»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Jeden Monat erscheint sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ein spannender und in sich abgeschlossener Fall mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.
Dieser Sammelband beinhaltet die Cherringham-Fälle sechzehn, siebzehn und achtzehn:
Cherringham – Das letzte Rätsel
Cherringham – Gefährlicher Erfolg
Cherringham – Der verschwundene Tourist
Matthew Costelloist Autor erfolgreicher Romane wieVacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denenThe 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.
Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling.
Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen. Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.
Jack Brannen ist pensioniert und frisch verwitwet. Er hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet. Alles was er nun will ist Ruhe. Ein Hausboot im beschaulichen Cherringham in den englischen Cotswolds erscheint ihm deshalb als Alterswohnsitz gerade richtig. Doch etwas fehlt ihm: das Lösen von Kriminalfällen. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann.
Sarah Edwards ist eine 38-jährige Webdesignerin. Sie führte ein perfektes Leben in London samt Ehemann und zwei Kindern. Dann entschied sich ihr Mann für eine andere. Mit den Kindern im Schlepptau versucht sie nun in ihrer Heimatstadt Cherringham ein neues Leben aufzubauen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings viel zu langweilig. Doch dann lernt sie Jack kennen …
CHERRINGHAM
LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN
Sammelband VI
Folge 16: Das letzte Rätsel
Folge 17: Gefährlicher Erfolg
Folge 18: Der verschwundene Tourist
beTHRILLED
Digitale Originalausgabe
»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dr. Arno Hoven
Übersetzung: Sabine Schilasky
Lektorat/Projektmanagement: Esther Madaler
Covergestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung von Motiven © shutterstock: Buslik | Bastian Kienitz | Steve Heap
eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-1753-4
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
CHERRINGHAM
LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN
Das letzte Rätsel
Brrr…, dachte Michael Edwards, als er aus seinem BMW-Kombi stieg und die Stufen zum eleganten Stadthaus seines guten Freundes Quentin Andrews hinaufging – eines von fünf Gebäuden der Cherringham Crescent.
Der klassische Eingang des Hauses wurde von zwei weißen Säulen flankiert und hätte besser zu einer der Straßen im vornehmen Londoner Stadtteil Holland Park gepasst als zum stillen Dorf Cherringham.
Doch für Bessergestellte, die es gern nicht ganz so ländlich hatten, dürften diese Häuser, die inmitten sich sanft wellender Hügel und nahe der sich malerisch schlängelnden Themse lagen, eine ideale Alternative darstellen.
Und Michael liebte geradezu diese Straße und ihre Häuser.
Wenn er zu seinem wöchentlichen Schachspiel mit Quentin herkam, das sie stets bei einem erlesenen Single-Malt genossen, hatte er jedes Mal das Gefühl, wieder in London zu sein.
So gern er das Dorf auch mochte, bisweilen vermisste Michael den Puls und die Hektik der Großstadt.
Auf ihn traf das berühmte Samuel-Johnson-Zitat perfekt zu: Ist ein Mann Londons überdrüssig, ist er des Lebens überdrüssig.
Nun, nach einem kurzen Abendessen mit seiner Frau, klopfte Michael zunächst an die Tür, bevor er den Klingelknopf drückte.
Er wusste, dass Quentin diese wöchentlichen Treffen genauso schätzte wie er selbst.
Denn letztlich ging es nicht nur um Schach, auch wenn sie bereits manch epische Schlacht auf den vierundsechzig Quadraten gefochten hatten.
Hauptsächlich jedoch ging es um die Gespräche. Mit seinem Freund diskutierte Michael leidenschaftlich gern über Innen- und Außenpolitik sowie die allgemeine Weltlage. Quentin war früher für die Regierung tätig gewesen – was genau er gemacht hatte, schien er nicht näher ausführen zu wollen –, und Michael hatte sein Leben lang beim Militär gedient. Dessen ungeachtet bewegten sich ihre Gespräche auf einer, nun ja, abstrakteren Ebene.
Sie unterhielten sich über die aufstrebenden afrikanischen Volkswirtschaften oder über die Herausforderung, in Zeiten einer schwächelnden Wirtschaft eine funktionstüchtige Streitmacht zu erhalten. Amerika und dessen Rolle in der Welt war allzeit ein Lieblingsthema: Befand sich die Supermacht auf einem Irrweg, und, falls ja, könnte sie von dort wieder zurückfinden?
Das sowie das Schachspiel und der Single-Malt versprachen Woche für Woche einen überaus anregenden Abend.
Nun aber stand Michael in der Kälte vor der Tür, und es tat sich nichts.
Er drückte noch einmal auf die Klingel und hörte ihr Läuten durch das georgianische Haus hallen. Anschließend klopfte Michael, der seine Handschuhe noch nicht ausgezogen hatte, mehrmals fest an die Tür.
Sein Atem stieg in kleinen Wolken vor seinem Gesicht auf, als bräuchte Michael noch einen zusätzlichen Hinweis, wie eisig es an diesem Februarabend war.
»Komm schon, Quentin«, murmelte er vor sich hin. »Jetzt mach die verdammte Tür auf.«
Immer noch nichts.
Michael blickte sich um. Sollte er Quentin mit seinem Handy anrufen? Vielleicht war er nach dem Abendessen eingenickt?
Da Michaels Finger von der Kälte steif geworden waren, holte er recht ungelenk sein Mobiltelefon hervor – ein Ding, das so ziemlich alles konnte, außer Tee zu kochen.
Die meisten Funktionen nutzte Michael nie, denn er blieb in seinem Herzen noch jener Zeit verbunden, als ein Telefon eben nur ein Telefon war.
Er zog einen Handschuh aus, tippte »Kontakte« an, dann Quentins Namen und schließlich das »Anrufen«-Symbol.
Mit dem kleinen Gerät am Ohr wartete er darauf, dass etwas passierte, und machte sich bereit, seinen Freund zu schelten, weil der ihn hier draußen stehen ließ, wo er sich sonst was abfror …
Doch es klingelte und klingelte – bis nach dem siebten Mal der Anrufbeantworter ansprang.
Michael sprach keine Nachricht drauf.
Nachdem sein Klopfen, Klingeln und Anrufen nichts als Stille zur Folge hatten, machte er sich allmählich Sorgen um seinen alten Freund.
Michael griff nach dem Türknauf. Er rechnete damit, dass die Tür verschlossen war, fand sie jedoch zu seiner Verwunderung offen vor.
Komisch, dachte er und ging hinein – raus aus der Kälte.
Sobald er in der Diele war, schloss er die Tür hinter sich und rief laut: »Quentin? Wo steckst du denn? Bist du etwa taub geworden?«
Michael zog sich seine alte kamelhaarfarbene Winterjacke aus und hängte sie über einen eleganten Stuhl in der Diele. Obendrauf legte er seine Kalbslederhandschuhe.
»Quentin?«, rief er wieder.
Obwohl alles still war, brannte Licht im Haus.
Und auch wenn Michael keine Ahnung hatte, wo Quentin war oder was geschehen sein mochte, wuchs seine Sorge.
Er blickte nach links zum Wohnzimmer, wo das antike Schachspiel auf dem klauenfüßigen Tisch bereitstand, flankiert von zwei bequemen Ohrensesseln.
