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IMPRESSUM

COLLECTION BACCARA erscheint vierwöchentlich in der Harlequin Enterprises GmbH

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Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)

Cheflektorat:

Ilse Bröhl

Lektorat/Textredaktion:

Anja Ruppel

Produktion:

Christel Borges, Bettina Schult

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

Vertrieb:

Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstraße 77, 20097 Hamburg, Telefon 040/347-29277

Anzeigen:

Christian Durbahn

Es gilt die aktuelle Anzeigenpreisliste.

 

© 2010 by Charlene Swink

Originaltitel: „The Billionaire’s Baby Arrangement“

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

in der Reihe: DESIRE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Roman Poppe

© 2010 by Paula Roe

Originaltitel: „The Billionaire Baby Bombshell“

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

in der Reihe: DESIRE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Alina Lantelme

© 2008 by Robyn Grady

Originaltitel: „Baby Bequest“

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

in der Reihe: DESIRE

Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Übersetzung: Alina Lantelme

Fotos: Harlequin Books S.A.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: COLLECTION BACCARA Band 308 (12) 2011

by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

Veröffentlicht als eBook in 11/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

ISBN: 978-3-86494-002-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

COLLECTION BACCARA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, HISTORICAL MYLADY, MYSTERY, TIFFANY HOT & SEXY, TIFFANY SEXY

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Charlene Sands

Heiße Küsse – kalter Verrat?

1. KAPITEL

Nick Carlino stieg in seinen Ferrari und verließ den Parkplatz des Nachtklubs „Rock and A Hard Place“. Die Reifen quietschten, als er den Sportwagen auf die Straße in Richtung seines Hauses in Napa Valley lenkte. In diesem Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher, als sich eine Zigarette anzustecken. Er verfluchte den Tag, an dem er für immer mit dem Rauchen aufgehört hatte. Heute Abend hatte er begriffen, dass Rachel Mancini es ernst meinte. Das hatte er in ihren Augen gelesen. Irgendwann hatte jede Frau, mit der er ausgegangen war, diesen Blick bekommen. Und jedes Mal war er auf Abstand gegangen und hatte nach einer Weile nicht mehr angerufen.

Er mochte Rachel. Sie sah gut aus, brachte ihn zum Lachen und gab ihm nützliche Tipps für seine Geschäfte. Er respektierte sie. Und genau deswegen musste er mit ihr Schluss machen. In der letzten Zeit hatte sie ihn oft wissen lassen, dass sie sich mehr von ihm wünschte. Das konnte er ihr allerdings nicht geben.

Das fahle Licht des Mondes erhellte die dunkle Straße, die auf beiden Seiten von Weinstöcken begrenzt wurde. Nach dem Tod seines Vaters war Nick nach Napa bestellt worden, um seinen Brüdern zu helfen, das Weingut der Familie – Carlino Wines – zu leiten. Und der letzte Wille ihres Vaters besagte, dass sie sechs Monate Zeit hatten, um zu bestimmen, welcher der drei Söhne der neue Geschäftsführer wurde. Allerdings war keiner von ihnen scharf auf diese Ehre. Trotzdem hatten Tony, Joe und Nick in den letzten fünf Monaten eng zusammengearbeitet. Jetzt blieben ihnen noch vier Wochen, um festzulegen, wer die Winzerei in Zukunft übernehmen sollte.

Als Nick in eine Kurve einfuhr, blendete ihn ein entgegenkommendes Fahrzeug. Er stieß einen lauten Fluch aus. Plötzlich geriet der Wagen ins Schleudern und steuerte direkt auf ihn zu. Nick versuchte noch auszuweichen, um einen Frontalzusammenstoß zu verhindern. Doch alles passierte viel zu schnell. Mit einem lauten Knall prallten die Autos seitlich aufeinander. Nick wurde von der heftigen Erschütterung durchgerüttelt und schlug mit dem Kopf auf dem Airbag auf.

„Verflucht“, stöhnte er. Er schob seinen Sitz nach hinten und atmete einmal tief durch. Dann kletterte er aus dem Wagen, um nach dem anderen Fahrer zu sehen.

