Jagd auf Big Boss Berlin 1968 Kriminalroman Band 47
Published by BEKKERpublishing, 2021.
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Jagd auf „Big Boss“
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Berlin 1968 Kriminalroman Band 47
von Tomos Forrest & A. F. Morland
Der Umfang dieses Buchs entspricht 103 Taschenbuchseiten.
Jemand machte Jagd in West-Berlin auf die Drogen-Dealer. Es genügte ihm nicht, sie an die Polizei auszuliefern – er ermordete sie kaltblütig. Und als Bernd Schuster eher zufällig in die Fälle verstrickt wird, erfährt er von einem gefährlichen Drogenboss, den alle nur den Big Boss nennen – aber niemand hat ihn bislang zu Gesicht bekommen. Als ein Polizist unschuldig in Verdacht gerät, ist Bernd Schuster auf der Spur. Aber der Big Boss behält seine Aktivitäten im Auge, und auch der Mörder der Dealer meldet sich in seiner Detektei zu Wort...
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
Nach einem Roman-Motiv von A. F. Morland, 2021
Cover: Nach Motiven und Grischa Georgiew 123rf – Steve Mayer, 2021
Titel/Charaktere/Treatment © by Marten Munsonius & Thomas Ostwald, 2021
Roman – Nach Motiven – by Tomos Forrest, 2021
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Wer um diese Uhrzeit am Bahnhof Zoo unterwegs war und dabei auffallend langsam ging und sich immer wieder scheu umsah, hatte mit Sicherheit nicht vor, noch einen Zug zu erwischen. Vielmehr gab es hier für diese Sorte Müßiggänger zwei Ziele: Entweder eines der Strichmädchen anzusprechen, die hier ungeniert ihre Dienste anboten – oder aber einen der Dealer zu finden, weil der nächste Schuss dringend erforderlich war. Dazu passte es, dass hier der Mörder sein Opfer suchte.
Er lag bereits auf der Lauer, hatte sich die Tat gut überlegt und war zu dem Schluss gekommen, dass sie einfach geschehen musste. Es gab zu viele Dealer in Berlin, und es wurden immer mehr. Wie Schimmelpilze überwucherten sie die Stadt. Ein riesiges, engmaschiges Verteilernetz erdrückte die Stadt beinahe. Kein Wunder, dass das Suchtgiftgeschäft einen Höhenflug angetreten hatte, der viele Menschen - zumeist Jugendliche - ins Unglück stürzte, ins Verderben riss.
Dagegen musste etwas unternommen werden, fand der Killer, und da die Polizei seiner Meinung nach, obwohl rund um die Uhr im Einsatz, keine zufriedenstellenden Erfolge aufweisen konnte, wollte er selbst versuchen, das Problem zu lösen.
Geduldig wartete er auf sein Opfer. Er hatte Zeit. Markus Zeller, der Dealer, den es als Ersten erwischen sollte, konnte seinem Schicksal nicht mehr entgehen ...
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Zeller lachte lauthals. Er war bunt wie ein Paradiesvogel gekleidet und trug das Hemd bis zum Nabel offen, damit man die schwarzen Haare auf seiner Brust ja nicht übersah. Obwohl man ihn nicht als schönen Mann bezeichnen konnte, war er ziemlich eitel. In fast regelmäßigen Abständen von zehn Minuten zückte er seinen Plastikkamm und fuhr durch seine schwarzen, öligen Locken. Er saß mit Freunden in seinem Stammlokal. Sie becherten viel, und alles ging auf Zellers Kosten, denn er feierte heute seinen achtundzwanzigsten Geburtstag.
„He, Markus“, sagte einer seiner Freunde. „Wird es nicht langsam Zeit, dass du unter die Haube kommst?“
Zeller lachte.
