Uwe Woitzig

Love and Glory - Liebe und Ruhm

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1: Kindheit

Kapitel 2: Iains Rache

Kapitel 3: Auf der Flucht

Kapitel 4: Ursache und Wirkung

Kapitel 5: Begegnungen

Kapitel 6: Bruder William

Kapitel 7: Akiras Bestimmung

Kapitel 8: Der Earl of York

Kapitel 9: Akiras Verhängnis

Kapitel 10: Malcolm, der Alchemist

Kapitel 12: Iains neue Welt

Kapitel 13: Albträume

Kapitel 14: Eine Affäre

Kapitel 15: Iains Ausbildung

Kapitel 16: Eine Reise nach London

Kapitel 17: Ein Besuch beim König

Kapitel 18: Iain zockt

Kapitel 19: Eine verhängnisvolle Einladung

Kapitel 20: Akiras Ehe

Kapitel 21: Leslies Problem

Kapitel 22: Akiras Besuch

Kapitel 23: Der Earl schlägt zu

Kapitel 24: Ein feiger Mord

Kapitel 25: Iain im Gefängnis

Kapitel 26: Unerwartete Hilfe

Kapitel 27: Akiras Flucht

Kapitel 28: Akiras Lust

Kapitel 29: Francis

Kapitel 30: Ein Komplott

Kapitel 31: Im Kinderheim

Kapitel 32: Eine Seereise

Kapitel 33: Francis und Aidan

Kapitel 34: Der gekaufte Prozess

Kapitel 35: Iains Ankunft in Paris

Kapitel 36: Iains einflussreiche Freunde

Kapitel 37: Aidans Befreiung

Kapitel 38: Iains gesellschaftliche Erfolge

Kapitel 39: Ein Geschenk an die Polizei

Kapitel 40: Akira und Francis

Kapitel 41: Snake dreht durch

Kapitel 42: Ein erfahrener Konstabler

Kapitel 43: Die Falle des Mr. Blaire

Kapitel 44: Akiras Verhaftung

Kapitel 45: Akiras Flucht

Kapitel 46: Iains Audienz beim Regenten

Kapitel 47: Finanzen und Sex

Kapitel 48: Eine geniale Idee

Kapitel 49: Leslies Geschenk

Kapitel 50: Snakes Plan

Kapitel 51: Ein Verhör mit Folgen

Kapitel 52: Ein besonderes Etablissement

Kapitel 53:Fatale Bankgeschäfte

Kapitel 54: Eine Verschwörung

Kapitel 55: Ein drohendes Verhängnis

Kapitel 56: Ein kolossaler Triumph

Kapitel 57: Der Schein des Geldscheins

Kapitel 58: Eine Vision

Kapitel 59: Die Rückkehr des Earls

Kapitel 60: Akiras Retter

Kapitel 61: Die Macht des Schicksals

Kapitel 62: Die Entscheidung des Königs

Kapitel 63: Blaires Botschaft

Kapitel 64: Akiras Ankunft bei Hofe

Kapitel 65: Das Urteil des Königs

Kapitel 66: Die Folgen der Gier

Kapitel 67: Die Eskorte des Earl

Kapitel 68: Der Pirat mit der Maske

Kapitel 69: Der Überfall auf See

Kapitel 70: Die Macht des Schicksals

Kapitel 71: Spielbälle der Götter

Kapitel 72: Die Rache des Earl

Kapitel 73: Iain und Akira

Kapitel 74: Wahre Liebe

Kapitel 75: Ein Feuerwerk

Impressum neobooks

Kapitel 1: Kindheit

Der ganze Tag war trüb gewesen. Eigentlich die ganze Woche. So war das Wetter nicht nur im Oktober 1689, sondern fast immer auf der Isle of Skye. Kalt, neblig, grau in grau. Die salzige Luft geschwängert mit Feuchtigkeit, die einem unter die Haut zu kriechen schien. Iains Mutter, die auf einer Farm aufgewachsen war und viele Bauernregeln kannte, hatte ihm erklärt, dass immer dann schlechtes Wetter heraufziehe, wenn die Bienen ihren Stock nicht verlassen, Kühe und Hunde auf der rechten Seite liegen, Regenwürmer an die Oberfläche kommen oder Finken und Spatzen bei Sonnenaufgang zwitschern. Der spillerige Junge mit den zerzausten Haaren hatte daraufhin aufmerksam auf diese Vorzeichen geachtet. Das Wetter war aber auch dann schlecht geworden, wenn er mal einen Hund auf der linken Seite liegen oder Bienenschwärme herumfliegen gesehen hatte. Mit seinen fünf Jahren erinnerte er sich schwach daran, dass es ein einziges Mal hell und warm gewesen war, die Vögel fröhlich gezwitschert und die Sonnenstrahlen auf den blauen Wellen des Firth geglitzert hatten. Das war im letzten Sommer gewesen. Jetzt sagten die Bewohner von Dunvegan Castle, es werde bald Winter.
Iain fröstelte, als er barfuß in seinen Holzpantinen seiner Spielgefährtin Akira hinterher schaute. Die Tochter von Robert McLeod, dem mächtigen Clanchef, dem die trutzige Burg an der Westküste der Isle of Skye gehörte und in dessen Diensten Iains Vater Allan McCrimmon als erster Bagpiper stand, hatte ihr gemeinsames Spiel abgebrochen, weil sie plötzlich gefroren hatte. Dabei trug sie doch ihr neues Wollmäntelchen und sogar dicke Strümpfe in ihren ledernen Spangenschuhen.
„Sie ist eben ein ängstliches kleines Mädchen und nicht so ein harter Bursche wie ich“, dachte Iain und grinste.
Seine Eltern hatten vor kurzem beschlossen, ihm die Gängelbänder von seinen Hemden zu nehmen. Er sei nun groß genug, allein durch die Welt zu marschieren, hatte ihm seine Mum erklärt. Iain hatte es wahrlich genutzt, unbeaufsichtigt im regen Treiben des Schlosses umher zu wandern, während sein Vater in seinem Übungsraum seinen Dudelsack blies und seine Mutter daheim in ihre Näh-, Strick- oder Walkarbeiten vertieft war.
Er hatte eine ganz neue Welt für sich entdeckt, weil er sich ohne die Gängelbänder allen Tieren nähern konnte, vor denen seine Mutter mit ihm bisher immer vorsichtig auf Abstand geblieben war. Federn hatte er gesammelt und dabei zugesehen, wie eine Magd den Hühnerstall ausmistete. Die Hühner ließen ihren Kot überall fallen und der Gestank wurde beißend, als die Magd mit der zerbrochenen Hacke, die dafür zur Verfügung stand, vorsichtig die verkrustete Masse von den Sitzrosten brach, weil sie nicht ein irgendwo verstecktes Ei zerschlagen wollte. Sie hatte den Kot mit bloßen Händen in einen mitgebrachten Holzeimer geworfen und dabei schmerzlich das Gesicht verzogen, weil sich der Kalk des Kots brennend in ihre Handflächen gefressen hatte. Schnell war sie nach draußen in den Gemüsegarten gelaufen und hatte sich etwas Petersilie gepflückt und zwischen ihren Händen zerrieben. Iain hatte sich gemerkt, dass Petersilie anscheinend Hautschmerzen linderte. Da ihm selten jemand etwas erklärte, hatte er es sich angewöhnt, sich jeden Tag etwas Neues einzuprägen, und in seinem kleinen Kopf hatte sich bereits eine Menge Wissen angesammelt. Er hatte im Hühnerstall genug gesehen und war zu den Kühen im Stall geschlichen, wo er die Mägde beim Melken beobachtet und gelernt hatte, dass das richtige Melken mit der Stimulation der Euter beginnt, bei dem die Euter gereinigt und vorgemolken wurden.
An einem anderen Tag waren ihm die Grundbegriffe des Reitens beigebracht worden. Einer der Pferdeknechte hatte ihn einfach auf ein Pferd gehoben und es am Zügel im Burghof spazieren geführt. Iain hatte es genossen, von so hoch oben auf alle herunterzublicken, und es war ihm leicht gefallen, sich dem Rhythmus des Pferdetrotts anzupassen und im Sattel zu bleiben. Jeden Tag machte er neue Erfahrungen, und es war einfach wunderbar, dass er innerhalb der Mauern des Schlosses frei herum laufen konnte und überall gern gesehen war. Fast überall. Einmal hatte ihn der Schlossherr erwischt, als er verträumt im Gang vor dessen privater Stube stand und die durchwirkten Wandteppiche mit den Jagdszenen bestaunte. Robert McLeod hatte ihn am Kragen seines bodenlangen Kleides gepackt, das er wie alle Jungen bis zu seinem siebten Geburtstag tragen musste, ihn hochgehoben, heftig geschüttelt und ihn aus dem Fenster über den Hof gehalten, in dem sein Vater gerade mit seinen beiden Kollegen eine neue Melodie mit den dazu passenden Marschbewegungen einübte.