Das Schreien eines Babys war das Erste, was er hörte. Sein Magen zog sich zusammen. Hoffentlich war dem Kind nichts passiert! Rasch lief er zum anderen Auto, das sich in einem weitaus schlimmeren Zustand befand als seins, und starrte hinein. Auf dem Fahrersitz saß eine Frau. Ihr Kopf lag auf dem Lenkrad. Deshalb konnte er nicht erkennen, wie schwer sie verletzt war. Vorsichtig öffnete er die Tür und sah sofort das Blut auf ihrem Gesicht.

Das Schreien des Babys wurde lauter. Nick öffnete die Tür zur Rückbank und blickte hinein. Ein Säugling war gegen die Fahrtrichtung in einem Babysitz angegurtet und schien unversehrt zu sein.

„Bin gleich wieder bei dir, Kleines.“ Da es dem Baby gut zu gehen schien, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Frau zu. „Können Sie mich hören? Ich hole Hilfe.“

Als sie nicht antwortete, fasste er sie vorsichtig am Kopf und an den Schultern und zog ihren Oberkörper nach hinten. Dabei bemerkte er eine blutende Wunde auf ihrer Stirn, die vom Aufschlag auf das Lenkrad stammen musste.

Plötzlich öffnete sie die Augen. Nick fiel sofort deren unglaublich intensive Farbe auf. Sie schimmerten in einer Mischung aus Türkis und Grün. Diese Farbe hatte er erst einmal im Leben gesehen. Behutsam strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Brooke Hamilton?“

„Mein Baby“, stöhnte sie, während sich ihre Augen allmählich wieder schlossen. „Kümmer dich um Leah.“

„Es geht ihr gut.“

Die Frau, die er vor zwölf oder dreizehn Jahren in der Highschool kennengelernt hatte, flehte ihn verzweifelt an: „Versprich mir, dass du dich um sie kümmerst.“

„Das werde ich. Mach dir keine Sorgen.“

Erneut verlor sie das Bewusstsein.

Sofort wählte er die Notrufnummer.

Als er den Anruf beendet hatte, setzte er sich auf den Rücksitz des Wagens. Das Schreien des Babys war mittlerweile zu einem leisen Wimmern geworden. „Ich komme und befreie dich aus deinem Sitz, meine Kleine.“

Nick hätte ein Buch darüber schreiben können, was er alles nicht über Babys wusste. Er hatte keine Ahnung, wie er vorgehen musste, um das Mädchen aus dem Sitz zu befreien. Wenn er ehrlich sein sollte, hatte er bisher nicht einmal ein Baby auf dem Arm gehalten. Und so schaffte er es erst nach mehreren Minuten, die Gurte zu lösen.

Zum Glück hörte die Kleine wenigstens auf zu weinen und sah ihn neugierig aus ihren blaugrünen Augen an, die denen ihrer Mutter glichen.

„Mit diesem Blick wirst du irgendwann die Männer verrückt machen“, sagte er sanft.

Und als ob sie ihn verstanden hätte, begann sie zu lächeln.

Vorsichtig nahm er sie aus dem Sitz heraus und hielt sie ungeschickt auf dem Arm. „Du brauchst jemanden, der sich mit Babys auskennt.“ Dann holte er das Handy aus der Tasche und wählte Renas Nummer. Sie würde wissen, was zu tun war. Allerdings war es schon spät. Und er erinnerte sich daran, wie schwer es ihr im Moment fiel einzuschlafen. Immerhin würde sie bald selbst sein Baby bekommen.

Deshalb drückte er auf den roten Knopf und rief stattdessen Joe an. Dessen Verlobte Ali konnte ihm bestimmt helfen. Doch leider ging nur der Anrufbeantworter an. Nick hinterließ eine kurze Mitteilung. Dann fiel ihm ein, dass die beiden im Urlaub waren. „Großartig“, brummte er. „Scheint so, als müsstest du mit mir vorliebnehmen. Und das ist keine gute Nachricht für dich, Kleine.“

Bevor die Sanitäter den Unfallort erreichten, durchsuchte Nick die Handtasche der Frau und fand ihren Führerschein. Er hatte tatsächlich recht gehabt. Bei der Unfallverursacherin handelte es sich um Brooke Hamilton-Keating. Er war mit ihr auf die Highschool gegangen. Und einmal war sogar etwas zwischen ihnen passiert – aber das war sehr lange her.

Seufzend legte er das Baby auf den Rücksitz. „Du bleibst jetzt kurz hier, ja? Ich schau mal nach deiner Mom.“

Sofort fing Leah an zu weinen.

