Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir uns entschlossen, durchgängig die männliche (neutrale) Anredeform zu nutzen, die selbstverständlich die weibliche mit einschließt.
Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.
Dr. Bodo Rödel
unter Mitarbeit von Nadja Gärtel und Dr. Susen Werner
AIKIDO
GRUNDLAGEN
TECHNIKEN | PRINZIPIEN | KONZEPTION
Meyer & Meyer Verlag
Aikido – Grundlagen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2014 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen
3. überarbeitete Auflage 2016
Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt,
Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien
Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)
ISBN 9783840336379
E-Mail: verlag@m-m-sports.com
www.dersportverlag.de
INHALT
Warum ein Buch über Aikido?
Vorwort von Christian Tissier shihan, 8. dan aikikai
Zum Inhalt des Buches
1WAS IST AIKIDO?
Was ist ki?
1.1Aikido im Vergleich
Judo
Ju-Jutsu
Karate
Taekwondo
1.2Grundlegende Voraussetzungen für dieses Buch
1.3Übungsformen im Aikido
Waffen im Aikido
2FUSSBEWEGUNGEN
2.1kamae
ai-hanmi und gyaku-hanmi
2.2Fußwechsel auf der Stelle
2.3irimi
2.4tenkan
2.5tai-sabaki
2.6tai no henka
2.7Fußbewegungen im 90°-Winkel
2.8tsugi ashi
2.9shikko
shomen uchi ikkyo omote waza
shomen uchi ikkyo ura waza
2.10Fußstellungen bei Schwertübungen
seigan kamae
mu kamae
waki kamae
3HANDBEWEGUNGEN
3.1Handbewegungen aus ai-hanmi katate dori
Erste Möglichkeit
Zweite Möglichkeit
Dritte Möglichkeit
Vierte Möglichkeit
Fünfte Möglichkeit
3.2Handbewegungen aus gyaku-hanmi katate dori
Erste Möglichkeit
Zweite Möglichkeit
Dritte Möglichkeit
Vierte Möglichkeit
Fünfte Möglichkeit
3.3Greifen mit dem Schwert
3.4Handbewegungen bei Schlägen und Tritten
4ARBEIT AN DER KONSTRUKTION
4.1katate ryote dori
ikkyo omote waza
irimi nage
4.2kata dori men uchi
kote gaeshi
nikkyo ura waza
4.3shomen uchi
irimi nage
soto kaiten nage
4.4yokomen uchi
ikkyo omote waza
shiho nage ura waza
4.5Anwendungen
jodan tsuki irimi nage
jodan tsuki hiji kime osae
mae geri irimi nage
yokomen uchi ikkyo
muna dori ikkyo omote waza
5DETAILS DER AIKIDO-TECHNIKEN
5.1ikkyo
omote waza
ura waza
5.2nikkyo
omote waza
Variation
ura waza
ai-hanmi katate dori nikkyo ura waza
5.3sankyo
omote waza
Variation
ura waza
5.4yonkyo
omote waza
ura waza
Variation
5.5gokyo
shomen uchi gokyo
yokomen uchi gokyo
5.6hiji kime osae
omote waza
ura waza
5.7ude garami
5.8irimi nage
sokumen irimi nage (naname kokyu nage)
5.9shiho nage
omote waza
ura waza
5.10ude kime nage
omote waza
ura waza
5.11kaiten nage
uchi kaiten nage
soto kaiten nage
ura waza
5.12kote gaeshi
Zweite Möglichkeit für kote gaeshi
5.13koshi nage
koshi nage auf der Basis von shiho nage omote waza
koshi nage auf der Basis von ude kime nage omote waza
koshi nage auf der Basis von ikkyo omote waza
Dynamische Form
5.14tenchi nage
5.15sumi otoshi
5.16juji garami nage
5.17aiki otoshi
5.18kokyu nage
5.19ushiro kiri otoshi
5.20suwari waza kokyu ho
6AIKIDO BERUHT AUF PRINZIPIEN
6.1Korrekte Haltung – shisei
6.2Stimmige Distanz – ma-ai
6.3Austausch suchen – aiki
kokyu ho
kokyu ho (zweite Form)
6.4Keine Öffnungen zulassen
6.5Mit Achsen und Winkeln arbeiten
6.6Reine und ökonomische Bewegungen erlernen
6.7Seine Integrität schützen und die des Angreifers wahren
6.8Absicht, Entscheidung und Aktion – ki-ken-tai
7LERNEN IM AIKIDO
7.1Die drei Lernphasen im Aikido
7.2Aikido als zunehmende Bewegungsfreiheit
7.3Ideale Technik und Anwendung
7.4Bewegungsbeispiele
gyaku-hanmi katate dori ikkyo omote waza
