioniert sein, oder er trägt irgendwo an seinem Körper verborgen ein Gerät, das ihn gegen parapsychische Einflüsse immunisiert.«

»Den gleichen Eindruck hatten wir ebenfalls«, warf Marshall auf englisch ein, und Gucky nickte bekräftigend.

Rhodan blickte auf Ralf Marten.

Der Teleoptiker schüttelte traurig den Kopf. Offenbar vermochte auch er, der normalerweise durch die Augen jedes fremden Lebewesens sehen und durch dessen Ohren hören konnte, seine Paragabe bei Agen Thrumb nicht nutzbringend einzusetzen.

»Wir legen eine Pause ein!« ordnete der Großadministrator an. »Kasom und Masut, Sie wachen vor der Zelle des Stützpunktingenieurs!« Er verwandte wieder das Zentrums-Idiom, damit Agen Thrumb mithören konnte. »Bringen Sie ihn in die Zelle zurück. Ich schicke zusätzlich Goratschin zur Verstärkung!«

Er warf dem Stützpunktingenieur noch einen fragenden Blick zu. Aber als Agen Thrumb auch nun sein Schweigen nicht brach, wandte er sich brüsk ab und verließ den Verhörraum.

Die Mutanten folgten ihm.

Oro Masut und Melbar Kasom aber traten neben den Haluterähnlichen und führten ihn zurück in seine schwer gepanzerte und zusätzlich durch Energieschirme abgesicherte Zelle, die dem Lebewesen zwar allen Komfort bot, jeden Ausbruchsversuch aber vereitelt hätte.

 

*

 

Mit beinahe gravitätischer Würde, wie es sich für einen Sikh gehört, der die Vorschriften seiner Religion ernst nimmt, schritt Major Pandar Runete auf den Großadministrator zu. Selbst in der hypermodernen Kommandozentrale eines Raumschiffes des 25. Jahrhunderts wirkten bei Major Runete Turban und geflochtenes Barthaar nicht lächerlich.

Seine Ehrenbezeigung fiel allerdings so exakt aus, wie es sich für einen Elitesoldaten der Solaren Flotte gehörte.

»Meldung von Moskito-Jet-Träger Zweite Flottille, Sir!« sagte Pandar Runete ernst und mit unbewegtem Gesicht.

Lordadmiral Atlan trat wißbegierig näher.

Rhodan nickte dem Major auffordernd zu.

Runete räusperte sich. Die Miene des ehemaligen berühmten Monstrenjägers drückte genau abgemessene Besorgnis aus.

»Der Kommandant der KC-231 hat befehlsgemäß drei Moskito-Jets ausgeschleust und zur Aufklärung ins Geeg-System geschickt. Die Jets kehrten vor fünf Minuten zurück. Sie meldeten als Ergebnis der Aufklärung übereinstimmend, daß weder Urlauberschiffe den Planeten Geegival anfliegen noch von dort starten. Der Erholungsplanet scheint unter einer Art Quarantäne zu stehen, Sir.«

Der Großadministrator nickte langsam, als hätte er dieses Aufklärungsergebnis halb erwartet.

»Danke, Major. Ihre Meinung ...?«

»Man bereitet anscheinend eine Gegenaktion vor, Sir. Leider läßt das Aufklärungsergebnis keinen Schluß auf die Art der Gegenmaßnahmen zu. Ich halte die Lage nicht für unmittelbar besorgniserregend, bitte aber um die Erlaubnis, die Aufklärungsaktion intensivieren zu dürfen.«

»Einverstanden. Veranlassen Sie alles Notwendige, Major.« Rhodan legte die Hand an den Mützenschirm und wandte sich ab. Der Major salutierte erneut und ging hinaus.

Atlan machte ein besorgtes Gesicht.

»Was hältst du davon, Perry? Eine Teufelei wird da ausgebrütet, da bin ich sicher.«

Der Großadministrator verzog das Gesicht zu einem ironischen Lächeln.

