Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
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Impressum
PERRY RHODAN – die Serie
Nr. 1751
Die Grenzländerstation
Galaktiker vor Hirdobaan – sie hinterlassen eine Spur der Zerstörung
von Arndt Ellmer
Die großen Bedrohungen der letzten Jahre scheinen für die Menschheit mittlerweile überwunden zu sein: Perry Rhodan und seine Getreuen haben die Abruse, diesen unheimlichen Feind jeglichen Lebens, auf der »negativen Seite« des Universums besiegen können. Der Möbiusstreifen ist dicht, eine kosmische Katastrophe wurde so verhindert.
Auch die große Gefahr für die Erde ist vorüber: Der tödlich strahlende Planet Mars wurde ausgetauscht; statt des ehemaligen Roten Planeten zieht nun Trokan, der »Neo-Mars«, seine Bahn um die Sonne.
Doch ein Problem blieb: das der Hamamesch und der Waren, die von den fischähnlichen Wesen aus der Galaxis Hirdobaan in der Menschheitsgalaxis verbreitet wurden. Milliarden von intelligenten Wesen aus allen Völkern der Galaxis wurden süchtig – und Millionen von ihnen brachen nach Hirdobaan auf. Diese Entwicklung ist Perry Rhodan nicht bekannt: Er und seine Gefährten an Bord der BASIS sind auf der Rückreise von der Großen Leere – und sie haben mit den Tücken der Technik zu kämpfen. Letztlich haben sie aber auch ein Ziel: DIE GRENZLÄNDERSTATION ...
Nurmi – Ein Vakuta gerät gleich mehrfach in Schwierigkeiten.
Phermi – Der Oberste Lagerherr bekommt unverhofften Besuch.
Perry Rhodan – Der Terraner hat sich die Begegnung mit alten Freunden auch anders vorgestellt.
Harold Nyman – Der ehemalige BASIS-Kommandant macht Druck.
Homer G. Adams – Ein Unsterblicher als Erpresser.
»Der Rotationsblock wird abgekoppelt. Achtung, der unmittelbare Bereich beim Block ist zu räumen! Diese Durchsage gilt für den achtundzwanzigsten Übergang im Sektor Berego neun!«
Die Warnung drang aus allen Lautsprechern, und sie flammte gleichzeitig als Schriftband auf den Tafeln, die in den Räumen und Korridoren hingen. Der Einfachheit halber verwendete die Koordination für ihre Durchsage das Hamsch, weil es von allen Besuchern der Grenzländerstation verstanden wurde.
»Vollzug in drei Rou. Bitte haltet euch an die Anordnung der Koordination. Räumt den Bereich am Rotationsblock!«
Nurmi betätigte einen Knopf und schloss den Tisch mit den Verrechnungskonten. Die anwesenden Zahlmeister der Sourvants, Stelzmakalies und Patruskee protestierten, aber der Vakuta stellte sich taub. Er wandte sich in Richtung der beiden Hamamesch, die den Eingang bewachten und dafür sorgten, dass kein Unbefugter die Rechnungsstelle betrat.
»Die Konten bleiben vorübergehend eingefroren«, zischte der Lagermeister. »Wartet hier oder kommt nachher wieder. Oder geht zu einer anderen Zahlstelle.«
Der Tisch glitt seitlich in die Wand und entschwand damit dem Zugriff eines jeden Lebewesens.
Murrend zogen die unterschiedlichen Lebewesen ab. Nurmi entließ ein wenig Gas aus einer Kammer seines Körpers und erzeugte mit Hilfe des membranähnlichen Verschlusses Laute des Verständnisses. Seine Gedanken aber weilten bereits an seinem neuen Ziel.
Die Abkopplung eines Rotationsblocks ließ sich mit der Stilllegung eines der Ladesektoren gleichsetzen: Roboter lösten den Block aus seiner Verankerung und transportierten ihn an eine andere Stelle der Station. Ein solcher Vorgang ereignete sich durchschnittlich alle tausend Tix einmal, und manche der Händler und Geschäftemacher hatten ihn noch nie erlebt. Kein Wunder also, wenn die Koordination eine Warnung verbreitete.
Ich will es sehen!
Nurmi verließ seinen Platz und eilte durch Schächte und Korridore zur Ankerrampe. Dort presste er Gas aus der Unterseite des Körpers ins Freie. In der fast vollständigen Schwerelosigkeit des Außenbereichs erhielt er genügend Auftrieb, um die vorspringende Plattform hoch über sich zu erreichen und in die Kabine des Ingenieurs zu schlüpfen. Mit einem leichten Antippen des entsprechenden Knopfes aktivierte er die Schaubildprojektionen und holte sich das Bild vom Rotationsblock heran.
