Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2015 Rainer Franke
Illustration: Rainer Franke
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7386-6060-9
Von einer Liebeserklärung an ein Flittchen, eine etwas schmuddelig daherkommende, kiffende Angebetete
Liebe auf den ersten Blick sieht anders aus. Es war nicht einmal Hassliebe. Es war lange Zeit reinweg nichts, was uns verband.
Ich habe dich oft besucht, dir in dein steiles Antlitz geschaut. Die Stelle, an der du schön bist, versuchte ich nicht einmal, zu finden. Es schien aussichtslos. Ich dachte, mit uns wird es nie etwas. Nein, nicht einmal das dachte ich. Du hast für mich nur existiert. Selbst das habe ich ignoriert.
Und Du? Du unternahmst keinerlei Anstalten, auf mich zu zukommen. Es gibt ja genügend Andere, die sich für dich interessieren. Du hast die große Wahl. Sie liegen dir zu Füßen, sie hoffieren dich und tragen dich regelrecht auf Händen.
Mir fehlt jegliche Erinnerung daran, wann es geschehen ist. War es ein Knall? Ist es heimlich, im Schneckentempo, so hinten herum passiert? Irgendwann ist mir jedenfalls bewusst geworden: Eigentlich bist du ein ganz manierliches, nettes Mädel.
Ja, stellenweise kommst du etwas dreckig daher. Oft bist du ziemlich hektisch. Dann wieder verträumt. Kiffst Du etwa? Du bist groß und wächst trotzdem. Und teuer bist du, das kann man mit Worten kaum beschreiben. Dabei bist du reich! Geld scheint dein Elixier zu sein. Du kennst wenig Regeln oder ignorierst sie einfach. Bei Rot über die Straße rennen, ist einer der kleinen Verstöße. Die Welt liegt dir zu Füßen. Von überall kommen sie her - nur zu dir! Wenigstens um nur mal ‚Guten Tag‘ zu sagen. Du magst Kunst und Kultur, Theater und Film, Musik, Architektur, Literatur, Natur und reichlich anderes. Du bist ein sehr gebildetes Flittchen. Ja, du treibst es mit Vielen gleichzeitig. Und niemand nimmt dir das übel!
Wenn ich am Fluss stehe, mir eine leichte Brise um die Ohren wehen lasse und zu dir aufschaue, dann weiß ich:
„Frankfurt hat etwas ganz Besonderes!“
Von meiner besten Schrift, dem Urinstein der Liebsten, Liebesbriefen aus dem Internet, Goethe und ganz individuellem Geschreibsel
Ansichtskarten sind out! Briefeschreiben ist verpönt. Heutzutage wird alles am Computer oder mit dem Smartphone erledigt. E-Mail, Twitter, Facebook & Co. sind angesagt. Damit können wir immer und überall erreicht werden. Außer, wenn wir in den Kommunikationsstreik getreten sind. Das kommt allerdings sehr selten vor. Dann befürchten alle gleich mitleidsvoll, den Streikposten hat eine ganz furchtbare Infektion heimgesucht. Hoffentlich ist die nicht ansteckend! Wird er gesund oder rafft sie ihn danieder? Wann endlich ist er wieder online?
Lernen die Kinder in der Schule überhaupt noch die Schreibschrift? Was soll aus der Menschheit nur werden, wenn es so weitergeht? Heute wird alles in den Computer getippt. Der Rechner passt auf, dass uns keine Schreibfehler unterlaufen. Die Rechtschreibprüfung irrt nie, meistens. Das Programm schlägt das richtige Wort vor, bevor wir es fertig eingetippt haben. Na gut, statt ‚Urinstinkt‘ empfiehlt es vielleicht auch mal ‚Urinstein‘ oder ‚Urin stinkt‘. Und wir übernehmen das, ohne es zu bemerken.
„Liebste! Mein Urinstein sagt mir, dass wir beide …“. Das ist natürlich blöd und ziemlich kontraproduktiv. Wie ich Bill Gates kenne, hat er dieses Problem längst erkannt. Unsere Urenkel werden ihre Liebe mit ‚Loveword 2057‘ offenbaren.
