Vorwort oder Golf ist eine ernste Sache

Es gibt mehr als 100 000 Bücher über Golf. Die Bücher heißen »Die Garantie für den erfolgreichen Schwung« oder »In 10 Schritten zum richtigen Griff« oder »Mit mentalem Training zum besseren Handicap«.

Den 100 000 Büchern ist gemeinsam, dass es sich um golferische Montageanleitungen handelt, um Schwungfibeln, Griffkompendien und Mentalratgeber. Sie sagen uns detailliert, wie man es richtig macht. Die Bücher sind darum voll mit hochtechnischen Ausdrücken. Sie sind voll von Schwungebenen, Treffmomenten, Ansprechpositionen und Gesamtbewegungsabläufen.

Weil Golf eine ernste Sache ist, gibt es dafür eine ganze Reihe von Ausdrücken, die in den 100 000 Büchern nur sehr selten vorkommen. Es sind Ausdrücke wie Spaß, Witz, Amüsement, Vergnügen und Ironie.

Das vorliegende Buch versucht, hier etwas Gegensteuer zu geben. Es ist eine Sammlung von Kolumnen, die in der Schweizer »Sonntags-Zeitung« und dem Wirtschaftsmagazin »Bilanz« erschienen sind. Die Kolumnen erzählen vom harten Leben des durchschnittlichen Allerweltsgolfers, und sie nehmen Golf nicht immer ganz ernst.

Das Buch ist für einen erfolgsorientierten Golfspieler darum vollkommen nutzlos. Es sorgt weder für einen erfolgreichen Schwung, noch für den richtigen Griff, noch für ein besseres Handicap.

Es sorgt allenfalls für eine bessere Laune. Nützlich ist das Buch deshalb nur für Golfspieler, die bei ihrem Sport vor allem Fun haben wollen und die sich auf dem Platz und im Klubhaus gerne amüsieren. Oder wie es eine alte Golferregel sagt: Golf ist der beste Spaß, den man in Kleidern haben kann.

Was hat Golf mit Sex zu tun?

Zwei Dinge auf dieser Welt führen zu Übermut und hohem Adrenalinspiegel.

Es gibt eine Menge Witze über Blondinen. Meistens geht es darum, wie blöd Blondinen sind. Es gibt eine Menge von Witzen über Anwälte. Meistens geht es darum, wie schamlos Anwälte ihre Kunden ausnehmen. Es gibt auch eine Menge Witze über Golf. Meistens geht es um Sex.

Es ist schon bemerkenswert, wie oft es in Witzen und Anekdoten rund um Golf um das eine geht. Wir kennen sie ja alle, diese Pointen. Da ist jener, der sich mit einer tollen Golf-Lady auf und neben dem Green vergnügt, bis sich die Lady als Transvestit herausstellt, der/die Damenabschläge spielt. Da ist jener, bei dem einer mit einem Handtuch über dem Kopf nackt über den Golfkurs rennt und von einem Damen-Flight kenntnisreich identifiziert wird. Da ist jener über die Dame mit dem Schläger im Mund. Und so fort.

Als Hobby-Golfsoziologen fragen wir uns natürlich, warum das so ist. Man könnte nun wieder einmal auf die alte Einsicht verweisen, dass Golf und Sex die zwei einzigen Dinge sind, die auch dann Spaß machen, wenn man es nicht richtig kann. Man könnte darauf verweisen, dass viele Golfer schon etwas in die Jahre gekommen sind und man im Alter gerne von früheren Tätigkeiten erzählt.

Ich denke, es hat mit etwas anderem zu tun. Es hat zu tun mit diesem seltsamen Stimulans, den eine gute Golfrunde bietet. Es ist ja immer wieder auffällig, wie locker sich plötzlich der graue Bürohengst benimmt, kaum steht er auf dem Grün. Es ist immer wieder auffällig, wie beschwingt sich plötzlich die blaustrümpfige Gesellschaftsdame verhält, kaum hat sie den Fairway betreten. Er lacht laut, sie lacht laut. Er tänzelt herum, sie tänzelt herum. Golf verleitet zu Heitersinn, oft auch zu Übermut.

Das Stimulans Golf verändert, zumindest vorübergehend, die Seelenlage der Individuen. Ich habe auf dem Golfplatz oder im

Klubhaus schon wilde und vergnügliche Geschichten über berufliche Pleiten und Pannen zu hören bekommen. Ich habe wilde und vergnügliche Geschichten über Scheidungen und Affären zu hören bekommen. Die Geschichten haben mir häufig Leute erzählt, die ich ein paar Stunden vorher erst kennengelernt hatte. Sie erzählten seltsam beschwingt. Golf verführt dazu, die Hemmungen des Alltags zu verlieren. Man wird anders. Man wird übermütig, fast schon benebelt.

