Inhalt

  1. Titel
  2. Zu diesem Buch
  3. Widmung
  4. 1
  5. 2
  6. 3
  7. 4
  8. 5
  9. 6
  10. 7
  11. 8
  12. 9
  13. 10
  14. 11
  15. 12
  16. 13
  17. 14
  18. 15
  19. 16
  20. 17
  21. 18
  22. 19
  23. 20
  24. 21
  25. 22
  26. 23
  27. 24
  28. 25
  29. 26
  30. 27
  31. 28
  32. 29
  33. 30
  34. 31
  35. 32
  36. 33
  37. 34
  38. 35
  39. 36
  40. 37
  41. 38
  42. 39
  43. 40
  44. 41
  45. 42
  46. 43
  47. 44
  48. Epilog
  49. Die Autorin
  50. Die Romane von Cherrie Lynn bei LYX
  51. Leseprobe
  52. Impressum

CHERRIE LYNN

My Perfect Ruin

Roman

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Zu diesem Buch

Nach einer schlimmen Trennung will Rockstar Elijah Vance sich nur noch auf die wenigen Dinge im Leben konzentrieren, die für ihn die Welt bedeuten: seine Musik und seine beiden kleinen Söhne. Er nimmt die beiden mit auf seine zweimonatige US-Tour, doch es gibt ein Problem: ihre Nanny Iris Silverman. Nicht nur wurde sie von seiner Exfrau beauftragt, Elijah im Auge zu behalten und alles, was ihn um das Sorgerecht bringen könnte, sofort zu melden, sie berührt auch das erste Mal seit einer Ewigkeit sein kaltes Herz …

For those about to rock …

1

»Verdammt, Heidi! Ich brauche kein Kindermädchen.«

»Du willst die Jungs den Sommer über bei dir haben? Dann nur zusammen mit der Nanny.«

Elijah Vance fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und erwiderte im Badspiegel den sturen Blick seiner Exfrau, während sie eine Schicht schimmernden roten Lippenstifts auftrug. Möglicherweise, um seine Aufmerksamkeit auf diesen speziellen Teil ihres Gesichtes zu lenken – obwohl sie eigentlich wusste, dass ihre Schönheit seit langer Zeit keine Waffe mehr war, die sie gegen ihn einsetzen konnte. Wie dem auch sei, er war sauer. Sie machte sich bereit, mit ihrem Freund, dem Filmstar, auszugehen, aber diesmal hatte Eli darauf bestanden, das Gespräch, das er schon ein Dutzend Mal zu führen versucht hatte, endlich zu einem Ergebnis zu bringen.

»Die Jungen sind keine Mühe«, sagte er. »Ich verstehe gar nicht, warum du die Nanny brauchst. Es ist einfach noch etwas, wofür du mein Geld ausgeben kannst.«

Heidi ließ entnervt die Hand mit dem Lippenstift sinken. Es war vielleicht nicht die beste Taktik, aber jedes Mal, wenn er sein Geld ins Spiel brachte, hatte er sie. »Wie bitte?«

»Ich werde nur während der anderthalb Stunden, die ich auf der Bühne stehe, von ihnen getrennt sein. Das ist alles. Sie werden da sein und zuschauen, und den Rest der Zeit werde ich mit ihnen verbringen. Das ist doch der Sinn der Sache. Diese Nanny …« Er brach ab. Verflucht, wie war doch noch ihr Name? Er konnte ihn sich einfach nicht merken. Sie hielt sich immer still im Hintergrund, achtete auf die geforderten zehn Schritte Abstand, damit die Paparazzi sie nicht auf ein Foto bekamen und dem Rest der Welt gegenüber andeuten könnten, dass Heidi Vance mit ihren beiden Kindern nicht fertig wurde. »Wie immer sie auch heißt, sie wird nicht benötigt. Sie ist völlig überflüssig.«

Heidi wandte sich vom Spiegel ab, sah ihn direkt und abfällig lächelnd an. »Sie heißt Iris, und sie wird alles andere als überflüssig sein, wenn man bedenkt, wie viel Zeit du damit verbringst, Groupies zu ficken.«

Eli biss die Zähne zusammen. Auch Heidi wusste nach all den Jahren offenbar immer noch, wie sie ihn kriegte. »Ich werde keine Groupies ficken«, brummte er.