Die Brauen hochgezogen, sah er sie an und machte einen Schritt auf Brooke zu. Daraufhin öffnete Leah den Mund und wollte offenbar wieder schreien.

„Na gut.“ In dem Augenblick, in dem er sie hochgehoben hatte, beruhigte sie sich. „Dann sehen wir eben gemeinsam nach deiner Mutter.“ Er ging zur Beifahrertür, öffnete sie und stieg in das Auto. Vorsichtig berührte er Brookes Arm. Sie war ganz kalt, aber sie atmete. Wahrscheinlich hatte sie von dem Unfall keine inneren Verletzungen davongetragen, denn so schwer war dieser nicht gewesen. Doch er war kein Arzt, deshalb konnte er sich nicht sicher sein.

Als er in der Ferne Sirenen hörte, atmete er erleichtert auf. Wenige Minuten später stieg er aus dem Auto und begrüßte die Sanitäter. „Dem Baby geht es gut, aber die Fahrerin ist bewusstlos.“

„Was ist passiert?“, fragte einer der Rettungsassistenten.

„Ich bin ganz normal in die Kurve eingefahren, und plötzlich kam mir dieses Auto entgegen. Natürlich habe ich versucht auszuweichen. Leider habe ich es nicht ganz geschafft.“

„Gehört das Baby zu Ihnen oder zu der Frau?“

„Zu ihr.“

Besorgt sah der Sanitäter zu seinem Kollegen hinüber. „Wir bringen sie beide ins Krankenhaus.“ Er wandte sich an Nick. „Was ist mit Ihnen? Sind Sie verletzt?“

„Nein. Der Airbag hat mich gerettet. Anscheinend hat sie keinen gehabt.“

Der Rettungsassistent nickte. „Der Babysitz scheint das Kind vor Verletzungen bewahrt zu haben.“

Fünfzehn Minuten später kam die Polizei an die Unfallstelle. Während Nick seine Aussage machte, wurde Brooke auf einer Trage in den Krankenwagen gebracht.

„Geben Sie sie mir“, sagte der Sanitäter zu Nick, der immer noch Leah hielt.

„Was haben sie mit ihr vor?“

„Wir werden sie untersuchen und einen Verwandten kontaktieren.“

Als der Sanitäter Leah auf den Arm nahm, begann sie sofort laut zu schreien und nach Nick zu greifen.

Und in diesem Moment musste er an das Versprechen denken, das er ihrer Mutter gemacht hatte. „Lassen Sie sie bei mir“, bat er. „Ich fahre mit Ihnen ins Krankenhaus.“

Skeptisch sah der Sanitäter ihn an.

„Ich kenne ihre Mutter“, fuhr Nick fort. „Wir sind zusammen auf die Highschool gegangen. Ich habe ihr versprochen, dass ich auf Leah aufpasse.“

„Wann?“

„Nach dem Unfall war sie kurz bei Bewusstsein. Da hat sie mich darum gebeten.“

Der Sanitäter seufzte. „Na gut. Sie scheint sie sowieso mehr zu mögen als mich. Holen Sie alles aus dem Auto, was sie für das Baby brauchen. Wir müssen los.“

Langsam schlug Brooke die Augen auf. Und selbst diese Bewegung verursachte starke Kopfschmerzen. Als sie sich die Schläfe reiben wollte, bemerkte sie einen Verband. Sie wusste nicht, seit wann sie hier war. Aber es musste schon lang sein. Die Sonne ging bereits auf.

Nach wenigen Sekunden musste sie an ihre Tochter denken. „Leah!“ Panisch schoss sie hoch und sah sich um. Allerdings wurde ihr gleich schwarz vor Augen. Auf keinen Fall durfte sie wieder bewusstlos werden. Sie musste sich vergewissern, dass es Leah gut ging.

„Sie ist hier“, sagte eine männliche Stimme.

Aufgeregt wandte Brooke sich um und war erleichtert, als sie ihre Tochter friedlich in den Armen eines Mannes schlafen sah. Tränen standen ihr in den Augen. Zum Glück schien ihrem Baby bei dem Unfall nichts passiert zu sein. Sie war beim Fahren von Leahs Geschrei abgelenkt worden und hatte die Kontrolle über den Wagen verloren.

Langsam hob sie den Kopf und schaute den Mann an, der ihre Tochter hielt. Sie stutzte. Nick Carlino?

