Die Autorin
Melanie Horngacher wurde 1982 geboren und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in St. Jakob in Haus in Tirol. Sie ist gelernte Köchin und Konditorin und arbeitet als solche in der Kreativabteilung einer Schokoladenmanufaktur. So geduldig wie das Papier ist auch die Schokolade und daher liebt sie das Handwerk mit der süßen Köstlichkeit gleichermaßen wie das Jonglieren mit Worten. Auch die Musik hat in ihrem Leben einen hohen Stellenwert. Lesen, Schreiben, Musizieren und Genießen gehören zu ihren liebsten Hobbies.
Das Buch
Nach dem Tod ihres Mannes jongliert die alleinerziehende Mia Job, Haushalt und die Erziehung ihres Sohnes Tommy. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Schwiegermutter Martha, die jedoch kein gutes Haar an Mia lässt und sich einmischt, wo sie nur kann. Als eines Tages ein fremder Mann vor Mias Haustüre steht und sich als Jake und alten Freund ihres verstorbenen Mannes vorstellt, stürzt alles ins Chaos. Denn Tom hat nie von einem Jake gesprochen. Trotzdem nimmt Mia ihn vorübergehend bei sich auf. Je näher Mia und Jake sich kommen, umso mehr Geheimnisse aus Toms Vergangenheit kommen ans Licht. Doch was bedeutet das für das zarte Band, das Mia und Jake geknüpft haben?
Von Melanie Horngacher sind bei Forever erschienen:
Die Weite deines Herzens
Viel mehr als nur Worte
Melanie Horngacher
Viel mehr als nur Worte
Roman
Forever by Ullstein
forever.ullstein.de
Originalausgabe bei Forever
Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
August 2017 (1)
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: © FinePic®
Autorenfoto: © privat
ISBN 978-3-95818-212-7
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Für Alex:
Herzen sagen oft mehr, als alle Worte der Welt es jemals könnten.
Ohne Worte wäre ich nur halb,
doch ohne deine Liebe wäre ich nichts.
Mia
Mann, Mann, Mann, woher nehmen die Leute in meinem Umfeld nur immer diesen morgendlichen Eifer? Und warum, zum Kuckuck, hat niemand daran gedacht, mir etwas davon abzugeben? Es ist gerade mal halb acht und obwohl ich schon seit sechs auf den Beinen bin, fühlen sich meine Glieder immer noch so schwer an wie Kartoffelsäcke, und meine Augenlider scheinen diese Absenkautomatik zu besitzen, mit der man neuerdings Toilettendeckel ausstattet. Dieser ewige Schlafmangel macht mich fertig. Ich gähne herzhaft, während ich träge über Tommys überall verteilten Bausteine steige. Schließlich kann ich mich gar nicht mehr genau erinnern, wann ich das letzte Mal durchgeschlafen habe. Das muss bestimmt schon Jahre her sein. Nach zwei Tassen Kaffee ringe ich mich aber doch dazu durch, meine Pyjamahose und mein ausgeleiertes Schlafshirt, das eigentlich Tom gehört hat, gegen Jeans und ein ordentliches T-Shirt einzutauschen. Tommy, mein zweijähriger Sohn, bahnt sich mit seinem Duplotraktor einen Weg zwischen die Bausteine hindurch, die ich schon mehrere Male mit dem Fuß beiseitegeschoben habe. Seine Lippen vibrieren und erzeugen ein Brummgeräusch – mal leiser, mal lauter, aber beharrlich. Auch wenn mein Kopf dröhnt und ich mich manchmal nach Ruhe sehne, bringe ich es nicht übers Herz, Tommy darum zu bitten, obgleich er vielleicht sogar einen Moment leise wäre. Zu wunderbar ist es, ihn beim Spielen zu beobachten und zu wissen, dass er ein absolut glückliches Leben führt. Von meinen Sorgen wird er hoffentlich noch ganz lange keine Ahnung haben, davon, dass ich mich trotz seiner Anwesenheit oft alleine fühle, dass jedes Monat das Geld knapp wird und ich manchmal das Gefühl habe, die Last nicht mehr tragen zu können.
»Tommy, hilfst du mir beim Einsammeln?«, frage ich ihn, während ich mich zu ihm auf den Boden setze und die Bausteinkiste näher zu mir herziehe. Augenblicklich verstummt sein Brummen und er hält inne, um mich prüfend und missbilligend zu betrachten, als würde er sich fragen, was ich um alles in der Welt gerade von ihm verlange.
»Aggo pieln!«, gluckst Tommy ein wenig trotzig und hält zur Veranschaulichung seinen Traktor in die Höhe. Die Sache mit dem Sprechen ist noch ein wenig problematisch für ihn, aber ich weiß, was er meint. Jeden Tag ergänzt er seinen Wortschatz aufs Neue und manchmal sind die Wörter so witzig, dass ich sie am liebsten gar nicht verbessern möchte.
»Du kannst nachher weiterspielen, Tommy. Jetzt muss Mama erst mal staubsaugen.« Mit seinen großen blauen Augen sieht er mich an, als könnte er kein Wässerchen trüben und ich bereite mich innerlich schon auf einen kleinen Kampf mit ihm vor, von denen wir in letzter Zeit schon mehrere führten. Stattdessen überrascht er mich, indem er sich bückt und eine Handvoll Bauklötze in die Kiste wirft – was bei seinen kleinen Händchen genau zwei Stück entspricht –, ohne jedoch seinen geliebten Traktor aus der anderen Hand zu legen.
Während ich staubsauge, turnt Tommy mit Fippsi, seiner knallgelben Plüschente, und dem Traktor auf der Couch herum. Noch vor wenigen Wochen ist er jedes Mal, wenn ich den Staubsauger anstellte, heulend in sein Zimmer gerannt, weil er von dem lauten Geräusch solche Angst hatte. Also habe ich nur gesaugt, wenn Tommy nebenan bei seiner Oma war, oder die Böden gewischt. Scheinbar hat er diese Angst jetzt überwunden, bemerke ich erleichtert, als ich ihn beobachte, wie er für Fippsi ein Haus aus Kissen baut.
»Mia? Bist du da?«, bellt mir meine Schwiegermutter genervt aus dem Anrufbeantworter entgegen, nachdem ich den Staubsauger in die Abstellkammer geräumt und im Vorbeigehen das Knöpfchen zum Nachrichtenabhören gedrückt habe. »Ach Herbert, wo ist sie denn bloß schon wieder?«
Ich habe es tatsächlich geschafft, während der fünfzehn Minuten Staubsaugen vier Anrufe zu verpassen, wobei ich nicht gerade traurig darüber bin. Martha und Herbert, meine Schwiegereltern, sind gestern zu einer dreiwöchigen Kur aufgebrochen. Weil wir uns gestern Morgen erst verabschiedet haben und Martha mich mit zwei Dutzend guten Ratschlägen bedacht hat, frage ich mich, was sie mir heute schon so Dringendes mitzuteilen hat.
