Nr. 2620
Fremde in der Harmonie
Alaska Saedelaere entdeckt Unglaubliches – ein Wächter geht auf die Jagd
Christian Montillon
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Für die Menschen auf der Erde hat sich schlagartig das Leben verändert: Das Solsystem wurde von unbekannten Kräften in ein abgeschottetes Miniaturuniversum verbannt.
Nagelraumschiffe der geheimnisvollen Spenta dringen in das Solsystem ein. Sie selbst bezeichnen sich als »Sonnenhäusler« und betrachten Sol als ungeheuren Frevel. Sie stört der Umstand, dass in die Sonnenmaterie der Leichnam einer Superintelligenz eingebettet liegt. Um diesen Körper von der Sonne zu trennen, löschen sie den Stern. Gleichzeitig entführen die humanoiden Sayporaner Kinder und Jugendliche, um sie »neu zu formatieren«.
Perry Rhodan indessen steht an vorderster Front im Kampf um die BASIS und gegen die unheimliche Macht von QIN SHI in einer unbekannten Galaxis.
Von QIN SHIS Machenschaften weiß Alaska Saedelaere hingegen schon länger: Mit der LEUCHTKRAFT, einem Raumschiff aus kosmokratischer Fertigung, befindet er sich auf der Suche nach der verschollenen Enthonin Samburi Yura, die als direkte Beauftragte der Hohen Mächte unterwegs war. Offensichtlich sind sowohl QIN SHI als auch das geheimnisvolle Reich der Harmonie irgendwie in die Ereignisse verwickelt. Es gelingt Saedelaere, Kontakte zu einer Herzogin dieses Reiches zu knüpfen und von ihr in die Heimat mitgenommen zu werden. Aber wie willkommen sind FREMDE IN DER HARMONIE ...?
Die Hauptpersonen des Romans
Alaska Saedelaere – Die Maske des Unsterblichen wirkt schäbig.
Gardeleutnant Pridon – Der Escalianer knüpft Kontakte zu einem unharmonischen Maskenträger.
Uyari Lydspor – Der Harmoniewächter jagt Fremde.
Rhizinza Yukk – Die Herzogin erreicht ihre Heimat.
»Ich bin am Boden, doch nicht besiegt.«
(Alaska Saedelaere zugeschrieben, während er allein auf Terra wandelte)
1.
Uyari Lydspor,
Harmoniewächter
Ich schlich voran, und ich roch den Unharmonischen: Er duftete schief und falsch.
Das barg große Gefahr in sich. Dieses fremde Element widerstrebte der Harmonie. Deshalb musste es beseitigt werden.
Doch ich vermochte meinen Widersacher nicht ausfindig zu machen. Er verbarg sich vor meinen Sinnen, obwohl diese extrem geschärft waren. Ein genau genommen unmögliches Ergebnis meiner Analysen.
Also atmete ich tief durch. Nur wenn ich Ruhe fand, würde ich den Fremden lokalisieren. Nur so konnte ich ihn beseitigen, den Jyresca, den Unharmonischen, der das Verderben brachte. Allein seine Gegenwart bedeutete eine große Gefahr.
Doch um wen handelte es sich?
Er verbarg sich äußerst geschickt, das musste ich ihm lassen. Ihm haftete nicht der Duft der Harmonie an, jenes untrügliche Zeichen, das jeden von uns auszeichnete. Es ließ einen Escalianer erst zu dem werden, was er war.
Eigentlich hätte ich meinen Widersacher erkennen müssen. Schließlich war ich ein geübter Harmoniewächter.
Aber nein – obwohl er sich ganz in der Nähe aufhielt, tauchte er in der Masse unter. Er verbarg sich wie ein todbringendes Geschwür inmitten von pulsierendem Leben: eine Aura des Todes und der Vernichtung.
Und das ausgerechnet in der Harmonieschule! Als wolle der Jyresca jeden Harmonischen verhöhnen.