Alles bereit für den Schachabend.
Ansonsten war das Zimmer allerdings leer.
Michael ging zur Treppe, wobei er erneut den Namen seines Freundes rief.
»Quentin?«
Er stieg die sanft geschwungene Treppe hinauf, vorbei an Quentins kleiner Galerie von Militärgemälden: Trafalgar, Waterloo, ein impressionistisches Bild von Schützengräben, in denen sich bemitleidenswerte Jungen bereit machten, ratterndem Maschinengewehrfeuer entgegenzustürmen.
Michael schritt ganz langsam nach oben, und seine Hand glitt dabei über das polierte Holzgeländer.
Sein Mund war wie ausgetrocknet, und sein Herz schlug schneller, auch wenn er sich nur langsam auf das obere Stockwerk zubewegte.
Dort gab es drei Zimmer, wie er wusste, seit er vor Jahren einmal von Quentin durchs Haus geführt worden war. Sein Freund hatte damals allein bei dem Gedanken gelacht, dass er jemals Gäste in diesen zusätzlichen Zimmern unterzubringen hätte.
Abgesehen von ihrem wöchentlichen Treffen schien Quentin sehr zurückgezogen und einsam zu leben, was ihm aber offensichtlich gefiel.
Michael rief erneut seinen Namen, so sinnlos es ihm mittlerweile auch vorkam.
Oben angekommen, schritt er über den dicken Läufer – einen echten Perserteppich – nach links zum größten Schlafzimmer. Die Tür stand halb offen, und drinnen brannte ebenfalls Licht.
Michael stockte einen Moment, bevor er den Mut aufbrachte, hineinzugehen.
Er stand in der offenen Tür und brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was er sah.
Da war Quentin in einem klassischen Hausrock aus Seide. Den Gürtel hatte er straff angezogen, aber ansonsten war sein Freund so gekleidet, als wollte er zum Dinner ausgehen.
Er saß in einem Sessel vor seinem hohen Kleiderschrank. Unweit daneben stand ein Tisch mit frischen Blumen vor dem von außen vereisten Fenster, durch das man auf die Cherringham Crescent hinabschauen konnte.
Quentins Kopf war nach hinten gelehnt, und die Beine hatte er leicht gespreizt.
Zunächst atmete Michael auf. Er schläft. Das ist alles! Der alte Knabe ist schlichtweg eingenickt.
Doch beinahe augenblicklich wurde Michael klar, dass dieser Gedanke einer verzweifelten, unsinnigen Hoffnung entsprang.
»Oh nein«, sagte er in den leeren Raum hinein.
Michael näherte sich dem Sessel und sah, dass Quentins weit geöffnete Augen an die Zimmerdecke starrten.
Quentin Andrews war tot.
Sicher – Quentin war kein junger Mann mehr und plagte sich mit einigen jener Krankheiten herum, die sich auf hässliche Weise einzustellen pflegten, wenn man die mittleren Jahre hinter sich ließ und in ein befremdlicheres, unheimlicheres Alter kam.
Es hatte Herzprobleme gegeben, und er war vor einigen Jahren an der Hüfte operiert worden. Quentin sprach nicht viel über seine Beschwerden, hatte sich jedoch auch nicht gesträubt, Ärzte aufzusuchen und sich die Hilfe zu holen, die er brauchte.
Nein, Quentin Andrews hatte sein Leben geliebt und im Rahmen der Vernunft alles getan, um es so lange wie möglich zu genießen.
Doch jetzt war sein Leben vorbei.
Michael stand da und bemerkte kaum, dass er zitterte, während er die schaurige Szene betrachtete.
Denn schaurig war es durchaus, so allein mit jemandem, der offensichtlich erst kürzlich – vielleicht vor wenigen Stunden? – gestorben war.
Dann sah Michael hinüber zur großen Kommode, auf der keine Fotos oder Erinnerungsstücke standen, wie es in den meisten Häusern üblich war.
Quentin hingegen hatte seine Schätze und Geheimnisse offenbar im Verborgenen aufbewahrt.
Auf der Kommode allerdings, nur wenige Schritte von Michael entfernt, stand ein Plastikfläschchen.
Michael ging hin, nahm es in die Hand und las die Aufschrift auf dem Tablettenbehältnis.
Die Anweisungen darauf lauteten: Bei Brustschmerzen umgehend eine Tablette mit Wasser einnehmen.
Michael stellte fest, dass das Fläschchen noch zur Hälfte mit Tabletten gefüllt war.
War es das gewesen? Ein Herzinfarkt, wie Michael ihn vor Jahren selbst gehabt hatte, nur dass in diesem Fall die Vorwarnung ausgeblieben war und Quentin es daher nicht geschafft hatte, rechtzeitig eine Tablette zu nehmen und das Schlimmste abzuwenden?
Michael kehrte zu seinem toten Freund zurück.
Er musste jemanden rufen. Die Polizei natürlich! Und er sollte seine Frau anrufen. Ja, er brauchte dringend die Stimme eines anderen Menschen, denn er fühlte sich schrecklich allein.
Vielleicht sollte er auch Sarah anrufen. Die vertrauten Stimmen zu hören – das täte gewiss gut.
Sein Mobiltelefon war unten in seiner Jackentasche, also würde er seinen Freund verlassen müssen, um es zu holen.
Doch als Erstes beugte er sich vor. Er spreizte seine Finger und schob behutsam die Lider seines Freundes nach unten. Als würde man den Vorhang eines Lebens schließen.
Dabei dachte Michael: Ruhe in Frieden, alter Freund. Ruhe in Frieden.
Sarah sah, wie ihre Assistentin Grace zum hinteren Bürofenster ging.
»Wow, dieser Quentin Andrews muss richtig berühmt gewesen sein. Sieh dir den Massenauflauf an!«
Sarah ging zu ihr und blickte zum Eingang der Kirche.
Und tatsächlich konnte man bei dem Anblick von einem Massenauflauf sprechen. Leute standen vor dem Kirchenportal Schlange, und große Wagen brachten immer noch mehr Trauergäste, die sie vor der Kirche absetzten, bevor sie wegfuhren … vermutlich um nach einer freien Lücke in dem bereits zugeparkten Dorfzentrum zu suchen.
»Seltsam«, sagte Sarah.
Grace drehte sich zu ihr. »Was?«
»Na ja, mein Dad kannte Mr Andrews. Er war mit ihm befreundet. Und er sagte immer, dass er sehr zurückgezogen lebte, praktisch wie ein Einsiedler. Also, wer sind die alle?«
Grace blickte wieder auf das Spektakel draußen. »Für mich sieht das nicht nach der Beerdigung eines Eremiten aus. Wer war er?«
Hierauf hatte Sarah keine Antwort. Ihr Vater, der ebenfalls auf der Trauerfeier sein würde, hatte nur erwähnt, dass sein Freund vor Jahrzehnten für die Regierung gearbeitet hatte und danach in der City. Dort im Londoner Finanzdistrikt hatte er offensichtlich genug Geld gescheffelt, um sich das bestens ausgestattete Haus in Cherringham zu kaufen.