gyaku-hanmi katate dori soto kaiten nage
7.5Anwendungen
mae geri ikkyo omote waza
mae geri ikkyo ura waza
jodan tsuki soto kaiten nage
mawashi geri soto kaiten nage
7.6Mit Prioritäten arbeiten
7.7Den Bewegungsrhythmus verändern
8LERNEN ALS UKE – ukemi
8.1Sich richtig positionieren
Den Kontakt halten
8.2Mit Verabredungen arbeiten
8.3Korrekt angreifen
ai-hanmi katate dori
gyaku-hanmi katate dori
kata dori
muna dori
katate ryote dori
kata dori men uchi
ryote dori
ryo hiji dori
ryo kata dori
shomen uchi
yokomen uchi
men uchi
jodan tsuki
chudan tsuki
mae geri
mawashi geri
ushiro ryote dori
ushiro ryo hiji dori
ushiro ryo kata dori
ushiro katate dori kubi shime
ushiro eri dori
8.4Rollen und Fallen
Rückwärts abrollen – ushiro ukemi
Variante
Vorwärts rollen – mae ukemi
Vorwärts fallen
8.5Fortgeschrittene Falltechniken
Löschblatt
Fallendes Blatt
8.6Das ukemi in der Technik
irimi nage
Haltetechniken
ikkyo omote waza
8.7Mit Gewicht arbeiten
9WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
9.1Richtiges Aufwärmen
Physiologische Veränderungen durch Aufwärmen
Aufwärmen im Aikido
9.2Material, Übungsraum und Etikette
9.3Das Graduierungssystem
Das kyu-Prüfungsprogramm des hombu dojo
9.4Geschichte des Aikido
Aikido in Deutschland
9.5Tipps für den Anfang – FAQs
Wie lange dauert es, Aikido zu lernen?
Funktioniert Aikido als Selbstverteidigung?
Ist Aikido Meditation?
Wie finde ich das richtige dojo?
Für welches Alter ist Aikido geeignet?
9.6Informationsquellen
Bücher
Videos und DVDs
Internetadressen
Verbände
9.7Übersetzungen japanischer Begriffe
Japanische Zahlen
9.8Stichwortverzeichnis
9.9Der Autor
Bildnachweis
WARUM EIN BUCH ÜBER AIKIDO?
Die Grundgedanken zu diesem Buch entstanden an einem Swimmingpool an der Côte d’Azur während des Aikido-Sommerlehrgangs 2007 von Christian Tissier sensei. Beteiligt an den ersten Überlegungen zum Inhalt des Buches waren Nadja Gärtel, Martina Dorka, Dr. Susen Werner und Dieter Becker.
Als wir uns die Frage stellten, was ein Grundlagenbuch über Aikido alles enthalten sollte, waren wir uns relativ schnell einig, dass nicht nur grundlegendes technisches Wissen – wie z. B. Fußbewegungen, Rollen, Details der Techniken – vermittelt werden müsste, welches eine Anfängerin, ein Anfänger im Aikido unbedingt braucht, sondern dass auch etwas über den konzeptionellen Hintergrund des Aikido in solch einem Buch zu lesen sein sollte.
Unter Konzeption versteht das Lexikon eine klar umrissene Grundvorstellung bzw. ein Leitprogramm. Es soll in diesem Buch also auch darum gehen, zu verdeutlichen, welches Leitprogramm dem Aikido zugrunde liegt. Dies soll anhand von Überlegungen geschehen, die nach und nach entwickelt werden und damit für jeden verständlich und nachvollziehbar sind.
Das Buch verfolgt damit drei Ziele: Es soll erstens diejenigen unterstützen, die sich auf den Weg gemacht haben, um Aikido zu lernen. Vielleicht kann es zum Zweiten aber auch eine Inspiration für Aikido-Übende sein, welche sich schon längere Zeit dieser Kunst widmen. Im Laufe des Buches wird öfters angemerkt, dass es mittlerweile aus unterschiedlichen Gründen verschiedene Stilrichtungen im Aikido gibt. Der wesentliche Unterschied findet sich dabei (meiner Meinung nach) nicht in verschiedenen technischen Details – dies ist nur auf den ersten Blick der Fall. Viel tief greifender liegen die Unterschiede in den Konzeptionen der Stilrichtungen, seien diese nun explizit ausformuliert oder nur implizit vorausgesetzt, schlimmstenfalls den Übenden und Lehrern gar nicht bewusst.
