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Panik im Park

erzählt von Marco Sonnleitner

Kosmos

Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin

Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage

der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)

 

 

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© 2003, 2005, 2011, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

 

Based on characters by Robert Arthur.

 

ISBN 978-3-440-12878-7

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Das Monster im Park

»Und? Wie hat er dir gefallen?« Peter erhob sich aus seinem Sitz, klopfte sich ein paar Popkornkrümel von der Hose und schaute Kelly erwartungsvoll an.

»Na ja, ich weiß nicht«, erwiderte Kelly und zog skeptisch die Augenbrauen nach oben.

»Wie – du weißt nicht? Der Film war doch genial!« Peter schüttelte verständnislos den Kopf und zwängte sich langsam durch die enge Sitzreihe Richtung Ausgang.

»Ich fand ihn ja auch ganz spannend«, beschwichtigte Kelly ihren Freund, »aber ein Hund als Monster? Das nimmt dir doch heute niemand mehr ab!«

»Wieso nicht? Denk doch nur an – an –«

»Lassie?«

»Ach, jetzt hör aber auf!« Peter war jetzt fast ein wenig beleidigt.

»Ich bleibe dabei!«, erklärte Kelly bestimmt. »Mit einem Hund kann man heute vielleicht noch einen Familienfilm machen, aber keinen Krimi.«

»Das sehe ich aber ganz anders! Du solltest mal –«

»Könnt ihr zwei das vielleicht draußen ausmachen? Ich würde gerne heute noch hier rauskommen!«

Peter drehte sich abrupt um und schaute einem jungen Mann in Jeans und Bomberjacke ins Gesicht, der den Mund zu einem ironischen Grinsen verzog und unmissverständlich zum Ausgang nickte. Und da er gut einen Kopf größer war als Peter, hielt dieser es für angebracht, der freundlichen Aufforderung nachzukommen.

Erst draußen im Foyer des Rex-Filmpalastes traf er wieder auf Kelly, die sich bereits angeregt mit Bob unterhielt, während Justus eher schweigsam danebenstand.

»Ja, das finde ich auch«, war das Erste, was Peter hörte, als er sich dem kleinen Grüppchen näherte.

»Ein Alien oder ein genmanipuliertes Retortenmonster, das könnte ich mir heutzutage vorstellen! Aber ein Hund?«

Bob war also offenbar derselben Ansicht wie Kelly, was die Rolle des Hundes in dem Film betraf, den sie alle zusammen gerade angesehen hatten.

»Aber ihr müsst den Film doch in dem cineastischen Zusammenhang sehen, in dem er steht«, warf Justus ein.

»Was hat das mit China zu tun?«, fragte Peter verständnislos.

»Nicht China«, erklärte Justus, »sondern Cineastik, ein anderes Wort für Filmkunst. Der Hund von Baskerville spiegelt die kriminalhistorischen Umstände der Jahrhundertwende exakt wider. Damals gab es eben noch keine Aliens oder so etwas.«

»Und außerdem finde ich Samuel Higgins als Sherlock Holmes absolut Klasse«, stimmte Bob zu, der einfach mal hoffte, dass das zu dem passte, was Justus gerade gesagt hatte, denn so viel hatte er davon auch nicht verstanden.

»Also ich fand Brandon Dury süß«, meinte Kelly.

Die drei Jungs verdrehten nur die Augen, denn Brandon Dury fanden nun wirklich alle Mädchen »süß«.

Peter jedenfalls war froh, dass wenigstens Justus von dem Film genauso begeistert zu sein schien wie er. Gerade wollte er fragen, was sie jetzt noch unternehmen sollten, als ein kleiner, etwas untersetzter Mann auf sie zukam. Er hatte einen bunten Poncho um die Schultern und sah insgesamt genau so aus, wie man sich einen typischen Mexikaner vorstellt.

»Hola muchachos!«, grüßte er in die Runde und strahlte dabei über beide Backen.

»Isch euch gerne einladen in den neue mexikanische Taberna La Fortaleza!« Dem Akzent nach zu urteilen, schien der Mann tatsächlich Spanier oder Mexikaner zu sein. Und auch sein Temperament verriet unverkennbar südländische Züge, da er seine Worte mit weit ausholenden Armbewegungen unterstrich.

»Was meinen Sie mit einladen?«, fragte Justus nach und zog unwillkürlich den Kopf ein, um den rudernden Armen zu entgehen.