„McCrimmon, pass er in Zukunft besser auf seine Brut auf!“ hatte der hünenhafte Clanchef dem entsetzt zu ihm aufsehenden Bagpiper zugerufen und dabei dröhnend gelacht. „Das nächste Mal, wenn ich den Burschen erwische, wo er nichts verloren hat, drehe ich ihm den dünnen Hals um und nagele seinen Kadaver ans Hoftor.“
Obwohl sein Vater später den immer noch zitternden Iain in den Arm nahm und ihm beruhigend erklärte, dass McLeod das niemals tun würde und die Drohung nicht ernst gemeint war, hatte Iain seitdem eine heilige Angst vor dem Burgherrn, in die sich aber auch Zorn mischte. Die stumme Demut und Hilflosigkeit, mit der sein sanfter und liebevoller Vater zugelassen hatte, wie McLeod ihn bedrohte, hatten ihm gezeigt, dass er ihn mehr fürchtete als irgendetwas sonst auf der Welt. Und das war eine Schmach, die er dem Clanchef niemals verzeihen würde.
Iain mied seitdem den oberen Trakt des Schlosses und jede Begegnung mit ihm. Stattdessen trieb er sich im Küchen- oder Stallbereich und in den Gemüsegärten herum. Dabei war er eines Tages auf den hinter dichtem Brombeergestrüpp verborgenen Gang gestoßen, dessen dunkle Tiefen er heute mit Akira erkundet hatte. Akira, die ein Jahr älter war als er, durfte ebenfalls ohne Gängelband an ihren Hängekleidchen im Schloss herum laufen. Ihre Mutter, die Schlossherrin von Dunvegan, hatte Iain noch nie zu Gesicht bekommen. Sie war siech, wie ihm seine Mum erklärt hatte, wobei Iain nicht genau wusste, was das bedeutete. Akira nannte sie bettlägerig, mied ansonsten aber jedes Gespräch über ihre Mutter, die für sie keine große Bedeutung zu haben schien. Akira war ein Wildfang, die sich als Kleinkind ohne das wulstige Fallhütchen auf dem Kopf bestimmt einige Male schwer verletzt hätte. Ohne die Fürsorge ihrer Mutter und ihrem grobschlächtigen Vater ausgesetzt, der sie tagtäglich spüren ließ, dass sie besser ein Junge geworden wäre, wuchs sie praktisch alleine auf. Nur eine alte Amme kümmerte sich um sie, der sie allerdings beliebig auf der Nase herum tanzte. Auf dem Schloss konnte sie tun und lassen was sie wollte, da ihr als einzigem Sprössling des Burgherrn keiner der anderen Bewohner etwas zu sagen hatte.
Iain wusste ihren ungestümen Charakter sehr zu schätzen. Außerdem war Akira mutig für zwei. Sofort hatte sie sich ihm angeschlossen, als er heute das erste Mal in die finstere Höhle eingedrungen war. Und gescheit war sie auch.
Nach wenigen Schritten hieß sie ihn anhalten und verschwand, um eine Fackel aus dem großen Speisesaal zu holen. Es war wieder einmal ein großer Vorteil, dass sich niemand traute, ihr etwas zu verbieten. Kurz darauf war sie mit einer brennenden Fackel zurückgekehrt. Im Schein der rußig wabernden Flamme hatten sich die Kinder dann immer tiefer in den unterirdischen Gang geschlichen, in dem sie auf Spinnweben und Rattennester stießen. Bis sie an ein morsches Türchen kamen, das abgesperrt war und sich nicht öffnen ließ.
Akira hatte sich ihre Nase an dem alten Holz platt gedrückt und durch die Ritzen zwischen den Bohlen gespäht.
„Psst“, mahnte sie Iain, der sowieso vor Aufregung gar nichts von sich geben konnte, „da ist das Verlies.“
Sie hatte Iain das Spähloch überlassen und Iain hatte einen Blick auf einen langen Gang werfen können, der spärlich von ein paar Fackeln erleuchtet wurde und von dem links und rechts dicke Holztüren mit Eisenscharnieren abgingen. Bevor er mehr entdecken konnte, hatte Akira ihn an seinem Wollhemd gepackt und einige Schritte mit sich gezogen.
„Hast du das gesehen? Ich war einmal in dem Gang. Mein Vater hat ihn mir gezeigt. Das ist gruselig dort. Hinter den Holztüren hörte ich die ganze Zeit, wie Menschen leise stöhnten und weinten. Schrecklich war das.“<
Iain überlief eine Gänsehaut, als er sich vorstellte, was die Eingekerkerten in diesen dunklen Löchern erleiden mussten. Seine Mum sah immer sehr traurig aus, wenn sein Vater ihr berichtete, das McLeod wieder einmal einen Übeltäter hatte ins Verlies werfen lassen. Schon der Diebstahl einer Scheibe Brot reichte aus, um dort für mehrere Monate eingesperrt und lebendig begraben zu werden, wobei viele diese Zeit nicht überlebten.
„Die armen Seelen“, war der mitleidige Kommentar seiner Mum gewesen, und sein gottesfürchtiger Vater hatte sie in die Arme genommen, um sie zu trösten.
„Er ist nicht nur unser Burgherr, sondern auch der oberste Richter der Insel, also das Gesetz“, hatte er sanft erwidert, „und weil Gott ihm diese Rechte verliehen hat, müssen wir ihn so akzeptieren, wie er ist, auch wenn wir viele seiner Entscheidungen und Handlungen nicht verstehen können. Wie könnten wir Gottes Ratschluss anzweifeln?“
Akira zog erneut ungeduldig an seinem Wams.
„Ich will hier raus. Mir ist auf einmal schrecklich kalt und ich friere. Bitte lass uns von hier verschwinden, Iain.“
Er war natürlich sofort mit ihr gegangen, obwohl es in dem Gang gar nicht so kalt gewesen war. Als sie sich im Hof voneinander verabschiedet hatten und er ihr hinterher blickte, wie sie hüpfend davon eilte, glaubte er zu verstehen, warum sie fror. Es kam irgendwie von innen heraus und er hatte es auch gespürt, als er in den unheimlichen Gang geschaut hatte.
Aber fasziniert hatte er ihn. Iain sah auf die immer noch brennende Fackel in seiner Hand und überlegte, ob er sich noch einmal alleine dorthin wagen sollte. In diesem Moment tauchte Brian aus dem Vorratskeller im Hof auf, der cholerische Küchenchef, der bekanntermaßen eine lockere Hand bei seinen Küchenjungen hatte und dessen laute Flüche allseits gefürchtet waren. Iain wollte ihm auf keinen Fall mit der Fackel in der Hand begegnen und drehte sich rasch um. Er rannte in den Garten hinter dem Stall, um die Fackel loszuwerden, deren Anblick Brian bestimmt zu wildem Gebrüll veranlasst hätte, und das dadurch erzeugte Aufsehen wollte er vermeiden. Schnell steckte er sie kopfüber in einen Haufen am Weg, in dem der Kompost der Gemüseabfälle vor sich hin gärte, um im Frühjahr als neue Erde in die Zwiebel- und Kohlbeete eingearbeitet zu werden.
