Impressum

Gehanneß vumm Lipßbaerje, Eichsfelder Mundart: Wörterbuch. Idee, Autorenschaft: Hans-Gerd Adler, Heilbad Heiligenstadt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2021 Hans-Gerd Adler

Herstellung

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783753456799

Uff Muuloort z schtorjn
äßß schonn nitt mee ainfach,
abber in Muuloort z schriimn,
do mußßme sinn goanzn Kribbß uffbiide
un manche Burrzlbaime schloo.

Danksagung

Bei der Bewältigung einer enormen Herausforderung zu diesem Wörterbuch war die konstruktive Unterstützung meiner Tochter, Dr. Susanne Al-Eryani, sehr hilfreich. In vielen entscheidenden Phasen gab sie mir nicht nur geeignete Ratschläge, sondern auch den nötigen Mut, einen für mich schwierigen und langen Weg durchzustehen. Dafür möchte ich ihr von Herzen Dank sagen!

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Jede sich in räumlichen Grenzen entwickelnde Gemeinschaft hatte ihre spezifischen Bedingungen für die Herausbildung der sprachlichen Kommunikation. Die Vielfalt der Sprachen entfaltete sich mit der Vielzahl besiedelter Lebensräume. Jede hatte ihre eigene ihren Zweck erfüllende Gültigkeit ohne verbindliche überregionale Regelungen. Die zunehmende Allgemeingültigkeit sprachlicher Regelungen ist erst mit der wachsenden Bevölkerungsdichte, der Arbeitsteilung, der Industrialisierung und anderen Einflüssen erforderlich geworden. Die Gebrüder Grimm haben in Erkenntnis dieser Tatsachen auf der Basis gleicher oder gleichartiger Merkmale der vorherrschenden Regionalsprachen und Mundarten mit ihrem Wörterbuch die Grundlage für das heutige Regelwerk der hochdeutschen Sprache geschaffen. Konrad Duden hat die Regeln für die verbindliche einheitliche deutsche Hochsprache erstellt.

Diese nur skizzenhaft aufgezeigte Entwicklung begründet die Unmöglichkeit der Abfassung eines Mundart-Wörterbuches. Selbst die Einschränkung auf Eichsfelder Mundart-Wörterbuch stellt eine Machbarkeit in Frage. Die nahezu für jedes Dorf bekannte eigene Mundart ist der Grund dafür. Die Schreibweise der im vorliegenden Verzeichnis gelisteten Begriffe entspricht der Mundart, die in Lutter gesprochen wird und mit der ich aufgewachsen bin. Wenn ich dennoch den Begriff Mundart-Wörterbuch im Text benutze, so möchte ich dies mit der geordneten Auflistung der mundartlichen Begriffe mit ihrem Hochdeutsch-Pendant sowie einer entsprechenden Erklärung begründen. Hinzu kommen die Erläuterungen zu den wesentlichen Besonderheiten in der Phonetik und Grammatik.

Es ist mein Anliegen, dass unsere Eichsfelder Mundart, die viele Genrationen prägten und durch die viele Genrationen geprägt wurden, als ein kostbares kulturelles Erbgut anerkannt und für die Nachkommen bewahrt wird. Dabei geht es nicht nur um Begriffe, die nicht mehr in Gebrauch sind, sondern vor allem um den typischen dialektalen Sprachklang und die regional gebräuchlichen Redewendungen. Ich habe durch meine lange experimentelle Praxis, u. a. dokumentiert in Faefferkerner1 und Soolzschtangn2, die Erkenntnis gewonnen, dass die Beachtung der Regeln der deutschen Rechtschreibung für das sprachgebundene Schriftbild unserer Mundart nicht sonderlich geeignet ist. Eine längere Zeit der Konzentration auf die Worte und ihren Klang, ohne die Ablenkung einer zu schreibenden Schnurre, hat mich veranlasst, die im Wortverzeichnis gelisteten Begriffe letztlich nun so zu schreiben, wie ich sie höre. Daraus ist zu schließen, dass eine ganze Fülle von Abweichungen von den bisher gebräuchlichen Schreibweisen zu erwarten ist. Gleichwohl ist mir bewusst, dass ich dennoch nicht bei allen Begriffen den Ton darstellen konnte, der absolut treffend ist. Das ist wohl nur in der Musik möglich. Der Weg zur lautgerechten Verschriftung unserer Mundart ist und bleibt ein schwieriger. Die geographisch gegebenen Dialektunterschiede im Eichsfeld werden daher in den Erläuterungen auch nicht hervorgehoben. Der Begriff Eichsfelder Mundarten ist einschränkend nur mit Besonderheiten des Mitteleichsfeldischen, zu der die in Lutter gebräuchliche Mundart zählt, untersetzt. Dennoch eignet sich das vorliegende Mundart-Wörterbuch als Modell für die Adaption der lautgerechten Verschriftung weiterer ortstypischer Mundarten. Damit können diese in ihrer Originalität als immaterielles Kulturerbe dargestellt und für kommende Generationen konserviert werden.

Wie die Landschaft des Eichsfeldes und alles was vergangene Generationen darin geschaffen haben, so gehört auch die Muttersprache zu den prägenden Elementen seiner Bevölkerung. Unsere eichsfeldische Mundart zu pflegen und zu bewahren ist somit ein deutliches Zeichen der Heimatverbundenheit. Sie ist wie der Atem der Seele, der uns in der Spannung zwischen Tradition und Moderne die Kraft verleiht, uns mit Stolz als Eichsfelder zu bekennen.

Verweisen möchte ich an dieser Stelle auch auf die erläuternden Texte in meinen beiden Publikationen Faefferkerner und Soolzschtangn.

Heiligenstadt, im Juni 2021

Hans-Gerd Adler


1 v. Lipsbaerje, 2007.

2 v. Lipsbaerje, 2018.

Vier wichtige Grundsätze

Die Mundart spielt in unserem Alltag kaum noch eine Rolle. Sie verkümmert zusehends und ist letztlich vom Aussterben bedroht. Ihre Weitergabe an kommende Generationen ist daher nur mittels Tonträger oder in Schriftform möglich. Doch reichen die bisher bekannten Schriftformen nicht aus, den Klang unserer traditionellen Muttersprache widerzuspiegeln. Ein möglichst lautgerechtes Schriftbild, um die Mundart darzustellen und zu konservieren, ist daher alternativlos. Folgende Grundsätze sollen dieser Aussage Bedeutung verleihen:

  1. Mundart ist zwar Deutsch, aber nicht Hochdeutsch. Daher kann sie auch nicht grundsätzlich nach den Regeln der deutschen Rechtschreibung abgebildet werden.
  2. Die Wiedergabe der Mundart in geschriebener Form kann nur durch die Anwendung eines lautgerechten Schriftbildes erfolgen.
  3. Das Schriftbild muss den Eigenheiten des Sprachklanges entsprechen.
  4. Lautes Lesen ist die Tür zum Verstehen der Begriffe in Mundart.