»Ah. Sie werden so enttäuscht sein, das zu hören.«

»Sie werden damit leben müssen.«

Bei den Tourneen von Aesthetic Ruin ging es nicht mehr um den stereotypen Rockstar-Lebensstil, denn Eli – und hoffentlich auch der Rest der Männer in der Band – war eher daran interessiert zu leben, statt Partys zu feiern. Nach fünfzehn Jahren dürften sie alle ihren Körpern genug Schaden zugefügt haben, und was Groupies betraf … man konnte nur eine begrenzte Zahl von nackten Groupies anschauen, bis man das Gefühl bekam, sie alle gesehen zu haben.

Obwohl er annahm, dass ein in die Jahre gekommener, vom Leben gezeichneter Rockstar ebenso ein Stereotyp war wie der heftig feiernde. Vom Leben gezeichnet. Vom Leben. Das klang besser als »verlebt«. Auch wenn er sich noch nicht in diese Kategorie einordnete, ebenso wenig wie seine Hardcorefans, gab es jede Menge Arschlöcher im Internet, die das taten. Aber die wussten einen Scheißdreck.

Für ihn ging es nur um die Musik. Den Rausch, den er auf keine andere Weise erlangen konnte. Die Menschenmengen. Das war die einzige Droge, die er sich gestattete. Denn es gab Seger und Dylan, seine beiden Söhne, die zu ihm aufschauten. Sie waren elf beziehungsweise neun und in diesem magischen Stadium des Lebens, in dem einem Kind absolut nichts entging. Er hatte sie in den vergangenen Jahren oft genug im Stich gelassen; er hatte nicht vor, das wieder zu tun. Niemals.

»Hör mal, Iris ist großartig, und ich vertraue ihr«, sagte Heidi, deren Stimme eine vernünftigere Tonlage annahm. »Ich werde mir nicht so große Sorgen machen, dass die Jungen ohne mich unterwegs sind, wenn du sie mitnimmst. Du weißt, dass binnen eines Wimpernschlags etwas passieren kann.«

»Und ich nehme an, Supernanny Iris blinzelt nie.« Das Letzte, was er brauchte, war die Speichelleckerin seiner Exfrau, die ihm ständig auf der Pelle hockte.

»Nein, tut sie nicht.«

Wunderbar.

Eli seufzte. Es gab wahrscheinlich keine Möglichkeit, aus der Sache rauszukommen. Heidi verzichtete auf ihre Zeit mit den Jungen, damit er die beiden mit auf Tournee nehmen konnte, wobei er bezweifelte, dass das ein großes Opfer ihrerseits darstellte. Wie die Dinge lagen, musste er ihr in diesem Punkt nachgeben, eine andere Möglichkeit gab es wohl nicht.

Aber er hatte es so verdammt satt, sie gewinnen zu lassen.

»Und für dich wird es leichter sein«, fuhr sie fort. »Iris kennt ihren Tagesablauf, ihre Bedürfnisse und weiß über Dylans Allergien Bescheid. Verbring Zeit mit den beiden, so viel du willst, und lass Iris sich um die schwierigen Dinge kümmern. Was gibt es daran auszusetzen?«

»Vielleicht will ich mich um die schwierigen Dinge selber kümmern.« Im Gegensatz zu dir, fügte er stumm hinzu.

Als hätte er den Gedanken laut ausgesprochen, stieß sie ein schneidendes Lachen aus. »Glaub mir, das willst du nicht. Sie können ziemlich anstrengend sein.«

»Natürlich. Es sind Kinder.« Er war immer besser als Heidi in der Lage gewesen, mit den verschiedenen Krisen fertig zu werden. Sie neigte bei der geringsten Störung ihres perfekten Lebens zu Zusammenbrüchen. Dylans Allergien waren ein Paradebeispiel dafür. Von seiner ersten anaphylaktischen Reaktion an war sie verzweifelt gewesen wegen der zusätzlichen Arbeit, dafür sorgen zu müssen, dass er nichts aß, was er nicht essen durfte, vor allem Cashewnüsse und Meeresfrüchte. Das einzige Mal, als eine Biene ihn gestochen hatte, war er angeschwollen wie das Michelinmännchen, daher waren Bienen ebenfalls auf die Verbotsliste gekommen. Kam er einem Hund oder einer Katze zu nahe, stellte sich ein Juckreiz ein und er keuchte stundenlang, daher kamen Haustiere nicht infrage. »Ich weiß genauso gut wie du, was Dylan braucht.«

»Eli, tu es einfach. Was soll ich mit der Frau zwei Monate lang machen, während die Kinder nicht da sind?«

»Gib ihr die Zeit frei. Ich bin mir sicher, sie wüsste es zu schätzen. Was zum Teufel soll ich zwei Monate lang mit ihr machen?«

»Ich will, dass sie dort ist, wo die Jungen sind, ganz egal wo.« Heidi hatte ihren Und-damit-ist-der-Fall-erledigt-Ton angeschlagen.