Was sich nun unter Sarahs Bürofenster abspielte, erinnerte allerdings eher an ein königliches Begräbnis oder die Beerdigung eines Filmstars.
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie.
»Hm?« Grace wandte sich wieder zu ihr um.
»Es passt nicht zu dem Mann, den mein Vater mir beschrieben hat. Und irgendwie stecke ich da jetzt auch noch mit drin.«
»Du? Aber du kanntest ihn doch gar nicht, oder?«
»Nein, nicht mal flüchtig. Doch Tony Standish schrieb mir und bat mich, bei der Testamentsverlesung dabei zu sein. Die findet direkt nach der Trauerfeier statt.«
Grace neigte den Kopf zur Seite. »Denkst du, dass du in dem Testament vorkommst?«
Sarah lachte. »Sehr unwahrscheinlich. Ich soll im Testament von jemandem berücksichtigt sein, den ich überhaupt nicht kannte?«
Grace drehte sich erneut zum Fenster. »Die Leute machen manchmal schräge Sachen, wenn sie älter werden, was? Na, wer weiß, warum du da hinkommen sollst. Spannend ist es allerdings schon.«
Stimmt, dachte Sarah. Spannend ist es allemal.
Als alter Freund – der sich überdies bis heute für den einzigen Freund des Verstorbenen gehalten hatte – würde auch Sarahs Vater Michael dort sein. Doch er wusste ebenfalls nicht, warum Sarahs Anwesenheit erwünscht war.
In diesem Moment, als sich nur noch einige wenige Leute draußen vor der Kirche aufhielten und hineinzugelangen versuchten, begannen die Glocken von St James zu läuten.
Und nachdem sie all diese Leute gesehen hatte, konnte Sarah die Testamentsverlesung bei Tony kaum mehr erwarten.
Etwas an diesem Quentin Andrews – an seiner Beerdigung, den Gästen und dem mysteriösen Letzten Willen – war auf einmal sehr faszinierend geworden.
Sarah lief über die High Street zu Tony Standishs Büro. Ein dringender Anruf in letzter Minute hatte sie aufgehalten und es erforderlich gemacht, noch rasch neue Layouts für das Website-Design eines benachbarten Dorfes durchzugehen.
Nun, mit wenigen Minuten Verspätung, rannte sie ins Büro des Anwalts und winkte Tonys stiller, verlässlicher Sekretärin zu. Jedes Mal wenn Sarah sie sah, dachte sie an die Darstellungen von freundlichen Großmüttern in älteren Kinderbüchern …
Sie stürmte atemlos ins Sitzungszimmer und murmelte eine kurze Entschuldigung.
Dann sah sie sich die Anwesenden an: Tony stand an seinem Schreibtisch und lächelte ihr freundlich zu – ein guter Freund und treuer Verbündeter. Ihr Vater saß im schwarzen Anzug gleich rechts neben Tony. Und vor dem Schreibtisch hatte eine kleine Gruppe von Leuten Platz genommen, die Sarah allesamt fremd waren.
Sie nahm sich vor, bei Gelegenheit mit ihrem Dad unter vier Augen über den verstorbenen Freund zu reden.
Und sie fühlte sich wieder einmal daran erinnert, wie flüchtig das Leben und die Zeit waren.
Alles geht so schnell vorbei.
Normalerweise erachtete sie es für selbstverständlich, dass ihre Eltern immer da sein würden, auch wenn der Verstand ihr sagte, dass dies nicht stimmte.
»Sarah, wir haben noch nicht angefangen. Noch sind wir dabei, uns alle vorzustellen. Dein Vater hat gerade den Anfang gemacht.«
Sarah zog ihre Jacke aus, wandte sich nach links zum Garderobenständer … und sah jemanden ganz hinten im Raum sitzen.
In einem Anzug.
Mit einem vertrauten Lächeln.
Er nickte Sarah zu.
Jack!
Was tat er denn hier? Sarah hatte ihm nichts von ihrer mysteriösen Einladung zu dieser Veranstaltung erzählt … Doch anscheinend war er gleichfalls hierher zitiert worden.
Die Geschichte wurde zusehends spannender.
Und fraglos mussten sie noch darüber reden.
Jack zeigte auf einen Stuhl, der ein kleines Stück von ihm entfernt und ebenfalls abseits der Leute stand, die sich weiter vorn vor Tonys Schreibtisch scharten.
Auf diesen Plätzen erschienen Sarah und Jack eher wie Zuschauer der Testamentsverlesung. Sie nahm gleichwohl dort Platz und warf ihrem Freund ein verwundertes Lächeln zu.
Danach konzentrierte sie sich auf die übrigen Anwesenden.
Eine Frau Ende dreißig in einem grauen Kostüm stellte sich als Nächste vor. Ihr strenger Hut hätte ohne Weiteres aus einem alten Kleiderschrank in Downton Abbey stammen können.
»Emma Carter«, sagte sie leise. »Mr Andrews Haushälterin.«
Sie nickte in die Runde, und als glaubte sie, sich nicht hinreichend erklärt zu haben, ergänzte sie: »Ich war seine Krankenpflegerin, Köchin … alles …«
Als Nächstes kam der Mann links von ihr. Sarah schätzte, dass er etwas älter als ihr Vater war. Gleichwohl strahlte er in seinem Nadelstreifen-Zweireiher und mit den dunklen Augen, die beim Sprechen jeden Einzelnen im Raum ansahen, immer noch Stärke und Macht aus.
»James Carlisle«, sagte er. »Quent und ich, äh … dienten zusammen … damals.«
Eine Pause entstand, als würden alle auf eine genauere Erklärung warten, die allerdings nicht kam. Sarah beobachtete, wie Carlisle sich wieder auf seinem Stuhl zurücklehnte und die Arme verschränkte.
Sarah blickte fragend zu Jack und dachte: Sehr interessant.
Zusammen gedient? Was sollte das heißen? Bei der Armee?
Ihr Vater hatte nie etwas von einer Militärvergangenheit gesagt. Und Quentin musste um einiges älter als James Carlisle gewesen sein.
»Patrick?«, fragte Tony, als der nächste Mann sich nicht gleich zu Wort meldete. Ein Blick verriet Sarah, dass besagter Patrick zwar angemessen im dunklen Anzug war, sich jedoch eindeutig mit ein oder zwei Drinks für die Trauerfeier gestärkt haben musste.
Er benetzte sich die Lippen. »Patrick Andrews, einziger Bruder … einziger Hinterbliebener«, betonte er, »meines verstorbenen Bruders Quentin.«
Na, der Stimme nach zu schließen dürften das definitiv mehr als zwei Drinks gewesen sein, dachte Sarah.
Und dann, als er seine Beine übereinanderschlug, fielen ihr seine Schuhe auf: zerkratzt und ausgetreten.
Quentins Bruder pfiff offenbar aus dem letzten Loch.
Nun blieb noch eine Person übrig.
Es war eine Frau, die mit streng zusammengepressten Beinen dasaß. Sie trug einen langen dunklen Mantel und hielt die Handtasche auf ihrem Schoß fest umklammert.
Tony nickte ihr zu.
»Tricia Guard«, sagte sie leise.
Sonst nichts.