»Ah, jajajaja!«, gickelte der Mexikaner verschwörerisch. »Ihr jung Leute, ihr euch amusieren! Fiesta! Olé!«

Die drei Jungen schauten sich etwas ratlos an, während Kelly das Schauspiel aus dem Hintergrund belustigt verfolgte.

»Hier! Ihr sehen!« Der Mexikaner griff unter seinen Poncho und wedelte dann mit ein paar roten Bons. »Ich schenken euch Gutscheine für Getränke für neue Taberna La Fortaleza. Vielleicht ihr trinken viele lecker Champurado und Agua de Tamarindo und sagen, dass Pablo euch schicken, dann Pablo froh!«

Mit strahlenden Augen und einem herzerwärmenden Lächeln hielt der seltsame Vogel Peter die Getränkegutscheine hin, und Peter griff schmunzelnd zu. »O.k., Pablo, wir gehen hin, wenn ihr einverstanden seid?« Peter drehte sich zu den anderen um, die sich kurz mit Blicken verständigten und ihm dann lächelnd zunickten.

»Wir wollten sowieso noch etwas trinken gehen. Wo ist denn dieses La Fortaleza

»Ah, ganz einfach. Ihr gehen durch Palisades Park und auf andere Seite ihr hören Musik aus Méjico. Dort La Fortaleza!« Damit drehte sich Pablo um und stürmte auf die nächsten Kinogäste zu.

»Na, jetzt hat er ja, was er wollte. Aus den Augen, aus dem Sinn!«, wunderte sich Kelly über den überstürzten Abschied.

»Und wir haben Getränkegutscheine!«, jubelte Peter und schwenkte die Bons in der Luft.

»Scheint deine Woche zu sein, Peter. Erst schickt man dir die Freikarten fürs Kino zu und dann bekommst du auch noch diese Gutscheine geschenkt. Bist ein echtes Glückskind«, spöttelte Bob.

»Tja, so muss es dann wohl sein«, flachste Peter. »Also los jetzt! Auf ins La Fortaleza

Die vier jungen Leute verließen das Kino und machten sich auf den Weg zum nahe gelegenen Palisades Park. Der Rest der Kinobesucher verlor sich allmählich in der mondlosen Nacht von Rocky Beach, und bald waren die drei ??? und Kelly alleine unterwegs.

»Sag mal, Peter, wieso hat dir die Kalifornische Detektivvereinigung eigentlich diese Freikarten geschickt?«, erkundigte sich Justus scheinbar beiläufig auf dem Weg zum Park.

»Ach, sie haben irgendetwas von besonderen Leistungen und Gratulation und so geschrieben, ich habe es nicht mehr so genau in Erinnerung.«

Das war glatt gelogen. Peter konnte den Brief fast auswendig, denn es hatte ihn mit einigem Stolz erfüllt, dass er einmal im Mittelpunkt ihres Detektivunternehmens stand und nicht ihr Superhirn Justus Jonas. Das war bisher selten genug vorgekommen, obwohl es nun doch schon eine Weile her war, dass Justus, Bob und er dieses Unternehmen gegründet hatten. Und deswegen war es für Peter schon eine ungeheure Genugtuung gewesen, als die Kalifornische Detektivvereinigung ihm persönlich für seine außerordentlichen Leistungen in der Verbrechensbekämpfung gedankt und ihm die Kinokarten als Anerkennung zugesandt hatte. Aber das behielt er lieber für sich, und daher spielte er die Sache bewusst herunter.

»Ah so«, murmelte Justus, den die Geschichte mehr wurmte, als er zugeben wollte.

»Äh, Leute!«

Die drei ??? drehten sich um und blickten nach hinten. Kelly war plötzlich stehen geblieben.

»Was ist los?«, fragte Bob.

»Ihr wollt da nicht durchgehen, oder?« Kelly setzte ein skeptisches Gesicht auf und deutete auf den Park, der nun vor ihnen lag und sich völlig unbeleuchtet in nachtschwarzer Dunkelheit verlor.

»Wieso nicht?«, fragten die drei Jungs fast gleichzeitig und ziemlich verständnislos.

»Nacht, Park, Einsamkeit – klingelt da was bei euch?«, fragte Kelly spöttisch.

Langsam verstanden die Jungs.

»Ach was!«, lachte Bob. »Wir sind doch bei dir, was soll da schon passieren!«

»Eben! Von Einsamkeit kann keine Rede sein«, pflichtete ihm Peter bei, »außerdem wissen wir, wie man sich in solchen Situationen verhalten muss.« Peter wusste, dass er gerade dabei war, mit seinen detektivischen Erfahrungen mächtig anzugeben, und er wusste, dass Kelly das hasste. Aber er wollte ihr doch noch eins auswischen dafür, dass sie sich über den Film lustig gemacht hatte.