Nie hatte sie diesen gut aussehenden Mann vergessen können, dem während ihrer Highschoolzeit jede Frau verfallen gewesen war. Und auch sie war damals nicht immun gegen seinen Charme gewesen.

„Leah geht es gut“, versicherte er ihr.

Das war alles, was zählte. „Nick Carlino?“

„Ja, ich bin es, Brooke.“ Einen Augenblick lang erinnerte sie sein Lächeln an längst vergangene Zeiten.

Als sie nach Leah greifen wollte, durchfuhr ein heftiger Schmerz ihren ganzen Körper. „Ich möchte mein Baby halten.“

„Sie schläft.“

Seufzend lehnte Brooke sich zurück. Vielleicht war es besser, wenn Leah sich ausruhte. „Geht es ihr wirklich gut?“

„Ein Arzt hat sie gestern Nacht untersucht und keine Verletzungen festgestellt.“

„Gott sei Dank“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. „Warum bist du hier?“

„Du erinnerst dich nicht?“

„Im Moment weiß ich gerade mal, wie ich heiße.“

„Du bist gestern Abend in einer Kurve ins Schleudern gekommen und mit meinem Auto zusammengestoßen. Erst dachte ich, dass es unser aller Ende sei.“

„Ich bin in dein Auto gefahren?“

„Ja, in meinen Ferrari.“

Seinen Ferrari. Natürlich. Schon immer war ihm das Beste gerade gut genug gewesen. Wie sollte sie jemals die Reparatur bezahlen? Bevor sie aus Los Angeles abgereist war, hatte sie ihre Haftpflichtversicherung gekündigt. Das war keine gute Idee gewesen.

„Tut mir leid, ich weiß nicht, wie das passieren konnte“, sagte sie verwirrt.

„Warum bist du so spät abends überhaupt Auto gefahren?“

„Ich war auf dem Weg zum Haus meiner Tante. Anscheinend bin ich irgendwo falsch abgebogen. Wir sind den ganzen Tag gefahren, und ich dachte, wir würden es vor Anbruch der Dunkelheit schaffen. Geht es dir eigentlich gut? Du wurdest doch nicht verletzt, oder?“ Nach wie vor konnte sie nicht glauben, dass Nick Carlino neben ihrem Krankenhausbett saß und ihr Baby in den Armen hielt. Das kam ihr alles so unwirklich vor.

„Mir fehlt nichts. Der Airbag hat mich gerettet.“

Sie stieß einen langen und tiefen Seufzer aus. „Gut. Und was ist mit deinem Auto?“

„Das muss repariert werden.“

„Und meins?“

„Deins auch. Ich habe beide zu meiner Werkstatt schleppen lassen.“

Brooke wollte nicht daran denken, wie viel sie der Unfall kosten würde. Sonst würden ihre Kopfschmerzen noch stärker werden. „Du warst nicht die ganze Nacht hier, oder?“, erkundigte sie sich.

Sanft wiegte er Leah. „Ich habe dir versprochen, dass ich auf sie aufpasse.“

„Wirklich?“

„Du hast darauf bestanden, Brooke. Nach dem Unfall warst du kurz bei Bewusstsein – gerade so lange, um dich zu vergewissern, dass es Leah gut geht. Und bevor du wieder ohnmächtig geworden bist, hast du mich darum gebeten, auf deine Tochter aufzupassen.“

„Danke“, erwiderte sie und hielt die Tränen zurück. Auf keinen Fall wollte sie weinend vor Nick zusammenbrechen. „Ich bin dir sehr dankbar für das, was du für meine Tochter getan hast.“

Nickend musterte er Leah. „Wo ist ihr Vater?“

Brooke blinzelte. Dan? Der Mann, mit dem sie zwei Jahre lang verheiratet gewesen war und der ihr an ihrem neunundzwanzigsten Geburtstag eine Affäre mit einer anderen Frau gestanden hatte, von der er ein Kind erwartete? An diesem Abend hatte er Brooke verlassen. Und eine Woche später hatte sie erfahren, dass sie selbst schwanger war. „Er spielt keine Rolle mehr in meinem Leben.“

„Überhaupt keine?“

Das schien ihn zu erstaunen. Wusste er denn nicht, wie viele alleinerziehende Mütter es auf der Welt gab? Ihr eigener Vater hatte ihre Mutter verlassen, als Brooke sechs gewesen war. Nur selten hatte sie ihn danach gesehen. Doch wenn er zu Besuch gekommen war, hatte sie ihn kaum gehen lassen wollen. Jede Nacht hatte sie um ihn geweint. Und als sie zehn gewesen war, hatten seine Besuche endgültig geendet.