Tony wartete kurz, als rechnete er damit, dass sie mehr über sich sagen würde. Als das jedoch nicht geschah, wandte er sich Sarah und Jack zu.
»Und Sie werden bemerkt haben, dass zwei Beobachter im Raum sind, Mr Jack Brennan und Miss Sarah Edwards. Zwar werden sie nicht namentlich im Testament genannt, doch wurde ich explizit angewiesen, neutrale Dritte als Beobachter zu dieser Verlesung wie auch zur Vollstreckung des Testaments hinzuzubitten. Und für diese Aufgabe habe ich Mr Brennan und Miss Edwards ausgewählt.«
Hierauf drehten sich sämtliche Erben um und starrten Sarah und Jack wie Ausstellungsstücke in einem Museum an.
Dann wandten sie sich wieder zu Tony um, der sich dramatisch räusperte und hinsetzte.
Er nahm zwei Umschläge auf.
»Die Verfügungen von Mr Andrews sind recht detailliert. Unter anderem legen sie fest, dass ich diesen Umschlag als Erstes öffne.«
Tony griff nach einem schmalen silbernen Brieföffner und schob ihn in die kleine seitliche Öffnung der Umschlaglasche.
Hier könnte man eine Stecknadel fallen hören, ging es Sarah durch den Kopf.
Mit einer geübten Bewegung hatte Tony den Umschlag geöffnet und zog ein gefaltetes Blatt heraus.
Er faltete es auseinander und betrachtete das Dokument einen kurzen Moment.
Dann blickte er zu den Wartenden auf und sagte: »Nun gut. Ich beginne jetzt mit der Verlesung des Letzten Willens und Testaments von Quentin Andrews …«
Sarah sah zu Jack. Sie beide rätselten, warum sie hergebeten worden waren.
Zügig verlas Tony die ersten Absätze des Testaments, wobei er hin und wieder zu den potenziellen Erben blickte, die sich wahrscheinlich geschlossen wünschten, er würde gleich zur Aufteilung der Reichtümer springen.
»Nun zu meinem Nachlass. Als Erstes«, las Tony vor, »wende ich mich an meinen guten Freund Michael Edwards. Michael sagte mir oft, dass er nichts von irgendwem erben will, mich eingeschlossen. Ich bin sicher, dass er sich damit auf Barvermögen bezog, weshalb ich seinen Wunsch ignorieren werde …«
Tony sah lächelnd zu Sarahs Vater.
»Ich vermache Michael mein klassisches napoleonisches Schachspiel, auf dem wir manche Schlacht geschlagen haben. Außerdem soll er den gesamten Inhalt meines Weinkellers bekommen, der bei Michael und seiner reizenden Frau zweifellos ein gutes Zuhause findet. Und schließlich vererbe ich ihm meine Erstausgabe von Gibbons Verfall und Untergang des Römischen Imperiums, die in keine besseren Hände kommen könnte.«
Tony hielt inne und senkte das Dokument.
»Michael, nimmst du diese letzten Wünsche von Mr Andrews an?«
Sarah sah, wie ihr Vater nickte, bevor er die anderen anschaute und schließlich ihr einen kurzen Blick zuwarf. »Ja. Diese Erbstücke nehme ich an und werde sie in Ehren halten.«
»Gut. Fahren wir fort …«
Was für eine Stille, dachte Sarah. Alle lauschten geduldig … und mit angehaltenem Atem.
»Für meinen übrigen Nachlass, den sonstigen Besitz und mein Geldvermögen, habe ich wie folgt entschieden.«
»Geldvermögen!«, schnaubte Quentins Bruder Patrick verächtlich. »Wohl eher unrechtmäßig angeeignete Gelder!«
Tony überging den Einwurf.
»Mein gesamter Besitz wird unter Aufsicht des Rechtsanwalts Tony Standish an eine der nachfolgend genannten und anwesenden vier Personen gehen. Oder aber an eine von mir ausgewählte wohltätige Organisation, nämlich ›Seafarers UK‹ – für all das Gute, das sie für die Seeleute überall auf der Welt tun.«
»Verzeihung«, unterbrach Miss Carter, die Haushälterin. »Was hat das zu bedeuten?«
Tony bat mit erhobener Hand um Geduld.
Jack lehnte sich hinüber und berührte Sarahs Arm. Als sie zu ihm sah, verdrehte er grinsend die Augen.
Hier ist was im Busch, sollte das heißen.
»Ich habe mir erlaubt, ein …«
War das etwa ein kleines Lächeln, das da über Tonys Gesicht huschte?
»… ein Kreuzworträtsel zu entwerfen …«
»Was zum Teu-«, platzte es aus James Carlisle heraus. »Ein Kreuzworträtsel?«
Alle Erben beugten sich vor.
»Die Antworten auf die Fragen finden sich alle hier, in diesem Dorf, das ich so sehr geliebt habe. Jeder der benannten potenziellen Erben hat achtundvierzig Stunden Zeit, das Kreuzworträtsel zu lösen. Nach vollständiger Lösung ist es – persönlich – meinem Testamentsvollstrecker zu übergeben.«
Tony räusperte sich.
Faszinierend, dachte Sarah.
»Das wäre ich«, ergänzte Tony. »Ich werde Tag und Nacht für Sie erreichbar sein, bis dieser, ähm, Wettstreit beendet ist. Ihre Mobiltelefonnummern habe ich ja bereits, und Sie alle haben meine.« Dann las er weiter: »Mr Standish wird jeweils schriftlich und unter Verschluss festhalten, wann wessen Lösung eingeht. Und exakt nach achtundvierzig Stunden – von jetzt an – wird sich die Gruppe wieder zusammenfinden, um zu erfahren, wer, sofern überhaupt einer, das Rätsel gelöst hat und meinen Besitz als Preis erbt. Sollte niemand das Rätsel lösen, geht alles an die oben genannte Wohltätigkeitsorganisation.«
»Das ist lächerlich«, sagte Tricia Guard. »Und ich komme extra von London hergereist, um mir diesen … Unsinn anzuhören! Und wofür?«
»Wahrscheinlich für eine Kleinigkeit«, vermutete Carlisle. »Ich schätze, der alte Quentin kam mit seiner kleinen Pension so gerade über die Runden, aber viel mehr auch nicht.«
Hier senkte Tony abermals das Dokument.
»Ich bin außerdem befugt, Ihnen mitzuteilen, dass sich das reine Geldvermögen von Quentin Andrews’ Nachlass, also abgesehen von dem Immobilienbesitz in Cherringham Crescent, dem Mobiliar, dem Grundstück etc., auf einen gegenwärtigen Wert – je nach Marktfluktuation – von über zehn Millionen Pfund beläuft …«
Die Worte hingen in der Luft, als wäre soeben ein kleiner Zeppelin zum Fenster hereingeschwebt, dessen silbrige Außenhaut nun gegen jedermanns verdutztes Gesicht drückte.
Zehn Millionen Pfund, dachte Sarah.
Ein echtes Vermögen! Und über dessen Verbleib sollte ein Kreuzworträtsel entscheiden?