„Warum soll ich es mir wegen einer mit allen verderben? Außerdem: Wer ist schon so verrückt und kauft sich eine ganze Kuh, wenn er bloß ein Glas Milch trinken will. Nee, heiraten kommt für mich nicht in Frage. Ich esse im Restaurant. Meine Wäsche trage ich in die Reinigung. Wenn ich ein Häschen brauche, das mit mir ins Bett hüpft, stehen mir ein paar heiße Telefonnummern zur Verfügung, und wenn ich die Puppe zufriedengestellt habe, räumt sie mir hinterher aus Dankbarkeit gern die Wohnung ein bisschen auf. Wozu also heiraten?“
„Damit du im Alter jemanden hast, der dich pflegt.“
„Bis dahin ist noch ’ne Menge Zeit. Vielleicht wage ich den Sprung ins kalte Wasser, wenn ich sechzig bin, aber keinesfalls früher.“ Er bestellte noch eine Runde, für sich aber nichts mehr mit. „Ich muss gehen“, sagte er.
„Ist doch noch nicht spät“, wandte einer seiner Freunde ein.
Markus Zeller grinste.
„Kann ja sein, dass ich noch nicht nach Hause trabe, oder?“
„Du hast doch nicht noch was mit ’ner Mieze vor.“
„Man muss etwas für seinen Hormonspiegel tun“, sagte Zeller augenzwinkernd und erhob sich. Seine Freunde bekamen neue Getränke. Zeller zog zum letzten Mal in seinem Leben seinen Kamm und frisierte sich, während ihn seine Freunde auch zum letzten Mal hochleben ließen.
„Mach’s gut“, sagte einer. „Du weißt schon, was.“
„Das habe ich bisher immer prima hingekriegt“, erwiderte Markus Zeller. „Ciao, Freunde. War mir ein Volksfest.“
„Uns auch.“
Zeller winkte den Kellner zu sich.
„Wir verrechnen morgen, okay?“
„Selbstverständlich, Herr Zeller.“
„Dann bis morgen“, sagte der Dealer, und der Kellner buckelte, denn Zeller war ein äußerst spendabler Gast, wenn man ihn servil behandelte.
Markus Zeller fühlte sich wie ein Fürst, als er das Lokal verließ. Er war jemand. Das war nicht immer so gewesen. Früher hatte er nicht gewusst, woher er das Geld für die nächste Miete nehmen sollte. Heute war das kein Problem mehr. Er konnte sich auch größere Wünsche erfüllen, wenn ihm danach war, und er verfügte über einen Kundenkreis, der laufend größer wurde. Einer sagte es dem anderen, dass Markus Zeller einwandfreien Stoff verkaufte. Prima Schnee. Kein mies verschnittenes Zeug, von dem man vor die Hunde ging. Das heißt, natürlich ging man irgendwann auch von Zellers Stoff drauf, aber nicht so elend wie auf das andere Zeug, das man billiger zu kaufen kriegte.
Der Dealer trat aus dem Lokal neben dem Zoo Palast und wandte sich nach rechts, begab sich zu einem nahen gelegenen Parkplatz, auf dem sein neuer Opel Kadett stand. Er war guter Laune, und er beschloss, seinen dreißigsten Geburtstag in ganz großem Rahmen zu feiern. Er würde irgendwo ein Lokal mieten und ganz groß auftrumpfen. Die Leute sollten sehen, was aus dem armen Schlucker von einst geworden war, was er sich heute leisten konnte. Er war sicher, dass er in zwei Jahren finanziell noch besser dastehen würde, denn das Geschäft mit dem Rauschgift war ein sogenanntes Muss-Geschäft. Wer einmal süchtig geworden war, der musste weiter spritzen. Und wo bekam er den Stoff für seine irren Träume? Bei Markus Zeller.
Aus einer gegenüberliegenden Hofeinfahrt löste sich ein Schatten. Zeller bemerkte den Mann nicht. Er trug Schuhe mit Gummisohlen, so dass keiner seiner Schritte zu hören war. Lautlos folgte der Killer seinem Opfer. Zeller pfiff sein letztes Lied. „Bambina“ – der aktuelle Ohrwurm von Ralf Bendix. Da er unmusikalisch war - man kann eben nicht alle Vorzüge haben - klang es schrecklich. Das Lied war kaum zu erkennen, aber das störte Markus Zeller nicht im Geringsten. Bevor er die Straße überquerte, blickte er kurz nach links und nach rechts. Der Mann, der ihn töten wollte, verbarg sich rasch hinter einem Kastenwagen. Seine Hand glitt in die Außentasche seines Jacketts. Als sie wieder zum Vorschein kam, lag das Heft eines Springmessers in seinen Fingern. Klick. Die Klinge schnellte heraus. Blitzende Reflexe tanzten auf dem blanken Stahl.