»Mia, ich versuche es einfach später nochmal.« Ihr verzweifelter Unterton ist nicht zu überhören. »Wo kann sie denn um diese Uhrzeit schon sein?« Ich sehe sie vor meinem inneren Auge, wie sie sich mit dem Hörer in der Hand an Herbert wendet, die andere Hand ungeduldig in die arthritischen Hüften gestemmt.
»Was weiß denn ich«, höre ich nun Herbert im Hintergrund brummen. »Ist das denn so wichtig?« Als hätte er meine Gedanken gelesen. Dann wird die Verbindung abgebrochen. In diesem Moment danke ich Tommy im Stillen, dass er mich Staubsaugen ließ und mir somit ein wenig Ruhe vor Martha gegönnt hat.
Augenrollend schlurfe ich in die Küche, als ich eine andere, mir sehr vertraute, fröhliche Stimme vernehme. Meine Mutter schafft es sofort, mein Gemüt zu erheitern!
»Hallo Liebes! Ich wollte dir nur schnell Bescheid sagen, dass wir gut angekommen sind.« Nach fünfundzwanzig Ehejahren haben meine Eltern es endlich geschafft, ihre erste gemeinsame Flugreise zu machen. Aber auch nur, weil Mama unseren Vater ewig angebettelt hat und mein Bruder und ich einen finanziellen Beitrag dazu geleistet haben. Nicht, dass sie es nötig hätten, es war sozusagen unser Silberhochzeitsgeschenk. Fast hätten sie die Reise nach Teneriffa im letzten Moment abgesagt, weil Martha meiner Mutter erzählt hat, dass sie und Herbert zur selben Zeit zur Kur müssten und man mich und Tommy doch nicht so lange alleine lassen könnte! Bis heute weiß ich nicht, wie Mama es geschafft hat, Martha – die ein ziemlich eigensinniges Gemüt hat – vom Gegenteil zu überzeugen.
»Irene, sag Mia und Tommy liebe Grüße!« Das ist mein Vater im Hintergrund. »Hast du gehört, Mia?«, fragt Mama, als könnte ich ihr antworten. »Liebe Grüße an euch! Also, nur ganz schnell … Papa hat seine Geldtasche verloren, das dachte er zumindest! Aber Gott sei Dank war sie in der Innentasche seiner neuen Jacke!«
»Irene, mach schnell, wir verpassen das Taxi!«
»Oh, okay, ich komme! Also, Liebes, mach’s gut, Küsschen an Tommy, ich melde mich wieder!«
Lebhaft kann ich mir vorstellen, wie meine Eltern sämtliche Taschen und Koffer nach Papas Brieftasche durchsuchen, völlig nervös und gestresst, um nach einer gefühlten Ewigkeit festzustellen, dass er sie in die Jacke eingesteckt hat. Das bringt mich zum Schmunzeln, weil das so typisch für meine liebenswerten, chaotischen Eltern ist. Ich gönne ihnen diesen langersehnten Urlaub von ganzem Herzen. Seit ich denken kann, führen sie ein kleines, aber feines Lebensmittelgeschäft etwa anderthalb Autostunden von uns entfernt. Sie schuften von früh bis spät, aber noch nie habe ich ein Klagen oder Jammern von einem von beiden gehört. Leider sehen wir uns dadurch sehr selten.
Mir ist klar, dass sie sich viel zu viele Sorgen um mich machen, was sie natürlich – leider erfolglos – vor mir zu vertuschen versuchen. Dennoch weiß ich, dass ich bei ihnen immer willkommen bin und sie mir in jeder Lebenslage weiterhelfen werden, wenn ich das möchte. Für beides bin ich unendlich dankbar.
Ich bin mir sicher, dass auch meine Schwiegereltern es gut mit mir meinen. Doch hin und wieder leide ich unter Marthas herrischer Art und dass sie es nicht lassen kann, ihre Nase in meine persönlichen Angelegenheiten zu stecken.
Tom war ihr einziger Sohn und ihn zu verlieren war das Schlimmste, was sie und Herbert in ihrem Leben durchmachen mussten. Tommy ist seitdem ihr Ein und Alles und sie wollen natürlich – und Martha betont das bei jeder Gelegenheit – nur das Beste für ihn. Ob das auch für mich gilt, das weiß ich nicht so genau, aber zwischen Schwiegermüttern und Schwiegertöchtern ist es ja bekanntlich des Öfteren schwierig.
Die dritte Nachricht auf dem Anrufbeantworter ist von Natalie, meiner besten Freundin und gleichzeitig Toms Cousine und Tommys Patentante. Als Hebamme war sie sogar bei seiner Geburt dabei und kennt ihn somit seit seinem ersten Atemzug.
Natalie bestätigt nur kurz, dass sie heute auf Tommy aufpassen kann, während ich arbeite. Sie klingt noch ein wenig verschlafen und sofort beginnt ein leichtes Bedauern an meinem Gewissen zu nagen, weil ich sie an ihren freien Tagen für meine Zwecke einspanne. Aber weil sie mir schon oft versichert hat, wie sehr sie die knapp bemessene Zeit mit Tommy genießt, schiebe ich diesen Gedanken rasch beiseite.
Als der vierte Anruf vom Band läuft, habe ich mir bereits die blonden langen Haare seitlich zu einem Zopf geflochten und Tommy abfahrbereit gemacht. Während ich die Geschirrspülmaschine anmache, verdrehe ich wieder die Augen zum Himmel, weil ich Marthas Stimme höre. Im Grunde will ich gar nicht wissen, was sie mir mitteilen möchte und ignoriere deshalb ihre imaginäre Erscheinung, weil mir ja nur der Anrufbeantworter weismachen will, dass sie es ist!
Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel schnappe ich mir Tommy, der natürlich protestiert, und setze ihn auf die Garderobenbank, um ihm die Schuhe anzuziehen. Er will mir entschlüpfen und ich kitzle ihn, während ich ihn sanft, aber konsequent auf die Bank zurückdrücke. »Hiergeblieben, du Schlawiner!« Liebevoll wuschle ich ihm durch die blonden Locken.
Die Türglocke unterbricht unsere Plänkelei, doch jetzt ist Tommy viel zu neugierig, um wieder zu entwischen. Ich streiche mir die widerspenstigen Haare aus dem Gesicht und öffne die Tür. Ein fremder Mann steht vor mir, mit etwas längerem, ungepflegtem Haar und Vollbart, sieht von mir zu Tommy und wieder zurück, ohne ein Wort zu sagen.
»Hallo!«, beginne ich freundlich. »Was kann ich für dich tun?« Ich habe keine Ahnung, warum ich ihn duze, vielleicht weil er noch recht jung wirkt – ich schätze ihn auf Anfang dreißig – oder weil sich bei uns in Tirol – bis auf wenige Ausnahmen – alle Leute duzen. Mit seinem karierten Hemd und den abgewetzten Jeans sieht er eher aus wie ein Handwerker als ein Tourist, obwohl neben ihm eine große Reisetasche auf dem Boden steht. An seinen klaren grauen Augen bleibt mein Blick hängen und ich bin froh, als er endlich das Wort ergreift.
