Buch

Pellworm. Nordsee. Das nordfriesische Biikebrennen, das große Feuer, mit dem die Wintergeister ausgetrieben werden sollen, steht kurz bevor. Doch Inselpolizist Jan Benden hat schon jetzt alle Hände voll zu tun, denn ein Feuerteufel scheint sein Unwesen auf der sonst so friedlichen Insel zu treiben. Nach mehreren kleineren Bränden wird Jan schließlich zu einer in Flammen stehenden Bauernhausruine gerufen, und spätestens hier hört der Spaß auf, denn darin befindet sich eine verkohlte Leiche. Jan nimmt die Ermittlungen auf – immer unterstützt von seinem selbsternannten Assistenten Tamme. Und auch Jans Frau Laura verfolgt ein paar ganz eigene Spuren …

Autoren

Markus Stephan wurde 1970 in Wanne-Eickel geboren und entschied sich 1996 zum Berufseinstieg bei der Polizei NRW, wo er in Gelsenkirchen, Düsseldorf und Krefeld in verschiedenen Funktionen tätig war, bevor er 2017 zur Polizei des Landes Schleswig-Holstein wechselte. Seither arbeitet er als Polizist auf einer nordfriesischen Insel, wo er auch mit seiner Frau wohnt.

Katja Lund hat Markus Stephan kennengelernt, als sie auf Pellworm Urlaub vom Schreiben machen wollte, und seitdem verfassen die beiden gemeinsam humorvolle Krimis, die auf der nordfriesischen Insel spielen. In ihrem zweiten Leben ist Katja Lund Thrillerautorin und hat im Blanvalet-Verlag die Serie um den Sonderermittler Faris Iskander veröffentlicht. Sie lebt in Niedersachsen, träumt aber schon lange von einem Haus »achter’n Diek«.

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Katja Lund
und Markus Stephan

Wattenmeerfeuer

Ein Pellworm-Krimi

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Copyright © 2021 der Originalausgabe

by Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: René Stein

Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de

LH · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-26229-7
V001

www.blanvalet.de

Prolog

17. August 1992

Die Amrum vibrierte beim Ablegen unter Hinnerk Petersens Füßen, und das Gefühl verursachte ihm einen wohligen Schauder. Wie sehr hatte er es vermisst, auf der Fähre Dienst zu tun, sich den Seewind um die Nase streichen zu lassen und ebendieses Vibrieren in all seinen Knochen zu spüren!

Himmel, sogar den Geruch der Autoabgase hatte er vermisst.

Dieser dämlichen Hepatitis, die er sich im Urlaub zugezogen hatte, war es doch tatsächlich gelungen, ihn für mehr als sechs Wochen lang flachzulegen. Er wusste eben, warum er üblicherweise lieber hier an seiner geliebten Nordsee Urlaub machte, wo er zwar zu Hause war, es aber keine dieser fiesen tropischen Krankheiten gab. Doch Greta, seine Verlobte, die hatte ja partout nach Thailand gewollt.

Zum Glück ging es ihm jetzt wieder gut.

Mit einem Lächeln auf den Lippen wies Hinnerk den letzten Wagen ein, einen roten Golf II, der soeben die Rampe vom Tiefwasseranleger herunter auf die Fähre gerollt war. Es war Urlaubszeit, und die gute alte Amrum, die schon früher zwischen Stucklahnungshörn und Pellworm hin- und hergefahren war, war bis auf den letzten Platz mit Feriengästen besetzt, deren Urlaub heute zu Ende ging.

Die Fahrerin des VW Golf schaltete den Motor aus und zog mit einem hörbaren Knarzen die Handbremse fest. Dann stieg sie aus. Sie wirkte blass, fand Hinnerk. Nur an ihrem Hals leuchteten ein paar hektische rote Flecken, die der Attraktivität der Frau allerdings keinen Abbruch taten. Ganz im Gegenteil.

In der durchaus naheliegenden Annahme, dass die Frau Angst vor der Überfahrt hatte, lächelte er sie an. »Sie sind auf diesem Schiff so sicher wie in Abrahams Schoß!«

Der Blick ihrer hellblauen Augen richtete sich auf ihn, und ihm wurde ein bisschen warm dabei.