Zeller erreichte den Parkplatz. Der Mörder folgte ihm. Jetzt lief der Unbekannte beinahe. Er holte auf. Der Abstand zwischen ihm und dem Dealer verringerte sich rasch, und als Zeller seinen Wagen erreichte, war sein Mörder hinter ihm.
Der Dealer fingerte den Wagenschlüssel aus der Hosentasche. Plötzlich vernahm er hinter sich das Atmen eines Menschen. Bis jetzt war er unbekümmert gewesen. Doch nun fuhr er erschrocken herum. Wenn sich einer so anschlich, dann hatte das nichts Gutes zu bedeuten. Zeller vermutete, dass ein Süchtiger ihn überfallen wollte.
Es kam hin und wieder vor, dass er kein Rauschgift herausgab. Das konnte viele Gründe haben. Ein Hauptgrund war, dass er keinen Kredit gab. Wer nicht bar bezahlen konnte, der konnte gleich wieder die Kurve kratzen und sein Glück woanders probieren. Er war schließlich kein Wohltäter.
Einer dieser abgewiesenen Kerle konnte sich entschlossen haben, ihn zu überfallen und sich zu nehmen, was er so dringend benötigte. Aus diesem Grund war Markus Zeller auch immer bewaffnet. Jetzt, wo er wie von der Natter gebissen herumschnellte, fuhr seine Hand auch gleichzeitig ins Jackett zum Schulterholster, in dem eine Luger steckte.
Aber er war nicht flink genug. Der Killer ließ ihm nicht die geringste Chance. Blitzartig stach er zu, und die Klinge saß mitten in Markus Zellers Leben.
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Bernd Schuster und sein Freund, der gewichtige Leiter der Mordkommission, Horst Südermann, hatten vor, eine Sause zu machen. Lange hatten sie davon geträumt, doch nie hatte sie sich realisieren lassen, denn entweder hatte der eine oder der andere oder beide keine Zeit gehabt.
Doch nun hatte es endlich einmal mit ihnen geklappt. Sie hatten sich für diesen Abend freimachen können und sich - vor allem der Inspektor, der eine Unmenge verdrücken konnte - in Mikis Restaurant ein reichlich bemessenes Menü bestellt.
Mikis, griechischer Abstammung und mit einem gewaltigen schwarzen Dschingis-Khan-Bart, hatte sich persönlich um seine Gäste bemüht, und die Flasche edlen Bordeaux, die zwischen den Freunden stand, war eine Spende des Hauses.
„Was ist unsere nächste Station?“, fragte Horst unruhig.
„Erst müssen wir den Wein austrinken, sonst ist Mikis böse“, sagte Bernd Schuster.
„Die ist gleich geleert, und was tun wir anschließend? Ich habe da neulich ein nettes Mädchen kennengelernt ...“
„Beruflich?“, fragte Bernd lächelnd.
„Ausnahmsweise mal nicht. Sie lief mir im Supermarkt über den Weg, und wir sprachen über die Fleischpreise ...“
„So von Hausfrau zu Hausfrau?“
„Könnte man sagen. Ich scheine einigen Eindruck auf sie gemacht zu haben, denn sie sagte, dass sie mir mal ein paar Tricks verraten würde, wie man ein butterweiches Filetsteak hinzaubert. Wenn du willst, rufe ich sie an.“
„Ich hab’ schon gegessen, und selbst ein Müllschlucker wie du sollte eigentlich satt sein.“
„Bin ich auch. Ich meinte, ich rufe sie an, damit sie mit uns ...“
„Ein Mädchen, zwei Männer. Das ist kein gutes Verhältnis. Du wärst für den Rest des Abends das fünfte Rad am Wagen.“
„Wieso ich?“
„Weil ich dich ausstechen würde.“
„Also - darauf lasse ich es gern ankommen.“
„Lieber nicht. Wir wollen doch Freunde bleiben.“
„Vielleicht kennt sie jemand, den sie mitbringen kann“, ließ Horst Südermann nicht locker.