Mit anderen Worten: Gerade der konzeptionelle Hintergrund ist es, der die unterschiedlichen Stilrichtungen im Aikido ausdifferenziert. Jede Stilrichtung mag dabei in sich stimmig und mehr oder weniger logisch aufgebaut und nachvollziehbar sein. Richtet man seinen Blick aber auf die zugrunde liegende Konzeption, ist die Frage nicht mehr, ob diese oder jene Technik funktioniert, sondern welche Entwicklungschancen sich auf der Basis des jeweiligen Konzepts ergeben. Prüft man die unterschiedlichen Sichtweisen im Aikido unter solch einem Aspekt, ergeben sich dann doch erhebliche qualitative Unterschiede.
Nicht verhehlen möchte ich an dieser Stelle, dass mein Herz für eine Konzeption des Aikido schlägt, die mindestens drei Anforderungen erfüllt:
• Sie ist vorhanden (was leider nicht immer selbstverständlich ist) und kann formuliert und überprüft werden.
• Sie ist logisch (im Sinne von in sich stimmig) und nachvollziehbar.
• Sie denkt Aikido als anspruchsvolle Kampf- und Bewegungskunst.
Ich verbinde mit diesem Buch außerdem die Hoffnung – und das ist das dritte Ziel –, dass auch Aikido-Lehrer interessante Anregungen für ihren Unterricht bekommen.
Gerade als Lehrer sollten zwei Fragen im Mittelpunkt der eigenen Aikido-Entwicklung stehen: Was mache ich? Und warum mache ich es so? Weil es im Aikido keinen Wettkampf gibt, sind diese Fragen für einen interessanten Aikido-Unterricht von zentraler Bedeutung. Dass ein Lehrer auf diese Fragen eine Antwort geben kann, ist letztendlich auch das Kriterium, welches den Profi vom Laien unterscheidet: Niemand würde einen anderen sein Auto reparieren lassen, wenn er nicht auf eben diese zwei Fragen eine Antwort geben könnte. Auch in der Pädagogik gilt: Der Profi unterscheidet sich vom Laien dadurch, dass er sein erzieherisches Handeln reflektiert und begründet – also eine Antwort auf die oben genannten zwei Fragen geben kann. Warum sollte diese Anforderung nicht auch an Aikido-Lehrer gestellt werden, denn schließlich ist jede Kampfkunst auch ein Erziehungssystem – doch dazu später.
Im Lichte der Aufarbeitung des konzeptionellen Hintergrundes wird dann (hoffentlich) deutlich werden, dass dem Aikido-Unterricht eine intelligente Didaktik (Was wird unterrichtet?) und Methodik (Wie wird es unterrichtet?) zugrunde liegen muss, wenn man das Aikido in seiner Tiefe verstehen will. Ist der Aikido-Unterricht auf Vor- und Nachmachen begrenzt, dürften die Prinzipien im Aikido für viele unerkannt bleiben. Damit würde Aikido auf eine Ansammlung von Tricks und mehr oder weniger elegant aussehende Bewegungen begrenzt – viele Entwicklungschancen gingen dann verloren.
Insofern ist es kein Zufall, dass die Grundgedanken zu diesem Buch während eines Lehrgangs von Christian Tissier sensei entstanden sind, da er nicht nur ein Meister der Technik, sondern eben auch ein Meister der Didaktik und Methodik im Aikido ist.
Er schafft es wie kein anderer, die Prinzipien im Aikido durch immer wieder neue Blickwinkel zu betrachten, und gibt so seinen Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, diese zu erkennen und zu verstehen. Ihm gilt mein besonderer Dank, da ohne seinen Unterricht meine eigene Entwicklung als Aikido-Übender, aber auch als Lehrer nicht möglich gewesen wäre.