Inzwischen war es fast dunkel geworden und die Nebelschwaden, die vom Meer zu dem hochgelegenen Schlossberg hinauf waberten, wurden immer dichter. Iain schlich sich an der rückwärtigen Stallmauer entlang zum Gesindetrakt, der direkt an die Brennerei grenzte. Im Obergeschoss eines der Fachwerkhäuser bewohnten seine Eltern einen großen Raum mit einem Alkoven, in dem er seit seinem letzten Geburtstag sein eigenes Bett stehen hatte. Die erste Nacht alleine in einem Bett zu schlafen war ein Meilenstein in seinem Leben gewesen. Jeder Schotte war davon überzeugt, dass ein guter Schlaf die Grundlage für ein gesundes Leben wäre. Deshalb ähnelte das Bett seiner Eltern, in dem Iain die ersten fünf Jahre seines Lebens mehr schlecht als recht an der Seite seines schnarchenden und furzenden Vaters geschlafen hatte, einer kleinen Festung gegen die Kälte.
Es befand sich direkt neben der Feuerstelle inmitten des Raumes und bestand aus einem Holzrahmen, über den Seile gespannt waren. Auf die Seile legte seine Mutter jeden Tag ein frisches Leinentuch. Darauf kamen eine Strohpritsche, eine mit Federn gefüllte Matratze, die sie jeden Morgen zum Lüften an das weit geöffnete Fenster mit den Glasscheiben stellte, und feine Leinentücher. Zudeckte man sich mit warmen Wolldecken und einer mit Daunen gefüllten Tagesdecke. Ein Baldachin und Vorhänge vervollständigten die nächtliche Verteidigungsanlage seiner Eltern. Jeden Abend schlangen sie sich ein Tuch um den Hals, um ihn nachts warm zu halten, weil er das einzige war, was außer dem Gesicht unter den Decken herausschaute. Und genau so eine Bettstatt hatte Iain jetzt für sich alleine und seitdem freute er sich jeden Abend aufs Zubettgehen. Seine Schlafstatt war sein ganz persönliches Reich, in dem er ungestört träumen konnte. Außer den beiden Betten gab es in der Wohnung noch einen roh gezimmerten Holztisch, an dem seine Mutter ihre Handarbeiten machte und das Essen eingenommen wurde, eine Bank, drei Schemel, zwei Truhen und als größten Luxus einen Armsessel, der seinem Vater zum Ausruhen vorbehalten war, nachdem er wieder stundenlang im Stehen für die Unterhaltung des Clanchefs und seiner Gäste gesorgt hatte.
Mum würde bestimmt schimpfen, weil er so lange fortgeblieben war. Vielleicht suchte sie ihn auch schon, denn es war Zeit fürs Abendbrot, das sie immer mit ihm zusammen in der Gesindeküche einnahm, bevor sie in den Speisesaal gingen, um seinem Vater zuzuhören, der dort während der Mahlzeiten des Schlossherren und seiner Gäste aufspielen musste.
Tatsächlich sah er sie, wie sie aus dem Tor der Tenne trat und nach ihm rief. Gerade als er antworten wollte, bemerkte er, wie Robert McLeod von der anderen Seite um die Ecke der Tenne kam. Er richtete sich seine Beinkleider, denn offenbar hatte er an der Tennenwand sein Wasser abgeschlagen. Iain blieb vor Schreck die Antwort auf den Ruf seiner Mum im Halse stecken. Gebannt beobachtete er das weitere Geschehen.
Auch McLeod hatte seine Mutter bemerkt. Er ging geradewegs auf sie zu. Iain dachte an seine Drohung und hielt es nicht für geboten, sich von ihm bei Einbruch der Dunkelheit erwischen zu lassen. Er presste sich gegen die Mauer, um sich so unsichtbar wie möglich zu machen. Doch McLeod hatte nur Augen für seine Mutter, auf die er mit schnellen Schritten zueilte. Iain sah erstaunt, wie McLeod sie mit seinen kräftigen Händen um die Taille packte.
„Darauf habe ich lange gewartet“, hörte er ihn merkwürdig gepresst sagen.
Mühelos schob er die sich heftig Wehrende durch die offene Tennentür in die dunkle Scheune. Iain hörte seine Mutter mit erstickter Stimme „Nein, nicht!“ rufen.
Iain vernahm ein lautes Klatschen. Danach raschelte es nur noch leise. Er hatte keine Ahnung, was der Clanchef mit seiner Mutter anstellte. Trotz seiner Furcht vor ihm wurde er von unbändigem Zorn übermannt, weil er spürte, dass hier etwas absolut nicht in Ordnung war und etwas sehr Gefährliches vor sich ging.
Er nahm allen Mut zusammen, rannte über den Hof hinüber zur Tennentür, die noch immer halb offen stand, und spähte hinein. Nachdem sich seine Augen an die tiefe Schwärze darin gewöhnt hatten, erspähte er McLeod, der im Stroh bäuchlings auf seiner Mutter lag, stöhnte und wild seine Hinterbacken auf – und nieder bewegte. Iain nahm entsetzt die nackten Beine seiner Mutter wahr, die weit gespreizt und seltsam abgewinkelt neben McLeods breitem Gesäß in die Luft ragten. Seine Mutter war sehr bleich, hatte die Augen geschlossen und schien bewusstlos zu sein.
„Er will sie umbringen“, dachte Iain verzweifelt.
Mit einem wilden Schrei rannte er auf die Beiden zu und sprang auf McLeods Rücken. Wütend krallte er sich in dessen langen Haaren fest und zog mit aller Kraft daran. Dem Clanchef wurde der Kopf nach hinten gerissen. Er stöhnte und grunzte, jedoch nicht nur vor Überraschung und Schmerz. Sein muskulöser Arm griff nach hinten, packte Iains dünne Ärmchen und wirbelte ihn durch die Luft. Iain wurde einige Meter weit weg katapultiert, landete hart auf dem festgetretenen Lehmboden und prallte mit der Schulter wuchtig gegen das Rad eines großen Heuwagens. Ein Schmerzensschrei entfuhr ihm und er rief laut und ohnmächtig vor Wut: „Mum, Hilfe!“
Tatsächlich öffnete seine Mum die Augen und blickte verwirrt um sich. Sie erblickte den auf ihr liegenden Clanchef und Iain sah ihr maßloses Entsetzen und den Ekel in ihren Augen. Doch anscheinend erinnerte sie sich an seinen Hilferuf, denn sie sah sich suchend in der Tenne um. Schließlich erblickte sie ihren kleinen Sohn mit schmerzverzerrtem Gesicht vor dem Rad des Heuwagens am Boden liegen. Mit einem zornigen Aufschrei stieß sie mit einer Kraft, die man ihrem schmächtigen Körper niemals zugetraut hätte, den massigen McLeod von sich und sprang auf die Füße. Voller Wut schlug sie wie eine Furie beidhändig auf den sich langsam Aufrichtenden ein und schrie ihn an: „Was hast du mit Iain gemacht, du Schwein?“
Der hünenhafte und kampferprobte McLeod blieb völlig unbeeindruckt von ihren Schlägen. Mit einer kraftvollen Bewegung stieß er sie von sich und sie fiel zu Boden. Während er sich seine Hose über sein immer noch halbsteifes Glied hochzog, lachte er plötzlich dröhnend. „Dein Sprössling ist das also. Der Bursche scheint ein Talent zu haben, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Er kam in genau demselben Moment wie ich, ist das nicht lustig? Aber genug jetzt. Du wirst ihm befehlen, dass er über dieses Geschehen hier kein Wort verlieren darf, ist das klar? Und weil es mir so gut gefallen hat mit dir, wirst du mir ab sofort immer zur Verfügung stehen, wenn ich dich haben will. Wage es nicht, dich meinem Befehl zu widersetzen. Ich bin der Herr und Gebieter über Leben und Tod auf diesem Schloss. Eher verzichte ich auf einen guten Bagpiper als auf dich, merk dir das.“