»Noch zehn Inx«, meldete die Automatenstimme. »Schließt alle Türen zu dem betroffenen Sektor!«
Bei fünf Inx schlossen sich die Türen automatisch. Ein Teil der Lampen erlosch, dafür flammten im unmittelbaren Bereich des Blocks starke Scheinwerfer in Blau und Rot auf.
Nurmi rührte sich nicht. Seine acht punktförmigen Augen beobachteten das Schauspiel. Der Rotationsblock vollführte einmal in zwanzig Rou eine Umdrehung. Jetzt schien sich die Bewegung zu verlangsamen, doch der Lagermeister wusste, dass es auf einer optischen Täuschung beruhte. Das Gewinde des Blocks begann sich entgegengesetzt zu drehen und löste sich langsam, aber sicher aus seiner Verankerung. Der Vorgang geschah erschütterungsfrei und absolut gleichmäßig.
»Ein Triumph der Technik«, entfuhr es Nurmi.
Widerwillig nahm er zur Kenntnis, dass auf einer der Schaubildprojektionen eine Störung eintrat. Das Bild wechselte und zeigte einen der Korridore, die von der Ankerrampe in den fünften Ring hineinführten.
In dem Korridor erblickte er zwei Wesen unterschiedlicher Art. Das eine war ein Stelzmakalie mit einer gehörigen Portion Ballast am amorphen Körper. Gegenstände unterschiedlicher Art vereinigten sich zu einem Sammelsurium von auf merkwürdige Art bewegten Teilen. Auf herkömmliche Art hätte sich der Stelzmakalie schneller fortbewegen können. Aber diese Wesen hingen und klebten förmlich an solchen Dingen, die ihnen heilig waren.
Das andere Wesen sah einem Sack ähnlich, der den leicht abschüssigen Korridor entlangfloss und dabei zunehmend beschleunigte. Noch befand sich die Krümmung des Korridors zwischen den beiden, sodass keiner von der Anwesenheit des anderen wusste.
Der Nischdrich übertraf den Stelzmakalie an Größe und Gewicht um ein Vielfaches.
»Vorsicht, Gefahr!«, warnte Nurmi. Er gab ein Alarmsignal und hoffte, dass die Koordination die richtigen Schlüsse daraus zog.
»Haltet ihn auf«, verlangte er.
Sein Wunsch war fromm und entsprach seiner mildtätigen Seele. Realistisch war er nicht.
Nicht nur in SCHERMOTT galten die ehernen Regeln für den Umgang der wichtigsten Völker untereinander. Begegne nie einem Nischdrich, wenn du nicht ausweichen kannst. Sei immer ausgesucht höflich zu einem Stuuhr. Bewundere aufrichtig das Radschlagen des Patruskee und die vielfältigen Formen der Stelzmakalies. Und wenn du Sourvants triffst, dann verpasse ihnen einen Tritt, der sie voneinander trennt.
Hektisch huschten die schlanken Finger des Lagermeisters über die Schaltanlage. Er suchte nach einem Prallfeldprojektor für den Korridor oder einer anderen Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen. Enttäuscht stellte er seine Bemühungen ein. Es gab nichts, nicht einmal Trennwände wie in anderen Bereichen SCHERMOTTS.
Zudem: Was hatte ein Nischdrich im fünften Ring zu suchen?
Das Schicksal nahm seinen Lauf. Der Stelzmakalie bemerkte die Gefahr und versuchte, sich durch schnellere Bewegungen in Sicherheit zu bringen. Es gelang ihm nicht. Mehr als ein Schwanken und Humpeln brachte er nicht zustande. Daraufhin versuchte er es, indem er ein paar der Gegenstände wegwarf und ein Hindernis zwischen sich und dem Nischdrich aufbaute. Doch die Gegenstände waren zu klein, der Korridor zum Ausweichen zu eng.
Der wuchtige, sackähnliche Körper des Nischdrich erwischte den Stelzmakalie und riss ihn mit. Er begrub ihn unter sich und wälzte sich trotz heftigster Zuckungen unbeirrt weiter. Zurück blieb ein platt gedrückter Stelzmakalie, zerquetscht von seinen eigenen Gegenständen und durch die Wucht des Nischdrich. Zwischen Würfeln, Kegeln und Kugeln rann ihm aus unzähligen Rissen der Lebenssaft davon.