Erläuterungen

Die Sammlung der Begriffe resultiert zum größten Teil aus meiner schriftstellerischen Arbeit. Darüber hinaus sind Ergänzungen infolge der Kontakte mit Freunden der Mundart hinzugekommen. Die intensive Arbeit bei der Erstellung des Wortverzeichnisses führte immer wieder zu einem Schneeballeffekt, sodass ganze Wortgruppen neu aufgenommen werden konnten. Ein abschließender Blick in die verfügbare Mundartliteratur ergab nur sehr geringfügige Ergänzungen, dafür jedoch reichliche Bestätigung für meine Ausdrucksweise.

Die schriftliche Abbildung erfolgt ausschließlich auf der Grundlage des deutschen Alphabets ohne jeglichen Zusatz von den für die deutsche Rechtschreibung verbindlichen Zeichen der Lautschrift oder anderer selbstgewählter Zeichensetzungen. Mit Ausnahme der nördlichen an Niedersachsen grenzenden Eichsfeld-Orte sind die sprachlichen Unterschiede zwischen den obereichsfeldischen Ortschaften hauptsächlich in Lautverschiebungen zu finden. Somit kann das vorliegende Wörterbuch ein Hilfsmittel für Transkriptionen in andere ortsgebundene Aussprachen sein. Nachfolgende Darlegungen sollen die Handhabung dieses Wörterbuches erleichtern, vor allem jedoch mehr Verständnis für die lautgerechte Schreibweise hervorrufen.

System der Auflistung

Die Begriffe sind alphabetisch nach dem Wortstamm geordnet. Die Deklinations- und Konjugationsendungen sowie die vom Tempus bestimmten Formen als auch die Ergänzung durch Vorsilben sind diesem jeweils zugeordnet. Das Hochdeutsch-Pendant ist auf gleicher Weise dargestellt. Somit kann die Zusammengehörigkeit von Stammbegriff, Endungen und Worterweiterung leicht erkannt und auf die weitere Auflistung aller entsprechenden Wortbildungen verzichtet werden.

Die strukturierte und komprimierte Darstellung führt zu einer starken Reduzierung des Umfanges der Auflistung und garantiert zudem die erforderliche Übersicht zu detaillierten Schriftbildern des jeweiligen Begriffes. Die nachfolgenden Beispiele erläutern die Systematik.

Die Begriffe sind, ausgehend vom fett gedruckten Stammwort, von links nach rechts zu komplettieren. Die Erläuterungen zu den benutzten Zeichen (s. S. 12 ff) sind dabei zu beachten.

Beispiele:

Bain(e)n, -chn Bein(e)n, -chen
Bain, Baine, Bainn, Bainchn Bein, Beine, Beinen, Beinchen
Wärrtzhußß, -huuse, -hisser(n) Wirtshaus(e), -häuser(n)
Wärrtzhußß, Wärrtzhuuse, Wirtshaus, Wirtshause,
Wärrtzhisser, Wärrtzhissern Wirtshäuser, Wirtshäusern
Aerdn, -ball(e), -schtaub(e) Erde(n), -ball(e), -staub(e)
Aerdn, Aerdnball, Aerdnballe, Erde, Erdenball, Erdenballe,
Aerdnschtaub, Aerdnschtaube Erdenstaub, Erdenstaube
ämfindlich(e)n, -r, -ß empfindliche(n), -r, -s
ämfindlich, ämfindliche, empfindlich, empfindliche,
ämfindlichn, ämfindlicher, empfindlichen, empfindlicher,
ämfindlicheß empfindliches
fiffi(ch)j(e)n, -r, -ß pfiffige(n), -r, -s
fiffich, fiffije, fiffijn, fiffijer, pfiffig, pfiffige, pfiffigen, pfiffiger,
fiffijeß pfiffiges

Diese Wortart ist den vielfältigsten Ansprüchen unterworfen. Verben widerspiegeln Vorgänge in Abhängigkeit von Zeit, Umständen und Zuständen. Durch Ergänzungen und Verschiebungen von Lauten des Wortstammes werden die jeweiligen Gegebenheiten verdeutlicht. Im Wortverzeichnis sind die Verben eingeschränkt wie folgt gelistet:

frijj(e)n/gefrijje, -de(n), heirate(n), -te(n),
frigg(ß), gefrijjet heirate (es), geheiratet
frijje/frijjn/gefrijje, frijjed, heiraten heiratet,
frijjede, frijjedn, frigg, heiratete, heirateten heirate,
friggß, gefrijjet heirate es, geheiratet
(VS: aan, hänn, rinn, värr) (VS: an, hin, rein, ver)
aanfrijje/aanfrijjn/aangefrijje, anheiraten,
aanfrijjed, aanfrijjede, aangefrijjet, anheiratet, anheiratete, angeheiratet,
hännfrijje/hännfrijjn/hänngefrijje, hin heiraten,
hännfrijjed, hännfrijjede, hin heiratet, hin heiratete,
hännfrijjedn, hänngefrijjet, hin heirateten, hin geheiratet,
rinnfrijje/rinnfrijjn/rinngefrijje, reinheiraten,
rinnfrijjed, rinnfrijjede, reinheiratet, reinheiratete,
rinnfrijjedn, rinngefrijjet, reinheirateten, reingeheiratet,
värrfrijje/värrfrijjn, värrfrijjed, verheiraten, verheiratet,
värrfrijjede, värrfrijjedn verheiratete, verheirateten
sij(n)ß/z/gesij, -t, sitt(z), sißßt(e), sehen (es), -t, sieht (es), siehst (du),
sogg(n), -ß, -t(z), gesijn sah(en), - es, -t (es), gesehen
sij, sijn, sijß, sijnz, sehe, sehen, sehe es, sehen es,
sijt, sitt, sittz, sißßt, sißßte, seht, sieht, sieht es, siehst, siehst du,
sogg, soggn, soggß, soggnß, sah, sahen, sah es, sahen es,
soggt, soggtz, gesijn saht, saht es, gesehen