*



Nichts war nach jenem Abend für Iain je wieder so gewesen wie zuvor. Äußerlich hatte sich sein Leben nicht groß verändert, sah man davon ab, dass er jetzt mit seiner Mutter ein Geheimnis teilte, das niemals zu verraten sie ihm nachdrücklich eingeschärft hatte, wollte er nicht riskieren, dass großes Unglück über seinen Vater und sie alle käme. Auf seine Ehre hatte er ihr versprechen müssen, nie ein Wort über das Vorkommnis zu verlieren. Seitdem sah es in ihm nicht mehr so aus wie früher. Seine kindliche Unbeschwertheit und Vertrauensseligkeit waren verloren gegangen. Er achtete jetzt mit misstrauischen Augen und Ohren auf alles, was die Erwachsenen um ihn herum taten und sagten, weil er vermutete, dass nichts so war, wie es den Anschein hatte. Hinter jedem Lächeln, jeder Geste und jedem Wort schien ein Geheimnis zu stecken, das zu entdecken ihm aber offenbar noch verwehrt war.



Kapitel 2: Iains Rache

Eines Tages hörte Iain von seiner Bettstatt aus, wie sein Vater hinter dem Vorhang ihres Bettes leise zu seiner Mutter sagte: „Was ist nur mit Iain los? Er ist so ernst geworden. Nachdenklich und in sich gekehrt erscheint er mir und er lacht kaum noch. Ob das wohl normal ist? So früh schon so grüblerisch zu werden, tut ihm nicht gut.“
Seine Mum schwieg und wusste nicht sofort, was sie antworten sollte. Wie sollte sie auch, wo sie doch den wahren Grund für Iains Entwicklung ihrem Mann nie anvertrauen konnte. Sie beruhigte ihn mit den Worten: „Ich habe ihm erzählt, dass er bald einen Bruder oder eine Schwester bekommen wird, und das er oder sie unter meinem Herzen heranwächst. Diese neue Erkenntnis hat ihn wohl so schwermütig und nachdenklich werden lassen.“
Seit dem Vorfall mit McLeod war sie noch zärtlicher zu Iain geworden. Sie behandelte ihn nicht mehr wie das Kind, das sie vor einiger Zeit noch am Gängelband gehalten hatte, sondern ging mit ihm um wie mit einem erwachsenen Vertrauten. Sie unterrichtete ihn täglich und erklärte ihm die Welt anhand ihrer Familiengeschichte und derer der schottischen Clans. Auch das Lesen und Rechnen brachte sie ihm bei, wovon er viel schneller etwas verstand, als von den blutrünstigen Fehden der allmächtigen Clanchefs, deren Hintergründe ihm so sinnlos erschienen. Der kleinste Anlass schien ihnen zu genügen, um eine blutige Fehde mit zahllosen Toten zu beginnen, die dann genauso unvermutet bei einem großen Friedensfest wieder begraben wurde. Manche Clanfehden erstreckten sich allerdings über mehrere Generationen, die dann die eigentliche Ursache längst vergessen hatten, aber dennoch jedes Mitglied des anderen Clans umzubringen versuchten. Er hatte begriffen, dass diese ständigen Fehden die Bevölkerung ausgeblutet und die Entwicklung einer gesunden Infrastruktur der Highlands immer wieder verhindert hatten, was ihn zornig und noch hasserfüllter gegen Robert McLeod werden ließ. Seine Mutter wusste von diesen starken Gefühlen in ihm, die auch sie oft überwältigten. Sie nahm ihn jedes Mal beruhigend in ihre Arme, wenn wieder einmal der Hass aus seinen Augen sprach, und Iain spürte, wie dünn und zerbrechlich ihr Körper geworden war, obwohl sich ein kleines Bäuchlein gebildet hatte.
Nicht nur physisch war sie sichtlich anders geworden. Ihr gesamtes Verhalten hatte sich seit jenem Abend in der Tenne in mannigfaltiger Weise verändert. Iain hörte sie nie mehr so unbeschwert lachen wie früher, wenn sie mit ihm spielte. Sie sang auch nicht mehr so oft vor sich hin, was sie sonst immer sowohl zu dem Dudelsackspiel seines Vaters als auch während ihrer Hausarbeit getan hatte. Ihr Gesicht hatte verhärmte Züge um den Mund herum bekommen, und nur Iain wusste, dass sie heimlich angefangen hatte, sich vergorene Maische aus der Brennerei zu stibitzen. So klein er war, verstand er doch, dass sie dieses eklige Zeug zur Betäubung aß, bevor sie wieder einen ihrer abendlichen Ausflüge unternahm, zu denen sie eine Magd des Clanchefs abholte und von denen sie stets traurig und besonders schweigsam wiederkehrte. Was auch immer McLeod mit seiner Mutter anstellte - er war es, der sie so verändert hatte. Iain wusste das genau, und sein abgrundtiefer Hass auf den anscheinend allmächtigen Herrn hatte nichts Kindliches mehr an sich.
Iain sprach mit niemandem darüber, wie es in seinem Inneren aussah. Selbst seiner besten Freundin Akira hatte er nichts erzählt. Warum hätte er es auch ausgerechnet der Tochter des Peinigers seiner Mum sagen sollen, die genauso unter ihrem Vater litt? Sie hatte ebenfalls Angst vor diesem rohen und grausamen Mann und war zu schwach, um seiner Mutter helfen zu können. Außerdem hatte er seiner Mutter seine Verschwiegenheit versprochen, und ein gegebenes Versprechen war für ihn heilig.
Akira hatte in diesem Winter sowieso genug eigene Sorgen und er bekam sie kaum mehr zu Gesicht. Kurz nach der Wintersonnenwende war ihre Mutter gestorben. Ihre Trauer war nicht sehr groß gewesen. Ihre alte Amme hatte ihr allerdings ein festes Tagesprogramm verordnet, das neben zahlreichen Besuchen der Kapelle, um für das Seelenheil ihrer Mutter zu beten, auch diverse Stunden am Stickrahmen beinhaltete. Erst im Frühsommer, wenn die Damen des Hofes ihre Handarbeiten vor den Feuerstellen weglegten und bei Spaziergängen die warmen Strahlen der Sonne zu genießen begannen, hatte Akira wieder Gelegenheiten erhalten, ihrem festen Tagesplan zu entkommen und ihre Erkundungszüge mit Iain fortzusetzen.