Wer war es?
Einer der Schüler? Das glaubte ich nicht. Es widersprach allen Erfahrungen, denn in solch jungen Jahren konnte kein Fremder eindringen und mich derart raffiniert täuschen.
Allerdings sprach die aktuelle Situation eben diesen Erfahrungen Hohn; ich müsste jeden Unharmonischen sofort riechen, lokalisieren und danach ausschalten können. In diesem Fall war es jedoch anders.
Oder handelte es sich um einen Erwachsenen? Es flanierten nicht nur Lehrer auf dem Gelände der Schule; auch Besucher, Eltern, ältere Studenten. Es wimmelte geradezu auf diesem zentralen Platz im Campus.
Ich vermochte den fremden Feind dank des falschen Geruchs ungefähr zu lokalisieren; zumindest die Richtung, in der ich suchen musste. Ein Blick auf mein Ortungsgerät offenbarte allerdings, dass sich im kritischen Bereich zwischen den Lehrgebäuden der Harmonieschule momentan 89 Personen befanden.
89 Verdächtige.
Zu viele, um sie alle festzuhalten, sie nacheinander zu vernehmen und ihnen die Maske vom Antlitz zu reißen. Also ging ich mitten durch die Menge und nahm jeden Einzelnen durch die Augenschlitze meiner Maske ins Visier.
Selbstverständlich verbargen sie alle ihre Gesichter, genau wie ich. Das änderte jedoch nichts daran, dass ich ihre Gefühle sehen und ihr Verhalten deuten konnte. All meine Erfahrung lehrte mich, sie binnen Sekunden auszusieben.
Die meisten fielen durch das Raster.
Fast alle hatten es eilig: die Arme angespannt, hastige Schritte, kleine und ruckartige Kopfbewegungen. Sie drängten sich inmitten der Menge zu ihren nächsten Unterrichtseinheiten. Oder sie wollten in einer knapp bemessenen Pause etwas essen.
Einige zeigten mir mit ihrer Körperspannung auch, dass sie nach einer Gelegenheit suchten, mit ihren Partnern Intimitäten auszutauschen.
Harmoniewächter mit weniger Erfahrung hätten dieses Verhalten vielleicht mit Unruhe oder Angst vor Entdeckung verwechselt und die Schüler bereits deshalb verdächtigt. Ein solcher Fehler unterlief mir nicht – ich war kein Anfänger, bereits seit vielen Jahren nicht mehr.
Mein Leben bestand darin, das Fremde zu erkennen und auszumerzen. Wenn ich aufwachte, war es mein erster Gedanke, wenn ich einschlief, mein letzter.
Also suchte ich konzentriert weiter nach der unharmonischen Aura, nach dem fehlenden Element der Harmonie. Nach dem, was ein Loch in unsere Existenz schlagen wollte und uns bedrohte.
Mit der Zungenspitze drückte ich auf den kleinen Spender an der Innenseite der Maske. Ein kurzer Sprühstoß, ein tiefes Einatmen, und das Onezinar erfrischte mich. Ich inhalierte tief und atmete langsam aus: ein durchdringendes Wohlbehagen, ein Schärfen aller Sinne.
Das Mädchen mit den dünnen roten Haaren, deren Spitzen sich wellten und in denen sich Assun-Symbionten schlängelten, beachtete ich nicht. Es war harmlos, zumindest in meinen Augen. Sämtlichen Schülern ihres Jahrgangs mochte sie den Verstand rauben, sie mochten davon träumen, einmal einen Symbionten mit ihr zu tauschen.
Sie stand genau im Schatten des hohen Lehrturms, auf dessen Krone die Kristalle in der Sonne blitzten. Als ich sie anschaute, fiel das Licht so unglücklich seitlich in mein Auge, dass es mich zum Niesen reizte. Mein Kehlsack blähte sich unkontrolliert, und die Warzenhaut im Gesicht spannte.