Unglaublich …
Tony legte das Testament hin. »Wie gesagt, bin ich autorisiert, Beobachter für den, ähm, Wettbewerb zu bestimmen. Diese Aufgabe werden Miss Edwards und Mr Brennan übernehmen. Sie werden Ihre jeweiligen Fortschritte überwachen und sicherstellen, dass Sie alle, nun ja, fair spielen. Es sind Regeln beigefügt, die besagen, dass Sie nicht kooperieren und vereinbaren dürfen, den Besitz aufzuteilen.«
»Verdammt, war der irre? Gott, mein Bruder mal wieder! War immer schon ein verschlagener Mistkerl.«
»Und wie bereits gesagt«, fuhr Tony unbeirrt fort, »treffen wir uns in exakt zwei Tagen hier wieder, um elf …«
Er sah auf seine Armbanduhr. »Elf Uhr dreiundzwanzig, um genau zu sein. Dann erfolgt die Bekanntgabe des Ergebnisses.«
Patrick Andrews stand auf.
»Und wo ist jetzt das verfluchte Rätsel, damit wir anfangen können?«
Wie Pferde in ihren Startboxen richteten sich nun auch die anderen drei Mitglieder des Quartetts ungeduldig auf.
»Die Rätselausfertigungen sind in diesem Umschlag«, antwortete Tony, der aufs Neue seinen Brieföffner aufnahm und ihn wie ein Miniatur-Florett schwang.
Er schob ihn an ein Ende des Umschlags und ließ die Klinge mit einem dramatischen Ratschen durchs Papier sausen.
Dem zweiten Umschlag entnahm Tony mehrere Ausfertigungen des Kreuzworträtsels, und Sarah bemerkte, dass außerdem eine Notiz beilag.
Selbige hielt Tony in die Höhe und las sie laut vor.
»Vorliegend finden sich jeweils eine Ausfertigung des Rätsels für jeden meiner potenziellen Erben nebst Duplikaten für Mr Standish und dessen ausgewählte Beobachter.«
Der Anwalt fächerte die Blätter mit dem Rätsel auf, die so gefaltet waren, dass man die Fragen nicht lesen konnte.
Alle vier Erben traten einen Schritt vor.
Nun stand auch Tony auf, und als würde er den Startschuss zum Rennen ihres Lebens abgeben, reichte er ihnen je ein Rätsel.
Auf Sarah wirkte es sehr lustig, wie die beiden Männer und Emma Carter aus dem Raum stürmten. Um ein Haar rannten sie Jack und Sarah über den Haufen, konnten sie doch nicht schnell genug zur Tür hinauslaufen.
Einzig Tricia Guard blieb, wo sie war, faltete ihr Blatt sorgfältig zusammen und steckte es in ihre Handtasche, bevor sie den anderen nach draußen folgte.
Achtundvierzig Stunden, dachte Sarah. Zehn Millionen Pfund.
Und als schließlich alle in Comic-Manier aus dem Zimmer waren, musste Sarah lachen.
»Das Mittagessen geht auf mich«, sagte Tony.
Jack blickte sich in dem Restaurant um, das zweifellos sein Lieblingslokal in Cherringham, wenn nicht gar in den gesamten Cotswolds war – dem wunderbaren Spotted Pig.
Mittags – um diese Zeit hatte Jack hier noch nie gegessen – war es im Restaurant brechend voll. Julia, die Mitbesitzerin, flitzte umher, nahm Bestellungen auf und brachte sie ihrem Mann Sam. Dessen Leidenschaft für regionale Produkte und nachhaltiges Essen wurde nur noch getoppt von seinem Streben, die Gäste mit seinen Kreationen aus den Socken zu hauen.
Jack wandte sich wieder zu Tony. »Das ist aber nicht nötig.«
»Ganz und gar nicht«, pflichtete Michael ihm bei.
Aber Tony bestand darauf und bestellte sogar eine Flasche Wein zum Essen, was für Jack ebenso wenig zu seinen mittäglichen Gewohnheiten zählte.
»Diese Erbenversammlung …«, sagte Sarah und nahm einen Schluck vom teuren Châteauneuf-du-Pape, »die war ja völlig verrückt, Tony.«
»Ich weiß. Sollte ich es jemals schaffen, meine Memoiren zu schreiben, dürfte die Szene eines der Highlights werden.«
Einzig Sarahs Vater wirkte sehr still, wie er dasaß und seinen Wein trank.
»Michael«, sprach Jack ihn an. »Dich beschäftigt doch etwas, oder?«
Sarahs Vater, der bis eben noch mit leerem Blick vor sich hin gestarrt hatte, schaute Jack verlegen an.
»Ähm, nun … ja«, brachte er gequält heraus und sah aus, als würde ihm das, worüber er nachdachte, ernsthaft zu schaffen machen.
»Sag schon, Michael. Du warst schließlich gut mit ihm befreundet«, forderte Tony ihn auf.
»Sicher … Also, diese Rätsel-Sache. Ich weiß, dass er die Geschichte von Cherringham liebte … und natürlich Schach. Aber dieses Spiel? Es ist, na ja, bizarr. Ich meine – will er überhaupt, dass einer von denen tatsächlich sein Erbe gewinnt?«
»Auf jeden Fall macht er es ihnen nicht leicht«, sagte Sarah.
»Und dann …« Michael brach ab und trank noch einen Schluck Rotwein, bevor er mit gesenkter Stimme fortfuhr: »So viel … Geld? Ein Vermögen! Davon ahnte ich gar nichts.«
»Ich auch nicht«, gestand Tony. »Bis ich die ›Anweisungen an den Testamentsvollstrecker‹ öffnete.«
Jack nickte.
Aus dem Grab heraus sorgte Quentin Andrews für ziemlichen Wirbel. Und hier vor Jack saß Michael – derjenige, der ihn am besten gekannt haben sollte und doch keine Ahnung zu haben schien, wer sein verstorbener Freund wirklich gewesen war.
»Was hatte er dir denn so erzählt?«, fragte Jack. »Über sein Leben, meine ich?«
»Na ja, beim Schach und dem Scotch nicht viel, wenn ich es genau bedenke …«
Jack nickte wieder und sah zu Sarah. War ihr klar, dass er sich seine eigenen Gedanken zu diesem Spiel machte?
Dass hier noch etwas anderes los sein könnte, etwas Spannendes … Mysteriöses …
Und zum ersten Mal kam ihm ein ganz bestimmter Gedanke: Bei dem vielen Geld … Wer weiß?
Was würde jemand tun – oder könnte schon getan haben –, um da ranzukommen?
Als der Hauptgang serviert wurde, sah Sarah, wie Jack sein Steak begutachtete, bevor er es anschnitt.
Jack war in vielerlei Hinsicht schwer zu durchschauen, doch inzwischen wusste Sarah immerhin, dass ein Essen im Pig für ihren amerikanischen Freund nur eines bedeutete: T-Bone-Steak, blutig, mit Sams spezieller Pfeffersoße.
Sarah genoss unterdessen jeden Bissen ihres pochierten Lachses. Ein Restaurantessen war für sie in diesen Tagen ein seltener Luxus.
Vor Jahren, als sie noch in London lebte, war sie regelmäßig in Restaurants essen gegangen – immer mit irgendeinem reichen Klienten, der verwöhnt und umgarnt sein wollte. Der typische Kunde ihrer kleinen Webdesign-Agentur hier in Cherringham war eher geneigt, Sandwiches von Costco’s mitzubringen, wenn Sarah vorschlug, beim Treffen gemeinsam etwas zu essen.