»Also, halte dich immer dicht bei uns, dann kann dir nichts geschehen!«

Jetzt verdrehte Kelly genervt die Augen und folgte ihren Beschützern.

Sie waren vielleicht drei Minuten im Park, als sie plötzlich aufschrie: »Au! Verdammt, verdammt!«

»Was ist denn los?« Die anderen waren sofort bei ihr.

»Ach, ich hab mir den Fuß an diesem doofen Stein hier gestoßen!«, jammerte sie.

»An welchem Stein?«, fragte Justus.

»Na an diesem Ding hier, das irgend so ein Idiot mitten in den Weg gelegt hat! Hier sieht man ja auch nichts, weil es stockdunkel ist!«, motzte Kelly. »Aber ihr musstet ja –«

»Schschtt!«, machte Peter plötzlich.

»Ach! Jammere ich vielleicht zu laut?«, fauchte ihn Kelly an. »Entschuldigung, dass ich diesen Felsbrocken hier über den Haufen gerannt habe. Ich werde ihn fragen, ob er mir noch einmal verzeiht! Oh, du armer Felsbrocken, hast du –«

»Schschtt! Jetzt sei doch mal still!«, fuhr Peter sie nun seinerseits an.

Augenblicklich verstummte Kelly. Sie schien irgendwie zu merken, dass Peter sie nicht abgewürgt hatte, weil ihn ihr Gejammere genervt hatte.

Und dann hörten es auch die anderen. Erst klang es wie ein weit entferntes Donnern oder wie eine U-Bahn, die unter ihnen hindurchfuhr. Die Sache war nur, dass es in Rocky Beach keine U-Bahn gab!

Das Donnern schwoll an, wurde lauter und … kam näher. Und plötzlich saß es wenige Meter vor ihnen im Gebüsch und war kein Donnern mehr, sondern ein drohendes, böses Grollen, das man sogar spüren konnte!

»Wa-was ist – das?«, stammelte Kelly.

»Ganz ruhig, verhaltet euch ganz ruhig«, flüsterte Justus, aber auch seine Stimme zitterte deutlich.

Das Grollen wurde höher, kehliger. Und plötzlich knackte ein Zweig.

»Ich will hier weg!«, kreischte Kelly und rannte los.

»Nein, Kelly! Nicht!«, brüllte Peter, aber es war zu spät.

Noch während Peter schrie, schoss ein riesiges, schwarzes Etwas aus dem Gebüsch und flog an den drei entsetzten Jungen vorbei. Wie erstarrt schauten sie dem Wesen hinterher, unfähig, auch nur einen Finger zu rühren.

Sekunden vergingen, bevor ein markerschütternder Schrei die pechschwarze Nachtluft zerriss.

Justus fasste sich als Erster und torkelte erst langsam, dann immer schneller in die Richtung, aus welcher der Schrei gekommen war. Aber nach wenigen Schritten wurde er bereits von Peter überholt, der atemlos in dieselbe Richtung stürzte. Schließlich löste sich auch Bob aus seiner Starre und folgte seinen beiden Freunden wie ein Schlafwandler.

Peter erreichte Kelly als Erster. Stoßweise atmend stand sie mit dem Rücken an einen Baum gelehnt und starrte wie paralysiert zu Boden. Keine zwei Schritte von ihr entfernt lag ein gewaltiger, schwarzer Hund und hechelte erschöpft.

»Kelly, um Himmels Willen, was ist passiert?«

Peter nahm seine Freundin in den Arm und barg ihr Gesicht an seiner Schulter. Aber statt einer Antwort fing Kelly nur hemmungslos an zu schluchzen.

Als die anderen bei den beiden ankamen, blickten sie nur ungläubig von dem schwarzen Hund zu der von Weinkrämpfen geschüttelten Kelly und wieder zurück zu dem schwarzen Hund. Keiner sagte ein Wort. Der Schock hatte ihnen die Stimme geraubt.

Der Hund hatte sich zwar mittlerweile ein wenig erholt, machte aber einen mindestens genauso verwirrten Eindruck wie die vier Jugendlichen um ihn herum.

»Lasst uns nach Hause gehen!«, sagte Peter leise.