Das Aikido, so wie es heute gelehrt werden kann und in diesem Buch beschrieben wird, beruht auf diesen Zusammenhängen
Ein Grundlagenbuch über Aikido muss zahlreiche technische Details bieten, kann jedoch auf Grund des begrenzten Umfangs nicht auf alle interessanten technischen Gesichtspunkte des Aikido eingehen. Die hier dargestellten Aspekte habe ich gewählt, da ich sie für besonders erwähnenswert halte und denke, dass sie den Lehr-Lern-Prozess der AikidoÜbenden sinnvoll unterstützen können. Einher mit der getroffenen Auswahl an Schwerpunkten geht natürlich immer auch eine Reduzierung der Aikido-Techniken auf das, was im Buch behandelt wird. Diese Entscheidung hätte sicher auch anders ausfallen können – erhoben wird damit weder ein Anspruch auf Ausschließlichkeit noch auf Vollständigkeit. Naturgemäß stößt ein Buch über eine Bewegungskunst dann an seine Grenzen, wenn es um das Bewegungsgefühl in den Techniken geht – denn leider sind Gefühle im Medium Buch nur beschreib- und nicht abbildbar. Dieses Paradox konnte ich leider nicht aufheben.
Als ÜbungspartnerInnen an diesem Buch haben mitgewirkt:
Martina Dorka
Nadja Gärtel
Targan Kursun
Thomas Pütz
Susen Werner
Für ihren Einsatz und ihre Geduld gilt ihnen mein herzlicher Dank.
Die Fotos auf den Seiten 17, 27, 35, 257, 347 stammen von Maria Polevaya, die Fotos auf den Seiten 33, 38, 99, 251, 255, 350 von Marc Schroeder, die Bilder auf den Seiten 16, 147 und 339 von Nadia Korichi. Das Bild auf Seite 345 wurde von Dr. Bernd Rödel und das Bild auf Seite 71 von Dieter Becker aufgenommen. Für die Überlassung der Bilder bedanke ich mich ebenfalls. Alle anderen Bilder wurden fotografiert von Iris Pohl.
Mein besonderer Dank für die Erstellung des Kap. 1.1 und die intensive Überarbeitung des gesamten Textes gilt Nadja Gärtel. Ebenso danke ich Dr. Susen Werner, die Kap. 9.1 verfasst und dargestellt hat.
Der hervorragende Verkaufserfolg des Buches und die vielen positiven Rückmeldungen haben Autor und Verlag dazu bewogen, eine dritte Auflage des Titels zu produzieren. Das Grundkonzept blieb dabei erhalten, einige Informationen wurden aktualisiert und kleinere Aspekte ergänzt.
In den letzten Jahren wurde auch eine englische und eine russische Ausgabe des Buches veröffentlicht. Ich bedanke mich bei allen, die das Buch zu einem Erfolg gemacht haben!
Dr. Bodo Rödel – im Mai 2016
Bodo Rödel erhält den 6. dan Aikikai von Christian Tissier Shihan – Paris 2016.
VORWORT VON CHRISTIAN TISSIER SHIHAN, 8. DAN AIKIKAI
Bodo Rödel kenne ich als rücksichtsvoll, beharrlich, beständig und mir und unserer Sache gegenüber treu. Er besitzt deshalb die notwendigen Eigenschaften, die es dem Schüler ermöglichen, einem langjährigen Training entgegenzusehen – ohne ein unmittelbares Ziel zu haben, vielmehr nur den unaufhörlich wiederholten Moment. Voller Aufmerksamkeit kehrt er von unseren gemeinsamen Fortschritten unermüdlich zurück, um vorwärts zu kommen und Neues zu entdecken.
Einen jungen Mann aufnehmen, ihn die Grundzüge und schließlich die Feinheiten des Aikido zu lehren – ihn zu beobachten, wie er sich selbst zu einem Menschen entwickelt, der fähig ist, sein Wissen weiterzugeben –, diese Erfahrung ist für mich wichtig und führt dazu, dass man sich seiner eigenen Stellung und seiner Verantwortung ganz bewusst wird.
Das Weitergeben ist ein Austausch. Dieser Austausch eröffnet mir neue Möglichkeiten und inspiriert mich: Ich danke ihm, ich danke allen meinen Schülerinnen und Schülern. Die spontanen Gespräche, die berechtigten Fragen und Überlegungen, die zu diesem Buch geführt haben, beweisen die Vielseitigkeit des Themas und die Vielfalt der Blickwinkel, unter denen man es betrachten kann.