Golf kann euphorisierend sein. Und damit wären wir zurück beim Thema Sex. Eine Runde Golf kann sein wie ein flotter Flirt. Man ist in einem leichten Erregungszustand, der Puls ist höher als gewohnt, der Adrenalinspiegel ebenso. Man neigt zu Dummheiten, zu Verlust der Selbstkontrolle, zu Frohsinn und unbegründeter Heiterkeit.

Die Frage, was Golf mit Sex zu tun hat, können wir damit leicht beantworten. Es ist dasselbe.

Nicht-Golfer, die über solche Subtilitäten nicht im Bilde sind, treten ja gerne vor uns Golfer hin und intonieren feixend das einzige Bonmot, das sie von unserem Sport kennen. »Haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?«

Ich erkläre ihnen dann immer, dass man nur dann ein richtig guter Golfspieler wird, wenn man sehr jung damit beginnt. Ein richtig guter Golfspieler könnte also von sich sagen: »Ich spiele schon Golf, habe aber noch keinen Sex.«

Selbstironisch ist der Mann

Gibt es etwas Peinlicheres, als wenn ein Golfer sagt, er habe gut gespielt?

Nach seinem Rücktritt war US-Präsident Gerald Ford mit seinem Golfspiel ziemlich zufrieden. »Mein Golf ist besser geworden«, sagte er, »ich treffe deutlich weniger Zuschauer als früher.« Nach seinem Rücktritt war US-Präsident George Bush mit seinem Golfspiel weniger zufrieden. »Es ist schon erstaunlich«, sagte er, »wer mich beim Golf alles schlägt, seit ich nicht mehr Präsident bin.«

Ob man mit seinem Golf nun zufrieden oder mit seinem Golf weniger zufrieden ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, wie man es sagt. Ein richtiger Golfer macht sich immer selbstironisch über sich selber lustig, egal, ob er nun gut oder schlecht gespielt hat. Golfer nehmen sich nicht ernst – wenn es richtige Golfer sind. In diesem Sinne sind unsere zwei US-Präsidenten artentypische Golfer.

Selbstironie gehört zu Golf wie die Fahne ins Loch gehört. Golf ist die einzige Outdoor-Aktivität auf diesem Planeten, bei der Selbstironie sozusagen Pflichtfach ist. Das unterscheidet Golf sichtbar von allen anderen Sportarten. Ich habe zum Beispiel noch nie einen Bundesliga-Fußballer gehört, der ironisch gesagt hätte: »Meine Elfmeter sind besser geworden, ich treffe den Schiedsrichter deutlich weniger als früher.« Nein, er sagt martialisch: »Ich mache die Dinger rein.«

Der Unterschied ist leicht zu erklären. Alle Golfer wissen, dass ihr Resultat nach 18 Loch stark vom Zufall und vom Glück abhängig ist. Der Ball bleibt fünf Zentimeter vor der Out-Linie liegen, oder nicht. Der Ball springt von einem Baum auf den Fairway zurück, oder nicht. Der Ball hoppelt vom Vorgrün direkt ins Loch, oder nicht. Man kann an zwei Tagen hintereinander genau gleich gut Golf spielen – an einem Tag schreibt man eine 80, am anderen Tag eine 88.

Die Leistung schlägt sich im Golf nie exakt im Resultat nieder. Einmal hat man den Zufall und das Glück auf seiner Seite. Einmal hat man den Zufall und das Glück gegen sich. In beiden Fällen zwingt dies dazu, sich selber auf den Arm zu nehmen. Man weiß, die Leistung im Golf ist immer relativ.

Ein Freund von mir läuft Marathon. Wenn er die 42 Kilometer unter dreieinhalb Stunden schafft und man ihm gratuliert, dann kann er zu Recht sagen: »Danke, heute habe ich wirklich eine gute Leistung gezeigt.« Zufall und Glück haben keine Rolle gespielt. Die Leistung im Marathon ist nicht relativ, sondern absolut.

1Wenn man hingegen einem Golfer nach einer guten Runde gratuliert, dann ist es ziemlich peinlich, wenn er sagt: »Danke, heute habe ich wirklich eine gute Leistung gezeigt. «

Der richtige Golfer sagt nach einer guten Leistung: »Entschuldigung, es kommt nicht wieder vor.«

Die »Ich-fand-ihn«-Methode

Die meisten Golfspieler auf diesem Planeten müssen Italiener sein.

Es hatte mich zufällig in einen Flight mit zwei Engländern verschlagen. Man sagte »hello« und sie schlugen vor, dass jeder Spieler auf der Runde einen »italian caddie« bekomme. Ich war ratlos, und so erklärten sie es mir: Jeder Spieler darf pro 18 Loch einmal mit dem Fuß gegen den Ball treten, zum Beispiel, um ihn aus dem hohen Gras auf den Fairway zurückzukicken. Der Fußtritt ist straffrei.