Die Vorsilben zu diesem Verb (siehe angeführt. Wortverzeichnis) werden hier nicht

lää(n)e/gelää, -d(z), -ßd(e), liege(n), -t (es), -st(du),
luug(n), -ßd, -d, gelaen lag(en), -st, -t, gelegen
Präsens
lää(n)e, -d(z), -ßd(e) liege(n), -t (es), -st(du)
lää, lään/lääne, lääe, lääd, läädz, lieg(e), liegen, liege, liegt, liegt es,
lääßd, lääßde liegst, liegst du
Präteritum
luug(n), -ßd, -d lag(en), -st, -t
luug, luugn, luugßd, -luugd lag, lagen, lagst, lagt
Perfekt
(haa, häßßt, hätt, hann, haad) (habe, hast, hat, haben, habt)
gelaen gelegen
Plusquamperfekt
(hotte, hotteßt, hottn, hottet) (hatte, hattest, hatten, hattet)
gelaen gelegen
Konjunktiv
läjj(e)n, -ßd, -d läge(n), -st, -t
läjje, läjjn, läjjeßd, läjjed läge, lägen, lägest, läget

Eine Besonderheit unserer Mundart ist der Einschub der Silbe –ge- in Verbindung mit dem Infinitiv der Verben. Das ist umso gebräuchlicher, wenn das Verb mit einer Vorsilbe verbunden ist. In dem Wortverzeichnis ist bei den jeweiligen Begriffen ein (ge) eingefügt.

Beispiel bringen:

Infinitiv: bränngn/brännge/gebrännge - bringen

Me bränngn uchch daß. Wir bringen euch das.
Me kunnz uchch brännge. Wir können es euch bringen.
Me kunnz uchch gebrännge. Wir können es euch bringen.
aanbrännge/aangebrännge anbringen
uufbrännge/uffgebrännge aufbringen
hännbrännge/hänngebrännge hinbringen
haerbrännge/haergebrännge herbringen
ruffbrännge/ruffgebrännge raufbringen
rungerbrännge/rungergebrännge runterbringen
räbberbrännge/räbbergebrännge rüberbringen
näbberbrännge/näbbergebrännge hinüberbringen

Wämme dißß oalleß gelaese kunn, dann kunn me unz abber hänngesiddze, d Aumn uffgemachche, d Oorn geschpiddze un dann gelachche.

Wenn wir dies alles lesen können, dann können wir uns aber hinsetzen, die Augen aufmachen, die Ohren spitzen und dann lachen.

Bedeutung der Zeichen

z. B.: aanfange/aangefange/aanfangn - anfangen
- Haer mußß ändlich aanfange.
Er muss endlich anfangen.
- Wänne wäll, kanne aangefange.
Wenn er will, kann er anfangen.
- Wämme doomett aanfangn, kummeß.
Wenn wir damit anfangen, können wir es.

Ein „/“ trennt ferner die unterschiedlichen Aussprachen eines Begriffes.

z. B.: Äbbel/Äwwel, äbbel/äwwel Übel, übel
Äänlichkait/Aenlichkait Ähnlichkeit
ennhaime/hännhaime nach Hause
z. B.: aangesijn, -em, -en, -er, -eß, -sißd, -soggn
angesehen, -em, -en, -er, -es, -siehst, -sahen
- Haer äßß aangesijn.
Er ist angesehen.
- Mett aangesijnem Ufftritt worrte haer bekannt.
Mit angesehenem Auftritt wurde er bekannt.
- Haer hättz mettm aangesijnen Männschn z duun.
Er hat es mit einem angesehenen Menschen zu tun.
- Enn aangesijner Mann hättz gesaet.
Ein angesehener Mann hat es gesagt.
- Daß äßß enn aangesijneß Waerk.
Das ist ein angesehenes Werk.
- Wänn duu ne aansißd, dann waißdeß ae.
Wenn du ihn ansiehst, dann weißt du es auch.
- Oalz se een aansoggn, mutte haer lachche.
Als sie ihn ansahen, musste er lachen.

Ebenfalls steht ein „“ wenn ein Begriff mit anderen Begriffen erweitert wird.

z. B.: Aendn, -dier, -dierchn, -schnabbl, -vii
Ente(n), -tier, -tierchen, -schnabel, -vieh
z. B.: Aendn, -dier/-deer, -dierchn/-deerchn
Enten, -tier, -tierchen

z. B.: - aacht(e) = acht

ß sinn aacht Schtikke. - aber - ß sinn aachte. Es sind acht Stück.

Es sind acht.

- aachthunn(d)ert

sowohl aachthunndert als auch aachthunnert achthundert

- aan(ge)baede

sowohl aanbaede als auch aangebaede anbeten

- aanschträng(e)n

sowohl aanschtränge als auch aanschträngn anstrengen

Ebenfalls steht die „()“ wenn ein Laut in der Deklinations- bzw. Konjugationsfolge durch einen anderen ersetzt oder stimmlos wird.

z. B.: - Daag(e)n Daag, Daage, Daagn
Tag, Tage, Tagen
- daagelan(k)g(e)n daagelank, daagelange,
daagelangn
tagelang, tagelange,
tagelangen
- rißß(e)n rißß, rißße, rißßn
reiß, reiße, reißen

Abkürzungen

MA = Mundart; SE = Südeichsfeld; BN = Beiname(n);

SpN = Spitzname; VS = Vorsilbe

Besonderheiten der Laute

Alle Laute der Eichsfelder Mundarten basieren auf denen des deutschen Alphabets. Jedoch ist ihr Klang regional unterschiedlich ausgeprägt. Auch Einflüsse anderer Sprachen, Dialekte und Mundarten hatten ihre Wirkung auf die Ursprünglichkeit unserer Ausdrucksweisen. Hochdeutsch, aber auch Vorbehalte und Geringschätzung der Mundart haben in der jüngeren Geschichte die Veränderung und Reduzierung mundartlicher Begriffe und Wortklänge tiefgreifend beeinflusst. So können wir nur schwer nachvollziehen, wie unsere Ahnen wirklich gesprochen haben. Ihre Ausdrucksweisen und Sprachmelodien sind uns weitestgehend verloren gegangen. Die verfügbare Mundart-Literatur bietet nur dem in seiner Mundart gefestigten Leser eine Grundlage für die Transkription in seine persönliche typisch dialektale Aussprache. Daher sind in diesem Wörterbuch die wesentlichen Besonderheiten unserer Mundart dargestellt worden, um die realen Lautfolgen möglichst konsequent abzubilden. Die Folge ist allerdings ein Schriftbild, das nicht auf den ersten Blick zugängig erscheint. In meinen Werken Faefferkerner und Soolzschtangn wird das bereits deutlich. In dieser Edition wird die Abkehr von bisherigen Schriftbildern noch anschaulicher. Lautes Lesen erleichtert Verstehen und Akzeptanz, wenn man das ausspricht, was man visuell erfasst hat.