Mein Blick glitt weiter, und ich blendete all die allzu offensichtlichen Details meiner Umgebung aus, die mich ablenken wollten: Zeichnungen auf Boden und Wänden, Satzfetzen, bedeutungslose Empfindungen wie ein Windstoß, das Stolpern eines Lehrers, das automatische Zurechtrücken der Maske ...
Nur das eigentliche Ziel zählte.
Und dann sah ich ihn.
Im Schatten des kleinsten Gebäudes, das die Speiseräume beherbergte, stand ein Junge. Kein Kandran wie ich, sondern ein Humanoide, schätzungsweise zwischen zwölf und vierzehn Jahren alt.
Er lehnte mit dem Rücken an einer der geschlungenen Säulen, die sich in vier Metern Höhe wolkenartig verbreiterten und die Ursprünge der Harmonie symbolisierten. Seine Hosen endeten eine Handbreit über den Knöcheln, die Haut war bleich.
Seine Maske umschloss den ganzen Kopf und erweckte die Illusion, keine Augenschlitze zu haben – eine dumme Modeerscheinung, die sich in gewissen Kreisen breitmachte und der ich überhaupt nichts abgewinnen konnte. Es galt wohl als avantgardistisch und als neue Welle der Harmonie.
Ich erkannte es als das, was es war: Unfug!
Ging die Störung von ihm aus? War er der Jyresca?
Er stand nicht entspannt da, wie er geradezu verzweifelt den Eindruck erwecken wollte, sondern vielmehr bemüht gelassen. Seine Finger nestelten kaum merklich an einer Art Münze, nein, einem viereckigen Metallplättchen, groß wie sein Daumennagel. Es wanderte zwischen den Knöcheln umher ... drehte sich ... und wieder zurück.
Vielleicht ein Datenträger oder – ein Sprengkörper?
Da ich wusste, wo die Augenschlitze bei einer solchen Maske wirklich lagen – nämlich durch ein raffiniertes Spiegelungssystem leicht zur Seite versetzt bis zu den Schläfen –, konnte ich sehen, wie der Junge mithilfe von knappen Kopfbewegungen seinen Blick immer wieder über den Platz schweifen ließ.
Kein Zweifel, er suchte jemanden.
Mich? Oder genauer gesagt den Jäger, dessen Gegenwart er sicherlich spürte, aber dessen Identität er ebenso wenig kannte wie ich die meines Feindes?
Ich schnupperte.
Ja, es kam aus seiner Richtung.
Dort fehlte etwas. Die Harmonie. Ich vermochte es noch nicht zu beweisen, aber ich fühlte, dass ich mein Zielobjekt gefunden hatte.
Dieser untrügliche Jagdinstinkt war stets einer meiner wertvollsten Ratgeber. Mehr als einmal war ich in der Vergangenheit deswegen den nüchternen Fakten meiner Kollegen voraus gewesen. Sie verließen sich nur auf Logik, Analysen und Beweise.
Er war es! Genau dieser humanoide Junge. Ich könnte mit einem sauberen Schuss ...
Aber nein. Nicht mitten in der Menschenmenge. Es gäbe eine zu große Unruhe, möglicherweise sogar eine mittelschwere Panik.
Ganz zu schweigen von den Erklärungen, die hinterher notwendig wurden. Ich stand nicht gern im Mittelpunkt.
Also musterte ich ihn noch einmal, nahm sehr rasch jedes Detail seiner Erscheinung in mich auf. Sein Alter korrigierte ich auf vierzehn, vielleicht fünfzehn Jahre. Die Maske sah teuer aus, die Kleidung ebenfalls.
Er besaß umfassende finanzielle Mittel, aber er gaukelte womöglich etwas vor, was er gar nicht war. Viele kleine Unstimmigkeiten sprachen dafür. Er war nicht sorgfältig genug vorgegangen, um mich täuschen zu können.
