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DAS GROSSE

Wilhelm Busch

FAMILIENALBUM

© 2007 Edition Lempertz GmbH

Umschlagentwurf: Grafikbüro Schumacher, Königswinter

Satz und Lithografie: Petra Hammermann, Königswinter

Printed and bound in Italy

ISBN: 978-3-939908-31-9

DAS GROSSE

Wilhelm Busch

FAMILIENALBUM

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SCHEIN UND SEIN

Mein Kind es sind allhier die Dinge,
Gleichviel, ob große, ob geringe,
Im Wesentlichen so verpackt,
Daß man sie nicht wie Nüsse knackt.

Wie wolltest du dich unterwinden,
Kurzweg die Menschen zu ergründen.
Du kennst sie nur von aussenwärts.
Du siehst die Weste nicht das Herz.
W. B.

Max und Moritz

Eine Bubengeschichte in sieben Streichen

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VORWORT

Ach, was muß man oft von bösen

Kindern hören oder lesen!!

Wie zum Beispiel hier von diesen,

Welche Max und Moritz hießen;

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Die, anstatt durch weise Lehren

Sich zum Guten zu bekehren,

Oftmals noch darüber lachten

Und sich heimlich lustig machten. —

— Ja, zur Übeltätigkeit,

Ja, dazu ist man bereit! —

— Menschen necken, Tiere quälen,

Äpfel, Birnen, Zwetschen stehlen — —

Das ist freilich angenehmer

Und dazu auch viel bequemer,

Als in Kirche oder Schule

Festzusitzen auf dem Stuhle. —

— Aber wehe, wehe, wehe!

Wenn ich auf das Ende sehe!! —

— Ach, das war ein schlimmes Ding,

Wie es Max und Moritz ging.

— Drum ist hier, was sie getrieben.

Abgemalt und aufgeschrieben.

ERSTER STREICH

Mancher gibt sich viele Müh’

Mit dem lieben Federvieh;

Einesteils der Eier wegen,

Welche diese Vögel legen,

Zweitens: weil man dann und wann

Einen Braten essen kann;

Drittens aber nimmt man auch

Ihre Federn zum Gebrauch

In die Kissen und die Pfühle,

Denn man liegt nicht gerne kühle. —

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Seht, da ist die Witwe Bolte,

Die das auch nicht gerne wollte.

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Ihre Hühner waren drei

Und ein stolzer Hahn dabei. —

Max und Moritz dachten nun:

Was ist hier jetzt wohl zu tun?

— Ganz geschwinde, eins, zwei, drei,

Schneiden sie sich Brot entzwei,

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In vier Teile, jedes Stück

Wie ein kleiner Finger dick.

Diese binden sie an Fäden,

Übers Kreuz, ein Stück an jeden,

Und verlegen sie genau

In den Hof der guten Frau. —

Kaum hat dies der Hahn gesehen,

Fängt er auch schon an zu krähen:

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Kikeriki! Kikikerikih!! —

Tak, tak, tak! — da kommen sie.

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Hahn und Hühner schlucken munter

Jedes ein Stück Brot hinunter;

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Aber als sie sich besinnen,

Konnte keines recht von hinnen.

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In die Kreuz und in die Quer

Reißen sie sich hin und her,

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Flattern auf und in die Höh’,

Ach herrje, herrjemine!

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Ach, sie bleiben an dem langen,

Dürren Ast des Baumes hangen. —

— Und ihr Hals wird lang und länger,

Ihr Gesang wird bang und bänger;

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Jedes legt noch schnell ein Ei,

Und dann kommt der Tod herbei. —

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Witwe Bolte in der Kammer

Hört im Bette diesen Jammer;

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Ahnungsvoll tritt sie heraus:

Ach, was war das für ein Graus!

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„Fließet aus dem Aug’, ihr Tränen!

All mein Hoffen, all mein Sehnen,

Meines Lebens schönster Traum

Hängt an diesem Apfelbaum!!“

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Tiefbetrübt und sorgenschwer

Kriegt sie jetzt das Messer her;

Nimmt die Toten von den Strängen,

Daß sie so nicht länger hängen,

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Und mit stummem Trauerblick

Kehrt sie in ihr Haus zurück. —

Dieses war der erste Streich,

Doch der zweite folgt sogleich.