In der Lautübersicht sind alle Laute mit ihren besonderen Merkmalen aufgelistet. Nachfolgend werden anhand von Beispielen wichtige Ergänzungen zur Besonderheit der lautgerechten Abbildung der Mundart dargestellt und begründet. Ein Beispiel soll zunächst wesentliche Unterschiede zwischen Hochdeutsch und Eichsfelder Mundart verdeutlichen:

Großmutter:

G = weiche Aussprache
r = verstärkt die Weichheit des g und die Dehnung des o
o = gedehnte Aussprache
ß = setzt eine scharfe Grenze nach dem o
m = keine Besonderheit
u = keine Besonderheit
tt = erzeugt den Druck auf die Aussprache des t
e = fängt den Druck ab
r = keine Besonderheit

Kroßßmudtr:

K = harte Aussprache (wie Kraut; Besonderheit der Eichsfelder MA: g wird oft wie k gesprochen)
r = verstärkt die Härte des k und die Dämmung des o
o = gedämpfte Aussprache (wie offen)
ßß = sehr scharfe Aussprache (wie heiß; der Doppellaut ßß verschärft den Druck auf ein möglichst kurz gesprochenes o)
m = keine Besonderheit
u = keine Besonderheit
dt = Übergang vom d zum t (Besonderheit der Eichsfelder MA, das d stößt kurz an, das t drängt nach und motiviert zu dem anschließenden e)
(e) = wird unterdrückt (es drängt sich irgendwie dazwischen, wird aber kaum hörbar wahrgenommen und darum nicht geschrieben)
r = keine Besonderheit

Die Sprachklänge des a

Neben dem a (ohne Besonderheit) und dem Doppellaut aa (gedehnt/langgezogen) gibt es in der Aussprache des a weitere Variationen.

Je nach Akzentuierung oder Stimmung wird das a als Anlaut kurz a- oder aa- gedehnt gesprochen. Besonders die Lautfolge an- ist davon betroffen. Im alphabetischen Wortverzeichnis sind diese Varianten allerdings nicht gelistet.

ankummn/aankummn - ankommen
angedonn/aangedonn - angetan
an(ge)broode/aan(ge)broode - anbraten
an(ge)baßße/aan(ge)baßße - anpassen

Der Doppellaut ae steht nicht für ä und darf auf keinen Fall so gesprochen werden! Das a klingt zunächst dumpf an. Es steht gewissermaßen zwischen dem a wie bei albern und dem ä wie bei ärger. Es klingt zunehmend heller, wird aber durch das eng verbundene e gewissermaßen gequetscht gesprochen. Auf die Besonderheit seiner Aussprache wird in diesem Werk durchgängig mit kursiver Schrift ae hingewiesen.

uffm Baerje - auf dem Berge
naechßde Wochchn - nächste Woche
ne Waelln/enne Waelln - eine Welle
Aerjer häßßde immer - Ärger hast du immer

Das sehr dumpfe a wird durch den Doppellaut oa dargestellt. Das vorangestellte o klingt dabei nur sehr schwach an. Es soll einen tiefen Klang des a bewirken.

haer luug im Woaßßer - er lag im Wasser
oalle Lidde sijnz - alle Leute sehen es
munn Schwiine oabgae - müssen Schweine abgeben
haer äßß anner Oarwait - er ist an der Arbeit
Beeter äßß minn Boade - Peter ist mein Pate
se kunn sich geboade - sie können sich baden
minn Voatr hättz gesaet - mein Vater hat es gesagt

Das stimmlose e

Wie das o. g. Beispiel Kroßßmudtr zeigt, gehört die Unterdrückung des e in den Endungen der Begriffe zu den Besonderheiten unserer Mundart. Es ist nicht so, dass das e überhaupt keine Rolle dabei spielt. Die hörbare Wahrnehmung dieses Lautes ist allerdings so gering, dass ich mich dazu entschlossen habe, das e nicht zu schreiben. Das Bedürfnis e zu sprechen liegt bei jedem Leser trotzdem vor. Die Folge ist, dass sich das e ungewollt aufdrängt aber im Aussprechen des Begriffes eben kaum anklingt.

Mudtr, Dochchtr - Mutter, Tochter
kummn, schtorjn - kommen, reden

Weil das e in der Vorsilbe ge- sehr kurz gesprochen wird, dürfte es nicht geschrieben werden, da es bereits im g mitklingt. Es müsste also nach dem Sprachklang wie folgt geschrieben werden:

ennhaime/hännhaim ggenn - nach Hause gegangen
haer äßß nitt gkummn - er ist nicht gekommen
me kunnz nitt glooße - wir können es nicht lassen
me kunntn se nitt gsij - wir konnten sie nicht sehen
daß kumme gmachche - das können wir machen

Wenn das e dennoch geschrieben wird, so geschieht es aus dem Grunde der eindeutigen Wiedergabe des Begriffes, die ohne dem e eingeschränkt wäre.

gaant - geaant - geahnt
gaijert - geaijert - geeiert
gändere - geändere - ändern
gärbe - geärbe - erben
geele - geeele - ölen
giebe - geiebe - üben
goppere - geoppere - opfern
guuze - geuuze - uzen

Der Doppellaut ei

Der hochdeutsche Doppellaut ei wird in der Mundart entsprechend seinem Klang grundsätzlich ai geschrieben.

waileß saelber schprooch - weil er es selbst sagte
zwaije mee - zwei mehr
me sinn im Aikßfaelle - wir sind im Eichsfeld
nimm dachch d Aijer uuß - nimm doch die Eier aus

Eine Ausnahme sind die beiden Begriffe Deiker bzw. Deiwel für Teufel. Hier liegt die Betonung klar auf dem e. Daher steht die Lautfolge ei nicht als Doppellaut und wird auch nicht wie ai ausgesprochen. Da das i gewissermaßen gequetscht klingt, wurde ihm ein j angehängt: Deijker bzw. Deijwel.