»Hallo!«, sagt er etwas verlegen und räuspert sich. »Ich bin Jake Neumann, ein Freund von Tom!«
Ich muss mich zusammenreißen, dass mir nicht die Kinnlade hinunterklappt. Völlig perplex starre ich diesen Fremden an, unfähig, irgendeine Antwort zu geben. Erst ein krachendes Geräusch reißt mich aus meiner Starre, das sich anhört, als würde sich der Inhalt einer Bausteinkiste auf dem Fliesenboden ergießen. Ein leichter Schwindel überkommt mich und meine Knie sind weich.
»Moment«, sage ich und lasse die Tür zurück ins Schloss fallen, erstens, weil ich nicht möchte, dass er meine Reaktion sieht und zweitens, weil ich keinen blassen Schimmer habe, wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich setze mich kurz auf die Bank, auf der Tommy noch vor wenigen Sekunden gesessen hat und versuche, das Zittern meiner Hände unter Kontrolle zu bringen. Im Geiste checke ich die Gesichter von Toms Freunden, aber es will mir nicht gelingen, eines davon mit dem Gesicht vor meiner Haustür in Einklang zu bringen. Auch der Name Jake Neumann kommt mir alles andere als bekannt vor. Ich spüre so etwas wie Ärger in mir aufsteigen und fasse einen Entschluss.
Jake
Langsam entfernen sich die Rücklichter des Linienbusses, aus dem ich gerade ausgestiegen bin. Mein Bart juckt und meine Haare sind viel zu lang. Eigentlich möchte ich so gar nicht unter Leute gehen, aber erst muss ich diese eine Sache erledigen, bevor ich mich wieder anderen Dingen widmen kann. Unter anderem dem Gang zum Frisör, den ich bisher ständig aufgeschoben habe. Nicht nur, weil es immer wichtigere Dinge gab, sondern auch, weil ich in letzter Zeit mehr oder weniger auf Sparmodus gelaufen bin. Das Wiedersehen mit Tom belastet mich und ich möchte es so schnell wie möglich hinter mich bringen. Ich weiß nicht, wie er mich empfangen wird. Immerhin sind wir vor gut drei Jahren nicht als Freunde auseinandergegangen. Vielleicht freut er sich, mich zu sehen, vielleicht schlägt er mir die Tür vor der Nase zu, ich weiß es nicht. Vorsichtshalber ziehe ich beide Möglichkeiten in Betracht und überlege mir schon jetzt einen Plan B, falls Tom noch immer nicht einsieht, dass er es ist, der einiges wieder gut zu machen hat. Im Grunde bin ich mir nicht einmal sicher, ob Tom überhaupt wieder hier wohnt.
Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich nicht mehr weiterweiß und Tom der letzte Strohhalm ist, nach dem ich greifen kann. Natürlich habe ich vorher lange darüber nachgedacht, denn diesen Schritt gehe ich beim besten Willen nicht gerne. Aber hier geht es nicht nur um mich, und ich werde mein Bestes tun, meine eigenen Gefühle zurückzustellen.
Meine Mutter hat vor Kurzem einen Schlaganfall erlitten und wohnt seitdem in einem Pflegeheim hier in der Nähe. Das ist auch der Grund, warum ich meine Zelte in den Vereinigten Staaten für immer abgebrochen habe. Ich stehe in ständigem Kontakt mit dem Pflegepersonal und dem behandelnden Arzt Dr. Brenner, der mir letzte Woche noch eine andere niederschmetternde Diagnose unterbreitet hat: Der Schlaganfall hat bei Mama eine vaskuläre Demenz ausgelöst. Im Klartext heißt das, dass neben Symptomen wie Sprachstörungen, Orientierungslosigkeit oder Persönlichkeitsveränderungen unter anderem auch Gedächtnisstörungen auftreten können. Sie wird also nie wieder die Frau sein, die ich als meine Mutter kannte, und möglicherweise wird sie – was vielleicht noch schlimmer ist – mich nicht mehr als ihren Sohn erkennen. Es fällt mir schwer, das alles zu begreifen und ich mache mir große Vorwürfe, dass ich nicht schon früher nach Hause zurückgekommen bin. Als ich heute in aller Herrgottsfrühe im Pflegeheim aufgetaucht bin, musste Dr. Brenner mich – auch zu seinem eigenen Bedauern – wieder wegschicken, weil sich meine Mutter einen viralen Infekt eingefangen hat und mit Fieber im Bett liegt. Er sagte, es wäre nichts Ernstes, aber weil wir noch nicht wissen, wieweit sie sich an mich erinnern kann, könnte sie mein Besuch zu sehr aufregen und ihren Gesundheitszustand noch weiter verschlechtern. Natürlich hätten sie sich viel über die Vergangenheit unterhalten, und meine Mutter habe auch von ihrem Sohn gesprochen. Aber mich nach so langer Zeit wiederzusehen sei laut dem Arzt noch einmal etwas ganz anderes.
Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich meine Mutter vermisse. Würde es ihr besser gehen, wenn ich bei ihr wäre? Kurz habe ich mit dem Gedanken gespielt, einfach zu ihr zu gehen und mich neben ihr auf dem Boden zusammenzurollen, um ihr nah zu sein. Dr. Brenner schien meine Gedanken zu erraten, denn er bekräftige noch einmal, dass Ruhe für sie das Beste sei und es sich bestimmt nur um ein paar Tage handeln würde, bis sie wieder fieberfrei wäre.
Also stehe ich jetzt hier an der Bushaltestelle mit einem flauen Gefühl im Magen, das sowohl von der vorangegangenen Busfahrt, als auch von meiner bevorstehenden Begegnung herrühren könnte.
Vielleicht lässt Tom mich ein, zwei Nächte bei sich wohnen, bis ich den Jetlag überwunden habe. Gestern war ich noch in meiner winzigen Zweizimmerwohnung in Wisconsin. Der Flug und die darauffolgende Bahn- und Busfahrt waren mehr als anstrengend, und dann die Sache mit meiner Mutter, die mir gerade den Rest gibt. Ich sehne mich nach einem Bett oder einem Sofa, auf dem ich die Beine ausstrecken und zumindest körperlich zur Ruhe kommen kann. Ich atme tief durch, trinke den Rest meines Mineralwassers aus und drücke die Plastikflasche zusammen, um sie gähnend in den Mülleimer des Bushäuschens zu werfen. Da erst wird mir bewusst, wie lange ich schon nicht mehr hier gewesen bin und ich nehme mir Zeit, das wunderschöne Bergpanorama mit den schroffen Felsen, den Wäldern und den hügeligen Grasflächen zu betrachten. Mein Mund verzieht sich unwillkürlich zu einem Lächeln und ich atme noch tiefer als vorher, weil ich spüre, wie mir die frische Bergluft neue Energie spendet. Nicht weit von hier bin ich geboren und habe – zumindest bis zum Tod meines Vaters – eine wundervolle Kindheit verbringen dürfen. Es fühlt sich an, als wäre das ein völlig anderes Leben gewesen.