*

Eines Abends, an dem er verschwitzt und schmutzig von einem langen Ausflug mit Akira an der Steilküste entlang in seine Heimstatt zurückkehrte, wurde er nicht von seiner Mutter empfangen, die ihm trotz ihres für Iain inzwischen gewaltig gewordenen Bauches immer sein Abendbrot bereitet und sich dann zu ihm gesetzt hatte, um mit ihm über seinen Tag zu plaudern. Statt ihrer saß eine der Ammen der Burg im Armstuhl seines Vaters und stillte einen fremden Säugling, der zufrieden schmatzend ihre Milch in sich einsog. Verwirrt sah Iain seinen Vater mit aufgestütztem Kopf zusammengesunken an dem klobigen Holztisch unter dem Fenster sitzen, an dem er mit seiner Mum immer gegessen hatte.
„Was ist hier los?“ fragte Iain mit bebender Stimme. Sein Vater hob den Kopf und blickte ihn mit Tränen in den Augen verzweifelt an. Er sah um Jahre gealtert aus und Teile seines dichten Haares waren weiß geworden. Unvermittelt stand er auf, ging mit offenen Armen auf Iain zu und drückte ihn heftig an sich.
„Deine Mum ist heute Nachmittag zu ihrem Vater im Himmel heimgekehrt, mein Sohn“, flüsterte er ihm mit tränenerstickter Stimme ins Ohr, „aber sie hat uns den kleinen Leslie hinterlassen, der uns sicher viel Freude bereiten wird. Du wirst von jetzt an gut auf ihn aufpassen, denn er ist dein Bruder.“
Iain erstarrte. Seine Mum, von der er sich heute Morgen mit einer zärtlichen Umarmung verabschiedet hatte, war tot. Er befreite sich aus den Armen seines Vaters und fragte: „Wo ist sie? Ich will sie sehen.“
Sein Vater deutete stumm auf die Bettstatt neben der Feuerstelle, deren Vorhänge zugezogen waren. Iain ging mit langsamen Schritten zu dem Schlafplatz seiner Eltern und zog die Stores zurück. Auf dem Bett lag seine Mum bleich und mit geschlossenen Augen. Ihr Körper war bis zum Kinn mit Leintüchern zugedeckt und ihre blonden Locken ringelten sich verschwitzt über ihr Kopfkissen. Doch ihre bleichen Gesichtszüge waren entspannter als sie es in den letzten Jahren jemals gewesen waren und strahlten tiefen Frieden aus. Das tröstete ihn etwas. Aber dann zog er einem Impuls folgend mit einem heftigen Ruck die Tücher vom Körper seiner Mutter. Entsetzt und fassungslos erblickte er ihr weißes Unterkleid, das ab der Taille blutdurchtränkt war. Er schluchzte einmal kurz auf, streichelte zart ihre Wangen und küsste sie sanft auf ihre kalten Lippen.
„Ich weiß, dafür ist er verantwortlich. Ich verspreche dir, ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen und dich rächen“, flüsterte er der Toten ins Ohr. Er richtete sich auf, drehte sich abrupt um und rannte wie von Furien gehetzt aus dem Raum. Iain hörte noch, wie die Amme seinem Vater, der ihm folgen wollte, zurief: „Nein, lasst ihn laufen. Er muss allein sein mit seiner Trauer. Er kommt sicher bald zurück.“
Sie behielt Recht. Er war die Stiege hinabgestürzt und losgerannt, einfach in die Nacht gelaufen und gelaufen, bis er sich am Eingang von dem unterirdischen Gang wieder fand und sich hinsetzte. In dunkler Nacht, versteckt vor der ganzen Welt, weinte er bitterlich, bis alle seine Tränen versiegt waren und er nur noch leise Schluchzen konnte. Dann erhob er sich mühsam und wankte langsam zurück zu seinem Zuhause, aus dem sie kurz vor seiner Rückkehr den Leichnam seiner Mutter weggebracht hatten.
„Verzeih mir“, sagte er leise zu seinem Vater, weil er sich wegen seines Schweigens über die Taten McLeods mitschuldig an ihrem Tod fühlte. Sein Dad sah ihn nur verständnislos an und umarmte ihn fest und lange. Sanft trug er ihn zu seinem Ruhelager im Alkoven, wo er sofort in einen tiefen Schlaf fiel. Als Iain am nächsten Morgen die Augen öffnete, spürte er einen Grauschleier, der sich wie ein klammes Tuch über seine Seele gelegt hatte. Er wusste, dass er den erst wieder loswerden würde, wenn er Robert McLeod, den Mörder seiner Mutter, vernichtet hatte. Iain empfand einen überwältigenden Hass und einen ihn lähmenden Schmerz wegen des unersetzlichen Verlustes. Doch im Gegensatz zu seinem Dad, der Tage lang mit geröteten Augen wie in Trance herum lief, konnte er sich nicht in weiteren Tränenfluten Erleichterung verschaffen.
„Warum weint dein Junge nicht?“ hatte Seumas, der zweite Bagpiper und Freund seines Vaters, der jetzt oft die Abende bei ihnen verbrachte, diesen gefragt, während Iain scheinbar schlafend in seinem Bett lag.
„Er ist stärker als ich“, hatte sein Vater mit tränenerstickter Stimme geantwortet. „Ich sollte mir ein Beispiel nehmen an ihm. Er findet Trost im Herrn, der seine Mutter in seinem Paradies aufgenommen hat. Aber mir gelingt es nicht. Ich habe sie mehr geliebt als meinen Gott.“
Iain wollte laut aufschreien, dass auch er sie mehr als alles auf der Welt geliebt hatte. Er hatte allerdings noch nie mit seinem Vater über seine Gefühle sprechen können, also blieb er stumm. Sollte Dad ruhig denken, die vielen Gebete, zu denen er ihn zusammen mit der Amme und Säugling Leslie bei jeder Mahlzeit zwang, würden ihm diese Kraft geben. Niemals würde er ihm wegen des seiner Mutter gegebenen Versprechens offenbaren, dem er sich auch nach ihrem Tod verpflichtet fühlte, dass es nur der Gedanke an Rache war, der ihm Kraft zum Weiterleben gab. Seine Gedanken kreisten nur noch um den Mann, den er für den Mörder seiner Mutter hielt. Er dachte an das viele Blut, das zwischen ihren Beinen geflossen war, und erinnerte sich mit Grauen an den Schwängel, der an jenem unheilvollen Abend halbsteif zwischen McLeods haarigen Beinen aufgeragt hatte. Damit musste er seine Mutter so schwer verletzt haben, dass sie letztendlich daran gestorben war.