»Die Jungen werden mit mir im Bus sein.«

»Dann wird sie auch mit dir im Bus sein.«

»Den Teufel wird sie.«

»Gottverdammt noch mal, E. Die Kinder sind ihr Job. Nimm sie mit. Ich verspreche, dass du es nicht bereuen wirst.«

»Meinst du wirklich, dass sie es dir danken wird, wenn du sie zum Tourneeleben zwingst, obwohl sie an all das hier gewöhnt ist?« Er machte eine weit ausholende Handbewegung, die Heidis luxuriöses Zuhause umfasste. Sein ehemaliges Zuhause.

Sie ignorierte die Bemerkung und machte sich wieder daran, ihr Gesicht zu bemalen. »Sie unterrichtet Seger.«

»Es ist Sommer

»Und er muss das ganze Jahr kämpfen. Eine Stunde am Tag wird deine kostbare Zeit nicht allzu sehr beschneiden.«

Also schön, in dem Punkt musste er ihr recht geben. »Und Seger ist damit einverstanden?«

»Auch wenn es dich erstaunen wird: Die Jungen lieben sie. Sie hat ein Händchen für die beiden. Du wirst schon sehen.«

In ihrer Stimme lag dieser selbstsichere Triumph, der ihn immer ärgerte. Wie sollte er wertvolle Zeit mit seinen Söhnen verbringen, wenn er eine verdammte Nanny im Schlepptau hatte?

Indem er sie im Bus oder ihrem Hotelzimmer sitzen ließ, beschloss er, ging durch sein ehemaliges Schlafzimmer und überließ Heidi sich selbst, damit sie sich in seinem ehemaligen Badezimmer fertig machte … wahrscheinlich, um sich mit dann in seinem ehemaligem Bett mit ihrem Freund zu wälzen. Bei dem Gedanken kam ihm die Galle hoch.

Aber es war ihm scheißegal, was sie tat, solange das – solange Iris ihm nicht in die Quere kam. Und solange er sich sicher sein konnte, dass sie nicht zu ihrer Arbeitgeberin laufen und alles ausplappern würde, was sie unterwegs sah. Allein der Gedanke verursachte ihm Hautjucken, auch wenn er nicht vorhatte, die Sau rauszulassen. Er brauchte es nicht, dass Heidis Augen ihm folgten, wo immer er hinging, ihre Ohren alles hörten, was er sagte.

Mist.

Er riss die Schlafzimmertür auf – und Iris fiel ihm mit rudernden Armen entgegen und warf ihn beinahe um. Reflexartig fing er sie auf, damit sie nicht zu Boden ging und ihn mitriss. Große, blaue Augen blinzelten zu ihm empor.

Selbst die eine Sekunde, in der er sie in den Armen hielt, war lang genug, um tausend Gefühle zu verzeichnen: die Weichheit einer Brust, das Streicheln ihres seidigen Haars, die Stärke ihrer Hände, als sie sich gegen ihn wehrte, als verbrenne er sie.

»Entschuldigung«, murmelte sie, sobald er sie wieder auf ihre eigenen beiden Füße gestellt hatte. Dann rückte sie ihre Brille gerade, die der Zusammenprall hatte verrutschen lassen. »Ich habe nur …« Gelauscht, dachte er. Die Überwachung hatte bereits angefangen. »Ich habe nur hereinkommen wollen, um festzustellen, ob Sie noch irgendetwas brauchen, Heidi«, rief sie in Richtung Badezimmer.

»Nein, das ist alles für heute, Iris. Elijah ist vorbeigekommen, um die Jungen für die Nacht mitzunehmen. Vielen Dank.«

»Zumindest traut sie mir zu, eine einzige Nacht mit ihnen fertigzuwerden«, murmelte er. Heidi hatte Iris’ großen Auftritt verpasst. Er war davon überzeugt, dass sie, wenn er sie darauf aufmerksam machte, die Augen verdrehen und sagen würde, er mache sich lächerlich. Aber die Frau hatte sich gegen die Tür gelehnt gehabt. Er hatte es gespürt.