Diese Qual wollte sie ihrer Tochter ersparen. Deshalb war sie aus Los Angeles weggezogen, um nicht mehr in Dans Nähe zu sein. Die darauffolgenden Monate hatte sie eine kleine Pension am Strand in der Nähe von San Diego betrieben. Und auch wenn sie damit nicht viel Geld verdient hatte, war sie zufrieden gewesen. Die frische Meeresluft hatte ihr während der Schwangerschaft gutgetan.

„Nein, nicht die geringste“, gab sie zurück. Es fühlte sich gut an, das zu sagen. Eines Tages würde sie Dan von Leah erzählen. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Zuerst musste sie die Pension ihrer Tante auf Vordermann bringen und etwas Geld verdienen. Sie wollte finanziell unabhängig sein, wenn sie Dan sagte, dass er eine Tochter mit ihr hatte. Nicht, dass er am Ende noch das Sorgerecht für das Baby einforderte, weil sie nicht genügend Geld besaß, um der Kleinen ein gutes Leben zu bieten. Zwar war sie sich gar nicht sicher, ob Dan überhaupt etwas an seiner Tochter liegen würde, aber sie wollte es nicht darauf ankommen lassen. Zunächst würde sie die Pension, die sie von ihrer Tante geerbt hatte, in eine florierende Unterkunft für Touristen verwandeln.

„Du besuchst also deine Tante?“, wollte er wissen.

„Sie ist vor drei Monaten verstorben. Ich habe ihr Haus geerbt.“

Als er darauf antworten wollte, wachte Leah auf und gab ein leises Wimmern von sich. Das schien ihn zu verwirren. Ratlos sah er Brooke an, als wüsste er nicht, was er tun sollte.

„Sie ist hungrig und braucht wahrscheinlich eine neue Windel“, vermutete sie.

Sofort hielt er Leah von sich weg und musterte die Decke, in die sie eingehüllt war. „Glaubst du wirklich?“

„Hat sie die ganze Nacht lang dieselbe Windel getragen?“

„Ich glaube, eine Krankenschwester hat sie in der Nacht gefüttert und ihr die Windel gewechselt.“ Zögernd deutete er auf ihre Koffer. „Wir haben alles da drin gefunden.“

„Oh, ich hab meine Sachen ganz vergessen! Hast du sie hergebracht?“

Er nickte und stand auf. Als Brooke ihn von oben bis unten musterte, stellte sie fest, dass er noch attraktiver war, als sie in Erinnerung gehabt hatte. Bestimmt bekam er immer noch jede Frau, die er wollte. Vielleicht war es besser, wenn er bald ging.

„Du kannst mir Leah jetzt geben“, sagte sie. „Bestimmt bin ich bald wieder auf den Beinen.“

In diesem Augenblick betrat der Arzt mit einer Akte das Zimmer. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Er stellte sich als Dr. Maynard vor.

Ihr Magen zog sich zusammen. „Wie meinen Sie das?“

„Auch wenn die Tests keine auffälligen Ergebnisse gezeigt haben, werden sie weiter unter Schwindel leiden. Sie sollten sich ausruhen und mindestens zwei Tage lang kein Auto fahren.“ Der Arzt nahm den Verband von ihrem Kopf und untersuchte die Wunde. „Ich kann Sie heute nur entlassen, wenn Sie jemanden haben, der sich um Sie kümmert. Kann Ihnen jemand mit dem Baby helfen?“

Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Ich bin erst gestern Abend in der Stadt angekommen.“ Und wie sie angekommen war! „Aber ich kann eine Freundin anrufen.“ Nachdem sie die Highschool abgeschlossen hatte, war sie mehrere Jahre lang mit Molly Thornton in Kontakt geblieben. Und obwohl sie seit zwei Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen hatte, wusste sie, dass sie auf ihre Hilfe zählen konnte. Molly würde niemals eine Freundin im Stich lassen.