Er wusste, er war noch viel zu klein, um McLeod zu töten. Aber vielleicht konnte er den Clanchef dort ebenso schwer verletzen wie der seine Mutter verletzt hatte, dass er wie sie irgendwann daran zugrunde gehen würde. Er musste diesen schrecklichen Körperteil vernichten, mit dem er seiner Mum innerlich und äußerlich so wehgetan hatte. Ihm fiel seine Schleuder ein, die Seumus ihm gebastelt und an seinem letzten Geburtstag mit den Worten überreicht hatte: „Von deinem friedfertigen Vater wirst du keine bekommen. Knaben in deinem Alter brauchen Waffen, um zu üben, wie man damit kämpft. Denk nur immer daran, dass du damit jemanden schwer verletzen kannst, benutze sie nie gegen etwas Lebendiges!“ Mit einem Zwinkern hatte er hinzugefügt: „Und erzähl deinem Pa nichts davon. Übe heimlich.“
Das hatte Iain getan. Wie Seumas versprochen, zielte er stets nur im Obstgarten auf Äpfel, wenn er sicher war, dass er nicht beobachtet wurde. Nicht einmal Akira hatte er sein Geschenk gezeigt. Trotz ihrer Verwegenheit war sie lediglich ein Mädchen, das mit Waffen und Kämpfen nie etwas zu tun bekommen würde.
Weil seine Mutter ihn nicht mehr unterrichtete, musste er jetzt wie die anderen Kinder jeden Tag zur Schule des Schlosses gehen, die aus einem Raum bestand, in der der Lehrer alle Altersklassen gleichzeitig unterrichtete. Die meiste Zeit schrieb Iain am Morgen irgendwelche Klassenarbeiten, die dann am Nachmittag besprochen wurden. Wenn die Schule um 5 Uhr aus war, und die anderen lärmend nach Hause liefen, war sein Vater längst wieder bei der Arbeit. Der Bagpiper hatte trotz des Todes seiner Frau nicht einen Tag seinen Dudelsack ruhen lassen dürfen und musste fast täglich fröhliche Weisen zu den Banketten und Bällen des Schlossherrn aufspielen. Da zuhause niemand mehr auf ihn wartete, schlich sich Iain oft in den Ostgarten. Dort kletterte er auf einen hohen Kirschbaum und belauerte stundenlang auf einem breiten Ast sitzend jede Bewegung des Clanchefs.
So fand er schnell heraus, dass McLeod pisste, wo er ging und stand. Angewidert verfolgte Iain, dass der Clanchef sich offenbar zwei Lieblingsplätze auserkoren hatte, um die Unmengen an Stoutbier und Whisky wieder loszuwerden, die er täglich nicht nur zu den Mahlzeiten trank. Tagsüber bevorzugte er einen Baum neben der Kapelle, an dem sich auch alle Hunde des Schlosses entleerten. Abends dagegen kam er meist rülpsend und furzend von seinem Gelage im großen Speisesaal in den Pferdestall und pisste gegen die Tennenwand, von der Iain ihn auch damals hatte kommen sehen, bevor er über seine Mutter hergefallen war. Minutenlang stand er betrunken taumelnd mit seinem Schwanz in der Hand da, den er oft noch zu streicheln schien, wenn der Strahl der stinkenden gelben Brühe versiegt war.
Genau in so einem Moment wollte Iain ihn mit seiner Schleuder erwischen, denn McLeod bekam in seinem Rausch und beim Pissen nichts davon mit, was um ihn herum geschah. Das war Iain klar geworden, als er auf seinem Beobachtungsposten einmal vor Aufregung selbst laut gefurzt und McLeod, der fast unmittelbar unter ihm stand, nichts gehört und ungerührt weiter gepisst hatte.
Eines Abends, an dem sich im Speisesaal besonders trinkfeste Gäste aufhielten und er sicher sein konnte, dass McLeod gallonenweise Bier und Unmengen von Whisky in sich hineinschütten würde, hielt Iain den Zeitpunkt für gekommen. Er holte seine Schleuder aus ihrem Versteck und nahm sie mit in den Schlosshof. Dort versteckte sich hinter einem Wagen, der Holzfässer für die Brennerei gebracht hatte und neben der Tennenwand abgestellt worden war, weil er erst morgen abgeladen werden sollte. Das war ein glücklicher Umstand für Iain, da er in seinem Versteck ungesehen ganz dicht neben dem Pissplatz seines Feindes stehen konnte.
Schließlich kam McLeod und knöpfte sich wie erwartet die Hose auf. Ein gelber Strahl schoss aus seinem Fleischesrohr. Ihm wehten die ekelhaften Ausdünstungen des Clanchefs voll in die Nase, der wie üblich beim Pinkeln heftig rülpste und furzte. Aus der Nähe sah sein Schwanz gar nicht mehr so groß aus, wie er schlaff in seiner mächtigen Pranke hing. McLeod griff sich beim Pissen an den Sack und kratzte ihn, und das Ding begann anzuschwellen. Schließlich seufzte der Hüne, schlug die letzten Tropfen ab, ließ seinen Sack los und rieb die jetzt gewaltige Stange, die schräg nach oben ragte. Iain zielte. Er wusste, er konnte den Schwängel selbst nicht richtig treffen, weil die Pratze McLeods ihn umschloss und schützte. Dennoch galt es jetzt oder nie.
„Für Mum“, flüsterte er lautlos und spannte die elastischen Riemen soweit es ging. Der schwere runde Stein, der in der kleinen Ledertasche der Schleuder lag, hatte viele Einkerbungen mit scharfen Rändern. Er hatte ihn sorgfältig ausgesucht aus dem Haufen Steine, die in einer abgelegenen Ecke des Schlossareals ihrer Verwendung als Baumaterial harrten. Iain ließ los. Und er traf. Mit einem dumpfen Aufschrei ging McLeod in die Knie.
Stöhnend verharrte er einen Moment, bevor er wie vom Blitz gefällt nach vorne auf sein Gesicht kippte.