„Ja, ihre Mutter. Vielen Dank, Horst. Ich schlage vor, wir suchen Tonys Tanzpalast auf und sehen uns da an, was Berlin zu bieten hat.“
„Einverstanden“, sagte Horst und griff nach seinem Glas. „Mensch, bin ich heute in einer Bombenstimmung. Ich könnte die ganze Welt umarmen.“
„Das gibt sich wieder - und tu mir einen Gefallen: Lass mich beim Umarmen aus, sonst denkt man hier am Ende noch, wir beide wären vom anderen Ufer.“
Mikis kam an ihren Tisch. Aber nicht, um zu fragen, ob alles zu ihrer Zufriedenheit wäre, sondern um Inspektor Südermann ans Telefon zu holen. Die Brauen des Inspektors zogen sich unwillig zusammen.
„Verdammt, wer hat die Absicht, mir den Abend zu verderben?“
„Wem hast du gesagt, dass du hier bist?“, wollte Bernd Schuster wissen.
„Niemandem. Ich bin ja nicht blöd.“
„Na“, sagte Bernd und wiegte den Kopf, als würde er an der Behauptung seines Freundes zweifeln.
Horst erhob sich und entfernte sich mit Mikis. Als er zurückkam, war es mit seiner guten Laune vorbei.
„Wer war es?“, fragte Bernd.
„Wilhelm“, sagte Horst. Er meinte Polizeihauptmeister Wilhelm Krone, seinen Stellvertreter.
„Woher wusste er, dass du hier ...?“
„Er hat mich mit dir telefonieren gehört. Mist! Und er meint, es wäre wohl besser, wenn ich von Anfang an dabei wäre.“
Bernd grinste.
„Wilhelm kann boshafter als zehn Affen sein. Der gönnt dir deinen freien Abend nicht. Was ist passiert?“
„Ein Dealer wurde ermordet. Markus Zeller ist sein Name. Das ist nicht irgendein kleiner Fisch. Zeller hatte bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht.“
„Dann können wir uns Tonys Tanzpalast also abschminken.“
„Ich fürchte ja. Tut mir leid, Bernd. Aber wenn ein Mann wie Markus Zeller umgelegt wird, kann ich mich nicht einfach amüsieren.“
„Das verstehe ich schon“, sagte Bernd Schuster und verlangte die Rechnung.
„Erweist du mir einen kleinen Liebesdienst?“, fragte Horst.
„Welchen?“
„Fährst du mich zum Tatort? Ich bin mit dem Taxi hergekommen und ...“
„Das geht schon in Ordnung, Häuptling“, sagte Bernd und verließ mit dem Freund das Lokal. Die besten Wünsche von Mikis für einen weiterhin schönen Abend begleiteten sie.
Bernd wohnte und arbeitete in dem Haus gegenüber. Die Freunde begaben sich in die Tiefgarage, wo Bernds silbergrauer Mercedes 450 SEL stand. Horst setzte sich auf den Beifahrersitz und gurtete sich an, während Bernd Schuster den Motor startete. Das frisch gewaschene und heiß gewachste Auto rollte die Auffahrt hoch und bog gleich darauf in die Kurfürstenstraße ein. Zehn Minuten später erreichten Horst und Bernd den Tatort.
Vier Streifenwagen mit rotierenden Blaulichtern und der Kastenwagen der Mordkommission standen am Fahrbahnrand. Bernd stoppte seinen Mercedes dahinter. Er und Horst stiegen aus.
Es gab eine Menge Schaulustiger, die alles ganz genau sehen wollten, aber die Beamten hinderten sie daran, den Parkplatz zu betreten, auf dem der Tote neben seinem Auto lag.
Horst und Bernd durften die Polizeisperre passieren. Plötzlich stöhnte der Inspektor auf.
„Gleich kommt mir die Galle hoch“, raunte er Bernd zu.
Bernd Schuster wusste warum, denn zwischen den Fahrzeugen stand Karsten Waller, ein pockennarbiger Bursche im schmuddeligen Regenmantel, der ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Inspektor einer Fernsehserie verlieh. Waller war Fotoreporter. Er war immer vor allen anderen da. Niemand wusste, wie er das anstellte. Er sagte es auch nicht. Es war sein Berufsgeheimnis.
„Haus flog in die Luft, Waller flog mit“, witzelte Bernd.