Iris machte keine Bemerkung zu dem, was er gemurmelt hatte, und Eli musterte sie mit schmalen Augen. Ihr Gesicht, klein und herzförmig, war völlig ausdruckslos, und ihr glänzendes schwarzes Haar fing das sanfte Deckenlicht ein, dass es wirkte wie ein perfekter Heiligenschein. Sie war ein kleines Persönchen, der zierliche Körper, den er gespürt hatte, verschwand unter einem weiten rosa T-Shirt und Jeans.

Sie bemerkte seine Musterung, errötete und wandte rasch den Blick ab, während sie ihre Brille zurechtrückte und dabei mehr aussah wie eine Bibliothekarin als eine Nanny. Eine verdammt hübsche Bibliothekarin. Er war überrascht, dass Heidi das duldete.

»In Ordnung. Wir sehen uns dann morgen!«, rief Iris fröhlich, bevor sie einen hastigen Rückzug in den Flur antrat. Eli gab ihr einige Sekunden Vorsprung, folgte ihr dann und sah gerade noch, wie sie um die Ecke schoss und mit Warpgeschwindigkeit die Treppe hinunterflog. Als sie das Erdgeschoss erreichte, rief sie Seger und Dylan im Wohnzimmer zu: »Tschüss, Jungs!« Er hörte seine Söhne, wie sie ihr inmitten von Ausrufen über das Videospiel, das sie spielten, einstimmig Auf Wiedersehen sagten.

»Warten Sie«, verlangte Eli.

Iris erstarrte, ihre Hand auf der Klinke der Haustür, dann drehte sie sich langsam um und schaute zu ihm auf, während er lässig die gewundene Treppe hinabging. »Ja?«

Sobald er die unterste Stufe erreicht hatte, warf Eli einen Blick ins Wohnzimmer auf seine Söhne, die vor dem Fernseher saßen, die Köpfe mit dem dunklen Haar zusammengesteckt. Er bedeutete Iris, ihm ins Arbeitszimmer zu folgen, das ebenfalls im Erdgeschoss lag. Er ging voran, öffnete ihr die Tür und schloss sie hinter ihnen, nachdem sie schüchtern eingetreten war. Der Hauch eines Duftes folgte ihr, süß und blumig. Er versuchte, ihn nicht einzuatmen, als sie sich mit argwöhnisch blickenden Augen hinter den Brillengläsern zu ihm umdrehte, aber der Duft betörte ihn trotzdem.

Und das ärgerte ihn gewaltig.

2

Iris Silverman konnte nicht glauben, dass das ihr Leben war.

Als Heidi ihr mitgeteilt hatte, dass Seger und Dylan den Großteil des Sommers bei ihrem Dad verbringen würden, hatte sie sich sofort gefragt, was sie zwei Monate lang mit sich anfangen sollte. Doch diese Frage hatte Heidi ihr schnell beantwortet. Ich will, dass Sie sie begleiten.

Diese Ankündigung hätte Iris fast umgehauen. Aber nicht vor Freude. Sondern vor absolutem, schwindelerregendem Entsetzen.

Heidi und Elijah Vance waren seit drei Jahren geschieden, und Iris hatte den Job bei Heidi angetreten, nachdem die Animositäten zwischen den Exeheleuten sich ein wenig gelegt hatten. Sie war Eli nicht sehr oft begegnet. Er verbrachte den größten Teil seiner Zeit im Studio; Heidi beschwerte sich oft und laut darüber, was für ein Workaholic er immer gewesen sei, selbst jetzt noch. Wenn er nicht am Mischpult stand oder im Studio, war er auf Tournee. Er sah seine Söhne nicht annähernd oft genug, beklagte sich Heidi, aber jetzt, da er sich Mühe gab, war sie auch nicht glücklich und lamentierte darüber, wie er die Sache anging.

Während ihrer Ehe hatten sie die Jungen oft mit auf Tournee genommen. Aber jetzt, da diese Zeiten vorüber waren, geriet Heidi außer sich bei dem Gedanken, Seger und Dylan aus den Augen zu lassen. Einige der Dinge, die sie unterwegs gesehen hatte, hatten ihr nicht gefallen, und sie befürchtete, dass Eli den Jungen nicht genügend Aufmerksamkeit schenken würde, dass er sie nicht gut genug beschützte. Da Iris Eli so gut wie gar nicht kannte, hatte sie keine Meinung zu diesem Thema. Noch nicht. Aber die Vermutungen seiner Exfrau schienen ihn ziemlich aufgebracht zu haben.

Heidi war eine fürsorglichere Mutter, als man ihr allgemein zutraute. Als sogar Elijah es ihr zutraute, dachte Iris. Aber sie neigte dazu, ihre Instinkte oft zu hinterfragen, und sie genoss ihre Freiheit. Zurzeit vielleicht manchmal ein wenig zu sehr.