Justus dachte noch kurz daran, die anderen zu fragen, was ihrer Meinung nach ein großer, herrenloser und offenbar gefährlicher Hund nachts im Palisades Park verloren habe, aber auch ihm war der Schreck zu sehr in die Glieder gefahren. Und so verließ er stumm und vor sich hin grübelnd mit Bob, Peter und Kelly den nächtlichen Park, während ihnen ein riesiger, schwarzer Hund fragend nachblickte.

Wilde Hunde

»Bob kommt mal wieder nicht aus den Federn!« Zum wiederholten Male blickte Peter nervös auf seine Armbanduhr.

Nach dem schockierenden Ereignis im Park hatten die drei Jungs noch die völlig aufgelöste Kelly nach Hause gebracht und sich für den heutigen Morgen zu einer Nachbesprechung des Vorfalls in ihrer Zentrale verabredet. Diese Zentrale war ein alter Campinganhänger, der zwischen Bergen von mehr oder weniger brauchbarem Trödel und Ramsch auf dem Schrottplatz von Titus Jonas stand. Seit Justus’ Eltern vor vielen Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren, lebte er bei Onkel Titus und Tante Mathilda.

Den Campinganhänger hatten die drei Jungen im Laufe der Zeit zu der sehr gut ausgerüsteten Kommandozentrale ihres Detektivunternehmens ausgebaut. Neben einem Telefon, einem Fax und einem hochmodernen Computer mit Internetzugang fanden sich darin sogar ein kleines Labor und eine Dunkelkammer.

»Bobs Pünktlichkeit steht in keiner Relation zu der Anzahl der Blicke, die du auf deine Uhr wirfst«, sagte Justus, ohne vom Monitor des PCs aufzusehen, wo er gerade eine neue Internetseite aufgerufen hatte.

»Was? Ich verstehe kein Wort!«, schnauzte Peter verständnislos, dessen Gedanken noch immer um den gestrigen Abend kreisten und darum, was seiner Freundin Kelly hätte passieren können.

»Du sollst dich hinsetzen und dich beruhigen. Bob wird schon kommen«, erwiderte Justus.

»Dann sag das doch! Musst du immer –«

»Entschuldigt die Verspätung, Leute!« Bob holte tief Luft und lehnte sich keuchend an die Wohnwagentür. »Ihr glaubt nicht, was heute Morgen in den Nachrichten kam.«

»Du hast Nachrichten gehört, während wir hier schon seit Stunden auf dich warten?«, blaffte ihn Peter empört an.

»Wenn du so freundlich wärst, dich zu erinnern, dass ich dereinst die Aufgabe übernommen habe, morgens die Lokalnachrichten zu hören, damit meine beiden werten Kollegen ebenfalls auf dem Laufenden sind, was in Rocky Beach los ist!« Bob war etwas erstaunt über Peters Attacke und blickte ihn fragend an.

»Äh, ja, natürlich – tut mir Leid«, entschuldigte sich Peter, »ich bin wohl noch etwas aufgeregt wegen gestern.«

»Und um diese Aufregung durch eine rationale Aufarbeitung der Geschehnisse abzubauen, haben wir uns heute hier getroffen«, schaltete sich nun Justus in das Gespräch ein und schaute von seinem Monitor auf. »Was hast du denn jetzt so Unglaubliches gehört, Bob? Erzähl mal!«

»Also, gestern Abend im Park –«, Bob machte eine kurze Pause und atmete noch einmal tief durch, »fanden noch zwei weitere Angriffe von Hunden statt!«

Peter und Justus starrten ihn entgeistert an.

»Was? Gestern Abend? Im Palisades Park?«, rief Peter fassungslos.

»Ja, wenn ich’s euch sage! Es kam sogar in Good Morning L.A. Der Sender wusste noch nichts Genaues, aber bei einem Angriff soll sogar ein Mann durch einen Golden Retriever leicht verletzt worden sein!«

»Durch einen Golden Retriever?«, wiederholte Justus skeptisch.

»Ja! Was ist daran so seltsam?« Bob hob fragend den Kopf.

Aber bevor Justus etwas sagen konnte, beantwortete Peter die Frage: »Golden Retriever sind eigentlich dafür bekannt, dass sie sehr gutmütig und menschenfreundlich sind. Sie sind beliebte Familienhunde, weil sie sich von Kindern so ziemlich alles gefallen lassen.«

»Woher weißt du denn das?«, hakte Bob nach.