Schöner Name, »italian caddie« und sehr passend. Ich spiele immer wieder in Italien, und ich wundere mich oft über die Fußballkünste, die mir dort auf den Golfplätzen vorgeführt werden. Da wird der Ball fast so oft mit der Schuhspitze wie mit dem Schläger getroffen. Wenn man sich wundert, ist die Antwort immer dieselbe: »Ma dai«, sagen sie, »du willst mein Freund sein, und du lässt mich trotzdem aus dieser schlechten Lage spielen.«

Die Engländer, klassische Gentleman-Sportler, halten sich an die Regeln. Wenn sie eine, oft skurrile, Ausnahme erlauben, etwa einen »italian caddie«, dann gilt diese Ausnahme für alle. Die Italiener halten sich nicht an die Regeln. Ich glaube, die meisten Golfer auf diesem Planeten sind Italiener.

Golf ist ja der einzige Sport, wo es bei Wettkämpfen keine Schiedsrichter gibt. Niemand von außen überwacht, ob die Regeln eingehalten werden. Selbst die Referees bei Profi-Turnieren sind keine Schiedsrichter im engeren Sinn, die mit dem Feldstecher die Teilnehmer kontrollieren würden. Sie sind eher Auskunftspersonen, die etwa angefragt werden, ob ein Spieler den Ball droppen dürfe, weil er sonst auf einem TV-Kabel stehen müsste.

Ansonsten gibt es in allen Sportarten Schiedsrichter. Im Fußball rennen sie dem Ball hinterher, beim Tennis sitzen sie auf ihrem Stühlchen. Sogar beim Dart im Pub sind Referees dabei, selbst beim Ballonfahren sind die »Observer« unterwegs. Nur nicht im Golf. Das stellt in der Theorie hohe Ansprüche an die menschliche Integrität, in der Praxis fördert es eher andere Charakterzüge.

Als das Internetportal badgolfer.com eine Umfrage bei 10000 Spielern durchführte, war das Resultat eindeutig. 7120 gaben zu, auf dem Platz zu betrügen. Das wären, wenn ich richtig rechne, 71,2 Prozent.

Die Greens sind also keine Greens, sondern ein Dschungel. Denn neben der Schiedsrichterfrage unterscheidet sich Golf in einem zweiten Punkt von allen anderen Sportarten. Man kann nirgendwo leichter mogeln als beim Golf. Versuchen Sie einmal, beim Weitsprung oder beim Rückenschwimmen zu betrügen. Das ist nicht ganz einfach. Je leichter eine Sportart ist, desto schwerer ist der Betrug.

Am beliebtesten, so zeigen Feldstudien und Fachliteratur, ist immer noch die »Ich-fand-ihn«-Methode. Ungefähr fünfzehn Meter vom Ort, an dem der Ball in den Wald eindrang, findet der glückliche Golfer plötzlich seinen Ball – mirakulös.

Ähnlich wundersam ist die Eigenheit von Golfbällen, in der Luft ihre Markennamen zu wechseln. Sie starten als saubere, weiße Titleist-Bälle und kommen 150 Meter weiter vorn als verschmutzte Callaways und Nikes im hohen Gras an.

An dritter Stelle der Rangliste steht die Fähigkeit des Golfers, seinen gefundenen Ball mit Händen, Golfsäcken, Ästen, Schlägern und Füssen heimlich in eine neue, komfortablere Lage zu bugsieren. Selbstverständlich gilt diese Vorgehensweise nur für den eigenen Ball. Findet man den Ball eines Gegners, dann stellt man sich drauf.

Kein Schiedsrichter sieht dabei zu. Ärgern wir uns aber nicht, sehen wir lieber die positiven Seiten. Als im deutschen Fußball die Affäre um den korrumpierten Robert Hoyzer hoch kochte, konnten wir Golfer uns wieder einmal selbstbewusst zurücklehnen. Golf, konnten wir uns sagen, ist eben doch ein sauberer Sport – bei uns gibt es keinen einzigen Fall von Schiedsrichterbestechung.

Flucht unter die Gürtellinie

Warum Whisky und Männerwitze auf dem Golfplatz Heimrecht haben.