Iris beobachtete, wie Elijah Vance die Tür des Arbeitszimmers schloss, und verschränkte die Arme vor der Brust, weil sie jäh eine Gänsehaut überlief. Der Mann hatte etwas Faszinierendes, ein angeborenes Charisma, und sie war noch nie allein mit ihm gewesen. Sie war überzeugt, dass sie gemerkt hätte, dass er etwas Besonderes war, selbst wenn sie ihm vorher noch nie begegnet wäre. Dabei war sie nicht einmal ein Fan seiner Musik – seine martialischen Rocksongs waren für ihren Geschmack zu laut und zu aggressiv. Aber dass er Charisma hatte, konnte sie nicht leugnen. Das lange Haar, die sinnlichen Lippen, die dunklen Bartstoppeln. Diese durchdringend blickenden Augen, deren Grün aus einer anderen Welt zu sein schien.

Und, du lieber Gott, er hatte sie beim Lauschen erwischt. Bei dem Gedanken daran stieg ihr die Röte ins Gesicht, und sie kämpfte gegen den Drang, die Hände an die Wangen zu legen, um sie zu kühlen.

»Ich weiß, was Sie getan haben«, sagte er und nagelte sie mit seinem Blick förmlich fest. Seine Augen boten einen farblich verblüffenden Kontrast zu seinem pechschwarzen Haar, und als er näher kam, bemerkte sie, dass das Grün um seine Pupillen herum hell und leuchtend war. Seger hatte definitiv die Augen seines Dads. Dylan sah bis auf sein dunkles Haar Heidi ähnlicher.

Iris räusperte sich, trat von einem Fuß auf den anderen und senkte den Blick auf den Boden, einige Zentimeter vor Elijahs stylish abgenutzte, schwarze Stiefel. Es hatte wirklich keinen Sinn, es abzustreiten, daher ließ sie es bleiben. »Es tut mir leid.«

»Was haben Sie gehofft, dort drin zu hören?«

»Ich …« Was hatte sie gehofft zu hören? Sie wusste es nicht einmal. Es war absolut ungehörig und unprofessionell gewesen, und sie hätte es verdient, wenn er ihr die Leviten gelesen hätte. Aber das tat er nicht. »Mich macht diese ganze Sache nervös, wenn Sie die Wahrheit wissen wollen. Ich hatte wohl irgendwie gehofft, dass Sie … dem Ganzen einen Riegel vorschieben würden?« Und er hatte das wirklich versucht, also waren sie sich zumindest in diesem Punkt einig.

»Glauben Sie mir, wenn es nach mir ginge, würde ich Sie mir vom Leibe halten.«

Bei der Unhöflichkeit seines Tons legte sie die Stirn in Falten. Sie hatte etwas falsch gemacht, sicher, und vielleicht verdiente sie es auch, aber es gefiel ihr trotzdem nicht. Und sie konnte ebenso gut austeilen wie einstecken. Sie funkelte ihn an, in dem vollen Bewusstsein, dass sie sich auf dünnes Eis wagte, aber es war Heidi, die ihre Gehaltsschecks unterschrieb, nicht Eli. »Glauben Sie mir, das Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit.«

Andererseits, dachte sie, als seine Miene sich verfinsterte, wer finanzierte Heidi? Dieser Mann hier. Heidi war vor etlichen Jahren in einigen Fernsehsendungen aufgetreten, heiß genug, um sich einen reichen, berühmten Ehemann zu angeln. Jetzt, da ihre Ehe Geschichte war, betätigte sie sich als so etwas wie eine professionelle Promigeliebte. »Dann schlage ich vor, Sie sagen Ihrer Chefin, dass sie diese Idee in den Wind schießen soll. Es ist lächerlich.«

»Das gebührt mir nicht, Sir. Sie sagt mir, was ich tun soll, und ich tue es. Es ist mein Job, auf die Jungen aufzupassen, und auch wenn mir die Sache nicht besonders gefällt, habe ich vor, das auch zu tun.«

»Ich kann selbst auf meine Söhne aufpassen, verdammt noch mal.«

»Das bestreitet niemand.«

Er tigerte im Raum auf und ab und zügelte sich nur mit knapper Not. In den wenigen Clips, in denen Iris ihn auf der Bühne gesehen hatte, war er genauso hin und her stolziert. »Ich weiß, was sie vorhat. Sie sucht nach Munition. Wenn es nach ihr ginge, würde ich niemals …«

»Entschuldigen Sie bitte, aber ich halte das hier nicht für angemessen.«

Seine Augen blitzten sie zornig an, und das Grün leuchtete auf. »Ach nein? Sie schickt Sie als ihre Spionin mit.«

Iris wich erstaunt einen Schritt zurück. »Ihre Spionin

»Ja. Und es sieht so aus, als hätten Sie bereits angefangen, wobei Sie sich diesbezüglich fürs Erste ziemlich dämlich angestellt haben.« Er deutete auf die Zimmerdecke, um auf das anzuspielen, wobei er sie im oberen Stockwerk ertappt hatte.

