Der Begriff »Raubritter« ist eine späte Wortschöpfung und die Diskussion um das räuberische Rittertum sehr kontrovers. Im Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert, als die Städte erstarkten und allmählich die Geldwirtschaft die Naturalwirtschaft zurückdrängte, zudem neue Waffen den Ritterheeren kaum noch Bedeutung zukommen ließen, verschlechterte sich auch die Ertrags- und Vermögenssituation der Ritter. Ihre Notlage versuchten sie durch Straßenraub und Erpressung von Löse- und Schutzgeldern zu überwinden. Nicht immer jedoch sind Raub und Fehde deutlich auseinanderzuhalten.
Ein berühmter sogenannter »Raubritter« war Caspar Gans von Putlitz, ein märkischer Ritter, dem die Preußen-Chronik aus dem Jahr 1397 bereits testierte, zusammen mit den Herren Bredow, Quitzow und Rochow ein schlimmer Geselle gewesen zu sein, da sie Städte und Dörfer überfielen, Vieh von den Weiden raubten, Morde und andere Straftaten begingen und das Fehdewesen sich ungehemmt ausbreiten ließen. Diese Klassifizierung als Raubritter hing ihnen lange an. Fontane kam in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg im Jahr 1889 zu einer anderen Einschätzung und stellte die Klassifizierung als Raubritter infrage, insbesondere weil er die zeitgenössischen Quellen als parteiisch und stigmatisierend ansah. Er bezieht sich weitgehend auf die eher neutralen Beschreibungen des preußischen Archivars Georg Wilhelm von Raumer (1800–1856).
In einem Frühwerk von Karl May, »Der beiden Quitzows letzte Fahrten«, veröffentlicht in der Zeitschrift »Feierstunden am häuslichen Heerde« in den Jahren 1876/77, kommt Caspar Gans von Putlitz zu literarischen Ehren und wird dort folgendermaßen charakterisiert:
»Obgleich die Gänse sonst nicht sehr großer Ehre und Auszeichnung genießen, war die Gans von Putlitz doch von jeher ein gar berühmter und gefürchteter Vogel gewesen, um dessen Freundschaft die Parteien sich stets sorgsam bemüht hatten. Besonders hatte Herr Caspar es stets verstanden, sich in Ansehen und Würde zu setzen, so daß selbst der Kaiser ihn mit Aufmerksamkeiten bedachte und auch der Markgraf sich bemühte, seine Freundschaft zu erwerben; aber er war ein gar hainebuchener Charakter, der die höfischen Sitten und Gebräuche nimmer leiden mochte und auch seinen alten, langjährigen Verbündeten die Treue nicht brechen wollte.«1
Hintergrund war die Machtübernahme der Hohenzollern nach dem Ende der askanischen Herrschaft in der Mark Brandenburg. Dazwischen lagen fast einhundert Jahre, in der Unsicherheit und Instabilität herrschten. Nicht nur die Quitzow und Gans von Putlitz, auch andere Adelsfamilien und sogar der Konvent im Lehniner Zisterzienserkloster bedienten sich rüder Methoden. Nach der Machtübernahme der Hohenzollern kam es auch zu einer Aussöhnung mit dem Prignitzer Adel.
Die Fehde gründete auf dem Hausfrieden der Germanen. Wurde dieser von außen gestört, so diente die Fehde (faida) dazu, ihn wieder herzustellen. Der Begriff Fehde lässt sich über das Mittelhochdeutsche (vêhede, gevêhede) zurück zum Althochdeutschen (fêhida, gifêhida = feindselig) verfolgen. Zunächst war es ein Mittel zur Regulierung von Rechtsbrüchen unter Freien. Der Knecht und die Frau waren nicht fehdefähig. Der Hausherr trat dafür ein. Im Mittelalter erweiterte sich die Fehde derart, dass große Fehden zwischen Ritterbünden und Städten vorkommen konnten. Die Kirche bemühte sich bereits im 10. Jahrhundert um Einschränkung des Fehderechts, die Kaiser des 13. und 14. Jahrhunderts ebenfalls – mit wenig Erfolg. Erst mit dem »Ewigen Landfrieden« (1495) wurde die Fehde endgültig verboten. Zwar kam es auch danach noch zu Fehden, doch enden diese sämtlich mit Ächtung und Vertreibung der Landfriedensbrecher. Die Grumbachsche Händel im Jahr 1567 war die letzte Fehde und führte zu lebenslanger Festungshaft für den Herzog Johann Friedrich II. den Mittleren von Sachsen-Coburg-Eisenach. Fehdebrecher war eigentlich der Ritter Wilhelm von Grumbach, den Friedrich der II. aber aufnahm und unterstützte, weshalb ihn auch die Strafe Kaiser Maximilians II. traf. Grumbach wurde exekutiert, Friedrich II. starb nach 29-jähriger Haft. Nicht immer kam es zu solch harten Bestrafungen. Oft ließ man die »Urfehde« schwören, womit ein Verzicht weiterer Fehdehandlungen gemeint war.