ZWEITER STREICH

Als die gute Witwe Bolte

Sich von ihrem Schmerz erholte,

Dachte sie so hin und her,

Daß es wohl das beste wär’,

Die Verstorb’nen, die hienieden

Schon so frühe abgeschieden,

Ganz im stillen und in Ehren

Gut gebraten zu verzehren. —

— Freilich war die Trauer groß,

Als sie nun so nackt und bloß

Abgrupft am Herde lagen,

Sie, die einst in schönen Tagen

Bald im Hofe, bald im Garten

Lebensfroh im Sande scharrten. —

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Ach, Frau Bolte weint aufs neu,

Und der Spitz steht auch dabei. —

Max und Moritz rochen dieses;

„Schnell aufs Dach gekrochen!“ hieß es.

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Durch den Schornstein mit Vergnügen

Sehen sie die Hühner liegen,

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Die schon ohne Kopf und Gurgeln

Lieblich in der Pfanne schmurgeln. —

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Eben geht mit einem Teller

Witwe Bolte in den Keller,

Daß sie von dem Sauerkohle

Eine Portion sich hole,

Wofür sie besonders schwärmt,

Wenn er wieder aufgewärmt. —

— Unterdessen auf dem Dache

Ist man tätig bei der Sache.

Max hat schon mit Vorbedacht

Eine Angel mitgebracht. —

Schnupdiwup! da wird nach oben

Schon ein Huhn heraufgehoben.

Schnupdiwup! jetzt Numro zwei;

Schnupdiwup! jetzt Numro drei;

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Und jetzt kommt noch Numro vier:

Schnupdiwup! dich haben wir!! —

Zwar der Spitz sah es genau.

Und er bellt: Rawau! Rawau!

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Aber schon sind sie ganz munter

Fort und von dem Dach herunter. —

— Na! Das wird Spektakel geben,

Denn Frau Bolte kommt soeben;

Angewurzelt stand sie da,

Als sie nach der Pfanne sah.

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Alle Hühner waren fort —

„Spitz!!“ — das war ihr erstes Wort. —

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„Oh, du Spitz, du Ungetüm!!

Aber wart! ich komme ihm!!!“

Mit dem Löffel, groß und schwer,

Geht es über Spitzen her;

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Laut ertönt sein Wehgeschrei,

Denn er fühlt sich schuldenfrei. —

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— Max und Moritz im Verstecke

Schnarchen aber an der Hecke

Und vom ganzen Hühnerschmaus

Guckt nur noch ein Bein heraus.

Dieses war der zweite Streich,

Doch der dritte folgt sogleich.

DRITTER STREICH

Jedermann im Dorfe kannte

Einen, der sich Böck benannte. —

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— Alltagsröcke, Sonntagsröcke,

Lange Hosen, spitze Fräcke,

Westen mit bequemen Taschen,

Warme Mäntel und Gamaschen –

Alle diese Kleidungssachen

Wußte Schneider Böck zu machen. –

Oder wäre was zu flicken,

Abzuschneiden, anzustücken,

Oder gar ein Knopf der Hose

Abgerissen oder lose —

Wie und wo und was es sei,

Hinten, vorne, einerlei —

Alles macht der Meister Böck,

Denn das ist sein Lebenszweck. —

— Drum so hat in der Gemeinde

Jedermann ihn gern zum Freunde. —

— Aber Max und Moritz dachten,

Wie sie ihn verdrießlich machten. —

Nämlich vor des Meisters Hause

Floß ein Wasser mit Gebrause.

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Übers Wasser führt ein Steg

Und darüber geht der Weg. —

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Max und Moritz, gar nicht träge,

Sägen heimlich mit der Säge,

Ritzeratze! voller Tücke,

In die Brücke eine Lücke. —

Als nun diese Tat vorbei,

Hört man plötzlich ein Geschrei:

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„He, heraus! du Ziegen-Böck!

Schneider, Schneider, meck, meck, meck!!“ —

— Alles konnte Böck ertragen,

Ohne nur ein Wort zu sagen;

Aber wenn er dies erfuhr,

Ging’s ihm wider die Natur.