Ebenso vielfältig sind die zu seiner Verwirklichung notwendigen Fähigkeiten. Bodo Rödel besitzt einen wichtigen Teil dieser Fähigkeiten und es ist sicherlich auch sein Wissen als Doktor der Erziehungswissenschaften, welches er in diesem Werk aufgegriffen hat. Ich wünsche ihm mit diesem Buch den größten Erfolg.
Christian Tissier – Paris, im März 2008
Aus dem Französischen von Edith Bornhold und Bodo Rödel.
ZUM INHALT DES BUCHES
Das Buch gliedert sich in neun Kapitel mit folgenden Inhalten:
1. Kapitel: In diesem Kapitel wird geklärt, was Aikido ausmacht und wie Aikido definiert wird. Dabei wird Aikido auch in Abgrenzung zu anderen Kampfkünsten, -sportarten erläutert. Dieser Teil des Kapitels wurde von Nadja Gärtel verfasst.
2. Kapitel: Die Basis-Fußbewegungen werden erklärt. Diese tauchen in allen Aikido-Techniken immer wieder auf, d. h., wenn man die Basis-Fußbewegungen kennt, kann man neue Techniken schneller verstehen und erlernen. Die Fußbewegungen werden daher auch anhand von Bewegungen mit einem Übungspartner gezeigt. Dabei wird ebenfalls auf die Verwandtschaft des Aikido mit Schwertbewegungen Bezug genommen.
3. Kapitel: Dieses Kapitel zeigt die wichtigsten Handbewegungen im Aikido. Wie bei den Fußbewegungen tauchen auch bestimmte Hand- und Armbewegungen im Aikido immer wieder auf. Es ist interessant, diese isoliert zu betrachten, um die Struktur der Aikido-Techniken zu verstehen.
4. Kapitel: Die sogenannte „Konstruktionsarbeit“, „Arbeit an der Konstruktion“ oder „Arbeit an der eigenen Form“ der Aikido-Techniken muss ein wesentlicher Bestandteil im Lernprozess des Aikido sein. Das vierte Kapitel erklärt, was genau darunter zu verstehen ist. Dafür werden zahlreiche Beispiele gegeben.
5. Kapitel: In diesem Kapitel werden wichtige Details aller Basistechniken gezeigt. Diese Details sollen helfen, die Techniken besser zu verstehen, und damit das Lernen im Aikido vereinfachen.
6. Kapitel: Allen Aikido-Techniken liegen die gleichen Prinzipien zugrunde. Wurden in Kap. 5 spezifische technische Details beschrieben, wird jetzt die „Metaebene“ in den Aikido-Techniken betrachtet. Die Prinzipien werden dabei anhand von Bewegungsbeispielen verdeutlicht.
7. Kapitel: Das siebte Kapitel beschreibt den Lernprozess im Aikido und besonders die Rollen von Verteidiger und Angreifer in diesem Prozess. Im Aikido gibt es eine bestimmte Anzahl an Basistechniken. Diese Basistechniken werden immer mit einer identischen Abfolge erlernt.
8. Kapitel: Nicht nur derjenige, der die Techniken im Aikido ausführt, sondern auch der Angreifer lernt im Aikido hinzu. Da beide konstruktiv zusammen üben, sind sie in ihrer Entwicklung voneinander abhängig. Deswegen widmet sich dieses Kapitel den wichtigsten Elementen im Lernprozess des Angreifers.
9. Kapitel: Hier finden sich zusätzliche Infos über Aikido und das Aikido-Training, die dieses Buch abrunden. Der Punkt 9.1 wurde dabei von Dr. Susen Werner verfasst.
Damit der Text flüssig gelesen werden kann, wird die Aikido-Übende/der Aikido-Übende als (der) „Aikido-ka“ bezeichnet. Gemeint sind selbstverständlich auch weibliche Aikido-ka. Die Techniken und Angriffe werden mit ihren japanischen Namen bezeichnet, um schwerfällige Übersetzungen ins Deutsche zu vermeiden. Die Übersetzungen der japanischen Begriffe finden sich entweder direkt im Text oder in der Zusammenstellung am Ende des Buches (ab Seite 339). Der Angreifer wird ab jetzt als Uke (ukeru = empfangen, Uke ist also derjenige, der die Technik empfängt), derjenige, der sich verteidigt, als Tori (toru = nehmen, fassen, fangen) bezeichnet.
Der Leser möge beachten, dass die Perspektive in den Fotos zum Teil während der einzelnen Bewegungsabläufe verändert wurde, um bestimmte Details besser zur Geltung zu bringen.