Sie bemerkte, wie ihr Vater sein Besteck ablegte.
»Wisst ihr, was mich wirklich wundert?«, unterbrach er das Schweigen. »Dass so viele Leute bei der Beerdigung waren. Ich meine – wer waren die eigentlich?«
Tony schenkte allen Wein nach, und Sarah entging nicht, dass er diskret eine zweite Flasche orderte, indem er zu Julie hinübersah und ihr mit einem geübten Kopfnicken ein Zeichen gab. »Ob du es glaubst oder nicht, Michael – das waren Quentins Fans.«
»Fans?«, fragte Jack.
»Ja. Ich denke, ich darf jetzt Quentins großes Geheimnis lüften. Dieses ›Vermächtnis-Kreuzworträtsel‹ war keine … willkürliche Laune. Quentin war über viele Jahre hinweg einer der führenden Autoren von Kreuzworträtseln für die Times.«
»Gütiger Himmel«, hauchte Michael.
»Ich bezweifle, dass es irgendwer in Cherringham wusste«, fuhr Tony fort. »Ich jedenfalls nicht. Quentin wurde ja nie namentlich in der Zeitung genannt, sondern signierte schlicht mit ›Argus‹. Doch kaum wurde sein Tod öffentlich bekannt gegeben, bekam ich Nachfragen und Beileidsbekundungen zuhauf von Kreuzworträtsel-Liebhabern auf der ganzen Welt.«
»Natürlich … Argus«, sagte Michael. »Sein Pseudonym, meine ich, passt perfekt zu ihm.«
»Stimmt genau«, bestätigte Tony. »Argus, der alles sehende Riese aus der Mythologie.«
»Warum passt der Name, Dad?«, fragte Sarah.
»Weil er über seinem Schreibtisch einen Druck dieses Velazquez-Gemäldes hatte … Du weißt schon: Merkur und Argus. Er sagte immer: Es ist egal, wie schnell du bist, wichtig ist nur, wie gut du erkennst, worauf es ankommt.«
»Das klingt, als hätte unser verstorbener Freund Quentin so einiges für sich behalten«, meinte Jack.
Und da nun dieses eine Geheimnis gelüftet war, vermutete Sarah, dass Jack sich fragte, ob es noch andere gab.
Sie sah, wie Jack sein Besteck zusammenlegte, sich zurücklehnte und einen Schluck Wasser trank.
Seit der Testamentsverlesung war er still gewesen, was vermuten ließ, dass er eifrig nachdachte.
Und er war der Einzige von ihnen, der den Wein dankend abgelehnt hatte.
Das konnte nur eines bedeuten, wie Sarah wusste: nämlich dass Jack sozusagen »im Dienst« war, denn er trank dann grundsätzlich nichts.
Um mit Sir Arthur Conan Doyle zu sprechen – was in diesem Fall recht wörtlich zu nehmen war, wie Sarah fand: Das Spiel beginnt.
»Raus damit, Jack«, sagte ihr Vater. »Was denkst du?«
Jetzt wird es interessant, dachte Sarah.
»Nun …«
Sarah sah ihm an, wie er seine Gedanken ordnete.
»Okay, ich bin ein Cop, bin es immer schon gewesen. Also frage ich mich unwillkürlich: Was ist das Motiv? Was motiviert einen Mann, aus seinem Erbe ein Rätsel zu machen? Warum vermacht er das Geld nicht einfach den Menschen, die er mochte oder die ihn mochten, seiner Familie oder dieser wohltätigen Organisation, die du, Tony, erwähnt hast?«
»Ein letzter Scherz aus dem Grab heraus vielleicht?«, mutmaßte Tony. »Eine spielerische Machtdemonstration? Ein letztes brillantes Rätsel?«
Jack reagierte auf diese Vermutungen mit einem Nicken und wandte sich dann Sarahs Vater zu.
»Und was meinst du, Michael? Passt das zu dem Quentin Andrews, den du gekannt hast?«
»Hm, na ja … Bei allem Respekt, Tony, vor allem nach diesem wunderbaren Wein – aber auf keinen Fall! Quentin war analytisch, nachdenklich, sogar kampflustig, aber niemals … verspielt.«
»Dann würde ich sagen, dass es auch kein Spiel ist«, folgerte Jack. »Und wenn es kein Spiel ist, dann ist es ernst gemeint.«
»Ernst gemeint?«, hakte Sarah nach. »Das verstehe ich nicht ganz, Jack.«
»Dieses Kreuzworträtsel ist wichtig. Es hat eine Bedeutung. Und die verbirgt sich entweder in der Art, wie es gespielt wird, wie sich die Spieler verhalten … oder in dem Resultat.«
»Das Resultat ist aber sicherlich nur, dass möglicherweise am Ende einer die Beute gewinnt, nicht wahr, Jack?«, fragte Tony.
»Oberflächlich betrachtet, ja«, antwortete Jack. »Nur hätte er das mit einem Federstrich klären können. Dazu bräuchte es keinen Wettstreit um einen derart hohen Einsatz.«
Sarah blickte sich am Tisch um. Ihr Vater und Tony ließen sich die letzten Erwägungen durch den Kopf gehen, also drehte sie sich zu Jack um.
Es wurde Zeit, mal wieder den Advocatus Diaboli zu spielen.
»Was ist, wenn Quentin einfach nur der war, der er zu sein schien, Jack? Ein englischer Exzentriker, der seine Schrullen bis zum äußersten Ende pflegt?«
»Du weißt doch, wie verschroben wir Engländer sein können, Jack«, stimmte Michael ein und hielt sein Glas hin, als Julie die neue Weinflasche brachte.
»Wag es ja nicht, nach Hause zu fahren, Dad«, mahnte Sarah, die keinen Wein mehr nahm.
Ihr Vater zwinkerte ihr zu. »Keine Sorge, Schatz, deine Mum holt mich ab.« Er erhob sein Glas. »Aber vorher muss Jack noch die Katze aus dem Sack lassen!«
Sarah sah zu Jack, der lächelnd seine Serviette ablegte.
»Okay«, sagte er. »Fangen wir mit den Nutznießern an … Oder nennen wir sie lieber ›die Spieler‹. Also, wen haben wir da?«
»Emma, die Pflegerin«, antwortete Sarah. »Und Patrick, den Bruder.«
»Tricia, die recht aufreizende Freundin«, ergänzte Michael. »Quentin hat sie nie erwähnt.«
»Bisher also alles ganz normal«, urteilte Jack. »Die typische Versammlung bei einer Testamentsverlesung. Gibt es sonst keine Angehörigen, Tony? Keine Kinder?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Na gut«, sagte Jack. »Dann sehen wir uns den letzten Spieler mal etwas genauer an.«
»James Carlisle?«, fragte Tony.
»James Carlisle«, bestätigte Jack. »Ein Geheimagent, wie er im Buche steht.«
Sarah neigte sich etwas vor. »Ist das dein Ernst? Ein Spion?«
Doch ihr Freund sah zu ihrem Vater. »Michael?«
»Hm, tja …«
Sarah musste erkennen, dass ihr Vater Jacks Vermutung offensichtlich ernst nahm.