Der Doppellaut ie

Der hochdeutsche Doppellaut ie wird in der Mundart durch ii dargestellt und erfährt somit die gleiche Dehnung.

d(ii) liiwe Kroßßmudtr - die liebe Großmutter/Oma
wii Viicher - wie Viecher

Der mundartliche Doppellaut ie steht in der Regel für ü. Auf keinen Fall darf dieser Laut als ii gesprochen werden! Das i wird hell und durch das folgende e gewissermaßen gequetscht gesprochen. Dies trifft u. a. für die Begriffe fließt (fließt) und fliejet (fliegt) als Ausnahme ebenfalls zu. Auf die Besonderheit der Aussprache des Doppellautes wird in diesem Werk durchgängig mit kursiver Schrift ie hingewiesen.

s Friejoor worr hellsch koolt - das Frühjahr war furchtbar kalt
se hätt nen grienn Manntl - sie hat einen grünen Mantel
haer woonte uffm Ieber - er wohnte auf dem Über
s Woaßßer fließt - das Wasser fließt
daer fliejet wärre hänn - der fliegt wieder hin

Das j als Vertreter

Ein abklingendes i im Doppellaut ii wird durch ein j ersetzt. Das j stumpft das zweite i ab.

se koomn verbij - sie kamen vorbei
daß kamme gesij - das kann man sehen
mee besijchn uchch - wir besuchen euch
Hannz äßß aangesijn - Hans ist angesehen

Ein j ersetzt oft das g in den Endsilben -ge und -gen. Es steht aber auch mitunter für ein ch in der Endsilbe -chen.

daß besorje ich dich - das besorge ich dir
daß kann ich dich besorje - das kann ich dir besorgen
me kunn unz bewaeje - wir können uns bewegen
dißß bißßjen - dies bisschen
s äßß Liißjen sinnz - das ist Lieschen ihres

Das s und sein Lautwandel

Die Darstellung des Lautes s ist ein mit Problemen behaftetes Anliegen. Kein anderer Laut hat hinsichtlich des Klanges größere Anforderungen zu erfüllen. Das deutsche Alphabet bietet zwei Buchstaben an, s und ß. Auf den ersten Blick scheint alles klar, denn s ist stimmhaft – Susi, und ß zischt klar durch die Zähne - heiß. Die Veränderung durch die neue Rechtschreibung, dass daß nun dass geschrieben wird, mindert eher eine vormals bestehende Klarheit. Für das Schreiben und eine damit verbundene anscheinende Erleichterung für Fremdsprachige, die Deutsch lernen, mag es sinnvoll sein, dem s Vorrang zu geben. Einer real tonalen Wiedergabe entspricht sie aber nicht. Um dem Lautklang des s in der Mundart zu entsprechen, ist die Darstellung einer Regel erforderlich.

s Schreibe nur s, wenn dieser Laut auch „summen“ soll, also stimmhaft ist.

Kannzde gesinge, odder siddzt dich enn Frosch im Hoallse?

Kannst du singen, oder sitzt dir ein Frosch im Halse?

ss Schreibe ss, wenn du eine (summende) Verstärkung brauchst.

Ich saeß färr Wasse Lissebette.

Ich sage es der Tante Liesbeth.

ß Schreibe ein ß, wo das s scharf klingt.

Daß äßß sicher krooß genunnk.

Das ist sicher groß genug.

ßß Schreibe ßß, wo der Laut ganz scharf gesprochen wird.

Im Woaßßer schwimmetz Bood beßßer.

Im Wasser schwimmt das Boot besser.

z Schreibe an der Stelle ein z, wo das s auch so klingt.

Woaß hann Hannz un Frannz doomett z duune?

Was haben Hans und Franz damit zu tun?

Daß kannzde hii gelaese.

Das kannst du hier lesen.

Odder baßßdz dich nitt?

Oder passt es dir nicht?

Äbberrijenz, fallz Jennz mool innz Baradiiß kimmet, sälle unz mool ne Koortn vumm Baradiise schikke.

Übrigens, falls Jens einmal ins Paradies kommt, soll er uns mal eine Karte vom Paradiese schicken.

Ungewohnte Doppellaute

Wie bereits erwähnt, ist die sprachgetreue Abbildung mancher Begriffe problematisch. Eine ungewohnte Kombination von Buchstaben ist das Bestreben, dem realen Sprachklang möglichst nahe zu kommen. Beispiele für die Lautfolgen yj und ij sollen das Gesagte verdeutlichen.

haer beyjet sich - er biegt sich
haer deyjet nitt - er taugt nicht
sinne Zeyj(e)n - seine Ziege
se schtett drijje - sie steht trocken
me traeffn unz imme drije - wir treffen uns um drei
ß äßß nitt me nije - es/das ist nicht mehr neu

Andere Besonderheiten

Dopplungen der Vokale und Konsonanten

Zur Vermeidung von Zeichensetzungen und zur Herausbildung einer Dynamik wähle ich die Dopplung von Vokalen und Konsonanten. Dabei gilt folgende Regelung:

Minn Kroßßvoatr machchte oobedz noomn Naachtbroode immer sinne Schprichche. Err dovuune huuß: Wämme Hottn hottn, hottn mee ae Kaese.

Mein Großvater machte abends nach dem Abendbrot immer seine Sprüche. Einer davon hieß: Wenn wir Quark (Hotten) hatten, hatten wir auch Käse.

se äßß krait ninnzich Joore oold - sie ist schon 90 Jahre alt
ß äßß nitt gegenn - es ist nicht gegangen
haer hätt ne geuuzt - er hat ihn gefoppt
mett dr Zeyjen - mit der Ziege

Typische Lautverschiebungen

Eine auffällige Besonderheit unserer Eichsfelder Aussprache ist die Umkehrung weicher und harter Lautzeichen. Dieses Charakteristikum ist bei den Eichsfeldern auch in der hochdeutschen Umgangssprache deutlich zu hören. Es ist ein Erkennungsmerkmal, welches Bewohner anderer Gegenden deutlicher wahrnehmen als wir selbst. Daher ist eine entsprechende Konsequenz in der Verschriftung der Mundart auch erforderlich. Für eine grundsätzliche Regelung fehlen aber ausreichende verallgemeinernde Faktoren. Sprachtests haben ergeben, dass vor allem die individuelle Aussprache der Laute b und p sowie d und t sehr differenziert sind. Lautverschiebungen sind zwischen g und k ebenfalls üblich. Es zeigt sich, dass vorwiegend solche Begriffe von einer Lautverschiebung betroffen sind, bei denen die oben genannten Laute ein l oder r als Lautfolge verzeichnen. Aber auch hier ist ein durchgängiger Wechsel nicht feststellbar.

Nachfolgend werden Lautverschiebungen beispielhaft kommentiert und aufgezeigt. Im Wortverzeichnis werden diese Fälle jedoch nicht in ihrer Variation dargestellt. Vielmehr wird der Beibehaltung des am häufigsten wahrnehmbaren Lautzeichens der Vorrang gegeben. Somit sind z. B. die Begriffe Brood Brot unter B zu finden, nicht aber unter P als Prood, aber Bauel Paul entsprechend unter B, da der Name auch deutlich so ausgesprochen wird.