1 WAS IST AIKIDO?
• Was bedeuten die Schriftzeichen „ai-ki-do“?
• Welche Perspektive wird in diesem Buch eingenommen, um die Grundlagen des Aikido zu erklären?
• Wie kann man Aikido in Abgrenzung zu anderen Kampfkünsten, -sportarten betrachten?
Je nachdem, unter welchem Blickwinkel der Aikido-ka versucht, eine Antwort auf die Frage zu finden, was Aikido ist, fällt diese unterschiedlich aus. Das heißt: Es ist schwierig, eine allgemein verbindliche Definition von Aikido zu geben, mit der sich wirklich jeder einverstanden erklären kann. Vielleicht gibt es so viele Definitionen von Aikido, wie es Aikido-Übende gibt, da jeder natürlich auch seinen privaten Standpunkt einnehmen kann.
Nachfolgend werden einige gängige Möglichkeiten, Aikido zu betrachten, vorgestellt. Im weiteren Verlauf des Buches sollen unterschiedliche Aspekte dieser Zusammenstellung immer wieder vertiefend und ergänzend zur Sprache kommen.
„Von außen“ betrachtet, ist Aikido eine Ansammlung hoch entwickelter und effektiver Techniken zur Selbstverteidigung.
„Hoch entwickelt“ bedeutet dabei, dass Hebelwirkungen intelligent zum Einsatz gebracht werden, um einen maximalen Effekt mit minimalem Aufwand zu erhalten.
Allen Techniken liegen die gleichen Prinzipien zugrunde (vgl. Kap. 6). Grundlage des Aikido sind dabei natürliche und einfache Bewegungen – deshalb kann jeder Aikido erlernen. „Natürlich“ meint in diesem Zusammenhang, dass sich die Bewegungen in einem Radius abspielen, den der Aikido-ka, mehr oder weniger ausgeprägt, auch in seinem täglichen Leben benutzt. Das Ziel des Aikido-Trainings besteht aus dieser Perspektive heraus in der ständigen Verbesserung der Techniken. Arbeitsthemen sind z B.:
• sich entspannt bewegen,
• fließende Bewegungen erlernen,
• tief arbeiten und entsprechend die Beinmuskulatur schulen und
• die Hände und Arme richtig gebrauchen.
„Von innen“ betrachtet, ist Aikido eine Methode, an sich selbst zu arbeiten. Geschult werden dabei z. B.:
• Konzentration,
• Durchhaltewillen,
• Durchsetzungsfähigkeit,
• Fähigkeit zum konstruktiven Miteinander sowie das
• Selbstbewusstsein.
Die erste Perspektive zeigt, dass Aikido eine Bewegungskunst ist – im weitesten Sinne ist Aikido hier „Sport“. Damit unterscheidet sich Aikido grundlegend von Techniken der Meditation, wie z. B. dem zen, auch wenn Aikido meditative Elemente beinhaltet (vgl. Seite 350).
Dies zeigt die zweite Perspektive: Aikido bietet die Möglichkeit, auch mental an sich zu arbeiten – im weitesten Sinne ist Aikido hier eine Methode der Persönlichkeitsentwicklung. Beide Perspektiven bedingen sich natürlich gegenseitig. Die innere Verfassung beeinflusst die Bewegung und umgekehrt. Hierdurch erklärt sich auch ein Aspekt des Begriffs Kampf- „Kunst“ – mit „Kunst“ ist u.a. gemeint, dass die äußeren Bewegungen auch das innere Erleben und die innere Verfasstheit des Aikido-ka zum Ausdruck bringen, so ähnlich, wie in den Bildern eines Malers seine Stimmung erkennbar ist. Natürlich geht es in vielen Sportarten ebenfalls um die oben genannten Punkte einer „inneren Arbeit“.
Nimmt man eine über die erste und zweite Perspektive hinausgehende Sichtweise ein, kann man sich dem Wesen des Aikido noch weiter annähern, da die ersten beiden für eine hinreichende Erklärung nicht genügen. Aikido ist eine Möglichkeit, mit anderen Menschen konstruktiv zusammenzuarbeiten und mit ihnen einen Austausch zu suchen – Aikido ist in diesem Sinne eine Form intensiver Kommunikation. Man könnte auch „Körperdialog“ dazu sagen. Es geht also darum, die Informationen des Gegenübers richtig zu verstehen und entsprechend zu reagieren. So entsteht ein gemeinsames Verständnis der Bewegung.