„Von allen Aasgeiern ist das der mieseste“, knurrte der Inspektor. „Es hat schon Momente gegeben, da hätte ich ihn am liebsten erwürgt.“
„Tut so etwas denn ein Chef der Mordkommission?“
„Ich hab’s ja nicht getan, aber gejuckt hat es mich mächtig in den Fingern, das kann ich dir sagen. Ansichten hat dieser Kerl, dass einem der Hut hochgeht.“
Der schlaksige, sommersprossige Wilhelm Krone bemerkte Bernd und den Inspektor. Er ging ihnen entgegen.
„Hallo, Bernd“, sagte er.
„Guten Abend, Wilhelm“, gab Bernd Schuster zurück.
„Tut mir leid, dass ich euch den Abend verderben musste.“
„Markus Zeller wurde er noch gründlicher verdorben“, erwiderte Horst.
Wilhelm nickte.
„Er wurde erstochen.“
„Von hinten?“, fragte Horst Südermann.
Wilhelm Krone schüttelte den Kopf.
„Nein, von vorn. Der Mörder hat ihm dabei in die Augen gesehen.“
„Irgendwelche Augenzeugen?“, fragte der Inspektor.
„Bis jetzt noch nicht.“
„Wer hat den Toten gefunden?“
„Gregor Brandt“, sagte der Polizeihauptmeister.
Sowohl Horst als auch Bernd kannten Brandt. Der Mann war Bewährungshelfer. Sie hatten hin und wieder mit ihm zu tun. Ein großer, schlanker Mann mit ernsten Augen. Einer, der persönlich darunter litt, wenn seine Schützlinge rückfällig wurden. Ein Mann, der sich in seinem Beruf vollkommen einsetzte und wirklich zu helfen versuchte, wo immer es nötig war.
„Wo ist Brandt?“, fragte der Inspektor.
Wilhelm Krone wies mit dem Daumen über seine Schulter. „Dort.“
Karsten Waller pirschte sich an sie heran. Horst sah ihn zu spät, sonst wäre er ihm aus dem Weg gegangen. Der Fotoreporter blitzte dem Inspektor mit dem Elektronenblitz in die Augen und sagte grinsend zu Bernd: „Der berühmte Bernd Schuster mischt in diesem Fall auch mit?“
„Irrtum“, erwiderte Bernd. „Ich bin nur zufällig dabei. Es ist Inspektor Südermanns Fall.“
Der Pockennarbige zog die Mundwinkel verächtlich nach unten.
„Ein mieser Dealer weniger. Im Grunde genommen ein Segen für die Stadt. Es gibt ohnedies schon zu viele davon. Ein Mann, der endlich runter von der Nadel ist - das zu schaffen ist bei Gott nicht leicht, muss ja einfach rückfällig werden bei diesem Überangebot an Stoff. An jeder Straßenecke kann man es kaufen, dieses Teufelszeug. Nun sagen Sie mir mal, wie ein labiler Mensch daran vorbeigehen sollte.“
Waller musterte Horst Südermann.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich in diesem Fall besonders engagieren werden, Inspektor. Ist ja nur eine Ratte, die umgelegt wurde, deswegen sollte man meiner Meinung nach nicht allzu viel Aufhebens machen.“
Horst war knapp daran, in die Luft zu gehen. Er starrte den Reporter wütend an.
„Vielleicht denken Sie mal darüber nach, dass Markus Zeller - was immer er ausgefressen hat - in erster Linie ein Mensch war, Waller! Hier wurde ein Mensch umgebracht. Darum geht es. Ein Mann verlor auf gewaltsame Weise sein Leben. Deshalb bin ich hier, und deshalb werde ich alles in meiner Macht Stehende unternehmen, um seinen Mörder zu finden. Vielleicht finden Sie es verrückt, Waller, aber ich würde genauso handeln, wenn es Sie erwischt hätte, obwohl ich Sie nicht ausstehen kann.“
„Zwischen mir und Zeller sollte doch wohl ein Unterschied sein“, sagte Karsten Waller, ohne beleidigt zu sein. Er hatte eine dicke Haut.