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Schnelle springt er mit der Elle

Über seines Hauses Schwelle,

Denn schon wieder ihm zum Schreck

Tönt ein lautes: „Meck, meck, meck!!“

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Und schon ist er auf der Brücke,

Kracks! die Brücke bricht in Stücke;

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Wieder tönt es: „Meck, meck, meck!“

Plumps! Da ist der Schneider weg!

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Grad als dieses vorgekommen,

Kommt ein Gänsepaar geschwommen,

Welches Böck in Todeshast

Krampfhaft bei den Beinen faßt.

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Beide Gänse in der Hand,

Flattert er auf trocknes Land. —

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Übrigens bei alle dem

Ist so etwas nicht bequem:

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Wie denn Böck von der Geschichte

Auch das Magendrücken kriegte.

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Hoch ist hier Frau Böck zu preisen!

Denn ein heißes Bügeleisen,

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Auf den kalten Leib gebracht,

Hat es wieder gut gemacht. —

— Bald im Dorf hinauf, hinunter,

Hieß es: Böck ist wieder munter!!

Dieses war der dritte Streich,

Doch der vierte folgt sogleich.

VIERTER STREICH

Also lautet ein Beschluß:

Daß der Mensch was lernen muß. —

— Nicht allein das A-B-C

Bringt den Menschen in die Höh’;

Nicht allein im Schreiben, Lesen

Übt sich ein vernünftig Wesen;

Nicht allein in Rechnungssachen

Soll der Mensch sich Mühe machen;

Sondern auch der Weisheit Lehren

Muß man mit Vergnügen hören. —

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Daß dies mit Verstand geschah,

War Herr Lehrer Lämpel da. —

— Max und Moritz, diese beiden,

Mochten ihn darum nicht leiden;

Denn wer böse Streiche macht,

Gibt nicht auf den Lehrer acht. —

Nun war dieser brave Lehrer

Von dem Tobak ein Verehrer,

Was man ohne alle Frage

Nach des Tages Müh und Plage

Einem guten, alten Mann

Auch von Herzen gönnen kann. —

— Max und Moritz, unverdrossen,

Sinnen aber schon auf Possen.

Ob vermittelst seiner Pfeifen

Dieser Mann nicht anzugreifen. —

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— Einstens, als es Sonntag wieder

Und Herr Lämpel brav und bieder

In der Kirche mit Gefühle

Saß vor seinem Orgelspiele,

Schlichen sich die bösen Buben,

In sein Haus und seine Stuben,

Wo die Meerschaumpfeife stand;

Max hält sie in seiner Hand;

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Aber Moritz aus der Tasche

Zieht die Flintenpulverflasche,

Und geschwinde, stopf, stopf, stopf!

Pulver in den Pfeifenkopf. —

Jetzt nur still und schnell nach Haus,

Denn schon ist die Kirche aus. —

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— Eben schließt in sanfter Ruh’

Lämpel seine Kirche zu;

Und mit Buch und Notenheften,

Nach besorgten Amtsgeschäften,

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Lenkt er freudig seine Schritte

Zu der heimatlichen Hütte,

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Und voll Dankbarkeit sodann,

Zündet er sein Pfeifchen an.

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„Ach!“ — spricht er — „die größte Freud’

Ist doch die Zufriedenheit!! —“

Rums!! — Da geht die Pfeife los

Mit Getöse, schrecklich groß.

Kaffeetopf und Wasserglas,

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Tobaksdose, Tintenfaß,

Ofen, Tisch und Sorgensitz —

Alles fliegt im Pulverblitz. —

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Als der Dampf sich nun erhob,

Sieht man Lämpel, der — gottlob!

Lebend auf dem Rücken liegt;

Doch er hat was abgekriegt.

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Nase, Hand, Gesicht und Ohren

Sind so schwarz als wie die Mohren,

Und des Haares letzter Schopf

Ist verbrannt bis auf den Kopf. —

Wer soll nun die Kinder lehren

Und die Wissenschaft vermehren?

Wer soll nun für Lämpel leiten

Seine Amtestätigkeiten?

Woraus soll der Lehrer rauchen,

Wenn die Pfeife nicht zu brauchen??

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Mit der Zeit wird alles heil,

Nur die Pfeife hat ihr Teil.

Dieses war der vierte Streich,

Doch der fünfte folgt sogleich.