„Gut, ich werde heute Ihre Entlassung anordnen“, entgegnete Dr. Maynard. „Ich schreibe Ihnen ein Rezept für ein Schmerzmittel aus. Nichts Starkes. Stillen Sie das Baby noch?“

„Ja.“

Lächelnd sah der Arzt zu Leah, die in Nicks Armen zappelte. „Was für ein süßer Fratz. Meine Tochter ist nur ein paar Monate älter als sie.“ Dann schaute er zu Nick auf. „Dass ich einmal ein Baby in deinen Armen sehen würde, hätte ich niemals gedacht, Carlino.“ Lachend wandte er sich an Brooke. „Wenn Sie das nächste Mal nach Napa kommen, würde ich Ihnen raten, nicht mit Nick zusammenzustoßen. Fahren Sie besser stur geradeaus weiter, wenn Sie ihn kommen sehen.“

Diese Erkenntnis hatte sie schon vor Jahren gehabt.

Schief lächelnd sah Nick ihn an. „Sehr komisch, Maynard. Wenn ich dich am Freitag auf dem Platz schlage, wird dir das Lachen vergehen.“

„Träum weiter.“ Im nächsten Moment drehte der Arzt sich zu Brooke um und sah sie ernst an. „Bitte lassen Sie sich von jemandem abholen, der sich um Sie kümmern kann. Und schonen Sie sich eine Weile.“

„In Ordnung“, erwiderte sie. „Ich danke Ihnen.“

Als der Arzt den Raum verließ, wandte sie sich an Nick, der Leah wieder beruhigend geschaukelt hatte. „Ich nehme sie jetzt.“

Zögernd trat er an ihr Bett. Brookes Tochter starrte ihn mit großen Augen an.

„Sie scheint mich zu mögen“, bemerkte er verblüfft. „Dabei habe ich keine Ahnung von Babys. Bis gestern Abend hatte ich nicht mal eins auf dem Arm gehalten.“

„Du hast keine eigenen Kinder?“

„Nein. Das überlasse ich meinen Brüdern.“

Als sie seine linke Hand mit einem kurzen Blick nach einem Ring überprüfte, ertappte er sie dabei. Sofort errötete sie. Diese Wirkung hatte er schon immer auf sie gehabt. Während ihrer gemeinsamen Nacht hatte er sie so gedemütigt, dass sie fast vor Scham gestorben wäre. Wahrscheinlich war die Geschichte danach in den Umkleidekabinen des Baseballteams der Running Gag gewesen.

Baseball, Mädchen und Partys feiern waren während der Highschoolzeit Nick Carlinos größte Hobbys gewesen.

Brooke musste damals verrückt gewesen sein zu denken, dass er an ihr interessiert sein könnte. Immerhin war er der beste Baseballspieler der Schule und ein vermögender Frauenheld gewesen. Später hatte sie schmerzlich erfahren müssen, wie wenig ebenbürtig sie ihm gewesen war.

Damals hatte er beinahe ihr Leben ruiniert. Ihr Selbstbewusstsein war mehr als angeknackst gewesen. Es hatte Jahre gedauert, bis sie sich von diesem Schock erholt hatte. Dafür hatte sie ihn über alles gehasst.

Und jetzt stand er vor ihr und überreichte ihr ihre fünf Monate alte Tochter. Er sah so gut aus wie nie zuvor, und sie konnte sich nicht gegen das Kribbeln wehren, das ihren ganzen Körper durchlief. Sie musste so schnell wie möglich Abstand zu ihm gewinnen. Am liebsten hätte sie nicht nur den Unfall von letzter Nacht vergessen, sondern auch alles, was damals passiert war.

„Es ist ganz einfach, Brooke. Du schläfst heute Nacht bei mir.“

„Das geht nicht, Nick“, wehrte sie ab und ignorierte das Schwindelgefühl in ihrem Kopf. Nachdem er ihr Zimmer verlassen hatte, war sie aufgestanden und hatte sich umgezogen. Anschließend hatte sie dreimal versucht, Molly zu erreichen – ohne Erfolg. Jetzt saß sie auf dem Besucherstuhl und stillte Leah.

Als Nick sich vorhin verabschiedet hatte, war ihr klar gewesen, dass sie ihn noch nicht los war. Immerhin würde sie auf irgendeine Weise für den Schaden an seinem Ferrari aufkommen müssen. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass er nach zwei Stunden ins Krankenhaus zurückkehren würde.