Ausgiebig strecke ich mich, bevor ich mich mit neuem Tatendrang auf den Weg zu Toms früherer Adresse mache. Das Haus, das ich suche, steht auf einem Hanggrundstück ein wenig abseits von drei anderen Häusern. Etwa zwanzig Meter dahinter beginnt ein Waldstück, das sich wahrscheinlich wunderbar dafür eignet, um Baumhäuser zu bauen und auf Erkundungstour zu gehen. Das Wohnhaus hat sich wenig verändert, seit ich es das erste und letzte Mal vor gut zehn Jahren gesehen habe. In dem großzügigen Anbau an der Hinterseite des Hauses hat früher Toms Oma gewohnt. Ob sie wohl noch lebt? Ich nehme an, sie müsste inzwischen bestimmt weit über achtzig Jahre alt sein.
Die Fassade ist blassgrün gestrichen, die Fensterläden dunkelgrün. Ein Schaukelgerüst und eine Sandkiste im Garten lassen mich darauf schließen, dass in diesem Haus auch Kinder wohnen, und vor meinem inneren Auge sehe ich Tom mit seiner Familie lachen und herumtoben.
Ein wehmütiges Gefühl beschleicht mich, durchzogen von ein bisschen Neid und dem Ärger, der mich schon die letzten Jahre begleitet. Ich verbanne all diese negativen Emotionen in die hinterste Ecke meines Herzens und konzentriere mich auf das, was mir bevorsteht.
Einer inneren Eingebung folgend – oder vielleicht auch nur, um das Unvermeidliche hinauszuzögern – gehe ich erst auf die Vorderseite des Hauses zu, über die Auffahrt, bis ich vor einer weißlackierten Haustüre stehe. Martha und Herbert Albrecht steht in kleinen Buchstaben neben dem Klingelknopf, den ich sofort betätige, einmal, zweimal, doch nichts rührt sich. Nachdem ich ein paar Schritte zurückgewichen bin und das Haus noch einmal in Augenschein genommen habe, gehe ich um den mit Thujen gesäumten Garten herum zu einer weiteren Auffahrt. Ich betrachte eingehend die zweite Haustür, den Briefkasten und den Klingelknopf, doch nirgends finde ich ein Namensschild. Neben einem etwa einen Meter breiten, hölzernen Blumentrog, der über und über mit bunten Stiefmütterchen bepflanzt ist, entdecke ich ein winziges Paar schlammbespritzter Gummistiefel. Daher gehe ich schwer davon aus, dass Toms Oma wohl nicht mehr hier wohnt.
Ich drehe mich noch einmal um, atme tief durch, wobei mir sogar der intensive Fliederduft, der aus dem Garten zu mir herüber strömt, auffällt, und straffe mich. Der Rasen könnte wieder einmal gemäht werden, denke ich beiläufig und wende mich endgültig dem Eingang zu. Bevor mich mein Mut wieder verlässt, läute ich und erschrecke fast, weil die Tür so schnell aufgeht. Keine Chance für einen Rückzug!
Eine junge Frau richtet sich vor mir auf, während sie öffnet, als hätte sie eben noch auf dem Boden gesessen, streicht sich ihr blondes Haar aus dem Gesicht und mir rutscht das Herz in die Hose, als sie mich ansieht. Neben ihr steht ein kleiner Junge, der so aussieht wie Tom in Kleinformat, nur niedlicher. Im ersten Moment bekomme ich kein Wort heraus und ich ärgere mich über mich selbst, weil ich ja damit gerechnet habe, dass unter Umständen eine Frau öffnen wird. Aber jetzt, wo ich sie sehe, Toms kleine Familie, seine wunderschöne Frau und diesen tollen Jungen, muss ich mir eingestehen, dass ich ihm dieses Glück irgendwie nicht gönne. Warum er und nicht ich?
»Hallo!«, sagt sie und ihre Stimme hört sich weich und irgendwie fröhlich an. »Was kann ich für dich tun?«
Gute Frage. Warum bin ich nochmal hier? Um mir meiner eigenen Einsamkeit bewusst zu werden? Dass sie mich duzt, macht sie noch sympathischer, die Sache für mich noch schwieriger. Der kleine Junge ist inzwischen hinter ihr verschwunden und sie sieht mich voller Erwartung an.
»Hallo!«, bekomme ich schließlich mit Mühe heraus und muss mich räuspern, bevor meine Stimme ganz versagt.
»Ich bin Jake Neumann, ein Freund von Tom!«, schaffe ich es endlich, mich vorzustellen. Mir kommt es so vor, als würde ihr hübsches Gesicht sich einen Moment verdunkeln, bevor sie weiß wie eine Wand wird. Noch ehe ich ihr meine Hand entgegenstrecken kann, entleert der Junge hinter ihr eine Kiste mit Bausteinen auf dem Boden. Wir erschrecken beide durch das krachende Geräusch, woraufhin sie mit einem kurzen »Moment!« die Tür zuschlägt.
Ich bin verwirrt und überlege, ob ich wieder gehen soll. Wohnt Tom nicht hier? Oder nicht mehr? Vielleicht hatten sie Streit und sie ist sauer auf ihn! Vielleicht ist sie ja gar nicht Toms Frau, sondern nur eine Untermieterin! Unwahrscheinlich, wenn ich mir den Jungen ansehe. Oder vielleicht hat Tom nur wieder irgendwas verbockt, wie schon so oft! Plötzlich überkommt mich das dringende Bedürfnis, der Sache auf den Grund zu gehen, obwohl ich von dieser Frau, ihrem Kind und Toms Leben nicht die geringste Ahnung habe. Meine Spekulationen werden unterbrochen, als die Tür wieder aufgeht und die junge Frau, das Kind auf der Hüfte abgestützt, das Haus verlässt.
»Ich bringe dich zu ihm«, sagt sie, weicht meinem Blick aus und geht an mir vorbei zum Carport. Einen Augenblick zögert sie, bleibt stehen und wendet sich mir zu.
»Ich bin übrigens Mia, Toms Frau, und das ist Tommy.« Nun streckt sie mir ihre zierliche Hand hin und ich ergreife sie, während ich ihr sogar kurz in ihre blauen Augen schauen kann. »Freut mich«, sage ich, und das meine ich vollkommen ehrlich.
»Du kannst die Tasche auf den Rücksitz stellen!«, ruft Mia mir zu, während sie ihren Sohn im Kindersitz festschnallt.
In ihrem orangen Peugeot ist nicht besonders viel Platz und ich muss den Sitz ein Stück nach hinten rücken, um meine langen Beine unterzubringen. Das ist bestimmt Mias Wagen, mutmaße ich, und Tom, der Autonarr, besitzt wahrscheinlich ein größeres, stärkeres Exemplar. In Gedanken gehe ich die Autotypen durch, die Tom schon immer haben wollte und male mir aus, wie er jede freie Minute daran herumschraubt, um ihn aufzumotzen, und Mia damit zur Weißglut treibt.