FÜNFTER STREICH

Wer im Dorfe oder Stadt

Einen Onkel wohnen hat,

Der sei höflich und bescheiden,

Denn das mag der Onkel leiden. —

Morgens sagt man: „Guten Morgen!

Haben Sie was zu besorgen?“

Bringt ihm, was er haben muß:

Zeitung, Pfeife, Fidibus.

Oder sollt’ es wo im Rücken

Drücken, beißen oder zwicken,

Gleich ist man mit Freudigkeit

Dienstbeflissen und bereit. —

Oder sei’s nach einer Prise,

Daß der Onkel heftig niese,

Ruf man: „Prosit!“ alsogleich,

„Danke, wohl bekomm’ es Euch!“ —

Oder kommt er spät nach Haus,

Zieht man ihm die Stiefel aus,

Holt Pantoffel, Schlafrock, Mütze,

Daß er nicht im Kalten sitze, —

Kurz, man ist darauf bedacht,

Was dem Onkel Freude macht. —

— Max und Moritz ihrerseits

Fanden darin keinen Reiz. —

— Denkt euch nur, welch’ schlechten Witz

Machten sie mit Onkel Fritz! —

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Jeder weiß, was so ein Mai-

Käfer für ein Vogel sei.

In den Bäumen hin und her

Fliegt und kriecht und krabbelt er.

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Max und Moritz, immer munter,

Schütteln sie vom Baum herunter.

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In die Tüte von Papiere

Sperren sie die Krabbeltiere. —

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Fort damit, und in die Ecke

Unter Onkel Fritzens Decke!!!

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Bald zu Bett geht Onkel Fritze

In der spitzen Zippelmütze;

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Seine Augen macht er zu,

Hüllt sich ein und schläft in Ruh.

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Doch die Käfer, kritze kratze!

Kommen schnell aus der Matratze.

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Schon faßt einer, der voran,

Onkel Fritzens Nase an.

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„Bau!!“ schreit er — „Was ist das hier?!!“

Und erfaßt das Ungetier.

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Und den Onkel, voller Grausen,

Sieht man aus dem Bette sausen.

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„Autsch!!“ — schon wieder hat er einen

Im Genicke, an den Beinen;

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Hin und her und rund herum

Kriecht es, fliegt es mit Gebrumm.

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Onkel Fritz, in dieser Not,

Haut und trampelt alles tot.

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Guckste wohl! Jetzt ist’s vorbei

Mit der Käferkrabbelei!!

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Onkel Fritz hat wieder Ruh’

Und macht seine Augen zu.

Dieses war der fünfte Streich,

Doch der sechste folgt sogleich.

SECHSTER STREICH

In der schönen Osterzeit,

Wenn die frommen Bäckersleut’

Viele süße Zuckersachen

Backen und zurechte machen,

Wünschten Max und Moritz auch

Sich so etwas zum Gebrauch. —

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Doch der Bäcker, mit Bedacht,

Hat das Backhaus zugemacht,

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Also, will hier einer stehlen.

Muß er durch den Schlot sich quälen. —

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Ratsch!! — Da kommen die zwei Knaben

Durch den Schornstein, schwarz wie Raben.

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Puff! — Sie fallen in die Kist’,

Wo das Mehl darinnen ist.

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Da! Nun sind sie alle beide

Rund herum so weiß wie Kreide.

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Aber schon mit viel Vergnügen

Sehen sie die Brezeln liegen.

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Knacks!! — Da bricht der Stuhl entzwei.

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Schwapp!! — Da liegen sie im Brei.

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Ganz von Kuchenteig umhüllt

Stehn sie da als Jammerbild. —

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Gleich erscheint der Meister Bäcker

Und bemerkt die Zuckerlecker.

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Eins, zwei, drei! — eh’ man’s gedacht,

Sind zwei Brote draus gemacht.

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In dem Ofen glüht es noch —

Ruff!! — damit ins Ofenloch!

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Ruff!! Man zieht sie aus der Glut;

Denn nun sind sie braun und gut. —

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Jeder denkt: „die sind perdü!“

Aber nein! – noch leben sie! –

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Knusper knasper! — Wie zwei Mäuse

Fressen sie durch das Gehäuse;

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Und der Meister Bäcker schrie:

„Ach herrje! da laufen sie!!“ —

Dieses war der sechste Streich,

Doch der letzte folgt sogleich.