Diese Unlogik und Fehlerhaftigkeit in den Details seines Erscheinungsbildes lieferte den letzten Beweis. Eigentlich wäre es gar nicht nötig gewesen, aber es schadete auch nichts.
Nun durfte ich meinen Vorteil nicht verschenken. Ich kannte ihn ... er aber noch nicht mich. Wenn ich mich zu auffällig verhielt, spielte ich ihm nur in die Hände. Identifizierte er mich, herrschte wieder Chancengleichheit.
Im Unterschied zu ihm hatte ich auf meine Tarnung größten Wert gelegt. Alles, was mich als Harmoniewächter auszeichnete, trug ich nicht bei mir. Nicht die offizielle Uniform und das Abzeichen, nicht die typischen Waffen.
Mein Äußeres als Uyari Lydspor hatte ich ein wenig verändert; das krötenartige Gesicht unter der Maske war fülliger, was die gesamte Kopfform änderte und den Eindruck eines zu Fettsucht neigenden Kandran erweckte.
Ich wandte mich ab. Mein Widersacher konnte ab sofort die Kleidung, sogar die Maske wechseln – ich würde ihn dennoch wiedererkennen.
Ich sprach einen der Lehrer an; einen der obersten, wie mir das gold-purpurne Abzeichen der Harmonieschule verriet, das er rechts oben an seinem Gesichtsschutz trug.
»Wo findet der Vortrag über die Gründung von Klionas statt?«, fragte ich ihn – bedeutungslose Worte, die ersten, die mir in den Sinn kamen.
Er stockte mitten im Lauf. »Ich weiß nichts davon.« Seine Stimme klang hoch und verwundert. »Bist du sicher, dass ...«
»Schon gut«, unterbrach ich ihn. »Ich frage anderswo nach.«
»Mir ist nicht bekannt, dass zurzeit Forschungen über die Geschichte unserer Hauptstadt stattfinden.« Nun lag merkliche Irritation in seiner Stimme.
»Dann habe ich mich getäuscht«, sagte ich. Er ging mir auf die Nerven. Er sollte doch nur ein simples Ablenkungsmanöver ermöglichen, nicht mehr!
Ich stockte.
Der Junge an der Säule war verschwunden.
Mein Blick huschte nach rechts, nach links; vergeblich. Mein Gegner war nicht mehr zu sehen.
Der Lehrer ging inzwischen weiter. Er trug ein lose fallendes Gewand, dessen Saum über den Boden schleifte.
Setzte er seine Schritte nicht ein wenig zu schnell? Oder spielte mir mein ständig wachsendes Misstrauen einen Streich? Ich wäre nicht der erste Harmoniewächter, der am Ende seiner Laufbahn unter Verfolgungswahn litt. Jeder Bürger des Reiches der Harmonie neigte dazu; bei einigen Berufsgruppen fiel es stärker ins Gewicht, bei anderen weniger.
Nur dass ich nicht bereit war, an das Ende meiner Laufbahn auch nur zu denken.
Da!
Hinter dem letzten Wolkenausläufer der Säulen, am Ende der Wendeltreppe ins Dachgeschoss – dort verschwand der Jyresca durch eine offene Tür!
Ich eilte los, hetzte die Stufen nach oben. Zum Glück befand sich niemand vor mir. Jeder Schritt hallte, versetzte das Ziergeländer in leichte Schwingungen. Einmal flackerte sogar die unsichtbare energetische Schutzwand, als ich in meiner Eile mit der Schulter dagegen stieß.
Keine zehn Sekunden nach meinem Widersacher betrat ich das Zimmer im Obergeschoss.
Und starrte tausend Versionen meiner selbst entgegen.
*
Ich war dick.
Viel zu dick, und meine Maske zerfloss an den Rändern zu nebligen Schlieren, die sich in der Unendlichkeit verloren.
Als ich mich umdrehte, schmolz ich geradezu zusammen, zerfiel in tausend Tropfen und war bald so dünn wie ein Zauberstab aus einem Kindermärchen.