»Ich weiß, dass das höchst unangemessen war, und ich entschuldige mich. Ich kann Ihnen versichern, dass es nicht wieder vorkommen wird. Aber Sie auszuspionieren … nein, darüber ist kein Wort gesprochen worden.«

Hoffentlich war er kein menschlicher Lügendetektor.

Sie geben mir Bescheid, falls irgendetwas Zwielichtiges passiert, Iris. Versprechen Sie mir das. Ich will wissen, was er tut, wo er hingeht … Die Liste war lang gewesen. Wen er vögelt war ebenfalls darin vorgekommen. Iris hatte nur widerstrebend zugestimmt und sich gefragt, ob sie es fertigbringen würde, das durchzuziehen. Mit wem der Mann schlief, war seine Angelegenheit, oder? Sie war nur die Nanny. Solange sein Benehmen keine negative Wirkung auf die Kinder hatte, warum musste Heidi dann davon wissen?

Aber wenn er sie weiter so sauer machte …

Und wenn er sie weiter so ansah …

Iris befeuchtete sich die Lippen und sehnte sich danach, diesem unbehaglichen Gespräch zu entkommen. Würden die nächsten Wochen auch so sein? Würde sie mit seinen Anklagen fertigwerden müssen, mit seiner Feindseligkeit? »Ich verspreche, Sie haben keinen Grund zur Sorge. Es wird Ihre Zeit mit Ihren Kindern sein, und ich habe nicht vor, diese zu beschneiden. Ich will nur helfen. Deshalb bin ich hier. Und Heidi wird sich einfach besser fühlen.«

»Das behauptet sie. Höchstwahrscheinlich will Heidi die Zeit nutzen, um mit ihrem Freund zu verschwinden und die Paparazzi in den Wahnsinn zu treiben.« Er klang verbittert. Iris fragte sich, ob da immer noch Gefühle im Spiel waren. Manchmal überlegte sie, ob das auch umgekehrt galt, trotz der fast ständigen Anwesenheit von Heidis langjährigem Freund. Es war traurig, wenn zwei Menschen, denen so offensichtlich aneinander lag, es nicht hinbekamen. Sie glaubte nicht, dass Eli seit der Scheidung ein ernsthaftes Date gehabt hatte. Zumindest hatte Heidi nie eines erwähnt, und das hätte sie im Falle des Falles definitiv getan.

Es war nicht Iris’ Aufgabe, sich zwischen die Fronten zu begeben. Aber was immer man über Heidi sagen konnte, zu ihr war sie gut gewesen. Vielleicht bestand Iris’ Nebenjob auf dieser Tournee darin, Elijah zu der Erkenntnis gelangen zu lassen, dass die Mutter seiner Kinder kein gar so schlechter Mensch war. Anstrengend vielleicht. Bisweilen selbstsüchtig, okay. Aber wer war schon perfekt? Niemand. Er jedenfalls bestimmt nicht, genauso wenig wie Iris.

Andererseits arbeitete Iris nur für Heidi; sie war nie mit der Frau verheiratet gewesen. Nichts von alldem geht mich etwas an. Nur die Kinder. Nur sie gehen mich etwas an. Doch es konnte nur etwas Gutes entstehen, wenn sie eine stabile Atmosphäre für diese Jungen schuf.