LETZTER STREICH

Max und Moritz, wehe euch!

Jetzt kommt euer letzter Streich! —

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Wozu müssen auch die beiden

Löcher in die Säcke schneiden?? —

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— Seht, da trägt der Bauer Mecke

Einen seiner Maltersäcke. —

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Aber kaum, daß er von hinnen,

Fängt das Korn schon an zu rinnen.

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Und verwundert steht und spricht er:

„Zapperment! Dat Ding wird lichter!“

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Hei! Da sieht er voller Freude

Max und Moritz im Getreide.

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Rabs!! — In seinen großen Sack

Schaufelt er das Lumpenpack.

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Max und Moritz wird es schwüle,

Denn nun geht es nach der Mühle. —

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„Meister Müller, he, heran!

Mahl’ er das, so schnell er kann!“

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„Her damit!!“ Und in den Trichter

Schüttelt er die Bösewichter. —

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Rickeracke! Rickeracke!

Geht die Mühle mit Geknacke.

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Hier kann man sie noch erblicken

Fein geschroten und in Stücken.

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Doch sogleich verzehret sie

Meister Müllers Federvieh.

SCHLUSS

Als man dies im Dorf erfuhr,

War von Trauer keine Spur.

Witwe Bolte, mild und weich,

Sprach: „Sieh da, ich dacht es gleich!“

„Ja, ja, ja!“ rief Meister Böck,

„Bosheit ist kein Lebenszweck!“

Drauf, so sprach Herr Lehrer Lämpel:

„Dies ist wieder ein Exempel!“

„Freilich!“ meint der Zuckerbäcker,

„Warum ist der Mensch so lecker?!“

Selbst der gute Onkel Fritze

Sprach: „Das kommt von dumme Witze!“

Doch der brave Bauersmann

Dachte: „Wat geiht meck dat an?!“

Kurz, im ganzen Ort herum

Ging ein freudiges Gebrumm:

„Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei

Mit der Übeltäterei!!“

Fipps der Affe

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ANFANG

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Pegasus du alter Renner,

Trag mich mal nach Afrika,

Alldieweil so schwarze Männer

Und so bunte Vögel da.

Kleider sind da wenig Sitte;

Höchstens trägt man einen Hut,

Auch wohl einen Schurz der Mitte;

Man ist schwarz und damit gut. –

Dann ist freilich jeder bange,

Selbst der Affengreis entfleucht,

Wenn die lange Brillenschlange

Zischend von der Palme kreucht.

Kröten fallen auf den Rücken,

Ängstlich wird das Bein bewegt;

Und der Strauß muß heftig drücken,

Bis das große Ei gelegt.

Krokodile weinen Tränen,

Geier sehen kreischend zu;

Sehr gemein sind die Hyänen;

Schäbig ist der Marabu.

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Nur die Affen, voller Schnacken,

Haben Vor- und Hinterhand;

Emsig mümmeln ihre Backen;

Gerne hockt man beieinand.

Papa schaut in eine Stelle,

Onkel kratzt sich sehr geschwind,

Tante kann es grad so schnelle,

Mama untersucht das Kind.

Fipps – so wollen wir es nennen. –

Aber wie er sich betrug,

Wenn wir ihn genauer kennen,

Ach, das ist betrübt genug.

Selten zeigt er sich beständig,

Einmal hilft er aus der Not;

Anfangs ist er recht lebendig,

Und am Schlusse ist er tot.

ERSTES KAPITEL

Der Fipps, das darf man wohl gestehn,

Ist nicht als Schönheit anzusehn.

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Was ihm dagegen Wert verleiht,

Ist Rührig- und Betriebsamkeit.

Wenn wo was los, er darf nicht fehlen;

Was ihm beliebt, das muß er stehlen;

Wenn wer was macht, er macht es nach;

Und Bosheit ist sein Lieblingsfach.

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Es wohnte da ein schwarzer Mann,

Der Affen fing und briet sie dann.

Besonders hat er junge gern,

Viel lieber als die ältern Herrn.

„Ein alter Herr ist immer zäh!“

So spricht er oft und macht: „Bäbä!“

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Um seine Zwecke zu erfüllen,

Wählt er drei leere Kürbishüllen.