Die Urenkel? Weshalb nicht schon wir? Schließlich leben wir mitten am Anfang des dritten Jahrtausends! Wozu gibt es im Internet die vielen Liebesbriefgeneratoren? Man tippt die Namen, die besonderen Merkmale der Liebsten und seine intimsten Wünsche ein. ‚Klick‘ und fertig ist der Liebesbrief!
Innig geliebte Fanni- Chantal!
Deine blauen Augen sind das absolut Verführerischste, das ich jemals gesehen habe. Mit diesem Brief offenbare ich meine innigste Liebe! Jedes Wort, das ich zu Papier bringe, kommt unmittelbar aus meinem Herzen. In Gedanken streiche ich über Deine wundervollen blonden Haare.
Ich liebe Deine roten Lippen. Ich liebe es, Dich mit begehrenden Blicken zu fixieren. Diese wundervollen Lippen sind wie ein weiches Bett, in das ich mit Dir fallen möchte. Ich träume davon, mit Dir eng umschlungen am Strand zu liegen, die Sonne untergehen zu sehen und zu spüren, wie unsere liebenden Körper zärtlich eins werden.
Du bist so irrsinnig romantisch. Ich kann es kaum erwarten, Deinen Körper sanft an meinen Körper zu drücken und das Pochen Deines Herzens zu spüren. Ich kann Dich gar nicht oft genug anschauen, meine Begierde ist nahezu grenzenlos!
In ewiger Liebe
Dein Olaf-Dennis
Das Ergebnis sieht doch ganz manierlich aus! Jetzt müsste man es nur noch mit roter Tinte auf ein weißes oder rosarotes Blatt Papier pinseln, vielleicht ein Herzchen dazu malen und einen Hauch Duft drüber-träufeln. Dann ab damit in den Briefkasten der Angebeteten.
Irgendwie ist mir dabei nicht wohl zumute. Wie reagiert eine Frau auf so etwas? Die Gefahr einer Blamage scheint mir ein Quäntchen zu groß. Ihr die ganz persönliche Variante ins Ohr zu flüstern, ist bestimmt wirkungsvoller.
Statt unserer miserablen Handschrift haben wir heute die Auswahl zwischen hunderten Designerschriften. Eine ist steriler als die Andere. Für die tägliche Kommunikation im so sexy und unkreativ möblierten Büro ist das sicher eine gute Lösung. Aber der Brief an die Geliebte… Hätte Johann Wolfgang der Frau von Stein dazumal seine Liebesschwüre per WinWord mit der Schrift Arial 12 geschrieben, wäre er bestimmt schon nach fünf Minuten abgeblitzt. Das waren vielleicht Zeiten, damals! Sollten Goethe, Schiller, Lessing oder gar Shakespeare uns Leidtun?
War das eine Qual, als ich in der Schule immer schönschreiben sollte. Es war sogar eine vielfache Pein. Zuerst für mich, der ich die Buchstaben ordentlich zu Papier bringen sollte. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Dann quälte sich die Lehrerin, die mein Gekrakel lesen und bewerten musste. Schließlich ging es wieder für mich weiter. Ich hatte die entsprechende Zensur nervlich zu verkraften. Die Note selbst hat mich absolut kalt gelassen. Ich war ein MANN, ein Mann im zweistelligen Alter! So etwas war ich gewohnt.