Iain war wie vom Donner gerührt. Hatte er es womöglich doch geschafft? War der Clanchef tot? Statt wegzulaufen, wie er es ursprünglich beabsichtigt hatte, weil er damit gerechnet hatte, dass der erfahrene Kämpe auf seinen Angreifer losgehen würde, blieb er wie angewurzelt stehen und überlegte, ob er überprüfen sollte, ob sein Feind noch lebte. Bevor er sich jedoch entschließen konnte, sich dem leblosen Körper zu nähern, hörte er Schritte. Sofort duckte er sich wieder hinter den Wagen.
„Wo bist du, Robert? Komm wieder rein. Deine Piper spielen zu traurig. Du musst ein Machtwort …“
Bevor einer der betrunkenen Gäste, der mit einer Fackel in der Hand nach seinem Gastgeber suchte, weitersprechen konnte, stolperte er über die Beine des reglosen Schlossherrn und fiel mit dem Gesicht in eine stinkende Pfütze.
„Scheiße, was zum Henker war das?“ fluchte er. Mühsam rappelte er sich auf und hielt seine Fackel hoch. In ihrem Lichtschein erblickte er McLeod, der zusammengekrümmt mit heruntergelassener Hose auf dem Bauch lag. Nach einer Schrecksekunde brüllte er los: „Alarm! Ein Unglück! Alarm!“
Die Leibgarde und die Gefolgsleute McLeods stürzten mit gezückten Schwertern aus dem Saal in den Hof, und einige schlaftrunkene Knechte liefen mit Spießen und Lanzen bewaffnet aus dem Gesindehaus herzu. Sie alle rannten zu dem die Fackel hoch haltenden Gast und umstanden hilflos McLeods leblosen Körper. Keiner wusste, was zu tun war. Bis der Feldscher erschien und zwei Knechten befahl, ihn umzudrehen. Ein Raunen ging durch die inzwischen versammelte Menge. Im Schein der Fackeln erspähte Iain zwischen den Speichen des Wagenrades hindurch den nunmehr klein gewordenen Schwanz des Schlossherrn, der auf einem schwarzen Nest krauser Haare lag, unter dem ein violett verfärbter, enorm geschwollener Hodensack hervorragte, der aus zwei hässlichen Schnitten blutete und den Boden um McLeods Hinterbacken rot färbte.
Iain hatte genug gesehen. Er ließ sich auf seine Knie sinken und kroch im Schutz der Dunkelheit auf allen Vieren zur Rückseite der Tenne. Dort richtete er sich auf und lief wie von Furien gehetzt nach Hause, rannte die Stiege zu ihrem Wohnraum hinauf und ließ sich schweißüberströmt in sein Bett sinken. Während er den gleichmäßigen Atemzügen Leslies und seines Vaters lauschte, versteckte er die Schleuder unter seinem Kopfkissen. Mit einem zufriedenen Lächeln schloss er die Augen und schlief ein.
Von da an sah er den Burgherrn mehrere Wochen nicht.
„Er liegt auf Leben und Tod“, sagte sein Vater eines Abends zu ihm, wenn er sich nach dem Befinden des Clanchefs erkundigte. Sein Dad war genauso ratlos, wie der Rest der Burgbewohner. Niemand konnte sich erklären, was passiert war. Denn niemand hatte den unbedeutenden Stein bemerkt, der wie so viele andere blutbefleckt unter dem Unterleib von Robert McLeod gelegen hatte. Der Feldscher vermutete, dass McLeod sich in seinem Rausch heftig an der Tennenecke gestoßen hatte. Sicher war er sich keineswegs. McLeod selbst konnte sich an gar nichts erinnern, so dass keiner der Bewohner auf die Idee kam, es könnte sich um einen Anschlag gehandelt haben.
Nach etlichen Wochen ging es dem Schlossherrn wieder besser und er gab aus Anlass seiner Wiedergenesung einen kleinen Ball. Dazu hatte er die Bürgermeister der Küstendörfer, alle Clanmitglieder und befreundete Adelige vom Festland eingeladen und seit Tagen herrschte ein reges Treiben im Schlosshof. Viele der Gäste kamen absichtlich ein paar Tage früher, um die atemberaubend schöne Landschaft der Isle of Skye für einen kleinen Erholungsurlaub zu nutzen. Sie wurden in den Gästezimmern des Schlosses untergebracht und veranstalteten täglich fröhliche Wettkämpfe wie Bogenschießen und Pferderennen. Abends gab es dann bei einem Bankett eine Siegerehrung, und dann wurde gegessen und getanzt bis spät in die Nacht.
Iains Vater war rund um die Uhr beschäftigt. Überall war seine Musikbegleitung erwünscht. Dank der zahlreichen Fremden herrschte eine so ausgelassene und heitere Stimmung, wie Iain sie noch nie erlebt hatte. Selbst die vom Burgherrn bei jeder Gelegenheit brutal unterdrückten Bediensteten trugen alle ein Lächeln auf ihren Gesichtern, weil die Gäste sie freundlich und fast wie Gleichgestellte behandelten.
„Es geht also auch anders“, dachte Iain, und sein Hass auf McLeod verstärkte sich wieder. Nachdem ihm sein Vater von der Schwere seiner Verletzung berichtet hatte, hatte er nämlich sogar so etwas wie Mitleid für ihn empfunden. Es war Akira, die ihm erzählte, dass ihr Vater nie mehr Kinder zeugen würde. Sie hatte dabei sehr traurig ausgesehen, bedeutete es doch, dass sie unvermeidlich eines Tages die Schlossherrin und Clanchefin der McLeods werden würde und bis an ihr Lebensende auf Dunvegan Castle leben musste. Dabei hatte sie Iain immer wieder erzählt, dass sie davon träumte, eines Tages mit ihrem zukünftigen Mann in Edinburgh, York oder London zu leben. Auf jeden Fall nicht mehr auf dieser Trutzburg im ständigen Nebel am Ende der Welt. Dieser Traum war nun zerplatzt. Iain fühlte sich plötzlich sehr, sehr schlecht. An diese Konsequenz seiner Tat hatte er nicht gedacht. Er begriff, dass er in Zukunft viel sorgfältiger über die Auswirkungen seiner geplanten Handlungen nachdenken musste.