Für auf den Kopf die große eine,

Für an die Hände noch zwei kleine.

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So kriecht er in ein Bündel Stroh,

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Macht sich zurecht und wartet so. –

Dies hat nun allerdings den Schein,

Als ob hier schöne Früchte sein.

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Fipps, der noch nie so große sah,

Kaum sieht er sie, so ist er da.

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Er wählt für seinen Morgenschmaus

Sich gleich die allergrößte aus.

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Doch wie er oben sich bemüht,

Erfaßt ihn unten wer und zieht,

Bis daß an jeder Hinterhand

Ringsum ein Kürbis sich befand.

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So denkt ihn froh und nach Belieben

Der böse Mann nach Haus zu schieben.

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An dieses Mannes Nase hing

Zu Schmuck und Zier ein Nasenring.

Fipps faßt den Reif mit seinem Schweif.

Der Schwarze wird vor Schrecken steif.

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Die Nase dreht sich mehre Male

Und bildet eine Qualspirale.

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Jetzt biegt der Fipps den langen Ast,

Bis er den Ring der Nase faßt.

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Dem Neger wird das Herze bang,

Die Seele kurz, die Nase lang.

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Am Ende gibt es einen Ruck,

Und oben schwebt der Nasenschmuck.

Der Schwarze aber aß seit dieser

Begebenheit fast nur Gemüser.

ZWEITES KAPITEL

Natürlich läßt Fipps die ekligen Sachen,

Ohne neidisch zu sein, von anderen machen.

Dagegen aber, wenn einer was tut,

Was den Anschein hat, als tät es ihm gut,

Gleich kommt er begierig und hastig herbei,

Um zu prüfen, ob’s wirklich so angenehm sei.

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Mal saß er an des Ufers Rand

Auf einer Palme, die dorten stand.

Ein großes Schiff liegt auf dem Meer;

Vom Schiffe schaukelt ein Kahn daher.

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Im kleinen Kahn, da sitzt ein Mann,

Der hat weder Schuhe noch Stiefel an;

Doch vor ihm steht ganz offenbar

Ein großes und kleines Stiefelpaar.

Das kleine, das er mit sich führt,

Ist innen mit pappigem Pech beschmiert;

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Und wie der Mann an das Ufer tritt,

Bringt er die zwei Paar Stiefel mit.

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Er trägt sie sorglich unter dem Arm

Und jammert dabei, daß es Gott erbarm.

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Kaum aber ziehet der Trauermann

Sich einen von seinen Stiefeln an,

So mildern sich schon ganz augenscheinlich

Die Schmerzen, die noch vor kurzem so peinlich,

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Und gar bei Stiefel Numero zwei

Zeigt er sich gänzlich sorgenfrei.

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Dann sucht er im fröhlichen Dauerlauf

Den kleinen Nachen wieder auf

Und läßt aus listig bedachtem Versehn

Das kleine Paar Stiefel am Lande stehn.

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Ratsch, ist der Fipps vom Baum herunter,

Ziehet erwartungsvoll und munter

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Die Stiefel an seine Hinterglieder,

Und schau! Der lustige Mann kommt wieder.

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O weh! Die Stiefel an Fippsens Bein

Stören die Flucht. Man holt ihn ein.

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Vergebens strampelt er ungestüm,

Der Schiffer geht in den Kahn mit ihm.

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Zum Schiffe schaukelt und strebt der Kahn,

Das Schiff fährt über den Ozean,

Und selbiger Mann (er schrieb sich Schmidt)

Nimmt Fipps direkt nach Bremen mit.

DRITTES KAPITEL

Zu Bremen lebt gewandt und still

Als ein Friseur der Meister Krüll,

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Und jedermann in dieser Stadt,

Wer Haare und wer keine hat,

Geht gern zu Meister Krüll ins Haus

Und kommt als netter Mensch heraus.

Auch Schmidt läßt sich die Haare schneiden.

Krüll sieht den Affen voller Freuden,

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Er denkt: Das wäre ja vor mir

Und meine Kunden ein Pläsier.

Und weil ihn Schmidt veräußern will,

So kauft und hat ihn Meister Krüll.