Die Laute b und p

Der Klang der Laute b und p war bei den Tests am schwierigsten zu bestimmen. Ob ein b wirklich dem b oder mehr dem p entsprach, hätte bei manchen Begriffen nur mit Hilfe entsprechender Messgeräte festgestellt werden können. Zudem war eine generelle Lautverschiebung für alle Begriffe, die diese Laute enthalten, nicht zutreffend. Während z. B. Baesn Besen und Botter Butter das b eindeutig zur Geltung brachten, waren die Begriffe Blummn Blume, Brikkn Brücke, bruune, braun auch als Plummn, Prikkn, pruune wahrnehmbar. Die Tendenz zum p trat bei Begriffen mit der Lautfolge bl und br besonders stark hervor. Die Ergebnisse der Sprachtests waren jedoch nicht eindeutig. Zu einem entsprechend stringenten Schriftbild konnte ich mich daher nicht durchringen. Beispiele:

blamieren - plameern
blicken - plikke
ausblicken - uußplikke
Brust - Prußßd
Brötchen - Preetchn

Die Lautverschiebung vom p zum b ist mit den gleichen Erscheinungsformen behaftet. Während bei Peter und Paul sich der Laut klar zu Beet(e)r und Bauel verschiebt, ist z. B. das Schriftbild Bladdz oder Pladdz für Platz und Bressedennt oder Pressedennt für Präsident möglich.

Papst - Baabßd
Paul - Bauel
Post - Boßßt
Packen - bakke
probieren - brobeern
verpulvert - värrbullwert

Für viele Begriffe fehlen zur lautgerechten Schreibweise geeignete Lautzeichen. So sind Ausdrücke davon betroffen, die vom Doppellaut pp zu bb tendieren. Alle meine bisherigen diesbezüglichen Schreibweisen waren unbefriedigend. Letztlich habe ich mich zu einem Kompromiss entschlossen, der dem Sprachklang am nächsten kommt. Dazu folgende Beispiele:

Bobbm/Boppn - Bobpn - Puppe
Trebbm/Treppn - Trebpn - Treppe
Sobbm/Soppn - Sobpn - Suppe
Dibbm/Dippn - Dibpn - Topf
Kabbm/Kappn - Kabpn - Kappe

Hinweis: Im Wortverzeichnis ist die Lautfolge bbm als Sprachklang ergänzt.

Eine andere Lautverschiebung ist die vom b zum m. Diese geschieht in der Regel dann, wenn der Begriff als Endung ein -e bzw. -en aufweist Dazu folgende Beispiele:

liimn, Laemn, traamn, Farmn, Duumn

lieben, Leben, traben, Farbe, Taube/Daumen

Es gibt auch Begriffe, bei denen das b zum Doppellaut bb wird. In diesen Fällen ist sogar eine weitere typische Lautverschiebung zum ww nicht ungewöhnlich.

äbber/äwwer - über
dräbber/dräwwer - drüber
bber/näwwer - ber
bber/räwwer - ber
Laebber/Laewwer - Leber

Die Laute d und t

Diese beiden Laute sind nicht nur von einer wechselseitigen Lautverschiebung betroffen. Ähnlich wie im Hochdeutsch kommt es zur Bildung eines Doppellautes. Die nachfolgenden Beispiele sollen das Bemühen um eine lautgerechte Schreibweise verdeutlichen. Zunächst die Lautverschiebung vom t zum d:

tagtäglich - daggdääglich
Teller - Daelldr
vertan - värrdonn
breite - braide

Diese Lautverschiebung wird oft noch deutlicher, wenn dann dem d ein g oder k vorausgeht.

holten - langdn
backt/packt - bakkd
schreit - bellkd
Markt - Markd

Der Doppellaut dd wirkt verkürzend auf den vorausgehenden Vokal und erhöht den weich bleibenden Druck auf d selbst.

Leder - Laedder
wieder - wedder
tat, tat es, taten - dodd, doddz, doddn

Der Übergang vom weichen in einen harten Laut wird durch dt als Kompromiss deutlich.

bedeutet - bedidt
deutlich - didtlich
austunken - didtscheln
Deutschland - Didtschlannd

Eine ungewohnte Lautfolge entspringt der Bemühung um eine lautgerechte Verschriftung. Die Aussprache des tz unterliegt einer Besonderheit. Das t klingt eher wie ein unter Druck stehendes d. Daher wird sein Klang durch den Doppellaut dd sichtbar gemacht. Die Härte des t wird dennoch nicht erreicht. Folgendes Beispiel soll dies deutlich werden lassen:

Ich siddze uffm Kloddze un schaukele d Kaddzn, dii lääd inner Hoddzn.

Ich sitze auf einem Klotze und schaukele die Katze, die liegt in der Hotze (Wiege).

Der druckgebende harte Doppellaut tt ist auch im Hochdeutschen üblich, z.B. Kette, Motte, flott. Seine Wirkung in der Mundart ist damit identisch und bedarf keiner besonderen Kommentierung.

Se hotte d Botter innem Botte drinne.

Sie hatte die Butter in einem Pott drinn.

Der Laut m verdrängt oder schwächt die Endsilbe -en

Die schwache sprachliche Ausbildung der Endsilbe -en ist ebenfalls ein typisches Merkmal der Eichsfelder Mundart.

Bollybm, Dybm, Kraubm, Klummbm

Polypen, Typen, Graupen, Klumpen

haumn, kuumn, klemmn, Laumn, Klaumn, Schiimn

hauen, kauen, klemmen, Lauben, Glauben, Scheiben

Inkonstante Lautverschiebungen

Auf die Lautverschiebung in Abhängigkeit von der Lautfolge l oder auch r wurde bereits verwiesen. Weil sie allerdings inkonstant ist, wird nachfolgend näher darauf eingegangen. Die Lautverschiebung ist nicht stringent für alle zutreffenden Begriffe feststellbar. Zudem ist die individuelle Sprachgewohnheit vielfach different. Dazu nachfolgende Beispiele. Die in der Aufstellung vorangestellten Begriffe haben ihren Eintrag im Wortverzeichnis.

bludd/pludd - blutet
Blummn/Plummn - Blumen
brännt/pränn - brennt
Broodn/Proodn - Braten
Pladdz/Bladdz - Platz
Plaan/Blaan - Plan
Prässedennt/Brässedennt - Präsident
Präddicht/Bräddicht - Predigt
Drachchn/Trachchn - Drachen
Draekke/Traekke - Dreck
drikke/trikke - drücken
druffe/truffe - drauf
Trebpn/Drebpn, (bbm) - Treppe
Trobpn/Drobpn, (bbm) - Tropfen
trinke/drinke - trinken
troddzdaem/droddzdaem - trotzdem
Kroßßmudtr/Großßmudtr - Großmutter
krooß/grooß - groß
Klauwe/Glauwe - Glaube
klikklich/glikklich - glücklich
Loosunk/Loosung - Losung
genunnk/genung - genug

Haer hotte färr d Uußwaeßßelunnk zum Klikke genunnk Sichcherunk dobij.