Es scheint, als hätte sie ihre Fassung, aus der ich sie vorhin gebracht habe, wiedererlangt, und das beruhigt auch mich. »Wie lange seid ihr schon verheiratet?«, frage ich und sehe sie von der Seite an, während sie den Wagen aus der Einfahrt auf die Straße lenkt. Ich habe Mühe, meine Neugierde zu verbergen, und der Gedanke drängt sich mir auf, ob ich all diese Dinge über Tom oder eher über Mia wissen möchte. Ersteres, rufe ich mich zur Ordnung, weil sie nun mal Toms Frau ist!
»Zweieinhalb Jahre«, antwortet sie, den Blick unentwegt auf die Straße gerichtet. Jetzt erst fällt mir auf, wie müde sie aussieht. Sie hält das Lenkrad so fest mit beiden Händen umklammert, dass ihre Knöchel weiß hervortreten. Tommy hat einen Spieltraktor in der Hand und einen Schnuller im Mund und sieht aus dem Seitenfenster. Aus dem Radio dringt leise Popmusik an mein Ohr.
»Und wie lange seid ihr zusammen?« Wie gerne würde ich diese Frage wieder zurücknehmen, weil ich mir plötzlich wie ein Eindringling vorkomme. »Entschuldige meine Neugierde!«
»Schon okay«, sagt sie, doch etwas in ihrer Stimme verrät mir, dass es nicht so ist. »Seit er aus den USA zurück ist. Gekannt haben wir uns schon vorher.« Noch ehe sie zu Ende gesprochen hat, merke ich, wie sie wieder dicht macht. Ich frage mich, wo die Fröhlichkeit hin ist, die ich vorhin zu spüren geglaubt habe, als sie mir die Tür geöffnet hat. Hat dieser Stimmungsumschwung mit mir zu tun? Was in aller Welt hat Tom über mich gesagt?
»Tom und ich hatten zusammen die Autowerkstatt in Wisconsin! Aber … das hat er dir sicher erzählt«, starte ich einen erneuten Versuch.
»Er hat nichts erzählt.«
Innerlich erstarre ich. Er hat nichts erzählt? Wie ist das möglich? Wir haben drei Jahre eine gutgehende Firma geführt. Gemeinsam. Bis zu dem schrecklichen Brand, der nicht nur unsere Werkstatt, sondern unsere gesamte Existenz und unsere Freundschaft zerstört hat. Wie kann Tom seiner Frau davon nichts erzählt haben?
»Auch nicht von der Werkstatt?« Was zum Teufel hat er denn gesagt, was er in Amerika gemacht hat?
»Von der Werkstatt schon, aber nichts von dir«, sagt sie ruhig. Sie ahnt wahrscheinlich gar nicht, was diese Bemerkung in mir auslöst.
Die alte Wut beginnt wieder in mir zu schwelen. Hat Tom mir die Schuld an allem gegeben? Bin ich der Sündenbock und nicht einmal wert, dass in seiner Ehe über mich gesprochen wird? Ich blinzle und schüttle langsam den Kopf, weil ich versuche, ihre Worte zu verdauen.
»Wir sind da.« Mia hält den Wagen an einem öffentlichen Parkplatz neben der Kirche. Sie nimmt Tommy aus dem Kindersitz und schlägt den Weg Richtung Friedhof ein. Weil wir zu keiner Autowerkstatt gefahren sind, vermute ich, dass Tom inzwischen einer anderen Arbeit nachgeht. Er hatte schon immer viele Talente und keine Scheu, alles auszuprobieren, was ihm unter die Finger kam.
Tom und ich haben uns in der Berufsschule für Automechaniker kennengelernt. Heute nennt man es KFZ-Techniker, um genau zu sein. Wir haben uns damals auf Anhieb verstanden und unser Kontakt blieb auch nach der Schule aufrecht. Nach meiner Zeit beim Bundesheer – und nach bestandener Meisterprüfung – ist die Firma, für die ich gearbeitet habe, in Konkurs gegangen. Meine Freundin hat sich bald danach von mir getrennt, kurz gesagt, es lief alles ziemlich mies für mich. Toms Vorschlag, in die USA zu gehen, erreichte mich genau zur richtigen Zeit. Der letzte Tritt in den Hintern, den ich brauchte, kam von meiner Mutter, die ich zwar nicht alleine lassen wollte, die mich aber doch überzeugte, neue Wege einzuschlagen. Auch jetzt denke ich an diese Zeit, als ich neben Mia den Kiesweg durch den Friedhof entlanggehe. Ich sehe mich um, kann jedoch weder eine Baustelle noch Tom ausmachen. Bis auf sporadisches Vogelgezwitscher und das leise Rauschen der Blätter im Wind ist alles ruhig. Mia bleibt bei einem Grab stehen, bückt sich, um ihre schlanken Finger in ein schmiedeeisernes Weihwassergefäß zu tauchen und bekreuzigt sich. Ich fühle mich etwas beklommen und völlig fehl am Platz, während ich weiterhin Ausschau halte. Er wird doch nicht unter die Totengräber gegangen sein!
»Wo ist Tom denn nun?«, frage ich ein wenig unbeholfen.
Mias Gesichtsausdruck ist irgendwie seltsam, sie kann mich nicht direkt ansehen, als sie flüstert: »Es tut mir leid!«
Ich wende mich dem Grab zu, starre abwechselnd die schmiedeeiserne Tafel mit den Goldbuchstaben, dann wieder Mia an.
Erst, als sie sich umdreht und geht, fällt bei mir der Groschen.
Ich werfe verzweifelt die Hände in die Luft und stoße ein ungläubiges »Nein!« aus, bevor ich nach Luft ringe, weil es mir die Kehle zuschnürt. Weil ich die Worte, die dort auf der Gedenktafel neben einem kunstvoll mit goldenen Rosen verzierten Kreuz stehen, nicht begreifen kann.
In liebevoller Erinnerung
Thomas Albrecht
geb.1982 gest.2012
Ich reibe mir mit den Händen über das Gesicht, immer wieder, als würden die Worte verschwinden, während ich die Augen schließe. Meine Beine geben nach und ich sinke auf die Knie. Mein ganzer Körper zittert, mein Puls spielt verrückt. Übelkeit steigt in mir auf und ich versuche, zu atmen, damit ich mich nicht auf den schmalen Grasstreifen zwischen den Gräbern übergeben muss.
Ich weiß nicht, wie lange ich so verweile und es ist mir egal, ob mich jemand sieht. Es fühlt sich gerade verdammt danach an, als würde die Welt – wie ich sie bisher kannte – in Scherben liegen. Denn auch, wenn Tom mir vieles angetan hat, ist er der beste Freund gewesen, den ich je hatte. So, wie ich anscheinend schon vor Jahren für ihn gestorben bin, ist er es jetzt wahrhaftig für mich und ich muss erkennen, dass es viel einfacher ist, auf jemanden wütend zu sein und zu wünschen, man könne ihn auf den Mond schießen, als mit seinem Tod umgehen zu müssen.
Mia
Langsam entferne ich mich von Toms Grab, um Jake ein bisschen Privatsphäre zu lassen. Vielleicht möchte er beten oder irgendetwas laut sagen, wie es viele Menschen an Gräbern tun.