Mein Herz schlug schmerzhaft in den Zahnwurzeln. Im nächsten Moment stolperte ich und krachte mit vollem Gewicht gegen einen der Zerrspiegel in diesem bizarren Kabinett.
Er barst, und Splitter prasselten zu Boden.
Das filigrane holografische System löste sich auf, Dutzende Abbilder zerplatzten.
Eine Alarmsirene gellte, und die Tür schlug hinter mir zu. Ein energetischer Käfig baute sich flirrend um mich auf.
»Sicherheitspersonal wird in wenigen Sekunden diesen Raum erreichen«, hörte ich eine automatische Robotstimme. »Bitte leiste keinen Widerstand.«
Das durfte doch nicht wahr sein!
»Du hast den Hauptspiegel zerstört, der die Daten der Besucher aufnahm und verteilte. Der Schaden, den du an dem Gesamtkunstwerk verursacht hast, beläuft sich auf ...«
»Still!«, befahl ich barsch. In diesem Moment war mir alles egal. Mein Widersacher hatte mich ohnehin enttarnt, davon war ich überzeugt. »Ich bin Uyari Lydspor.«
Zweifellos durchsuchte das Sicherheitssystem bereits die Datenbanken und überprüfte mein Stimmenmuster.
»Harmoniewächter«, ergänzte ich.
Der Käfig um mich löste sich auf.
»Wir bitten vielmals um Entschuldigung. Du kannst selbstverständlich weiter ...«
Mehr hörte ich nicht. Ich achtete nur auf die raschen Schrittgeräusche vom anderen Ende des Raumes, der – wie ich nun wusste – als Ausstellungshalle der Kunstschüler diente.
Der Unharmonische floh!
Ich rannte ihm nach, übersprang einen Holoprojektor. Dann war da wieder ein Bild von mir, eines, das mir sogar bis aufs Haar glich, wenn es auch um einige Jahre älter war.
Seltsamerweise nahm ich jedes Detail in mich auf – nein, das war mehr als nur seltsam. Ich fühlte es so intensiv, dass die Darstellung zweifellos über einen Psychosensor auf meine Gefühlswelt zugriff und Gedächtnisengramme aufblitzen ließ:
Ich bin Uyari Lydspor, nicht nur acht Urd alt wie in der Realität, sondern 14 davon. 1,95 Meter groß, mit nicht mehr sehr kräftigen und langen Sprungbeinen. Der gedrungene Rumpf ist fülliger als in der jetzigen Wirklichkeit, und durch die alte vom Alter schäbige Maske sehe ich sogar den breiten Mund im haarlosen Kopf. Die lang gestreckten, dünnen Finger bewegen sich langsam. Die Kugelaugen quellen hervor, die Pupillen bilden lange Spalten in der orangefarbenen Iris. Mein Kehlsack bläht sich auf, und die Luft entweicht pfeifend wie bei einem alten Kandran. Einer der spitzen Zähne im Oberkiefer fehlt, und plötzlich schnellt die Fangzunge mehr als zwei Meter weit aus dem Mund; sie ist immer noch kräftig. Meine ölige, graubraune Haut ist übersät von Warzen und glänzt vor Feuchtigkeit.
Der Anblick weckte starke Traurigkeit und die Gewissheit von Vergänglichkeit. Außerdem empfing ich eine mentale Botschaft, die mir versicherte, dass dieses Abbild aufgrund genauer biometrischer Messungen und Prognosen erstellt worden war.
Wenigstens trug ich noch das kleine, nestförmige Hütchen, den Rest von meiner ...
Ich fluchte, als ich bemerkte, wie sehr mich dies alles ablenkte. Ich verhielt mich wie ein blutiger Anfänger!