»Davon bin ich überzeugt, Freund. Warten wir ab, was Runetes Moskito-Jets an neuen Ergebnissen bringen. Mr. Lieber!«

Der kleingewachsene Chefmathematiker der CREST IV schob sich zwischen Gucky und Marshall in den Vordergrund. Er blickte mit seinen stets vorquellenden Augen zu Perry Rhodan auf und sagte mit gedämpfter Stimme, als brächte ihn die Anwesenheit so vieler prominenter Persönlichkeiten des Solaren Imperiums in Verlegenheit:

»Das positronische Verhörschema ist einsatzbereit, Sir. Die mathematischen Planspiele liefen zur Zufriedenheit ab. Mit einer Wahrscheinlichkeit von vierundsechzig Prozent wird Agen Thrumb wertvolle Informationen liefern – vorausgesetzt, Sie können ihn zur Beantwortung der Fragen bewegen.«

Atlan grinste freudlos.

»Das dürfte der springende Punkt dabei sein, Mr. Lieber.«

»Übrigens, Sir«, sagte der Mathematiker. »Ich hätte außerdem noch einen Vorschlag der Positronik zu unterbreiten, falls Sie nichts dagegen haben.«

»Wir hören!« erklärte Rhodan und verschränkte die Arme vor der Brust.

Dr. Josef Lieber lächelte plötzlich überlegen. Nun fühlte er sich in seinem Element. Alle Schüchternheit fiel von ihm ab.

»Nach Durchrechnung der Unterlagen B-12, Strich 33, Absatz 42, mittels integrierender ...«

»Verzeihung, Mr. Lieber«, unterbrach der Großadministrator ihn liebenswürdig, »aber verschonen Sie uns bitte mit Details. Nennen Sie nur die konkreten Ergebnisse.«

»Jawohl, Sir!« murmelte Lieber, aber man konnte seinem Gesicht ansehen, daß er diese Anweisung als Mißachtung seiner verantwortungsvollen Arbeit betrachtete. »Auf Grund der Berichtauswertung von Major Tschai Kulu kam die Positronik zu der Auffassung, daß eventuell eine Gegenüberstellung mit dem Major die Schweigsamkeit des Stützpunktingenieurs brechen könnte. Begründung: Major Kulu ist in gewissem Maße zur Schlüsselfigur geworden, als er den Planeten Firestone betrat und später mittels eines Transmitters zu dem privaten Forschungsraumschiff MINHAU transportiert wurde. Agen Thrumb wird ihn deshalb mit ganz anderen Augen ansehen als andere Vertreter der Menschheit. Wahrscheinlichkeit siebenundachtzig Prozent. Das ist ...«

»Eine sehr hohe Quote, ich weiß«, unterbrach Rhodan den Redefluß des Chefmathematikers. »Ich danke Ihnen für die wertvollen Informationen. Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet, Mr. Lieber.«

Dr. Josef Lieber fühlte sich durch die letzte Bemerkung des Großadministrators wieder mit seinem Schicksal versöhnt. Er marschierte stolzgeschwellt von dannen.

»Nun, meine Herren«, wandte der Großadministrator sich an die anderen Anwesenden, »ich denke, wir sollten sofort zum zweiten Teil des Verhörprogramms schreiten. Gucky, du begibst dich bitte zu Major Kulu und bereitest ihn auf seinen ›Auftritt‹ vor. Wir lassen unterdessen das Verhörprogramm des Positronengehirns ablaufen. Sobald John dir telepathisch ein Zeichen gibt, erscheinst du mit Major Kulu im Verhörraum. Klar?«

Der Mausbiber reckte sich und zeigte lächelnd seinen überdimensionalen Nagezahn.

»Klar, Chef!«

Fauchend schoß die Luft in das Vakuum, das bei seiner Teleportation entstand.

 

*

 

Tschai Kulu sah lächelnd zu, wie das rote Steak in dem Schlund Jeffersons verschwand. Der Schneegorilla schmatzte zufrieden und leckte anschließend mit seiner feuchten blauen Zunge über Kulus Gesicht.

»Pfui!« schimpfte der Major. »Deine Dankesbezeigungen sind nicht besonders nach meinem Geschmack, Jefferson. Ich wollte, du würdest dir gesittete Manieren angewöhnen.«

Er ging in den Waschraum, wusch sich das Gesicht und suchte danach sein Wohnzimmer auf, um über sein Schicksal nachzudenken. Seufzend ließ er sich in einen der bequemen Schalensessel sinken und schloß die Augen.