»Soweit ich weiß, ist Heidis einziges Motiv, dafür zu sorgen, dass es Seger und Dylan gut geht, Mr Vance.«

»Hören Sie auf mit dem ›Mr-Vance-Scheiß‹.«

Mister Mistkerl. Wie wär’s damit? »Okay.«

»Wenn ich mit meinen Kindern zusammen bin, kümmere ich mich um alles. Ich will Sie nicht sehen. Ich will Sie nicht hören. Verdammt, ich brauche keine überwachten Besuche. Das war niemals Teil unserer Scheidungsvereinbarung.«

»Verstanden. Aber …«

»Wenn Heidi sich solche Sorgen darum macht, was ich tue, soll sie verdammt noch mal selbst mitkommen. Da sei der Herrgott vor, dass das passiert, aber die Tatsache, dass Sie mitkommen und außerdem von ihr bezahlt werden, ist das Zweitschlimmste.«

»Ich bin nicht Ihr Feind. Und ich will es auch nicht werden.«

»Sie sind mit tödlicher Sicherheit nicht meine Freundin.«

Iris schluckte. Sie war nervös. Schließlich war sie nie zuvor mit einem Gift und Galle speienden, wütenden Rockstar allein in einem Zimmer gewesen. Und genau genommen musste sie das auch gar nicht sein. Dies war das Haus ihrer Chefin. Es war nicht seines. Nicht mehr. Aber sie musste irgendeinen Weg finden, mit diesem Mann während der beiden nächsten Monate auszukommen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollte. Ihr Fachgebiet waren Kinder, nicht irgendwelche biestigen Eltern. »Okay, tja, dieses Gespräch können wir wohl beenden. Wir werden heute offensichtlich nicht zu einer Übereinstimmung gelangen.«

»Das ist wahrscheinlich das Einzige, worin wir übereinstimmen.« Er wandte sich zur Tür, riss sie auf und stolzierte in den Flur. Iris rannte praktisch hinter ihm hinaus und hatte das Gefühl, dass sie zum ersten Mal, seit er sie in den dunkel vertäfelten Raum gebeten hatte, wieder atmen konnte. Sie hatte kaum das Arbeitszimmer verlassen, als die Haustür geöffnet wurde und Heidis Freund hereingeschlendert kam, als gehöre ihm das Haus. Die beiden Männer standen einander von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

Oh … verflixt.

Nach Jahren in dem Geschäft war Nicolas Steele zurzeit Hollywoods gehätschelter aufsteigender Stern. Iris konnte kaum glauben, dass sie in diesem Moment mit zwei sehr berühmten Männern in einem Raum stand. Zwei Männern, zwischen denen es möglicherweise zu Handgreiflichkeiten kommen würde, falls die Feindseligkeit, die hier spürbar war, zum Ausbruch kam. Die Luft schien plötzlich zum Schneiden dick, und Iris wollte schon nach oben flüchten und Heidi bitten einzugreifen, als Eli den Blick von dem kleineren Mann abwandte und tief durchatmete. »Jungs!«, rief er seinen Söhnen im Wohnzimmer zu, seine Stimme klang angespannt. »Holt eure Sachen.«

Nic sah Iris an und zwinkerte ihr zu, als wolle er sagen, dass alles gut sei. Sie lächelte ihn an und flitzte zur Haustür. Holt mich hier raus, zum Teufel.

Ihr silberner SUV stand in der breiten, geschwungenen Einfahrt, und sie lief darauf zu, floh gewissermaßen in ihr stilles Refugium. Ihr Wagen war einer ihrer Lieblingsorte, und es kümmerte sie nicht, dass das ein wenig seltsam war. Manchmal fuhr sie einfach gern herum. Weit weg. Weg von allem. Sie kurvte durchs Land, wenn sie konnte, und schaute sich die Sehenswürdigkeiten an. Und auf einmal kam ihr der Gedanke, dass sie in gewisser Weise die Chance dazu bekam, auch wenn sie nicht selbst hinterm Lenkrad saß. Sie würde ihr Auto definitiv vermissen.

Menschen um sie herum, ständig. Elijah Vance um sie herum, ständig. Gott, wie sollte sie das aushalten?

Während sie darüber nachdachte, kam er lachend mit seinen Kindern aus dem Haus. Dylan sprang ihm auf den Rücken, schlang ihm die Arme um den Hals und kicherte, während sein Vater ihn trug. Seger schlenderte hinter ihnen her, mit diesem zur Schau getragenen entnervten Abscheu eines Elfjährigen. Zum ersten Mal, seit sie ihn heute gesehen hatte, wirkte Eli glücklich und sorglos, und die Verwandlung war wie ein Wunder. Sie hätte nie für möglich gehalten, dass dies derselbe Mann war, dem sie vor kaum fünf Minuten in jenem Arbeitszimmer gegenübergestanden hatte. Jeglicher Zorn war aus seinen Zügen gewichen. Und er sah verdammt gut aus, wenn er so lächelte, wenn die Haut um seine Augen sich kräuselte und jungenhafte Grübchen auf seinen Wangen erschienen.