So wird deutlich, was Aikido von anderen Sportarten und insbesondere auch von anderen Kampfsportarten unterscheidet. Schließlich ist Aikido die einzige Kampfkunst, bei der jeder Praktizierende 50 % seiner Zeit akzeptiert, dass er den Kampf verlieren wird, und dies trotzdem dazu nutzt, um sich und andere in der eigenen Entwicklung voranzubringen.
Schriftzeichen ai-ki-do
Da im Aikido immer mindestens zwei Personen miteinander üben, kann man über Aikido auch aus einer ethischen Perspektive nachdenken. Aus dieser Betrachtungsweise könnte man versuchen, die Fragen „Was soll ich tun?“ und „Wie soll ich mich verhalten?“ zu beantworten. Im Aikido finden sich auf diese Fragen folgende Antworten: „Verteidige dich, wenn du angegriffen wirst –, appelliere aber auch an den Angreifer, sein Vorhaben rechtzeitig wieder aufzugeben, bevor du ihn verletzt. Reagiere auf die Bewegungen angemessen und füge nicht mehr Schaden zu als unbedingt notwendig, damit du selbst unversehrt bleiben kannst.“
Betrachtet man schließlich das japanische Wort „Aikido“ unter einem etymologischen (nach der Wortbedeutung fragenden) Blickwinkel, ergibt sich folgende Definition:
Die Silbe „ai“ bedeutet so viel wie „anpassen“, „verbin den“, „vereinen“, „harmonisieren“. Manchmal wird „ai“ auch mit „Liebe“ übersetzt. Die Silbe „ki“ bedeutet so viel wie „Gefühl“, „Absicht“, „Energie“ oder „geistige Kraft“ (vgl. Seite 27) und die Silbe „do“ meint in etwa „Weg“ – im Sinne eines Weges, den man für eine körperlich-geistige Weiterentwicklung zurücklegen muss.
Die ersten beiden Silben zusammen haben dann die Bedeutung, „sich gegenüberstehende Absichten oder Kräfte in Harmonie zu vereinigen“. Eine mögliche Übersetzung von Aikido könnte demnach lauten: der Weg oder die Methode, Kräfte (die sich entgegenstehen) in Harmonie zu vereinigen.
Schließlich kann man sich der Frage, was Aikido ist, auch annähern, indem man einen Blick auf die Geschichte des Aikido wirft. Historisch gesehen, ist Aikido eine klassische japanische Kampfkunst, sogenanntes Budo, wie z. B. auch Judo oder Karate-do. Sie wurde von dem Japaner Morihei Ueshiba (1883-1969) – als Synthese verschiedener Kampfkünste, -techniken – im 20. Jahrhundert erschaffen (vgl. Seite 342).
Morihei Ueshiba
Der historische Kern des Aikido liegt also in der langen Tradition japanischer Kampfkünste. Mittlerweile ist Aikido weltweit verbreitet und unterliegt somit auch anderen kulturellen Einflüssen. Dies ist ein Grund dafür, dass sich das Aikido in sehr unterschiedliche Richtungen entwickelt hat und beständig weiterentwickelt.
WAS IST KI?
Die Wortteile ai und do in Aikido sind relativ einfach zu erklären. Zur Wortsilbe ki sollen noch einige Bemerkungen gemacht werden, da es hier doch großen Interpretationsspielraum gibt. Ganz allgemein gesprochen, ist ki (in einer fernöstlichen Sichtweise) zu übersetzen mit Gefühl, Absicht, Lebensenergie oder Lebenskraft. Das chinesische Wort dafür ist chi (wie in tai chi, der chinesischen Bewegungskunst), das indische Wort ist prana. Insbesondere die chinesische Lesart verweist auf ein Konzept fließender Energien und Kräfte, wie es auch in der traditionellen chinesischen Medizin benutzt wird.
Das ki hat seinen Ursprung in einem Punkt unterhalb des Bauchnabels, dem sogenannten kikai-tanden oder hara. Wörtlich übersetzt, bedeutet dies so viel wie „Meer der Energie“. Jeder Mensch hat Zugang zu ki. Unterschiede in der Stärke der Lebensenergie oder Lebenskraft, also auch in der Möglichkeit, ki zu gebrauchen, entstehen dann, wenn Blockaden oder Verspannungen das ki an seinem Fluss durch den Körper hindern. Hier sieht die traditionelle chinesische Medizin folglich eine Ursache von Krankheiten.