Obwohl er sich vorgenommen hatte, möglichst nicht daran zu denken, daß auf der Verbannungswelt Firestone sein richtiger Körper darauf wartete, befreit und erlöst zu werden, drängten sich Überlegungen dieser Art immer öfter und schmerzlicher in sein Bewußtsein. Von dem Tarfoler Ramdor, der das gleiche Schicksal erlitten hatte, wußte er, daß der Pyramidentransmitter auf Firestone ganz anders als die terranischen oder sonstigen bekannten Transmitter arbeitete. Er entstofflichte das zu befördernde Objekt zwar ebenfalls, aber nur, um dessen materielle Mikro-Struktur genauestens abzutasten. Was danach vom Transmitter abgestrahlt wurde, war nicht die entstofflichte Materie des Objekts, sondern lediglich das Strukturmuster, nach dem in dem Empfänger der MINHAU aus vorbereiteter Grundsubstanz ein Duplikat aufgebaut wurde. Das Original wurde innerhalb der Sendestation wiederverstofflicht, sobald der Strukturimpuls abgegangen war.

Das hatte zur Folge, daß nun sowohl von Ramdor als auch von Jefferson und Kulu jeweils ein Original und ein Duplikat existierten, eine psychologisch äußerst heikle Situation, denn eins wußte vom andern, und zumindest die terranische Mentalität verlangte nach Aufhebung dieses widernatürlichen Zustands.

Tschai Kulus Geist verlangte sogar zwingend danach. Gleichzeitig fürchtete sich das Duplikat vor der Aufhebung des bestehenden Zustands, denn Major Kulus Doppelgänger war sich darüber klar, daß die Aufhebung das Verschwinden einer Ausgabe seiner selbst voraussetzte – und dafür kam gemäß seiner eigenen Ethik nur das Duplikat – also in dem Falle er selbst – in Frage. »Er« würde also sterben müssen, und obwohl er sich trotz räumlicher Trennung noch immer eins mit dem Original fühlte, belastete ihn die alte Furcht des Menschen vor dem Tod von Stunde zu Stunde stärker.

Er fragte sich, ob er dem Großadministrator wirklich nur deshalb die Zwiespältigkeit seiner Existenz verschwiegen hatte, um ihn nicht zusätzlich zu den unmittelbaren Problemen noch mit diesem Problem zu belasten – oder ob seine Furcht bestimmend dafür gewesen war.

Als der Mausbiber Gucky plötzlich vor ihm materialisierte, schrak der Major heftig zusammen.

Gucky und die anderen telepathisch begabten Angehörigen des Mutantenkorps waren seine größte Sorge gewesen. Sie hätten unter Umständen herausfinden können, daß nur ein Duplikat Tschai Kulus zurückgekehrt war, und nach den bösen Erfahrungen, die man einst mit den Duplos der MdI gemacht hatte, wären Kulu, Ramdor und Jefferson möglicherweise automatisch als Feinde der Menschheit eingestuft worden.

Rasch verdrängte er diese Gedanken und bemühte sich krampfhaft, seinem Denken eine andere Richtung zu geben.

Gucky rümpfte die Nase.

»Bisher hatte ich dich immer für einen gebildeten Menschen gehalten, Tschai. Aber nach dem, was ich nun in deinen Gedanken lesen muß ...! Pfui! Das ist ja direkt unanständig!«

Kulu machte ein unglückliches Gesicht.

»Wenn du nicht als neugierig bekannt wärst, könnte ich an andere Dinge denken, Gucky. Als ›Geheimnisträger‹ bin ich nämlich verpflichtet, nichts an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Und wenn du meine Gedanken lesen würdest, könnte ich sie auch gleich in der Bordzeitung veröffentlichen.«

Der Mausbiber verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, wobei sein Nagezahn sich beinahe in der Unterlippe verhakt hätte. Er legte eine Hand auf das Brustteil seiner Kombination und rief pathetisch:

»So wahr ich aus dem großen Volke der Ilts stamme, ich werde von nun an deine Gedanken unangetastet lassen!«

Er stolperte und mußte von Kulu aufgefangen werden. Der Afroterraner lachte gepreßt.

»Ich vertraue deinem Wort, Gucky. Okay! Kommst du in offiziellem Auftrag oder privat?«