Nurmi war weit davon entfernt, dem Nischdrich einen Vorwurf zu machen. Der auf einer Fettspur dahingleitende Körper bewegte sich im Normalfall ausgesprochen schwerfällig vorwärts. Ein Nischdrich wog im Durchschnitt das Fünfzehnfache eines Vakuta, und wenn diese Masse erst einmal beschleunigt war, dazu in einem leicht abwärts führenden Korridor, dann dauerte das Bremsmanöver einige Zeit. Solange sich der Nischdrich in dem Korridor befand, gab es für ihn sowieso keine Möglichkeit, seine sich selbst überholende Masse abzubremsen. Zum Glück öffnete sich die Tür am Ende des Korridors automatisch; der Nischdrich schoss auf die Ankerrampe hinaus und rollte langsam aus. Wogend und mit einem lauten Quäken kam der plumpe Körper zur Ruhe.
»Hunger!«, klang es in Hamsch bis herauf zum Lagermeister. »Hunger. Starker Fettverschleiß. Nahrungsaufnahme dringend erwünscht.«
Nurmi verließ seinen Platz und warf einen letzten Blick auf die Schaubildprojektionen. Er verließ die Kabine des Ingenieurs, der vermutlich im Dachwulst droben seine Meditation hielt und nicht gestört werden wollte. Von der Plattform stürzte er sich in die Tiefe, steuerte mit Hilfe seines Körpergases hinüber zu der Stelle, an der der Nischdrich wogte, und landete auf allen vieren. Würdevoll richtete er sich auf.
»Du denkst nur ans Essen!« Er legte so viel Vorwurf wie möglich in seine Stimme. »Du hast soeben einen Stelzmakalie umgebracht. Wieso vergeht dir nicht der Appetit?«
»Ein Unfall. Kann nichts dafür. Völlig ausgeschlossen. Der Makalie war selbst schuld.«
»Nein, du bist schuld«, schimpfte der Lagermeister. »Was hast du im fünften Ring zu suchen?«
»Den Rotationsblock. Sieh nur!«
Der Vakuta richtete seine Punktaugen auf das vordere Ende der Ankerrampe. Das Gewinde des Blocks lag frei, und die Rotationsbewegung kam zum Stillstand. Von mehreren Schiffen gezogen, driftete der Rotationsblock von der Ankerrampe weg. Gleichzeitig schloss sich die riesige Schleuse der Rampe und entzog den weiteren Vorgang ihren Blicken.
»Ich kann dich gut verstehen«, säuselte Nurmi. »Mir erging es ebenso. Allerdings habe ich mir nichts zuschulden kommen lassen.«
»Frag den Stelzmakalie, was er hier zu suchen hatte«, quäkte und blubberte es aus dem Nischdrich. Er sprach wieder vollständige Sätze und hatte den Schock überwunden. Im nächsten Augenblick schrie der Sack den Grenzländer an: »Ich verhungere. Außerdem ersticke ich. Du stinkst erbärmlich, Vakuta.«
Nurmi reagierte verunsichert. Er gab eine hohe Folge von Membrantönen von sich in der Hoffnung, dass die Koordination sie aufzeichnete und auswertete.
»Wir Grenzländer verfügen über keinen Geruchssinn. Daher kann ich nicht feststellen, ob du die Wahrheit sagst oder ob du selbst es bist, der stinkt«, entgegnete er.
Seine empfindlichen Membranen empfingen eine Schwingung. Augenblicke später vernahm er das Stampfen von Robotern. Phermi schickte ihm Unterstützung.
Der Nischdrich registrierte die Annäherung ebenfalls und begann seinen Sackkörper in Richtung der Tür zu wuchten, durch die er gekommen war.
»Hier gibt es nichts zu sehen. Ich gehe«, quäkte er in einer Tonlage, die Nurmi in höchste Alarmbereitschaft versetzte. Sein ganzer Körper bebte mit Ausnahme der am stärksten verdichteten Stellen. Eine Nuance schriller, und er musste um die Gesundheit seines Nervenkostüms fürchten.
»Es ist nur recht und billig, dass du dem Toten die letzte Ehre erweist!«, rief er dem Nischdrich hinterher. Dieser änderte augenblicklich seine Richtung und verschwand durch eine andere Tür, die in Richtung der Hygieneeinrichtungen für Grenzländer führte.
Die Roboter erreichten die Ankerrampe und näherten sich Nurmi. Er gab ihnen hastig Anweisungen. Sie holten den Nischdrich ein, bevor er weiteres Unheil anrichten konnte, und nahmen ihn in Gewahrsam. Auf dem schnellsten Weg brachten sie ihn in den vierten Ring zurück, wo er hingehörte.