»Dad! Ehrlich jetzt? Ein Spion – hier in Cherringham?«
»Ich muss sagen, dass nach meinen Erfahrungen mit den diversen Geheimdiensten damals während meiner Zeit bei der Royal Air Force … ähm … Ja, da würde ich Jack zustimmen. Diese Typen erkennt man immer.«
»Gut«, sagte Jack. »Und wie er selbst zugab, war er ein Kollege von Quentin.«
»Ein Kollege? Du meine Güte …«, staunte Tony, als würde ihm erst jetzt aufgehen, was James Carlisle gesagt hatte. »Das heißt …«
Sarah betrachtete die drei ernsten Mienen am Tisch. Diese Unterhaltung bewegte sich in eine gänzlich unerwartete Richtung.
»Das bedeutet also, dass Quentin ebenfalls beim Geheimdienst war«, stellte sie fest. »Aber wann? Nun, das lässt sich herausfinden. Wie alt war er noch mal? Neunundachtzig?«
Auf Tonys Nicken hin fuhr Jack fort: »Er hat also den Zweiten Weltkrieg nicht mitgemacht – sofern er Glück hatte – und muss im Kalten Krieg aktiv gewesen sein. Von einem Schreibtisch aus, nehme ich an. Ich wette, dass er vor dreißig Jahren jeden Morgen in seinen Wagen stieg und nach Cheltenham zockelte. Stimmt’s, Tony?«
»Hm, nun ja, in der Tat«, gestand Tony. »Er hatte immer eine Wohnung hier in der High Street. Allerdings sagte er seinerzeit, er würde für eine kleine Investmentfirma in Cheltenham arbeiten.«
»Investment?« Jack grinste. »So kann man das wohl auch sagen. Damals hieß es noch nicht GCHQ, und niemand sprach laut vom britischen Nachrichtendienst. Doch soweit ich gelesen habe, gab es ein großes Geheimdienstbüro in Cheltenham. Unsere NSA schickte früher Leute dorthin. Ab und zu hatte ich mit denen zu tun.«
»Denkst du, dass er aus einem bestimmten Grund von ›Investment‹ sprach?«, fragte Sarah.
»Nun, in den Anfangszeiten der digitalen Überwachung wussten die Geheimdienstler alle, wer auf den beiden Seiten des Atlantiks die beste Technologie hatte. Und nicht wenige nutzten das zu ihrem Vorteil. Mit ihrem Insiderwissen konnten sie ein Vermögen für die Zeit anhäufen, wenn sie nicht mehr aktiv beim Geheimdienst sein würden.«
Sarah sah, wie Jack sich zu Tony umwandte.
»Lass mich raten: Quentins zehn Millionen stecken zu einem großen Teil in Microsoft- und Apple-Aktien, richtig?«
»Oh Gott«, sagte Tony und nickte langsam.
Jack hatte also richtig geraten, stellte Sarah fest.
»Dieser ausgefuchste Halunke!«, sagte Michael lachend. »Er hatte die Aktien früh gekauft …«
»Was nicht illegal ist, soweit ich weiß«, hob Tony hervor.
»Zur richtigen Zeit am richtigen Ort«, sagte Jack. »Das hätten wir alle gemacht.«
»Aber worauf willst du eigentlich hinaus, Jack?«, fragte Michael. »Quentin arbeitete beim Geheimdienst und besaß einen Haufen Geld. Na und?«
Jack überlegte kurz. »Eben darum geht es, Michael. Was ist, wenn Quentin immer gewusst hat, dass am Ende Geier über seinem Vermögen kreisen würden? Und was ist, wenn er dieses kleine Rätsel entworfen hat, um sicherzugehen, dass sich keiner etwas greift, was ihm nicht rechtmäßig zusteht? Wie, weiß ich nicht. Es ist nur eine Idee. Oder, schlimmer noch: Was ist, wenn er alles so inszeniert hat, dass derjenige, der nicht auf den Zahltag warten wollte, weil er Weihnachten gerne etwas früher hätte, entlarvt wird, bevor er mit dem Geld verschwinden kann?«
Sarah sah Tony und ihren Vater wie erstarrt dasitzen.
Die sind baff, würden die Kinder sagen, dachte sie.
»Warte mal. Willst du andeuten, dass Quentin Andrews vielleicht ermordet wurde?«, fragte Tony.
»Bei einem Jackpot von zehn Millionen Pfund?«, erwiderte Jack. »Da würde ich es nicht ausschließen.«
»Aber Quentin starb an einem Herzinfarkt«, wandte Tony ein.
Jack zuckte mit den Schultern, als wollte er sagen, dass Herzinfarkte nicht immer das waren, was sie zu sein schienen …
»Wir haben hier zwei Spione im Spiel«, sagte er. »Einen toten, einen lebenden. Daher denke ich, dass wir alle in den nächsten achtundvierzig Stunden sehr vorsichtig sein sollten. Wer weiß, mit wem – oder was – wir es hier wirklich zu tun haben?«
Wieder blickte Sarah sich am Tisch um. Sie sah ihrem Vater und Tony an, dass sie Jacks Worte ernst nahmen.
Sehr ernst.
»‚Wo Charles seinen Kopf von oben verlor’.«
»Wie viele Buchstaben?«, fragte Jack.
»Fünf.« Sarah wandte sich vom Whiteboard in ihrem Büro ab, legte den Marker und das Kreuzworträtsel auf den Tisch und blickte zu Jack. Er starrte sie an.
»Das ergibt keinen Sinn«, sagte er. »King Charles – der berühmte englische König, der enthauptet wurde – verlor seinen Kopf in London, nicht in Cherringham. Das weiß jeder, sogar ein New Yorker Ex-Cop.«
Sarah nahm das Rätsel wieder auf.
»Gib mir noch eine Frage«, bat Jack. »Ich bin gerade so gut im Schwung.«
»Okay. Drei senkrecht. ›Nobler Neuengländer‹, acht Buchstaben.«
Sie schrieb den Suchbegriff auf das Whiteboard und malte acht Punkte für die Buchstaben.
»Das ist das leichteste Rätsel, das du finden konntest, was?«
»Die sind nicht nach Schwierigkeitsgrad geordnet, Jack!«
Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten und verschränkte die Arme.
»Ich hätte gedacht, dass du gut beim Lösen von Kreuzworträtseln bist«, sagte Sarah. »Immerhin bist du Ermittler.«
»Und ich hätte gedacht, dass du dich in der Geschichte von Cherringham auskennst. Immerhin bist du eine Einheimische.«
Sie grinste. »Touché! Möchtest du noch einen Kaffee?«
»Gerne.«
Sarah ging in die kleine Küche ihres Büros, schaltete das Licht an und schenkte Kaffee ein. Gleich hinter den kahlen Eichen vorm Fenster begannen die Glocken von St James zu läuten. Aus purer Gewohnheit zählte Sarah mit … Vier Uhr.
Jack und sie waren nach dem Mittagessen direkt in ihr Büro in der High Street gegangen, um die nächsten Schritte zu planen.