Um uns diesem Thema zu nähern, müssen wir mit einem dieser uralten Golfwitze starten. Also: Die Golferin verabschiedet sich am ersten Abschlag vom Golf-Pro, doch nach 20 Minuten ist sie schon wieder zurück. »Warum sind Sie so schnell zurück?« fragt der Pro. »Ich bin von einer Biene gestochen worden« sagt sie, »zwischen dem ersten und zweiten Loch«. Sagt der Pro: »Ich habe Ihnen schon immer gesagt, dass Ihr Stand zu breit ist.«

In Europa besteht die Golfpopulation aus zwei Drittel Männern und einem Drittel Frauen. Golf ist also kein reiner Männersport mehr wie Fliegenfischen, Snooker oder Fasanenjagd. Und schon kommen wir zum Problem.

Keine Angst, wir werden hier nicht dafür plädieren, dass man vor den Clubhouses wieder die alten Schilder montiert, auf denen bis weit ins 20. Jahrhundert stand: »No dogs and no women admitted.« Wir plädieren nicht gegen Frauen auf dem Golfplatz. Wir wollen nur aufzeigen, weshalb Golf nur dann richtig Spaß macht, wenn es als konsequente Männersportart betrieben wird.

Reden wir zuerst über die gesellschaftlichen Trends der letzten zwei Jahrzehnte. Sie brachten einen beispiellosen Vormarsch an politischer Korrektheit. Sexistische Witze sind verboten, will man im Betrieb kein Verfahren an den Hals. Saufen ist tabu, will man die Karriere nicht ruinieren. Rauchen ist im Büro und zunehmend in Restaurants verboten.

1Es ist nicht mehr möglich, dass man in der Öffentlichkeit in einer grünkarierten Hose, mit einer dicken Zigarre und einem vollen Whiskyglas in der Hand sexistische Witze reißt.

Nun kann man sich fragen, wer denn überhaupt in einer grünkarierten Hose mit einer dicken Zigarre und einem Whiskyglas in der Hand sexistische Witze reißen will. Die Frage kann man moralisch oder pragmatisch beantworten. Moralisch betrachtet, wollen dies nur ewig gestrige Machotypen. Pragmatisch betrachtet, wollen das alle Männer von Zeit zu Zeit.

Darum sind Golfplätze zu den wichtigsten Refugien des politisch Unkorrekten geworden. Sie sind der einzige öffentliche Ort der Gegenwart, wo noch alles erlaubt ist. Besonders fällt mir dies auf, wenn ich gelegentlich in den USA spiele. Nirgendwo sonst sieht man darum so viele Männer in grünkarierten Hosen, die mit rauchenden Zigarren und Whiskyfahnen über die Fairways torkeln. Der Golfplatz ist der letzte Naturschutzpark der Zeitgeistverweigerung.

Tut mir leid, manchmal haben Männer einfach keine Lust auf Zeitgeist, aber umso mehr auf schlechten Geschmack. Also ziehen wir am Freitag in unseren grünkarierten Hosen zu viert über den Golfplatz, jeder eine dicke Cohiba im Gesicht und einen Flachmann mit Lagavulin im Bag und wir erzählen uns Witze von unterhalb der Gürtellinie.

Wir mögen ewig gestrige Machotypen sein und unter schlechtem Geschmack leiden, aber wir leiden nicht unter einem Mangel an Anstand. Wir würden uns niemals so aufführen, wenn Frauen in der Runde wären. Logische Folgerung: Wir möchten am Freitag keine Damen in der Runde. Am Samstag ziehen wir dann die schwarze Hose an, kaufen uns ein Mineralwasser, spielen mit unseren Frauen und unterhalten uns über die Theaterpremiere. Wir sind richtig sympathisch.

Nur damit Sie als Leser zum Schluss beruhigt sind: Der Witz, den ich eingangs zitiert habe, gehört auf unserer grünkarierten Freitagsrunde zur harmloseren Spezies. Wir haben auch weniger jugendfreie Exemplare im Repertoire.

Echte Golfer weinen nicht

Golf ist die einzige gesellschaftlich akzeptierte Variante des dauernden Versagens.

Der 68-jährige Rentner Bob Siddle gewann in der englischen Lotterie 10 Millionen Pfund. Er brachte es anschließend zu lokaler Berühmtheit, weil er monatelang den Millionenscheck auf der Post nicht abholte. Von Montag bis Samstag sei er auf dem Golfplatz, erklärte Siddle, und zwar bei jedem Wetter, da sei keine Zeit für zweitrangige Nebengeschäfte.

Das wirklich Erstaunliche an Bob Siddle aber ist, dass er ein miserabler Golfer ist. In seinem Klub wären sie froh gewesen, hätte er den Scheck abgeholt und zumindest einen Tag lang das Gelände nicht umgepflügt. Dass er dennoch lieber Golf spielte, als reich zu werden, macht ihn artentypisch. Er erklärt die Phänomenologie des Golfers außerordentlich präzise.

Der Golfer zieht den Misserfolg auf dem Golfplatz dem Erfolgserlebnis außerhalb des Golfplatzes bei weitem vor.