Er hatte für die Auswechslung zum Glück genug Sicherung dabein

Verkürzte Aussprache

Beispiele für die Verkürzung der Lautfolgen -n(e)n und in den: Das (e) ist stimmlos, und wird nicht geschrieben.

daer lääd inn(e)n/innn - der liegt innen
d klain(e)n/klainn - die kleinen
se ränn(e)n/nnn - sie rennen
inn(e)n/innn - in den

Verkürzte Aussprache von Artikel, Personalpronomen und unbestimmten Zahlwörtern:

dr Doktr hätt gesaet - der Doktor hat gesagt
d Gennse sinn faett - die Gänse sind fett
ß Huss schett schaib - das Haus steht schief
do kimmte - da kommt er
dißß hättse - dies hat sie
ß koom runger - es kam runter
ß hätt ne - es hat ihn
wo e hännkoom - wo er hin kam
n goanzer Kaerl - ein ganzer Kerl
ne nuuwe Oort - eine neue Art
nen guudn Rood - einen guten Rat
ner scheenn Sachchn - einer schönen Sache

Der Laut als Begriff

Es gibt Begriffe, die in ihrem beiläufigen Gebrauch mit nur einem Laut zum Ausdruck gebracht werden.

Beim Artikel das und dem Personalpronomen es wird nur ß gesprochen und damit auch geschrieben.

ß gett dich nischt aan. - Das geht dich nichts an.
ß kannz nitt gelooße. - Es kann es nicht lassen.

Wenn jo (ja) beiläufig gebraucht wird, klingt dem j ein sehr schwaches e nach, wird aber nicht geschrieben.

Haer kannz j gemachche. - Er kann es ja tun

Eine Besonderheit wird auch bei der Präposition zu deutlich. Meist wird ein ze ausgesprochen. Dem z wird ein sehr schwaches e angehängt, das aber nicht geschrieben wird.

z oallerleddzd - zu allerletzt
kaum z klaumn - kaum zu glauben
oalle zsammn - alle zusammen

Nur in betontem Gebrauch wird auch zu gesprochen.

Machch dachch d Deer zu. - Mach doch die Tür zu.

Die Tageszeiten

Beim Grüßen zu den verschiedenen Tageszeiten wird der Vorsatz guudn nur in Ausnahmefällen benutzt. In der Regel entfallen die Laute uud. Wenn der Gruß höflicher sein soll setzt man der Tageszeit die Lautfolge Gen- vor. Nur beim Morgengruß klingt der Vorsatz eher wie Gun- (also von guudn). Oft sind die beiden Worte aber zusammenhängend wahrnehmbar.

gn Morjen/Gunmorjen - guten Morgen
gn Dagg/Gendagg - guten Tag
gn Oobed/Gennoobed - guten Abend
gn Naacht/Gennaacht - gute Nacht

Grammatik und Besonderheiten

Die wesentlichen Regelungen der deutschen Grammatik für die Eichsfelder Mundart und ihre Besonderheiten werden nachfolgend in Beispielen dargestellt.

Die Deklination der Substantive

Singular

Kasus der Baum die Mutter das Schaf
Nom. daer Baum dii Mudt(e)r daß Schoof
Gen. deß Baumeß daer Mudt(e)r deß Schoof(e)ß
Dat. daem Baume daer Mudt(e)r daem Schoof(e)
Akk. daen Baum dii Mudt(e)r daen Schoof

Plural

Kasus die Bäume die Mütter die Schafe
Nom. dii Baime dii Midter dii Schoofe
Gen. daer Baime daer Midter daer Schoofe
Dat. daen Baimen daen Midtern daen Schoofn
Akk. dii Baime dii Midter dii Schoofe

Besonderheit

Der Genitiv ist im Sprachgebrauch nicht üblich. Stattdessen wird der Dativ benutzt:

die Blätter des Baumes - dii Blettr vunn daem Baume
dessen Blätter - daem sinne Blettr
die Schürze der Mutter - Mudter sinne Schärrzel
deren Schürze - sinne/eere Schärrzel
die Wolle des Schafes - dii Wulln vunn daem Schoofe
dessen Wolle - daem sinne Wulln

Die Deklination der Adjektive

Singular

Kasus dicker Baum gute Mutter altes Schaf
Nom. daer dikke Baum dii guude Mudtr daß oole Schoof
Gen. deß dikkn Baumeß daer guudn Mudtr deß ooln Schoof(e)ß
Dat. daem dikkn Baume daer guudn Mudtr daem ooln Schoof(e)
Akk. daen dikkn Baum dii guude Mudtr daen ooln Schoof

Plural

Kasus dicken Bäume guten Mütter alten Schafe
Nom. dii dikkn Baime dii guudn Midter dii ooln Schoofe
Gen. daer dikkn Baime daer guudn Midter daer ooln Schoofe
Dat. daen dikkn Baimen daen guudn Midtern daen ooln Schoofn
Akk. dii dikkn Baime dii guudn Midter dii ooln Schoofe

Besonderheit

Der Genitiv ist im Sprachgebrauch nicht üblich. Stattdessen wird der Dativ benutzt:

Blätter des dicken Baumes - Blettr vunn daem dikkn Baume
Schürze der guten Mutter - Schärrzel vunn daer guudn Mudter
Wolle des alten Schafes - Wulln vunn daem ooln Schoof

Mit unbestimmtem Artikel

Kasus ein dicker Baum eine gute Mutter ein altes Schaf
Nom. enn dikker Baum enne guude Mudtr enn ooleß Schoof
Gen. enneß dikkn Baumeß enner guudn Mudtr enneß ooln Schoofß
Dat. ennem dikkn Baume enner guudn Mudtr ennem ooln Schoof
Akk. ennen dikkn Baum enne guude Mudtr ennen ooln Schoof

Besonderheit

Blätter eines dicken Baumes - Blettr vunnem dikkn Baume
Schürze einer guten Mutter - Schärrzel vunner guudn Mudter
Wolle eines alten Schafes - Wulln vunnem ooln Schoof

Konjugation der Verben und ihre Tempora

(mit Beachtung der Hilfs- und Modalverben)