Mag sein, dass es nicht fair ist, was ich hier tue. Aber Tom war mein Mann und ich bin mir sicher, dass ich all seine Freunde kenne. Sie waren dabei, als wir geheiratet haben und gemeinsam haben wir ihn hier zu Grabe getragen. Einige waren für mich da nach seinem Tod, andere weniger, doch das heißt nicht, dass sie Tom weniger gemocht haben. Jeder geht eben anders mit dem Tod um, und ich verstehe das. Was ich allerdings überhaupt nicht verstehe, ist, wieso nach über zwei Jahren jemand vor meiner Tür steht und behauptet, er wäre Toms Freund, wenn er nicht einmal weiß, dass er tot ist. Was will dieser Jake damit bezwecken? Was denkt er, ist bei mir und Tommy zu holen?
Andererseits: Könnte Tom ihn mir einfach verschwiegen haben? Das will mir erst recht nicht in den Kopf.
Als ich mit Tommy auf dem Arm fast an der Friedhofsmauer angelangt bin, drehe ich mich noch einmal um und viel zu spät wird mir klar, dass das gerade die mieseste Nummer war, die ich jemals abgezogen habe. Ich weiß nun, dass Jake vermutlich wirklich Toms Freund war und ich diesem – für mich – Fremden Unrecht getan habe. Aus purer Verzweiflung wirft er die Arme in die Luft, bevor er in die Knie geht. Seine Körperhaltung und sein Gesichtsausdruck, den ich nur im Profil erkenne, drücken absolute Fassungslosigkeit aus. Ich wende mich ab und schäme mich zutiefst für das, was ich getan habe. Aber noch viel mehr als vor Jake schäme ich mich vor mir selbst, denn so niederträchtig bin ich normalerweise nicht.
Jake
Mia sitzt auf der Bank unter einem Kastanienbaum neben der Friedhofsmauer. Dazwischen verläuft ein schmaler Kiesstreifen, auf dem Tommy hockt und Steinhaufen anhäuft. Ich bin immer noch völlig neben der Spur, aber ich kann ja nicht ewig an Toms Grab bleiben und brüten. Bei meinem letzten Kontakt mit meinen und Toms Vermietern in Wisconsin hatte ich erfahren, dass Tom bald nach dem Brand nach Österreich zurückgekehrt ist. Doch das liegt Jahre zurück. Es war wahrscheinlich ziemlich naiv von mir, jetzt einfach ohne Vorwarnung herzukommen. Ein Brief, ein Anruf … irgendwas, das nicht nur Mia, sondern auch mich vorbereitet hätte, wäre sinnvoll gewesen. Nun sitzt der Schock umso tiefer.
»Es tut mir leid, dass ich nichts gesagt habe«, beteuert Mia, als sie mich bemerkt. Ich setze mich neben sie, beuge mich nach vorne, um meine Ellbogen auf die Knie zu stützen und verschränke die Hände ineinander.
»Du glaubst mir nicht, dass wir Freunde waren«, stelle ich fest.
»Jetzt schon!«
»Wieso?«
»Deine Reaktion vorhin …«
»Vielleicht bin ich ein guter Schauspieler!«, unterbreche ich sie. Es liegt mehr Bitterkeit in meiner Stimme, als ich beabsichtige. Ich habe kein Recht, so mit ihr zu reden. Annähernd kann ich mir vorstellen, was sie durchmachen musste und immer noch muss. Und das auch nur deshalb, weil mein eigener Vater starb, als ich neun war und meine Mutter mich alleine großziehen musste.
Mia
»Es tut mir wirklich leid«, wiederhole ich eindringlich und hoffe, dass er mir verzeiht. »Es war falsch, dich so auflaufen zu lassen!« Ich wünschte, ich könnte ihm meine Beweggründe erklären, aber ich bin selbst maßlos überfordert mit der Situation.
»Wie ist er gestorben?«, fragt er leise, fast flüsternd, und ich habe Mühe, ihn zu verstehen, obwohl er direkt neben mir sitzt.
»Autounfall«, antworte ich knapp und bitte im Stillen, dass er nicht weiterfragt. Stattdessen entfährt ihm ein bitteres, verzweifeltes Stöhnen. Ja, ich bin mir der Ironie bewusst, dass ein Autonarr wie Tom in einem Autounfall sterben muss.
»Hat Tom mich denn wirklich nie erwähnt?« Jetzt sieht er zum ersten Mal auf.
Seit Jake an meiner Tür erschienen ist, denke ich darüber nach, aber ich bin mir sicher, dass ich nie von ihm gehört habe, deshalb schüttle ich den Kopf. Es tut mir leid, dass ich ihm nichts anderes sagen kann.
»Es sei denn, du heißt mit Spitznamen Ted oder Milly«, versuche ich zu scherzen, und einer seiner Mundwinkel bewegt sich minimal nach oben.
»Schön wär‘s, aber das waren unsere Vermieter! Du darfst mich aber gerne so nennen, wenn du willst«, sagt er ironisch und schnaubt.
Ein langes, unangenehmes Schweigen tritt ein und wir beobachten Tommy, wie er Stein für Stein auf die Spitze eines Haufens legt und dabei zusieht, wie einer nach dem anderen wieder herunterrollt. Leider muss ich ihn von seinem faszinierenden Spiel losreißen.
»Ich muss zur Arbeit«, sage ich und stehe auf. »Und … ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber … es tut mir echt leid!«
Er sieht mich an. »Schon gut«, erwidert er und verzieht seinen Mund zu so etwas Ähnlichem wie einem Lächeln. Es gelingt ihm nicht und ich kann den Schmerz in seinen Augen sehen. Gar nichts ist gut. Weder für ihn noch für mich. Er hat seinen Freund verloren! Wer bin ich, dass ich daran zweifle?
Ich gehe zu Tommy und hebe ihn hoch, öffne seine kleinen Händchen und lasse die Kiesel, die er festhält, auf den Boden rieseln. Er protestiert lautstark, während ich versuche, den Staub von seinem Hosenboden zu wischen. Ich weiß, er möchte noch bleiben, aber mein Job wartet auf mich und Natalie auf Tommy.
»Du kannst bei Tante Nattie weiterspielen«, erkläre ich ihm und verteile die Steinhaufen mit dem Fuß so, dass keine Spuren mehr zu sehen sind. Ich wünschte, ich könnte das auch mit den Spuren in meinem Herzen tun, die die heutige Begegnung dort hinterlassen wird.
Jake geht mit uns zum Auto, um seine Reisetasche abzuholen. Diesmal nehme ich Tommy an die Hand. Ich verbanne ihn in den Kindersitz und er lässt es ausnahmsweise ruhig über sich ergehen.
»Alles Gute«, sage ich und reiche Jake die Hand.
»Das wünsche ich euch beiden auch!« Diesmal lächelt er, wenn auch kläglich.