Nurmi beeilte sich, eine Verbindung zur Koordination herzustellen.
»Sprich«, hörte er die Stimme Phermis, seinen Vorgesetzten.
Hastig gab der Lagermeister einen Bericht durch.
»Es ist gut«, kommentierte der Oberste Lagerherr SCHERMOTTS. »Halte dich zur Verfügung. Es wird nicht lange dauern, dann brauche ich dich.«
Nurmi kehrte in seine Zahlstelle zurück und setzte die Kontenabgleichung fort. Er hatte wenigstens den wichtigsten Teil des Abdockens miterlebt, und das machte ihn glücklich.
*
»Sgfdtssffrrklsss ist mein Name«, begann der Stuuhr in abgehackter Weise, aber in korrektem Hamsch. »Es wird Zeit. Wir warten nicht länger.«
»Beruhige dich.« Phermi bemühte sich nach Kräften, zu dem Insektoiden aufzuschauen, ohne in Panik zu verfallen. Stuuhr waren doppelt so groß wie Vakuta, und sie besaßen einen schlechten Ruf wegen ihrer Kampfkraft. »Der Rotationsblock ist bereits unterwegs. Unsere Maschinen werden sich mit dem Entladen deiner Schiffe beeilen, sodass dir keine Verzögerung entsteht.«
»Du bist der Oberste Lagerherr. Dein Wort ist Gesetz. Aber vergiss nicht: Ich bin ein Prospektor.«
Damit schien für das Wesen mit dem unaussprechlichen Namen alles gesagt. Prospektoren galten bei diesem Volk als Helden von unschlagbarem Instinkt. Der Stuuhr wandte sich ohne Gruß oder Ehrenbezeigung ab und stolzierte hinaus. Draußen griff er die beiden Wachroboter an, ohne dass diese sich zur Wehr setzen durften.
Phermi klammerte sich an sein Sitzgestänge. Hastig verteilte er das Gas gleichmäßig in seinem Körper. In der Gegenwart eines Stuuhr sank es regelmäßig nach unten und führte zu einer künstlichen Leichtigkeit in der oberen Hälfte des Körpers. Jetzt gewann der Herr über SCHERMOTT die Kontrolle über alle seine Kammern zurück.
»Das Schicksal möge verhindern, dass ich es öfter als einmal in acht Zehnern mit einem Stuuhr zu tun bekomme.«
Seine Mitarbeiter in der Koordination versicherten ihm, dass sie alles tun würden, um es zu verhindern.
Doch irgendwie war das Schicksal gegen Phermi. Kaum hatte der Stuuhr den ersten Ring verlassen, schwärmten die bizarren Schiffe seines Rudels aus und formierten sich zu einem Keil, der gegen den ersten Ring vorstieß und keinen Zweifel daran ließ, dass diese Wesen unberechenbar waren.
Phermi handelte. Er ließ die Schutzaura aktivieren und schickte gleichzeitig eine kleine Rakete mit Leuchtmunition hinaus ins All. Sie traf das Schiff des abfliegenden Stuuhr und hüllte es in eine Kaskade aus buntem Licht. Die Rakete schlug eine winzige Delle in das Schiff, nichts, worüber man sich aufregen musste.
Schlimmer war das farbige Licht. Eine solche Kaskade tat den Stuuhr in den Augen weh und konnte unter Umständen zu Übelkeit und anhaltender Migräne führen. Augenblicklich drehten die angreifenden Schiffe ab, lösten ihre Formation auf und nahmen wieder ihre ursprünglichen Positionen im Wartekorridor ein.
»Glückwunsch, Phermi.« Der Sprecher war Halmi, einer der sechs Lagermeister. »Zeig den Hamamesch, dass wir nicht in allem auf sie angewiesen sind.«
»Unterschätze die Stuuhr nicht. Sie werden sich rächen. Und wir werden bald erfahren, auf welche Weise sie es tun.«
Auf den Schirmbildern verfolgte er, wie Roboter den getöteten Stelzmakalie mitsamt seinen Gerätschaften abtransportierten und in die obersten Etagen des vierten Ringes brachten. Sie übergaben ihn seinem Volk und hinterließen gleichzeitig eine Dokumentation über die Art, wie er zu Tode gekommen war.
Die Stelzmakalies kümmerten sich ausschließlich um ihren Toten. Alles andere spielte nun keine Rolle mehr. Sie stellten jede Art von Geschäften und Kommunikation ein. Aus allen Teilen der zwei Wohnringe arbeiteten sie sich zu dem Toten vor.