Als er an der Tür gelehnt und sie beim Stillen beobachtet hatte, war das fast ein intimer Moment zwischen ihnen gewesen. Doch gleich danach hatte er begonnen, ihr im Kommandoton Anweisungen zu geben.

„Ich komme zurecht“, erwiderte sie leise, um Leah nicht zu beunruhigen. Immerhin hatte sie sich während der Schwangerschaft selbst durchgeschlagen und ohne einen Partner das Baby zur Welt gebracht. Also würde sie auch diese Krise überstehen.

„Und wie? Dir bleiben nicht viele Möglichkeiten“, erwiderte er stur und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du kannst deine Freundin nicht erreichen. Und du weißt, was der Arzt gesagt hat.“

„Danke, aber ich schaffe das allein. Ich brauche deine Hilfe nicht.“

Seufzend setzte er sich auf einen Stuhl ihr gegenüber und sah ihr eindringlich in die Augen. „Jetzt verstehe ich. Wie lange ist es her? Dreizehn Jahre? Und immer noch hegst du einen Groll gegen mich.“

Empört schnappte sie nach Luft. Am liebsten wäre sie einfach aufgestanden und gegangen. Sie wollte dieses Gespräch nicht mit ihm führen. Es erstaunte sie, dass er sich überhaupt an diese Nacht erinnerte. Für sie war dieses Erlebnis eine Katastrophe gewesen. Doch für ihn durfte es keine große Sache gewesen sein. Wahrscheinlich hatte er im Lauf der Jahre viele Mädchen so gedemütigt. „Das stimmt nicht.“ Dabei war das noch gelinde ausgedrückt. „Ich kenne dich kaum.“

„Du kennst mich gut genug, um meine Hilfe annehmen zu können.“

„Ich brauche sie nicht.“ Doch sie wusste genau, dass er recht hatte. „Warum liegt dir überhaupt etwas an mir?“

Die Augen geschlossen, fuhr er sich durchs Haar und schüttelte den Kopf. „Mach keine Staatsaffäre daraus, Brooke. Ich lebe praktisch allein in einem großen Haus. Bleib eine oder zwei Nächte bei mir, damit mein Gewissen beruhigt ist.“

„Dir geht es um dein Gewissen?“ Das klang ganz nach dem Nick Carlino, den sie von früher kannte.

„Ich habe gestern Nacht versprochen, mich um Leah zu kümmern. Und ihre Mutter braucht einen Ort, an dem sie sich ausruhen kann. Vielleicht tut es mir einfach leid, dass ich nicht schneller ausweichen konnte.“

„Du warst auf der richtigen Spur. Es war meine Schuld. Außerdem – wer soll sich um uns kümmern? Du etwa?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich könnte für ein paar Tage eine Krankenschwester anstellen. Wahrscheinlich würden wir uns nicht mal sehen.“

„Das kann ich mir nicht leisten.“

„Aber ich.“

Er schien es tatsächlich ernst zu meinen. Und ihr wurde klar, dass es wirklich ihre einzige Möglichkeit war. Trotzdem konnte sie seine Almosen nicht einfach so annehmen.

Als sie damals aus Napa weggezogen war, hatte sie allein zu Molly den Kontakt aufrechterhalten. Nie hatte sie sich mit den reichen Kindern der Winzer und Großgrundbesitzer verstanden. Nur wenige Schüler an der Highschool waren nicht aus diesen elitären Kreisen gekommen. Brookes Mutter hatte das Cabernet Café in der Nähe der Schule geleitet, und sie selbst hatte dort oft in ihrer Freizeit ausgeholfen. Die anderen Kinder hatten nie arbeiten müssen.

Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: „Denk an deine Tochter.“

Für einen Moment schloss sie die Augen. Natürlich hatte er recht. Leah brauchte eine gesunde Mutter. Und in seinem Haus konnte sie bestimmt schnell genesen, vor allem, wenn sich eine Krankenschwester um Leah und sie kümmerte.

Verflucht! Warum hatte sie gerade auf Nick treffen müssen? Das alles erschien ihr wie ein schlechter Scherz.

„Nun?“, fragte er.

Der Gedanke daran, nur eine Minute in seinem Haus verbringen zu müssen, ließ sie schaudern. „Lass mich noch mal versuchen, Molly zu erreichen.“