Die Familie Gans Edle Herren zu Putlitz gehört zum märkischen Uradel und besteht noch heute. Der Nachfahre Gebhard zu Putlitz gibt an, dass wohl Ritter Johannes den Übernamen Gans trug, weil die Herkunftsburg bei Politz Gänseburg genannt wurde. Diese Gänseburg wird vermutlich ein großer, befestigter Hof gewesen sein, in dem möglicherweise erfolgreich Gänsezucht betrieben wurde. Es gibt aber auch eine Sage, die dies etwas anders darstellt: Als einziger Überlebender einer Schlacht soll der junge Graf von Mansfeld im Jahre 1115 gesagt haben: Hier stehe ich wie eine verflogene Gans, was ihm dann den Namen für seine Familie gab.2 Reste der Burg sind heute noch in Putlitz zu sehen. Nachfahr Gebhard Gans Edler zu Putlitz übte übrigens bis zu seinem Tod die Schirmherrschaft über den Putlitzer Preis aus, ein literarischer Preis, der jährlich von den »42er Autoren« vergeben wird.
Literarisch setzte man sich mit dem Räuber- und Raubrittertum bereits in der mittelhochdeutschen Literatur auseinander. Wernher der Gartenaere, ein Autor aus dem 13. Jahrhundert, beschreibt in seiner Verserzählung Meier Helmbrecht, wie sich ein Bauernsohn – genauer: der Sohn eines Gutsverwalters –, der durch günstige Umstände an eine Ritterhaube gekommen ist, aufmacht, selbst Ritter zu werden. Um es leicht zu haben, schließt er sich einer Raubritterbande an und zieht mit ihnen mordend und plündernd über Land. Er kehrt einmal zu seiner Familie zurück, um sich mit seinen Erfolgen zu brüsten und kann die Schwester dazu überreden, einen Raubkumpanen zu heiraten. Trotz eindringlicher Bitten der Eltern will der junge Helmbrecht von diesem leichten Leben nicht lassen. Bei der Hochzeit jedoch wird die Bande überwältigt. Alle werden gehängt – Helmbrecht jedoch als zehnter am Leben gelassen. Dafür sticht man ihm die Augen aus und hackt ihm je einen Fuß und eine Hand ab. Die Eltern verstoßen ihn, so dass er ohne Orientierung im Wald umherirrt. Bauern, die er zuvor geplündert hat, finden ihn und hängen ihn auf.
Diese Versnovelle ist keine realistische Beschreibung einer bestimmten historischen Person, sondern eher als Lehrstück gedacht. Der junge Helmbrecht verstößt gegen alle damaligen gesellschaftlichen Regeln und stellt die Ordnung generell in Frage, insbesondere indem er gegen das vierte Gebot (du sollst Vater und Mutter ehren …) verstößt. So etwas kann natürlich nicht gut gehen. Entsprechend endet das Stück in einer Katastrophe und dem Tod der Hauptfigur des Stückes.
Gustav Freytag (1816–1895) hat die mittelhochdeutsche Verserzählung in seinen »Bildern aus der deutschen Vergangenheit« in eine Prosaerzählung übertragen. Zur gesellschaftlichen Situation schreibt er: »Groß war in den Jahren des reisigen Minnegesanges die Abneigung zwischen Hof und Dorf, zwischen höfisch und bäurisch; die Ritter sahen aus ihrer Trinklaube hochmütig auf die Dorflinden und den grünen Anger hinab, die Bauern feindselig auf die gepanzerte Schar am Waldesrand. Viele Jahrhunderte hatten gearbeitet, den Stolz des Landmanns zu verringern; nicht nur, wer den Ritterschild trug, auch der Handwerker in der Stadt fühlte sich in besserem Recht und höherer Kunst als der Bauer.«3 Allerdings hatte der Bauer noch eine deutlich andere Stellung als der Leibeigene und fühlte sich als Freier, der mit eigenem Schwert zur Versammlung an der Gerichtsstätte des Dorfes ging. Nur so ist verständlich, dass sich ein Bauernsohn aufmacht, ein Ritter zu werden. Und auch nur so ist verständlich, dass er dafür am Ende von Bauern gerichtet wird.
Eine der bekanntesten und schillerndsten Figuren, die nicht selten auch mit der Bezeichnung Raubritter belegt wird, und die uns bis heute zumeist von der Bühne bekannt ist, ist der Reichsritter Gottfried »Götz« von Berlichingen (um 1480–1562). Obwohl Johann Wolfgang von Goethes Drama auf der Autobiografie Berlichingens fußt, ist es doch nicht historisch korrekt.
Gottfried von Berlichingen war das jüngste von zehn Kindern des Kilian von Berlichingen aus Jagsthausen. Seine Mutter war Margaretha von Thüringen. Er besuchte die Klosterschule in Niedernhall am Kocher, aber wohl nicht lang, denn schon im Alter von ungefähr 14 Jahren trat er in die Dienste seines Onkels Konrad von Berlichingen und begleitete ihn bei zahlreichen Unternehmungen. Nach dem Tod Konrads war er zunächst Türhüter bei Markgraf Friedrich II. in Ansbach, später dann Knappe bei Veit von Lentersheim, den er in den Schweizerkrieg begleitete.