Gerne würde ich mehr für ihn tun, doch obwohl uns jetzt die Trauer um Tom verbindet, täuscht es nicht darüber hinweg, dass wir uns eigentlich fremd sind. Als ich vom Parkplatz fahre und Jake aus dem Seitenfenster sehe, wie er vornübergebeugt wieder auf der Bank sitzt, das Gesicht in den Händen vergraben, versetzt es mir einen ungeahnt heftigen Schmerz in der Brust.
Meine Freundin Natalie wartet schon vor der Tür des mehrstöckigen Wohnhauses, in dem sie seit Jahren eine Wohnung hat.
»Na endlich«, begrüßt sie uns, und ich drücke Tommy zum Abschied einen dicken Kuss auf die Wange. »Wo warst du denn so lange?«
»Ich bin spät dran, ich erklär es dir nachher.« Vom Auto aus werfe ich ihr die Tasche zu, in denen sich die Dinge befinden, die sie für Tommy braucht, Windeln, Feuchttücher, Reservekleidung, Sonnenschutz.
»Hallo mein Großer«, wendet Natalie sich an Tommy. »Komm, wir winken Mama.«
»Danke, du bist ein Schatz! Viel Spaß euch beiden«, rufe ich noch und werfe ihnen eine Kusshand zu, bevor ich einsteige und winkend losflitze. Normalerweise passt Martha auf Tommy auf, während ich ein paar Stunden in der Woche arbeite. Solange sie nicht hier ist, springt Natalie ein, zumindest zwei Wochen, die dritte kann ich selbst freinehmen. Natalie hat schon oft genug auf Tommy aufgepasst, um zu wissen, was zu tun ist. Meistens gehen sie auf den Spielplatz in Natalies Nachbarschaft. Oft machen sie auch ausgedehnte Wanderungen, bei denen er in einer Trage auf ihren Rücken darf, so wie heute. Darum haben wir auch ausgemacht, dass Natalie den Kleinen nachmittags zu uns nach Hause bringt. Tommy liebt Natalie über alles und deshalb freut er sich jedes Mal, wenn er zu ihr darf. Natalie ist die Einzige, die dafür sorgt, dass ich auch nach der Arbeit hin und wieder ein zwei Stunden Zeit für mich habe. Und sei es nur, um das Haus in Ordnung zu bringen. Dafür und für alles, was sie sonst noch für Tommy und mich tut, bin ich ihr unendlich dankbar.
Jake
Ich fühle mich wie gelähmt. Es ist zu viel; einfach zu viel. Meine Mutter – Demenz; mein Freund Tom – tot. Erschöpft lasse ich mich auf die nächstbeste Bank fallen. Mein Kopf tut so höllisch weh als müsste er zerspringen, und ich wünschte, ich könnte weinen, um meinem Kummer ein wenig Luft zu machen. Wie soll es denn nun weitergehen? Hatte ich mir nicht einen Plan B überlegt? Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Was habe ich bloß verbrochen, dass das Schicksal mich dermaßen hängen lässt?
Als ich kurz vorm Einnicken bin, rempelt mich ein Mann unsanft an der Schulter an. Er trägt eine orange Latzhose und eine gleichfarbige Mütze und stinkt fürchterlich nach Zigarettenrauch.
»Tschuldigung«, blafft er mich an, »ein paar Ortschaften weiter gibt es ein Obdachlosenheim!« Ich starre ihn verblüfft an und er dreht sich um und widmet sich wieder seiner langen Zange, mit der er Müll vom Straßenrand aufhebt.
»Ich bin nicht …«, beginne ich mich zu verteidigen, halte aber mitten im Satz inne und sehe an mir herunter. Zugegeben, meine Klamotten sind nicht gerade schick, wenn auch nicht schäbig. Aber meine Haare und der Bart sind immer noch lang und ungepflegt. Und Quartier habe ich auch noch keines, also bin ich im Moment wahrscheinlich wirklich so etwas wie obdachlos. Weil ich aber ohnehin nichts mit mir anzufangen weiß, ist das doch die beste Gelegenheit, etwas zu ändern.
Mia
Ich arbeite in der Lohnbuchhaltung einer Firma für Sanitäranlagen, und meistens macht mir mein Job großen Spaß. Auch wenn es für viele Menschen langweilig klingt, bringen mich die Zahlen in eine völlig andere Welt. Gewöhnlich kann ich Berufliches und Privates absolut trennen, doch heute gehen mir Jakes traurige Augen nicht mehr aus dem Sinn. Ich fühle mich noch geschlauchter als sonst und frage mich zum wiederholten Male, warum Tom Geheimnisse vor mir hatte. Ich weiß, dass er in Wisconsin, nahe der Stadt Madison gelebt und dort eine Autowerkstatt besessen hat. Besser gesagt war es eine Garage mit einer darüberliegenden Wohnung, die Ted und Milly Brown ihm vermietet haben. Tom hat nie erwähnt, dass es auch einen Teilhaber gab. Außerdem weiß ich, dass das Gebäude eines Nachts angeblich durch einen technischen Defekt abgebrannt ist und Tom danach wieder nach Hause zurückgekehrt ist. Kurz darauf sind wir ein Paar geworden. Tom hat nie sonderlich viel über seine Zeit in den Staaten geredet und ich habe immer gedacht, es wäre seine Art, die Geschehnisse der Brandnacht zu verarbeiten. Vielleicht hätte ich mehr Fragen stellen sollen! Vielleicht hätte er das gebraucht, um sich zu öffnen! Jetzt erst frage ich mich, warum er hier in Österreich auch keine Lust mehr hatte, als Mechaniker zu arbeiten. Anfangs ist er eine Weile im Außendienst in unserer Firma tätig gewesen. Dadurch sind wir uns auch nähergekommen. Irgendwann wurde ihm dieser Job aber zu langweilig, wie er damals sagte, und er wechselte in die Versicherungsbranche. Obwohl es immer sein größter Traum gewesen ist, Autos zu reparieren, habe ich ihn nie gefragt, ob er diese Arbeit vermisst hat, oder ob er irgendwann wieder in seinem Beruf arbeiten wollte.
Plötzlich komme ich mir schrecklich egoistisch vor. Was wird nun mit Jake? Durch meine miese Nummer hatten wir keine Gelegenheit, ein richtiges Gespräch zu führen und ich bereue mehr denn je, wie ich mich verhalten habe.
Umso mehr freue ich mich, als ich nach der Arbeit Jake auf der Bank vor dem Gemeindehaus sitzen sehe. In dem Gebäude sind außerdem die Poststelle und der Tourismusverband untergebracht, doch um diese Zeit – es ist fast ein Uhr mittags – rührt sich hier nichts. Er reckt das Gesicht in die Sonne und hat die Augen geschlossen, die Arme verschränkt und die langen Beine weit von sich gestreckt. Ich halte vor ihm an und lasse die Scheibe hinunter, doch dann bemerke ich, dass er schläft. Also steige ich aus und stelle mich so vor ihn hin, dass ich ihm mit meinem Körper Schatten spende. Leise sage ich seinen Namen, weil ich ihn nicht erschrecken will, doch Jake rührt sich nicht. Offensichtlich ist er heute Vormittag beim Frisör gewesen, fällt mir auf. Der Bart ist ab und sein brünettes Haar trägt er jetzt zwar kürzer, doch eine widerspenstige Strähne hat sich auf seine Stirn verirrt. Mir gefällt, was ich sehe, und einen Moment überlege ich, ob ich mich nicht zu ihm setzen soll, bis er von alleine aufwacht. Aus Angst, was die Leute sagen könnten, die uns hier zusammen sehen, entscheide ich mich aber anders. Mich kennt hier in diesem kleinen Dorf immerhin jeder, und als junge, alleinerziehende Witwe habe ich schon für genügend Gesprächsstoff gesorgt. Meistens haben die Leute keine bösen Hintergedanken. Viele der Dorfbewohner mögen mich und Tommy, glaube ich, ganz gerne und sind um mein Wohlergehen besorgt. Trotzdem will ich die Gerüchte nicht eigenhändig anheizen.