Einige Aikido-ka führen die Vorstellung der Lebensenergie so weit, das ki wortwörtlich fließen zu lassen und nach außen „schicken“ zu wollen – hier soll es dann wie eine physische Kraft wirksam werden. Für Aikido-Schüler aus westlichen Ländern einfacher zu verstehen (und gleichzeitig weniger esoterisch behaftet) ist die Umschreibung des ki mit folgenden Substantiven: Durchsetzungsfähigkeit, Entschiedenheit, Wille, Motivation, Echtheit. Diese Qualitäten schult der Aikido-ka durch sein Üben und bringt sie in seinen Techniken zum Einsatz. Ki hängt folglich auch eng mit Worten wie Absicht, Entscheidung und Aktion zusammen (vgl. Kap. 6.8).
Natürlich kann die Idee der „fließenden Energie“ auch einfach als Bild benutzt werden. Die Vorstellung, das ki fließe wie Wasser durch unsere Arme, kann zur Entspannung beitragen, da ein solcher Fluss nur möglich ist, wenn unsere Arme und Gelenke „durchlässig“, also entspannt, sind. Gleichzeitig ist ein prall gefüllter Wasserschlauch aber auch nicht schlaff. Dieses Vorstellungsbild mag also dabei helfen, sich das richtige Bewegungsgefühl zu erarbeiten. Ki fließen zu lassen, bedeutet somit nichts anderes, als sich mit der richtigen Balance zwischen Anspannung und Entspannung natürlich zu bewegen.
Eine weitere Betrachtungsweise zu Thema ki zielt eher auf die physiologischen Veränderungen durch den Übungsprozess ab. So kann vermutet werden, dass durch das intensive Aikido-Training die Faszien (muskuläres Bindegewebe – siehe auch Kapitel 9) ihre Elastizität und Dehnbarkeit verändern. Wird für die Bewegungsausführung die in den Faszien gespeicherte elastische Energie genutzt, ermöglicht das eine große Kraftentfaltung ohne starken Muskeleinsatz. Aufgrund des Aikido-Trainings wird außerdem nicht nur die äußere Muskulatur gestärkt, sondern besonders auch die tiefer liegende Rumpfmuskulatur. Durch diese Muskulatur ist die physische Körpermitte stabil und in der Eigenwahrnehmung als Körperschwerpunkt bewusst. Wird nun eine Bewegung ausgeführt, ist es das Ziel des Aikido-ka diese Körpermitte als Schwerpunkt besonders einzusetzen, was insbesondere dann erreicht werden kann, wenn Arme und Schultern entspannt bleiben und der Körperschwerpunkt insgesamt abgesenkt wird.
1.1 AIKIDO IM VERGLEICH
Dem Wesen des Aikido kann man sich des Weiteren durch einen Vergleich mit anderen Kampfkünsten, -sportarten nähern. Dabei geht es nicht darum, zu entscheiden, welche Kampfkunst „besser“ oder „effektiver“ ist, sondern darum, durch das Herausstellen der Unterschiede aufzuzeigen, wo die Besonderheiten des Aikido liegen und wie es im Zusammenhang mit anderen Kampfkünsten, -sportarten positioniert ist.
Wenn ein Aikido-ka jemandem erzählt, dass er Aikido übt, so wird er oft als Erstes gefragt, was Aikido denn eigentlich ist. Dem folgt in der Regel die Frage: „Ist das so was wie Judo oder Karate?“ Da andere Kampfkünste in Deutschland wesentlich bekannter sind als Aikido, wird derjenige, der zum ersten Mal mit Aikido in Kontakt kommt oder davon hört, oftmals versuchen, dieses in ein ihm bekanntes System einzuordnen.
Der höhere Bekanntheitsgrad anderer Kampfkünste und Kampfsportarten im Vergleich zum Aikido und die weitere Verbreitung in Deutschland und Europa ist u.a. darauf zurückzuführen, dass es im Aikido keinen Wettkampf gibt. Dementsprechend werden im Aikido keine Meisterschaften durchgeführt, Aikido ist keine olympische Disziplin und daher insgesamt in den Medien wenig präsent. Außerdem gibt es im Aikido (auf den ersten Blick) keine für ein breites Publikum aufsehenerregenden Techniken, wie z. B. die Bruchtests im Karate oder Taekwondo.