Es kam mal so und traf sich nun,

Daß Krüll, da anders nichts zu tun,

In Eile, wie er meistens tat,

Das Seitenkabinett betrat,

Wo er die Glanzpomade kocht,

Perücken baut und Zöpfe flocht,

Kurz, wo die kunstgeübte Hand

Vollendet, was der Geist erfand.

Zur selben Zeit erscheint im Laden,

Mit dünnem Kopf und dicken Waden,

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Der schlichtbehaarte Bauer Dümmel,

Sitzt auf den Sessel, riecht nach Kümmel

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Und hofft getrost, daß man ihn schere,

Was denn auch wirklich nötig wäre.

Wipps – sitzt der Fipps auf seinem Nacken,

Um ihm die Haare abzuzwacken.

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Die Schere zwickt, die Haare fliegen;

Dem Dümmel macht es kein Vergnügen.

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Oha! Das war ein scharfer Schnitt,

Wodurch des Ohres Muschel litt.

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„Hör upp!“ schreit Dümmel schmerzensbange.

Doch schon hat Fipps die Kräuselzange.

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Das Eisen glüht, es zischt das Ohr,

Ein Dampfgewölk steigt draus hervor.

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Die Schönheit dieser Welt verschwindet,

Und nur der Schmerz zieht, bohrt und mündet

In diesen einen Knotenpunkt,

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Den Dümmel hier ins Wasser tunkt. –

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Der Meister kommt. –

Hoch schwingt die Rechte,

Wie zum Gefechte, eine Flechte.

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Der Spiegel klirrt, die Hand erlahmt;

Der Meister Krüll ist eingerahmt.

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Mir scheint, ich bin hier unbeliebt!

Denkt Fipps, der sich hinwegbegibt.

VIERTES KAPITEL

Dämmerung war es, als Adele

Mit dem Freunde ihrer Seele,

Der so gerne Pudding aß,

Traulich bei der Tafel saß.

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„Pudding“, sprach er, „ist mein Bestes!“

Drum zum Schluß des kleinen Festes

Steht der wohlgeformte große

Pudding mit der roten Soße

Braun und lieblich duftend da,

Was der Freund mit Wonne sah.

Aber, ach du meine Güte,

Plötzlich stockt das Herzgeblüte. –

Angelockt von Wohlgerüchen

Hat sich Fipps herbeigeschlichen,

Um mit seinen gier’gen Händen

Diesen Pudding zu entwenden,

Hergestellt mit großem Fleiß.

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Ätsch! Die Sache ist zu heiß! –

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Ärgerlich ist solche Hitze.

Schlapp! Der Freund hat eine Mütze

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Tief bis über beide Backen.

Platsch! Und in Adelens Nacken,

Tief bis unten in das Mieder,

Rinnt die rote Soße nieder.

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So wird oft die schönste Stunde

In der Liebe Seelenbunde

Durch Herbeikunft eines Dritten

Mitten durch- und abgeschnitten;

Und im Innern wehmutsvoll

Tönt ein dumpfes Kolleroll!

FÜNFTES KAPITEL

Für Fipps wird es dringende Essenszeit. –

Mit fröhlicher Gelenkigkeit

Durch eine Seitengasse entflieht er

Und schleicht in den Laden von einem Konditer.

Da gibt es schmackhafte Kunstgebilde,

Nicht bloß härtliche, sondern auch milde;

Da winken Krapfen und Mohrenköpfe,

Künstlich geflochtene Brezen und Zöpfe;

Auch sieht man da für gemischtes Vergnügen

Mandeln, Rosinen et cetera liegen. –

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„Horch!“ ruft voll Sorge Konditor Köck.

„Was rappelt da zwischen meinem Gebäck?“

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Die Sorge wandelt sich in Entsetzen,

Denn da steht Fipps mit Krapfen und Brezen.

Die Brezen trägt er in einer Reih

Auf dem Schwanz, als ob es ein Stecken sei,

Und aufgespießt, gleich wie auf Zapfen,

An allen vier Daumen sitzen die Krapfen.

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Zwar Köck bemüht sich, daß er ihn greife

Hinten bei seinem handlichen Schweife,

Doch weil er soeben den Teig gemischt,

So glitscht er ab, und der Dieb entwischt.

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