*

Am Abend des großen Festes betrat Iain an der Hand seines Vaters die mit Blumen und Fahnen geschmückte große Halle des Schlosses, in der ein Karrée von mit weißen Tischtüchern geschmückten Tischen gebildet worden war. Sie waren mit grünen Girlanden geschmückt und schienen sich unter der Last der bereits aufgetragenen, dampfenden Speisen zu biegen. Iain blieb mit offenem Mund stehen. Er bestaunte die Farbenpracht des Raumes und die zahllosen Leckerbissen von gebratenen Wachteln und Rebhühnern, von gebackenen und gebratenen Hasen und anderem Wild, Räucherheringen, frisch gefangenen Forellen und Schollen sowie Laiben von Brot, die er in einer solchen Vielfalt und Fülle noch nie gesehen hatte. Das Prunkstück der Tafel war ein mächtiger, am Spieß gebratener Keiler, der erst gestern erlegt worden war.
Neben ihm stand ein Tranchierer, der zwei scharfe Messer in seinen vor der Brust verschränkten Händen hielt. Er war speziell für dieses Fest zum Zerteilen und Auslösen der aufgetischten Braten geholt worden und war auch dafür verantwortlich, dass zu jedem Stück Fleisch die richtige Sauce gereicht wurde. Die festlich gekleideten Gäste McLeods standen inzwischen alle hinter den ihnen zugewiesenen Lehnstühlen und warteten munter schwätzend auf den Clanchef, der ihnen das Hinsetzen erlauben und das Dinner eröffnen musste. Ihre wertvollen brokat- und golddurchwirkten Seidengewänder ließen sein eigenes noch von seiner Mutter genähtes dunkelblaues Samthemd etwas ärmlich erscheinen. Da erblickten die Gäste seinen Vater mit seinem Dudelsack und applaudierten ihm begeistert. Er fühlte sich wie ein kleiner Prinz, als sein Vater ihn unter dem Beifall der Stehenden zu seinem Platz am Ende des Tisches führte, und er lächelte glücklich.
Doch dann erschrak er furchtbar. Robert McLeod betrat in diesem Augenblick den Saal und humpelte gestützt auf einen knorrigen Eichenstock langsam zu seinem prächtigen Sessel in der Mitte der Tafel. Es war das erste Mal, dass Iain ihn seit dem Attentat wiedersah, und McLeod sah nicht gut aus. Sein Gesicht war alt und faltig geworden, es schien eingefallen zu sein und er verzog es bei jedem Schritt vor Schmerz. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er den Saal durchquert hatte und sich äußerst behutsam auf seinen Stuhl sinken lassen konnte. Aufatmend taten es ihm die anderen Gäste nach. Es gab ein heftiges Stühle rücken und Kleiderrascheln, während sich alle setzten. Die Weinknechte eilten herbei und füllten die Kristallgläser. Nachdem alle ein volles Glas Wein vor sich stehen hatten, erhob sich Robert McLeod, um eine kleine Begrüßungsrede zu halten und mit einem Toast das Dinner offiziell zu eröffnen. Stille trat ein.
In diesem Moment wurde donnernd an das Holzportal des Saales geklopft. Das schwere Tor schwang wie von Geisterhand bewegt auf, und eine Kavalkade von einem Dutzend Reitern sprengte in den Saal. Sie bildeten eine perfekte Reihe genau vis á vis von dem Schlossherrn und sahen ihn provozierend an.
McLeod wurde weiß vor Zorn und rief mit donnernder Stimme: „Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt, um diese Stunde unangemeldet in mein Schloss einzudringen und mein Fest zu stören?“
„Schrei mich nicht an, Lehnsherr von König William und Königin Mary, die mich gesandt haben und in deren Namen ich heute hier bin!“ brüllte ein in staubiges, aber kostbares Reisegewand gekleideter kleinwüchsiger Mann furchtlos und unbeeindruckt zurück. „Ich bin der Earl of York, und ich bin heute als Steuereintreiber Ihrer Majestät hier, um die längst überfälligen Steuern für den von dir gebrannten so genannten Whisky einzufordern. Wir haben wenig Zeit, deshalb wollen wir jetzt deine Brennerei besichtigen, die Jahresproduktion schätzen und den fälligen Betrag festsetzen und mitnehmen. Ich hoffe für dich, dass du genug Bares hier hast und deine Schuld bezahlen kannst, sonst werden wir Pferde, Waffen und sonstige Güter pfänden und mitnehmen müssen.“
Wieder wurde Robert McLeod weiß vor Wut. Doch Iain spürte zum ersten Mal so etwas wie Furcht bei dem Hünen. Er beobachtete verblüfft, dass die Mimik des jähzornigen und furchtlosen Clanchefs Hilflosigkeit und Angst verriet. Anscheinend flößte der kleine Gesandte mit dem Rattengesicht dieser Iain nur vom Hörensagen bekannten Königin im fernen London ihm einen Heidenrespekt ein. Bewundernd sah er zu dem schmächtigen Mann auf, der eine so gewaltige Macht zu besitzen schien, dass McLeod vor ihm kuschte.
Der Earl schien seinen Blick zu spüren, denn er schaute plötzlich zu Iain. Ihre Blicke trafen sich für einen winzigen Augenblick und Iain lächelte ihn an. Mit Verwunderung in den Augen sah ihn der Engländer nachdenklich an. Dann wandte er sich wieder Mcleod zu. Obwohl er die Eindringlinge am liebsten hätte vierteilen lassen, beherrschte sich der Schlossherr meisterhaft.
„Wohlan denn, Earl. Mein Brennmeister und ich werden Euch alles zeigen. Und Ihr, liebe Freunde, lasst Euch das Fest nicht verderben. Esst, sauft und tanzt, bis ich wiederkomme. Bagpipers, spielt auf!“
Zu den Klängen von Drums and Pipes hinkte er mit undurchdringlicher Miene an seinen verwirrten Gästen vorbei und steuerte zwischen den Pferden hindurch auf das offenen Tor zu, wobei er die Reiter keines Blickes würdigte, die ihm auf dem Fuß folgten.
Sie nahmen ihm fast alles. Vier Fünftel von dem, was Robert McLeod in seiner Schatzkammer angesammelt hatte, musste er dem Steuereintreiber übergeben. Er sah wie der Tod selbst aus, als er zwei Stunden später wieder den Saal betrat, in dem das Festmahl zwar fortgesetzt worden war, aber eine sehr gedrückte und aggressive Stimmung herrschte.
„Wie viel haben die englischen Hunde dir abgenommen?“ rief ihm einer der geladenen Clanmitglieder zornig zu.
Robert sah ihn müde an und erwiderte: „Fast meine gesamte Barschaft. Sie haben die Steuern auf Whisky angehoben und meine Jahresproduktion auf die doppelte Menge der tatsächlichen geschätzt. Ich konnte nichts dagegen machen, sie hatten einen Brennmeister dabei und der hat es einfach behauptet. Angeblich ist er ein königlich vereidigter Schätzer und er überstimmte meinen eigenen Brennmeister. Diese Whiskysteuer trifft uns alle sehr hart und ist eine mächtige Keule in den Händen dieser Tyrannen in London, die uns zerschmettern könnte.“ Eine wütende Diskussion über die Willkür und Allmacht der englischen Krone begann, die damit endete, dass der Clanchef den Bürgermeistern der Küstendörfer eröffnete, dass er von dem Earl verpflichtet worden sei, ab sofort Steuern auf ihren selbst gebrannten Whisky zu erheben. Daraufhin war es zu heftigen Protesten bei den Anwesenden gekommen, und unter zunehmendem Alkoholeinfluss wurde beschlossen, dass die Engländer heute zum letzten Mal ihre Steuern bekommen hätten. Man würde sich zusammenschließen, wenn die Steuereintreiber kämen, und sie mit Waffengewalt vertreiben.
Iain war beeindruckt von der Solidarität der Männer. Für ihn war jedoch eine andere Beobachtung an diesem Abend viel wesentlicher: er hatte miterlebt, wie der für ihn bisher als allmächtig geltende Schlossherr vor einem im fernen London lebenden König und seiner Königin gekuscht und sich widerstandslos ihrem Steuereintreiber gebeugt hatte. Er nahm sich vor, sich irgendwann und irgendwie mit dieser Macht zu verbinden, um die seiner Mutter geschworene Rache zu vollenden. Heute Abend war ihm klar geworden, dass der körperliche Schmerz Robert McLeod weit weniger bedeutete als der Kummer über einen Verlust seines Besitzes. Eines Tages würde er, Iain McCrimmon, ihm mithilfe des englischen Königshauses Dunvegan Castle wegnehmen und ihn davon jagen wie einen Hund, das schwor er sich.



Kapitel 3: Auf der Flucht