Als freier Ritter schloss er sich bereits früh mit seinem Bruder Philipp dem Ritter Hans Talacker von Massenbach an, der sich vor allem durch Plünderungen, Wegelagerei und Brandschatzungen hervortat. Sein Vetter Neidhart von Thüngen konnte ihn zunächst vor dem Schlimmsten bewahren, indem er ihn immer rechtzeitig von Talacker abzog. Bei der Belagerung Landshuts im Jahr 1504 verlor Götz seine rechte Hand. Er ließ sich daraufhin eine »eiserne Hand« anfertigen, eine Prothese der Art, wie sie damals üblich war. In den folgenden Jahren nahmen die Fehden, in die Götz von Berlichingen verwickelt war, zu. Er stritt mit dem Bischof von Bamberg, mit Nürnberg, mit den Kölnern. Im Jahr 1512 verhängte Kaiser Maximilian die Reichsacht über ihn, die erst wieder aufgehoben wurde, als er im Mai 1514 das Versprechen gab, 14.000 Gulden Schadenersatz zu leisten. Es folgten jedoch weitere Fehden und bereits im Jahr 1518 die nächste Reichsacht. 1519 nahm ihn der Schwäbische Bund gefangen und setzte ihn in Heilbronn in Haft. Erst im Jahr 1522 entschloss sich Götz dazu, die Urfehde zu schwören und kam gegen Zahlung von 2000 Gulden und Ersatz der Verpflegungskosten frei. Er zog sich auf Burg Hornberg zurück, die er bereits 1517 gekauft hatte, und blieb ruhig, bis 1525 der Bauernkrieg ausbrach.
Um seine Burg und seine Besitzungen zu schützen, sah Götz sich gezwungen, einen Vertrag mit den Bauern zu schließen, als der Odenwälder Haufen unter Führung Georg Metzlers in seine Nähe kam. Er musste die Führung der Bauern übernehmen, belagerte mit ihnen Würzburg, war an der Besetzung von Amorbach beteiligt und ließ die Plünderung der dortigen Benediktinerabtei zu. Andererseits konnte er manche Zerstörung verhindern. Bei der Wildenburg im Odenwald gelang ihm das jedoch nicht. Nach Niederschlagung des Bauernaufstands wurde er vor Gericht gestellt, wo er sich mit dem Hinweis rechtfertigte, er habe Schlimmeres verhindern wollen. Das Reichskammergericht glaubte ihm und sprach ihn im Oktober 1526 schuldlos, doch betrieb der Schwäbische Bund weiterhin seine Verfolgung, nahm ihn im November 1528 gefangen und hielt ihn bis März 1530 in Augsburg im Kreuz-Torturm fest. Er kam schließlich frei, indem er erneut Urfehde schwor. Außerdem musste er mehrere Versprechen abgeben: sich nur noch im Bereich seiner Burg Hornfeld aufzuhalten, kein Pferd mehr zu besteigen und keine Nacht außerhalb des Schlosses zu verbringen. Die Bischöfe von Mainz und Würzburg forderten zusätzlich noch eine hohe Entschädigung.
Götz von Berlichingen hielt sich weitgehend an die Auflagen und verließ die Gemarkung seiner Burg nicht mehr. Erst 1540 löste der Kaiser ihn aus seiner Acht, weil er den kriegserfahrenen Ritter bei seinem Kampf gegen die Türken brauchte. Der Sechzigjährige zog noch einmal in den Krieg, nachdem er binnen kurzer Frist hundert Ritter für den Kaiser zusammenbekommen hatte. Dieser Kriegszug war nicht von Glück gesegnet, Götz kehrte jedoch unbeschadet zurück zu seiner Burg. Er zog dann noch einmal mit Karl V. gegen die Franzosen, erkrankte dabei an der Ruhr, lebte nach dem Friedensschluss jedoch seine letzten Jahre auf Burg Hornberg, bevor er am 23. Juli 1562 »uber etlich und achtzig Jahr alt« starb. Er ist im Kreuzgang des Klosters Schöntal beigesetzt.
Vor seinem Tod hatte er noch eine Art Autobiografie geschrieben, die sich jedoch eher wie eine Rechtfertigung liest. Ein kleiner Auszug daraus ist im Kapitel 8 abgedruckt. Götz von Berlichingens Leben, voll von Fehden, bei denen er nicht zimperlich war und auch vor Überfällen auf Kaufleute nicht zurückschreckte, mag bei kurzsichtiger Betrachtung Anlass sein, ihn und manche seiner Zeitgenossen Raubritter zu nennen. Tatsächlich ist er aber einer der letzten Ritter, die gegen die reich und mächtig gewordenen Städte ankämpften. Ritter wurden nicht mehr gebraucht und kaum hundert Jahre später waren es nicht mehr die Freien, die die Herrscher für ihre Feldzüge anwarben, sondern Söldner.