Ich stupse Jakes Fuß mit meinem ein wenig an und meine Stimme wird ein bisschen lauter. Mit einem Mal hebt er den Kopf und sieht sich desorientiert um. Er blinzelt, räuspert sich ein paar Mal und fährt sich mit den Händen durch sein jetzt kürzeres Haar.
»Was machst du denn noch hier?«, frage ich ihn so fröhlich wie möglich.
»Ich muss eingenickt sein«, antwortet er und wischt sich über die Augen.
»Hey, du hast ja auch ein Gesicht«, feixe ich als Anspielung auf seinen fehlenden Bart. »Ist mir vorher gar nicht aufgefallen!«
Seine Mundwinkel kräuseln sich.
»Und das sieht noch nicht mal schlecht aus!«, setze ich noch einen drauf, bevor mir überhaupt bewusst wird, was ich da sage. Wie komme ich bloß dazu, so mit ihm zu reden? Das wirkt ja, als würde ich mit ihm flirten!
»Danke.« Er presst die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, so, als wäre ihm das Kompliment peinlich. Muss es nicht, denn ich habe gerade für mich entschieden, dass mir egal ist, wenn er denkt, ich würde flirten. Hauptsache, wir beide hören endlich auf, Trübsal zu blasen. Ich will die Sache von heute Vormittag wieder geraderücken und dafür werde ich tun, was nötig ist.
»Ich habe kein Zimmer mehr ergattert und wollte mich bloß ein bisschen hinsetzen und nachdenken, was ich jetzt mache«, erklärt er und streckt sich. »Es ist aber auch richtig angenehm hier in der Sonne.«
»Du brauchst ein Zimmer?«
»Ja, ich dachte, dann müsste ich heute nicht mehr weiterfahren. Aber da ist irgend so eine bescheuerte Sportveranstaltung und deswegen ist alles ausgebucht.« Er gähnt herzhaft und reibt sich den Nacken, unschlüssig, nachdenklich.
»Wo willst du denn hinfahren?«, frage ich und spüre gleichzeitig, wie sich eine leichte Enttäuschung in mir breitmacht.
Er zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
»Dann steig ein«, sage ich kurzentschlossen und schnappe mir seine Reisetasche.
»Wohin?«, will er irritiert wissen.
»Zu uns. Ich habe ein Gästezimmer, dort kannst du dich einmal richtig ausschlafen!« Ich sage das nicht nur, weil ich das Gefühl habe, etwas gutmachen zu müssen, sondern auch, weil ich mich ehrlich freuen würde, wenn er mitkäme. Obwohl ich so gut wie nichts von ihm weiß, mag ich ihn.
»Das ist lieb, Mia, aber das geht nicht«, wirft er ein.
»Natürlich geht das! Du bist Toms Freund, und wenn er noch am Leben wäre, dann wärst du jetzt auch unser Gast!«
»Aber er ist nicht mehr am Leben, Mia! Und ich bezweifle mittlerweile, dass ich wirklich euer Gast wäre. Immerhin hat er mich offenbar nicht mehr als Freund betrachtet!«
Trotz Jakes Einwänden habe ich die Reisetasche bereits auf dem Rücksitz verstaut und die Tür zugeschlagen. Jetzt stelle ich mich direkt vor ihn hin und sehe ihn an.
»Dann betrachte es als Wiedergutmachung!«
»Du bist mir nichts schuldig, Mia«, sagt er leise und schüttelt langsam den Kopf. Mein Gehirn rattert, als ich überlege, wie ich ihn vom Gegenteil überzeugen kann. Am liebsten würde ich seine Hand nehmen und ihn ins Auto zerren, doch das kommt mir dann doch ein bisschen aufdringlich vor.
»Du kannst mich ja bezahlen«, triumphiere ich, doch er sieht mich nur verständnislos an.
»Nicht mit Geld«, rede ich schnell weiter, um nicht unhöflich zu wirken. »Du könntest meinen Rasenmäher reparieren. Das kannst du doch, oder? Natürlich erst, wenn du ausgeschlafen bist.« Ich warte auf seine Reaktion. Nach wenigen Sekunden merke ich, wie er einknickt und sein Blick ganz weich wird. Bevor er es sich anders überlegt, gehe ich um das Auto herum und halte ihm die Beifahrertüre auf. Der Sitz ist immer noch ganz hinten, perfekt für seine Beine eingestellt. Nach kurzem Zögern gibt er sich einen Ruck und kommt auch auf die Beifahrerseite.
»Danke!«, sagt er, als er vor mir steht und ich ihn anlächle. »Ich weiß das wirklich zu schätzen. Und ich repariere gerne deinen Rasenmäher!«
Jake
Mir ist nur allzu bewusst, dass es falsch ist, was ich hier tue. Aber erstens ist Mias warmherziges Lächeln unwiderstehlich und zweitens kann ich mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten.
»Wo ist Tommy?«, frage ich, um irgendein Gespräch zu beginnen, weil mein permanentes Gähnen – das ich einfach nicht unter Kontrolle bekomme – langsam aber sicher peinlich wird.
»Meine Freundin Natalie passt auf ihn auf«, erklärt Mia. Sie ist so anders als heute Vormittag, und ich bin unendlich froh darüber. Ich mag den seidig weichen Klang ihrer Stimme, auch wenn er mich noch zusätzlich einlullt.
»Wie lange hast du eigentlich nicht mehr geschlafen?«, will sie lachend von mir wissen, als sie merkt, wie mir die Augen zufallen.
»Lange«, sage ich knapp, räuspere mich und setze mich etwas aufrechter in den Sitz. »Ich bin gestern aus Wisconsin hergeflogen. Oder besser gesagt, heute Nacht«, füge ich noch hinzu, in der Hoffnung, dass mir meine Schläfrigkeit dann nicht so verdammt unangenehm ist. Es ist nicht nur die Reise, die mich so fertig macht. Auch in den Nächten vorher habe ich nicht geschlafen, und der heutige Tag war sowieso mehr als aufreibend. Aber im Augenblick bin ich nicht fähig, vernünftig darüber nachzudenken, was heute geschehen ist.
»Tut mir leid, dass ich das nicht gleich gecheckt habe! Aber … ich hab heute Vormittag wahrscheinlich vieles nicht gecheckt.«