Mein Gegner war raffiniert; zweifellos hatte er mich mit voller Absicht ausgerechnet an diese Stelle geleitet. Und ich war ihm gefolgt wie eine Figur im Schauspiel, die ihren vorgegebenen Text spricht und die Wege geht, die der Regisseur ihr vorschreibt.
Es ärgerte mich maßlos, und ich ging weiter. Endlich lag das Abbild hinter mir. Ich sah gerade noch, wie mein Feind durch die mittlere von drei nebeneinanderliegenden Türen floh.
Oder doch nicht?
War er es wirklich gewesen?
Die beiden anderen Türen bewegten sich ebenfalls, als wären sie gerade erst benutzt worden.
Ich sprang hindurch, auf alles gefasst, und sah mich mit einer Vielzahl von Jugendlichen konfrontiert, alle im Alter des Unharmonischen.
»Ich bin ein Harmoniewächter!«, schrie ich. »Wo ist der Jyresca, der vor mir flieht?« Auf diese Frage erntete ich etwas, das ich niemals erwartet hatte:
Keiner der Schüler unterstützte mich. Nicht einer von ihnen tat seine Pflicht. Stattdessen griffen sie mich an!
Fäuste reckten sich in meine Richtung, einer aus der Menge schwang sogar einen Knüppel aus Metall. Pfeifend zischte er auf meinen Kopf zu. Ich duckte mich, stieß gleichzeitig den Arm nach oben und bekam die Waffenhand zu packen.
Ein Ruck, und der jugendliche Angreifer – nein, die Angreiferin – fiel mir entgegen. Sie war dürr, leicht wie eine Feder und roch nach einem durchdringenden Parfüm. Der Duft verwirrte meine Sinne wie Drogenrauch.
Einen Augenblick lang blitzte es vor meinen Augen.
Das war doch kein Zufall! Was ging hier vor? Standen etwa all diese Schüler mit dem Unharmonischen im Bunde? Oder sollten sie alle ...
... Fremde sein?
Das konnte nicht sein! Bei TANEDRAR, das konnte und durfte einfach nicht sein! Und so war es auch nicht, wie ich trotz der Verwirrung durch die Duftstoffe deutlich roch.
Ich stieß das Mädchen von mir, einem Schüler entgegen, in dessen Hand ein Messer blitzte. Sie fiel auf ihn, riss ihn zu Boden. Der Aufschlag prellte ihm die Klinge aus der Hand; sie schlitterte beiseite.
Zwei Jungen gingen zum Angriff über.
Kinder, anders konnte ich sie nicht nennen.
Einerseits war das natürlich mein großes Glück, denn gegen insgesamt acht erwachsene oder sogar ausgebildete Gegner hätte ich mich kaum effektiv zur Wehr setzen können – andererseits verwunderte es mich.
Was trieb diese Kinder und Jugendlichen an? Ihr Verhalten war – unmöglich! Sie waren Escalianer!
Den Faustschlag des einen blockte ich ab, dem Tritt des anderen wich ich aus und schlug ihm gleichzeitig das Standbein weg. Er landete unsanft auf dem Rücken.
Dann überraschte er mich doch, denn ein kräftiger Schwanz klatschte mir wie eine Peitsche gegen den Hals.
Der Junge war einer der affenartigen Pondorik, von denen nur wenige auf Klion anzutreffen waren! Wie hatte ich das nur übersehen können!
Der Schlag trieb mir die Luft aus dem Kehlsack. Mein ganzer Körper krümmte sich vor Schmerzen instinktiv zusammen.
Plötzlich war wieder jemand heran, mit einem merklich längeren Messer als der erste Angreifer. Ich stieß mich mit den Hinterbeinen ab, streckte mich in der Luft, flog über sie hinweg, rammte einem den Fuß gegen die Stirn und landete klatschend.
Sie schrien.
Ich wirbelte herum, schlug zu. Mit einem Krachen brach ein Handgelenk. Einer der Schüler jaulte vor Schmerz. Andere wichen zurück.
–