Die Frau sah wirklich überaus attraktiv aus. Lange, in einer schmalen Hose steckende Beine, eine schlanke Figur mit Rundungen an genau der richtigen Stelle. Und nicht zu vergessen: lange blonde Haare, die sie wegen des Windes zu einem losen Knoten geschlungen hatte. Ein paar Strähnen wehten ihr trotzdem ins Gesicht, und der Anblick war so appetitlich, dass Hinnerk kurz den Blick abwenden musste. Als er wieder hinschaute, hatte die Frau sich von ihm abgewandt.

Schade. Er hätte zu gern noch ein bisschen mit ihr geflirtet.

Während seine Kollegen die Fähre zum Ablegen fertig machten, sah er selbst zu, wie die Frau den Fahrersitz ihres Wagens nach vorn klappte und ein Kind vom Rücksitz hob. Es war ein ungefähr drei oder vier Jahre alter Junge, der sich ganz still an die Frau klammerte und sich mit riesengroßen Augen umsah.

»Hübscher Junge«, sagte Hinnerk und ärgerte sich. Warum nur musste alle Welt Kinder kriegen? Was für eine Verschwendung! Natürlich kam ihm die Frau wegen des Bengels gleich sehr viel weniger begehrenswert vor, und er dachte automatisch an Greta. Die lag ihm auch andauernd mit diesem Thema in den Ohren! Aber daraus wurde nichts, denn anders als diese schlanke Frau hier würde Greta in der Schwangerschaft bestimmt wie ein Hefekuchen aus dem Leim gehen. Und das würde er auf keinen Fall zulassen!

Die Frau runzelte die Stirn, dann nickte sie ihm zu. Gleich darauf verschwand sie mit dem Jungen im Inneren des Schiffes.

Hinnerk fragte sich, ob sie dem Kind ein Eis kaufen würde.

Die Umrisse der Insel waren längst am Horizont versunken, als er erneut auf die Frau aufmerksam wurde. Sie stand in dem Gang zur Pantry und blickte sich hektisch um, noch blasser als zuvor.

Er trat zu ihr. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

Sie fuhr sich nervös mit der flachen Hand über Hals und Nacken. »Mein … Sohn«, murmelte sie. »Eben war er noch da, aber jetzt kann ich ihn nirgends finden.«

Ihm rutschte das Herz in die Hose. Konnte die Frau nicht auf ihr Gör aufpassen? Hoffentlich war der Balg nicht über Bord gegangen! Hastig meinte er: »Kommen Sie! Wir suchen ihn zusammen!«

Er ging gemeinsam mit ihr unter Deck, und um die Situation etwas zu entkrampfen, versuchte er sich an einem lockeren Gespräch. »Was haben Sie ihm denn getan, dass er von seiner Mama nichts mehr wissen will?«

Aber der kleine Scherz verfing nicht. Die Frau wandte ihm nur den Kopf zu. Ihre Augen wirkten plötzlich irgendwie gruselig, fand er. So leer.

Er öffnete die Tür, die zum Maschinenraum führte. Wenn der Junge hier auch nicht war …

Aber er war da. In eine Ecke hatte er sich gequetscht und bedeckte die Augen mit den Händen, als verstecke er sich vor dem großen, bösen Wolf.

»Hier bist du!« Die Frau wirkte über alle Maßen erleichtert, gleichzeitig aber auch ziemlich wütend. Sie zerrte den Jungen aus seinem Versteck.

Der fing an zu schreien, ein hohes, schrilles Geräusch, einer Sirene nicht unähnlich.

»Hör auf!«, fuhr die Frau das Kind an.

Aber der Junge dachte nicht daran. Er heulte und heulte, bis es nicht mehr zum Aushalten war und Hinnerk sich erneut vornahm, Greta niemals zu erlauben, ein Kind zu kriegen.

»Vielleicht gehen Sie besser mit ihm zu Ihrem Wagen«, riet er. »Wir legen sowieso gleich an.«

Dankbar nickte die Frau ihm zu. »Ich weiß einfach nicht, was er hat«, sagte sie.

Hinnerk zuckte mit den Schultern. »Kinder eben.«

Kurz darauf legte die Amrum auf der Festlandseite an, und die Passagiere verließen das Schiff. Als die Frau in ihrem roten Golf an der Reihe war, die Rampe hinaufzufahren, hatte der Junge sich wieder beruhigt. Genauso blass und still wie zu Anfang saß er auf der Rückbank.

Hinnerk blickte dem Wagen nach.

Das Letzte, was er dachte, war: Warum hat sie eigentlich keinen Kindersitz?