„Richtig“, sagte Horst aggressiv. „Da gibt es einen Unterschied. Zeller ist tot - und Sie leben!“
„Hört sich so an, als würden Sie es beinahe bedauern, dass es nicht umgekehrt ist, Inspektor.“
„Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir nicht länger auf den Wecker gehen würden“, sagte Horst, ließ den Fotoreporter stehen und ging mit Wilhelm Krone zu dem Ermordeten.
„Ich habe den Eindruck, der Inspektor mag mich nicht so recht“, sagte Karsten Waller grinsend.
Und Bernd gab es ihm, indem er sagte: „Was ich eigentlich verstehen kann.“ Auch er kümmerte sich nicht weiter um Waller. Er folgte dem Inspektor und erreichte ihn, als Krone den Toten kurz abdeckte.
Fahl lag Markus Zeller auf dem Boden. Etwas wie Verwunderung lag selbst im Tod noch auf seinem Gesicht. Es hatte den Anschein, als könne er immer noch nicht fassen, dass er ermordet worden war.
„Er war bewaffnet“, sagte Wilhelm Krone. „Hat es aber nicht mehr geschafft, die Luger aus dem Schulterholster zu reißen. Sein Mörder war schneller.“
„Wird nicht leicht sein, den Kerl zu finden, der Zeller kaltgemacht hat“, brummte Horst. Sein Blick suchte Karsten Waller, dem er die Tat gern angehängt hätte. Es gibt hin und wieder Reporter, die sich ihre Sensationen selber machen. Waller war als Erster - weit vor seinen Kollegen - am Tatort erschienen. Seine Ansichten über Dealer hätten auch gut ins Bild gepasst ...
„Wilhelm“, sagte Horst.
„Ja, Chef?“
„Kümmere dich mal ein bisschen um Waller!“
„Vermutest du, er könnte Zeller ermordet haben?“
„Ich vermute gar nichts. Ich will nur wissen, ob Karsten Waller für die Tatzeit ein Alibi hat, warum er Dealer hasst und wie weit er in seinem Hass zu gehen bereit und imstande ist.“
„Okay, Chef“, sagte Wilhelm.
„Und jetzt will ich mit Gregor Brandt reden“, sagte der Inspektor.
„Ich schicke ihn zu dir“, erwiderte Wilhelm.
Horst und Bernd entfernten sich ein Stück von dem Ermordeten.
„Dieser Waller reizt mich jedes Mal bis zur Weißglut“, beklagte sich der Inspektor.
„Du musst ihn ignorieren.“
„Wenn ich das bloß könnte.“ Horst seufzte.
„Guten Abend“, sagte hinter ihm Gregor Brandt.
Der Inspektor wandte sich um. Er nickte dem Bewährungshelfer freundlich zu.
„Scheußliche Sache“, sagte Brandt.
„Sie haben den Toten gefunden und die Polizei verständigt?“, fragte Horst.
„Ja. Ich habe meinen Wagen dort hinten stehen, wollte ihn holen, kam an Zellers Opel vorbei und sah ihn auf dem Boden liegen. Ich dachte zuerst, jemand hätte ihn niedergeschlagen und ausgeraubt. Als ich mir den Mann aber genauer ansah, merkte ich, dass er nicht mehr lebte.“
„Haben Sie den Täter gesehen?“
„Leider nein.“
„Wie lange war Zeller schon tot, als Sie ihn entdeckten?“
„Der Mord musste kurz zuvor verübt worden sein.“
„Aber Sie haben keine Wahrnehmung gemacht, die uns weiterhelfen könnte?“
„Tut mir leid, Inspektor. Ich wollte, ich könnte Ihnen mehr erzählen.“
„Haben Sie Zeller gekannt? Ich meine persönlich gekannt.“
„Ich hatte einige Male mit ihm zu tun“, sagte Gregor Brandt.
„Was war der Grund?“
„Er hatte Kontakte zu einigen von meinen Schützlingen, und ich bat ihn, diese abzubrechen.“
„Hat er das getan?“ fragte Horst.
„Ja. Nachdem ich ihm gründlich genug ins Gewissen geredet hatte.“
„Mit den Fäusten?“
Brandt lächelte.
„Ich kann mich auch anders durchsetzen, Inspektor.“
„Davon bin ich überzeugt. Aber mit Fäusten erzielt man bei Männern wie Zeller die nachhaltigste Wirkung.“
„Das war nicht nötig“, sagte Brandt.