Präsens Präteritum Perfekt Futur
fahren fuhren sind gefahren werden fahren
ich faare fuur bänn gefaarn waere faare
duu feerßd fuurßt bißd gefaarn wärrßt faare
haer feert fuur äßß gefaarn wärrd faare
se feert fuur äßß gefaarn wärrd faare
feert fuur äßß gefaarn wärrd faare
mee faarn fuurn sinn gefaarn waern faare
dee faart fuurt siid gefaarn waerdet faare
see faarn fuurn sinn gefaarn waern faare
Präsens Präteritum Perfekt/Plusquamperfekt Futur
sehen sahen haben/hatten gesehen werden sehen
ich sij sogg haa/hotte gesijn waere sij
duu sißßt soggßt häßßt/hotteßt gesijn wärrßt sij
haer sitt sogg hätt/hotte gesijn wärrd sij
se sitt sogg hätt/hotte gesijn wärrd sij
sitt sogg hätt/hotte gesijn wärrd sij
mee sijn soggn hann/hottn gesijn waern sij
dee sijt soggt haad/hottet gesijn waerdet sij
see sijn soggn hann/hottn gesijn waern sij
Präsens Präteritum Konjunktiv
können sehen konnten sehen könnten sehen
ich kann sijn/gesij kunnte sijn/gesij kinnte sij/gesij
duu kannßt sijn/gesij kunnteßd sijn/gesij kinnteßt sij/gesij
haer kann sijn/gesij kunnte sijn/gesij kinnte sij/gesij
se kann sijn/gesij kunnte sijn/gesij kinnte sij/gesij
kann sijn/gesij kunnte sijn/gesij kinnte sij/gesij
mee kunn sijn/gesij kunntn sijn/gesij kinntn sij/gesij
dee kunnt sijn/gesij kunntet sijn/gesij kinntet sij/gesij
see kunn sijn/gesij kunntn sijn/gesij kinntn sij/gesij
Präsens Präteritum Konjunktiv
müssen sehen mussten sehen müssten sehen
ich mußß sijn mutte sijn mitte sij
duu mußßt sijn mutteßt sijn mitteßt sij
haer mußß sijn mutte sijn mitte sij
se mußß sijn mutte sijn mitte sij
mußß sijn mutte sijn mitte sij
mee munn sijn muttn sijn mittn sij
dee muut sijn muttet sijn mittet sij
see munn sijn muttn sijn mittn sij
Präsens Präteritum Konjunktiv
wollen sehen wollten sehen wollen sehen
ich wäll sijn wullte sijn willte sij
duu wällßt/witt sijn wullteßt sijn willteßt sij
haer wäll sijn wullte sijn willte sij
se wäll sijn wullte sijn willte sij
wäll sijn wullte sijn willte sij
mee wulln/wunn sijn wulltn sijn willten sij
dee wullt sijn wulltet sijn willtet sij
see wulln/wunn sijn wulltn sijn willten sij

Deklination der Personalpronomen

Nom. Gen. Dat. Akk.
ich minn/minnz/miine mich mich
duu dinn/dinnz/diine dich dich
haer sinn/sinnz/siine aemm aenn/een
se sinn/sinnz/siine aemm/aer se
se eer/eerß eerm/aer eern
sinn/sinnz/siine aemm
mee unse/unseß unz unz
dee uuer/uuerß uurm uurn
see eer/eerß eerm eern

Besonderheiten

Se hätt j sinnz waegg gebroocht.

De Lidde hann vunn aemm värrzoolt.

In diesem Fall ist von Maria die Rede.

Se hätt j eerß waegg gebroocht.

De Lidde hann vunn aer värrzoolt.

Hier wird von der Lehrerin gesprochen.

ß kimmet, wiiß kimmt.

Eß hättz mich saelber värrzoolt.

Daß mußß ich dich unbedingt sae.

Das muss ich dir unbedingt sagen.

Daß kannzde mich ae glichch gesae.

Das kannst du mir auch gleich sagen.

Säll ich mich daß schikke looße?

Soll ich mir das schicken lassen?

Nää, dißß krijjeßde vunn mich gebroocht.

Nein, das kriegst du von mir gebracht.

Das Possessivpronomen

Pers. Nom. m. für n. Plur.
ich minn mirr minne minnz minne
duu dinn dirr dinne dinnz dinne
haer sinn sirr sinne sinnz sinne
se sinn sirr sinne sinnz sinne
se* eer eerer eere eerß eere
sinn sirr sinne sinnz sinne
mee unse unser unse unseß unse
dee uuer uurer uure uuerß uure
see eer eerer eere eerß eere

Hinweis: * Höflichkeitsform für die Einzelperson Sie

Syntagmen

Eine weitere Besonderheit besteht in der Verknüpfung von Personalpronomen mit den Verben und Hilfsverben. Entgegen der hochdeutschen Sprach-und Schreibweise gehen diese in der Eichsfelder Mundart Syntagmen ein. Sie stehen also nicht selbständig für sich, sondern werden als ein Wort wahrgenommen und folglich auch so geschrieben.

Bißde froo dräbber, daß deß gelaese kannßt?

Bist du froh darüber, dass du es lesen kannst?

Biß deß richdich kannßt, mußßdeß luude laese.

Bis du das richtig kannst, musst du es laut lesen.

Gukkßde dich d Schriffd aan, märkßdeß glichch, daß äßß kenn Hochdidtsch.

Schaust du dir die Schrift an, merkst du es gleich, das ist kein Hochdeutsch.

Kannßdeß, do wärrßde froo sij.

Kannst du es, dann wist du froh sein.

Wänne dinne Nappersche freegeßt, wärrdse dich haellfe.

Wenn du deine Nachbarin fragst, wird sie dir helfen.

Weitere Syntagmen mit unterschiedlichem Akzent sind üblich.

hammeß/hann meeß - haben wir es
simmeß/sinn meeß - sind wir es
kummeß/kunn meeß - können wir es
mummeß/munn meß - müssen wir es
summeß/sunn meß - sollen wir es
wummeß/wunn meß - wollen wir es
wämme(ß)/wänn me(ß) - wenn wir (es)
äßße, äßß - ist er/ist sie, ist es
bißße, bißß - bis er/bis sie, bis es
bruchchßde - brauchst du
bruchchme - brauchen wir

Akzentuierung der Personalpronomen wir und ihr

Me genn inne Schtaadt. - Wir gehen in die Stadt.

Hier handelt es sich um eine gewöhnliche Aussage.

Mee genn inne Schtaadt. - Wir gehen in die Stadt.

Wir sind es, die in die Stadt gehen.

Daß kunnt d gemachche. - Das könnt ihr tun.

Hier handelt es sich um eine gewöhnliche Aussage.

Daß kunnt de gemachche. - Das könnt ihr tun.

Hier kommt es auf die Zuordnung (ihr) an.

Daß kunnt dee gemachche. - Das könnt ihr tun.

Hier geht es um Verantwortung, also ihr!

Praktische Beispiele

Um die lautgerechte Verschriftung der Mundart und die Besonderheiten der Ausdruckweise zu verdeutlichen, werden nachfolgend Beispiele aufgeführt. Es handelt sich um 33 Sätze, die ich im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. in Eichsfelder Mundart übertragen habe. Es erfolgte eine Ergänzung um sieben weitere Beispiele.

Das Anna und ihr Hund

Anna un sinn Hunnd