Sarah hatte das Whiteboard freigewischt und die Namen der vier Rätselrater – Tricia, James, Emma und Patrick – aufgeschrieben, jeweils mit ihren Handynummern daneben. Dann hatte sie einige der Suchbegriffe an die Tafel geschrieben. Tony hatte ihnen beiden je eine Kopie des Kreuzworträtsels in einem versiegelten Umschlag gegeben.
Durch regelmäßige Anrufe und SMS wollten sie im Blick behalten, wo welcher Spieler gerade war und wie sie mit dem Rätsel vorankamen. Sarah und Jack hatten vor, dem letzten Wunsch von Quentin so gut wie möglich nachzukommen.
Schließlich hatte Tony sie »offiziell« ernannt, um den »Wettbewerb« zu überwachen.
Doch aufgrund des Verdachts von Jack wollten sie beide die vier Kontrahenten auch kennenlernen und sie – ein besserer Ausdruck fiel Sarah nicht ein – einzeln befragen.
Wenn sie das Rätsel jetzt knackten, wäre es leichter, die Wege der anderen in Cherringham vorauszuahnen.
Und sie könnten ihnen folgen.
Aber schon bei den scheinbar einfachen Suchbegriffen stellte sich schnell heraus, dass weder Sarah noch Jack ein Talent für Kreuzworträtsel besaßen.
Sarah gab etwas Milch und Süßstoff in die beiden Kaffeebecher. In dem Moment hörte sie Jacks Mobiltelefon läuten. Und als sie ins Büro zurückkam, beendete er gerade sein Telefonat.
»Okay, Tony, danke. Sicher. Wir halten dich auf dem Laufenden.«
Sarah reichte Jack seinen Kaffee. »Ist was passiert?«
»Tony hatte gerade eine interessante Unterhaltung mit einem seiner Partner, der sich an ein Gespräch mit Quentins Bruder im letzten Jahr erinnerte. Es ging um Erbschaftssteuer. Tony hat in den Notizen nachgeschaut, und wie es scheint, wollte Patrick auch wissen, ob gewisse geistige Verfassungen – und hier hat er zitiert – ›die Gültigkeit eines Testaments infrage stellen‹.«
»Wow, das ist wirklich interessant. Erst recht von einem Mann, der dachte, dass sein Bruder höchstens ein paar Tausend zu vererben hätte.«
»Genau das finde ich auch.«
Sarah trank von ihrem Kaffee, als sie Schritte auf der Treppe draußen hörte. Sie drehte sich zum Eingang um. Die Tür ging auf, und Grace kam herein.
»Hallo … Oh, hi, Jack! Wie geht’s?«
»Gut, danke, Grace. Du kommst gerade rechtzeitig zum Kaffee.«
Grace zog ihren Wintermantel aus und stellte ihre Tasche ab, bevor sie bemerkte, was auf dem Whiteboard stand.
»Oh, was ist das denn? Ein Rätsel?«
Es ist sicher nichts dabei, Grace einzuweihen, dachte Sarah.
Ihre Assistentin wusste, dass Sarah und Jack nebenher manchmal als Privatdetektive ermittelten. Und auch wenn Sarah sie tunlichst aus allem Gefährlichen oder Halblegalen heraushielt, nahm sie ihre junge Assistentin bei einem Fall gern mit ins Boot, sofern Grace interessiert war.
Grace war blitzgescheit und konnte bisweilen Gold wert sein.
»Eine Art Kreuzworträtsel, bei dem allerdings ein etwas größerer Preis als gewöhnlich zu gewinnen ist«, sagte Jack, während Grace die Fragen las.
»Komisch, da geht es überall um Cherringham«, murmelte Grace.
Sarah sah zu Jack und wieder zu Grace. »Woher weißt du das?«
»Ist doch offensichtlich … eigentlich …«
Jack warf Sarah einen Blick zu.
»Inwiefern?«, fragte er.
»Na … ›Nobler Neuengländer‹. Das muss Harry Marshall sein.«
»Harry Marshall?«, fragte Sarah schmunzelnd. »Wer ist das?«
»Echt jetzt, Sarah! Jeder kennt doch Harry Marshall! Er kam 1912 aus Boston nach Cherringham, um in Cherringham Hall zu unterrichten, schloss sich dem Gloucester-Regiment an, als der Krieg ausbrach, und fiel in Gallipoli.«
»Ein Amerikaner, hmm?«, hakte Jack nach.
»Stimmt«, antwortete Grace. »Und er hätte nicht kämpfen müssen. Er sagte einfach … er müsste. In der Kirche gibt es eine Gedenktafel für ihn.«
»Das muss es sein«, sagte Jack.
»Und das da: ›Guter Platz zum Landen‹, zwölf Buchstaben. Das muss Wykeham Field sein, wo mal ein Flugzeug notgelandet ist. Damals ging ich noch zur Schule!«
»Wie es aussieht, solltest du dieses Rätsel lösen«, sagte Jack.
»Oh, ich liebe die Dinger! Immer schon!«
»Na gut. Was ist mit Charlies Kopf?«, wollte Jack wissen und nickte zum Whiteboard.
»Fünf Buchstaben … hmm … Genau! Angel. Der alte Pub. Der muss es sein. King Charles hatte dort vor jener großen Schlacht übernachtet, aber er bekam kein Auge zu, und man glaubt, dass ihn das am nächsten Tag die Schlacht, den Krieg und schließlich sein Leben kostete. Wirklich, Sarah, das kannst du doch unmöglich nicht wissen!«
Sarah zuckte mit den Schultern. »Es ist mir auch wahnsinnig peinlich. Wenn ich mehr Geld hätte, würde ich dich auf der Stelle befördern.«
Grace grinste ihr zu. »Du bist mein Zeuge, Jack. Anscheinend bin ich jetzt hier der Boss.«
»Nimm den Job nicht an, Mädchen. Viel zu stressig«, riet Jack.
»Ja, da hast du wohl recht«, sagte Grace und setzte sich lachend an ihren Schreibtisch.
»Was hältst du davon, wenn du noch ein paar von den Rätseln knackst, Grace, während Jack und ich ein bisschen draußen nachforschen? Du bist uns eine große Hilfe!«
»Mit Freuden! Darf ich fragen, ob das ein Fall ist?«
»In gewisser Weise«, antwortete Jack.
»Und es gibt einen Preis?«
»Für dich ist es ein Abendessen im Spotted Pig – auf Sarahs und meine Rechnung.«
»Für zwei?«, fragte Grace. »Alleine macht das ja keinen Spaß.«
»Du verhandelst ganz schön hart. Okay, abgemacht«, sagte Jack.
Sarah gab ihr das Kreuzworträtsel und drehte sich zu Jack um. »Also, wir haben vier Spieler. Wen willst du dir als Erstes vornehmen?«
»Wie wäre es, wenn ich mich auf die Suche nach Tricia Guard mache und du unseren neuen Freund Carlisle aufspürst?«, schlug Jack vor und zog seine dicke Jacke an.
Sarah war sofort Feuer und Flamme.
Von den vier Spielern würde Carlisle, der Spion, ohne Frage der spannendste sein. Und es war ein enormer Vertrauensbeweis von Jack, dass er sie auf ihn ansetzte.