»Eine Freundin meiner Mutter besitzt so einen Golden Retriever, und als sie letztes Jahr mal zwei Wochen in Urlaub war, hatten wir ihn zur Pflege bei uns zu Hause. Diese Hunde sind zu manchem in der Lage, das sage ich euch, aber niemals dazu, einen Menschen anzufallen!«

Bob kratzte sich am Kopf und pfiff leise durch die Zähne. »Aber wie kann dann so ein Schmusehund –«

»Warte, Bob, da fällt mir noch etwas ein!«, fiel ihm Peter ins Wort. »Vor ein paar Tagen hat mir meine Mutter erzählt, dass ihrer Freundin dieser Hund gestohlen wurde oder dass er ihr abgehauen ist. Sie ließ ihn wie immer kurz bei sich in der Nähe in den Park laufen, damit er sein Geschäft verrichten konnte, aber als sie nach ihm pfiff, kam er nicht mehr zurück. Bis heute ist er nicht mehr aufgetaucht.«

»Und was ist daran so besonders?«, erwiderte Bob. »Ich nehme an, dass in Rocky Beach hin und wieder mal ein Hund geklaut wird oder sich selbstständig macht. Das gilt wohl auch für diesen Golden Retriever.«

»Ja schon, aber die Freundin meiner Mutter wohnt am Palisades Park!«

Mit einem knappen »Uff« machte Bob seiner Überraschung Luft. »Und du glaubst …?«

Peter zuckte mit den Schultern und machte ein viel sagendes Gesicht.

»Augenblick, Freunde!«, ergriff Justus nun das Wort. »Lasst uns die Sache doch einmal ganz nüchtern betrachten.«

Der Kopf des Detektivunternehmens lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was haben wir denn alles bis jetzt? Erstens: Drei ungeklärte Angriffe von Hunden auf Menschen letzte Nacht im Palisades Park. Zweitens: Einer der Hunde war angeblich ein Golden Retriever, die eigentlich eher für ihre Harmlosigkeit bekannt sind. Drittens: Auch unser Hund – ich darf ihn der Einfachheit halber einmal so nennen – legte ein äußerst untypisches Verhalten an den Tag, indem er –«

»Halt, halt!«, unterbrach Peter plötzlich Justus’ Ausführungen. »Für einen Golden Retriever mag das ein ungewöhnliches Verhalten sein, wenn er Menschen anfällt, aber viele andere Hunde sollte man in der Hinsicht nicht unterschätzen!«

»Genau das meine ich ja, Peter!«, entgegnete der Erste Detektiv. »So, wie sich unser Hund benahm, mussten wir alle das Schlimmste befürchten. Und plötzlich –«

»… war er friedlich wie ein Lamm«, vervollständigte Bob nachdenklich den Satz.

»So ist es!«, stimmte ihm Justus zu. »Verstehst du, was ich meine, Peter?«

»Ja … so gesehen.« Peter rümpfte verwirrt die Nase.

»Also«, fuhr Justus fort, »das war Punkt drei. Und viertens wäre da noch der Umstand, dass der Freundin deiner Mutter, die am Palisades Park wohnt, vor einiger Zeit ein Golden Retriever abhanden gekommen ist.«

Justus sah seine Kollegen erwartungsvoll an: »Stimmt ihr mir so weit zu?«

Bob und Peter nickten, wussten aber darauf nichts zu sagen.

»Und was bedeutet das? Hm?«, drängte Justus ungeduldig.

Bob und Peter blickten sich ratlos an. Worauf wollte Justus hinaus?

»Könntest du uns vielleicht auch einmal mitteilen, welche Geistesblitze deinen Verstand durchzuckt haben?« Peter nervte es genauso wie Bob, dass Justus sie immer auf die Folter spannen musste und es sie bei jeder Gelegenheit spüren ließ, dass er der Erste Detektiv war.

»Kommt schon, das liegt doch auf der Hand!«, stichelte Justus weiter.

»Alles, was sich für mich aus deiner Zusammenstellung ergibt, ist, dass ich in Zukunft einen weiten Bogen um den Palisades Park machen werde!«, erklärte Peter.

»Ich glaube, Justus meint gerade das Gegenteil.« Bob konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Der Zweite Detektiv stutzte: »Wie? Du meinst … ?« In Peters Kopf begann es zu arbeiten, aber erst allmählich begriff er, worauf Justus offenbar hinauswollte.

»Oh, nein, meine Lieben, auf gar keinen Fall, ohne mich!«, protestierte er auf einmal lautstark. »In diesen Park bekommen mich keine zehn Pferde! Nicht nach dem, was letzte Nacht vorgefallen ist!«