„Soll die Lehrerin ihren Kram gefälligst selber ordentlich schreiben!“ Unter jeder Klassenarbeit stand eine 1 oder 2 und für die Schrift eine glatte 4 oder 5. Das ist doch super! Der Schüler hat einen guten Aufsatz, eine perfekte Mathe- oder Physikarbeit abgeliefert! Die Heisenbergsche Unschärferelation wird nicht schärfer, wenn sie mit schnörkellosen Schriftzügen notiert wird! Das Problem war immer die Beichte zu Hause. Zum Glück war die Schrift meines Vaters eher nicht von der ordentlichen Sorte. Bei meiner Mutter sieht das ganz anders aus. Sie hat die typische Mädchenhandschrift, ein Schriftzeichen schöner als der andere. Mir ist bis heute unklar, wie man solch eine Handschrift bekommen kann. Die Buchstaben sind doch so eigenwillig, frech, zappelig und unverschämt individuell. Jedes einzelne ‚A‘ sieht anders aus. Vom ‚B‘, dem ‚C‘ und den anderen Lauten will ich gar nicht erst reden. Die Letter sind echte Persönlichkeiten. Sie strahlen eine Aura aus, haben Charisma. Die können gar nicht gleich sein!
Ich fordere:
„Formfreiheit für die Buchstaben!“
So geht es wirklich nicht! Die doch so gebildeten Lehrer kapieren das einfach nicht! Es gibt dicke und dünne Letter, lange und kurze, gerade und krumme, windschiefe nach links und windschiefe nach rechts, zu hoch gehängte und zu tief sitzende und, und, und ... Und dann noch alle denkbaren und undenkbaren Kombinationen daraus. Mann steht zu seiner Sauklaue und Frau ebenfalls.
Und wenn es unbedingt sein muss, sollte man sich mit seiner typischen Mädchenhandschrift outen! Es gibt Schlimmeres. Den mitleidsvollen Blick und die Bemerkung, „Du hast aber eine gute Schrift!“, verkraftet man schon, irgendwie und im Laufe vieler Jahre. Auch solche Menschen können es im Leben zu etwas bringen. Nicht jeder kann Doktor oder Professor werden. Für die schweren Fälle gibt es Selbsthilfegruppen und Psychotherapeuten.
Trotzdem und gerade deshalb ist ein handgeschriebener Brief etwas ganz Besonderes. Er ist nicht nur ein Unikat. Er spiegelt die vorzügliche Achtung, Freude, vielleicht auch Liebe des Schreibers wider. Er zeigt, dass er sich nicht zu schade ist, das mehr an Aufwand für einen eigenhändig geschriebenen Brief auf sich zu nehmen. Er macht sich selbst über die Rechtschreibung Gedanken! Er kann nicht so einfach einen misslungenen Satz löschen. Er muss dazu stehen oder den Zettel zerknüllen und von vorn beginnen. Er hat sein Köpfchen richtig und höchstpersönlich angestrengt.
Was lehrt uns das? Ganz klar, wir müssen kämpfen. Kämpfen wir für die Erhaltung des individuellen Geschreibsels.
Rettet die Handschrift!
Von einer blonden Freundin, verschmähtem Kräutertee, der fünften Wurzel, dem Grundgesetz, einer Schüssel Apfelmus und dem Geheimdienst
Seit Kurzem habe ich eine neue Freundin. Ich kann wirklich nichts dafür. Ich schwöre es!
Sie war plötzlich da. So, wie das mit Freundinnen immer ist. Erst wartet man eine halbe Ewigkeit vergebens, baggert hier, baggert dort. Wenn man eine braucht, steht man alleine da, mitten im dunklen Wald und ist furchtbar einsam und traurig. Und dann … Man denkt an nichts Böses und wird auf einmal ganz überraschend, freundlich, fast liebevoll gefragt:
„Wie kann ich behilflich sein?“
Was soll man da sagen? In meinem Alter benötigt man normalerweise keine Hilfe. Da legt man großen Wert auf Selbstständigkeit. Körperlich bin ich fit wie ein ausgelatschter Turnschuh. Was meine geistigen Potenzen betrifft, gibt es auch keinen Grund zur Besorgnis. Na gut, manchmal bin ich etwas vergesslich, ein wenig schusselig. Deshalb notiere ich mir andauernd irgendetwas auf Zetteln, die ich natürlich nicht wiederfinde. Irgendwann lauern sie unter dem großen Stapel auf mich. Dann ist es zu spät. Aber das Zettelschreiben beruhigt.