Iris schnappte nach Luft und senkte den Blick auf ihren Schoß, damit er sie nicht entdeckte und dachte, dass sie wieder spionierte. Sie angelte ihr Handy aus der Handtasche und starrte blind darauf, bis sie die gedämpften Geräusche hörte, als er und die Jungen in seinen Ford Mustang Fastback aus dem Jahr 1967 stiegen: Stimmen verklangen, Türen wurden zugeschlagen. Sie beobachtete, wie der mattschwarze Wagen – einer von vielen Oldtimern in Topzustand, die er besaß, wie sie wusste – durch die Einfahrt schnurrte und schließlich Richtung Straße verschwand.

Fast wäre sie ihm gefolgt, um mit eigenen Augen zu sehen, wie er wirklich mit den Kindern umging, fernab von dem Stress mit seiner Exfrau und deren Geliebtem, aber das war keine besonders gute Idee.

Sie würde früh genug ihre Chance bekommen.

3

Elijah sah zu, wie Dylan Anlauf nahm und in den Pool sprang, und dachte, welch Glück es doch war, dass sich letztlich alles zum Guten gewandt hatte.

Sie hatten im Laufe der letzten Jahre ihre Höhen und Tiefen erlebt. Aber als er jetzt das Lachen seiner Kinder hörte, wurde ihm klar, dass es all das wert gewesen war. Sie waren ins Kino gegangen, hatten einige Videospiele gespielt und sogar ein wenig Kampftraining absolviert. Jetzt leuchtete der Himmel in Orange- und Rosatönen, und Elijah war müde, aber es war eine angenehme Müdigkeit. Er wünschte, er hätte sich von seinen Söhnen ein wenig Energie für die Tournee borgen können – sie waren immer noch kräftig zugange: schwammen Runde um Runde, tauchten, rannten umher, rauften. Eli ruhte sich auf der Terrasse aus und passte auf, dass sie einander nicht ertränkten.

Jetzt, fern seines alten Hauses und der Last der Erinnerungen, die es barg, hier draußen in der warmen Luft des Frühsommers, wo er atmen konnte, schämte er sich beinahe dafür, dass er sich heute der Nanny gegenüber wie ein Arschloch benommen hatte. Sie hatte vollkommen verängstigt gewirkt, und was immer Heidi ihr für Anweisungen erteilt hatte, es war nicht Iris’ Schuld. Er fühlte sich schon fast großmütig genug, sich bei ihr zu entschuldigen, aber er hatte nicht die geringste Lust, Heidi anzurufen, um sich ihre Nummer geben zu lassen … obwohl das seine Exfrau ins Grübeln gebracht hätte, nicht wahr? Die Vorstellung entlockte ihm ein Kichern.

Es gefiel ihm nicht, dass ihm eine Außenstehende seine Zeit rauben sollte. Er stellte sich vor, dass sie jetzt neben ihm sitzen würde, ihre anständige Brille auf ihrer kecken kleinen Nase, und seine gute Laune war wie weggeblasen. Sie wäre wahrscheinlich entsetzt, dass die Kinder immer noch im Pool planschten. Entgeistert, dass er ihnen erlaubt hatte, sich im Kino mit Limonade und Süßigkeiten vollzustopfen. Sie würde ihm den Arsch dafür aufreißen, dass er sie nicht gezwungen hatte, einen Gesichtsschutz zu tragen, als sie im Ring trainiert hatten.

Also bitte. Um Gottes willen, sie waren Kinder, und sie waren seine Kinder, und er hatte einen Heidenspaß gehabt, in seiner eigenen Kindheit all diesen Scheiß zu machen, und er bolzte immer noch gern. Was war schon dabei, dass ihm einmal ein scharfer Wurf die Nase gebrochen hatte? Er hätte den Ball fangen sollen.

Natürlich spielte sich die Iris-Tirade nur in seinem Kopf ab; er wusste nicht, ob sie wegen solcher Sachen entrüstet sein würde oder nicht. Er stellte sich einfach vor, wie sie vor ihm stand, die Arme verschränkt, und von oben auf ihn herabschaute wie eine Lehrerin, die im Begriff stand, ihm mit einem Lineal etwas auf die Finger zu geben.

Er runzelte die Stirn und fragte sich, warum dieses Bild irgendwie heiß war.

Da war eine Anziehung, die er todsicher nicht brauchte, aber sie brachte ihn auf eine Idee.

Es gab keine Zweifel: Iris war süß. Sie stand im Begriff, zu einem Stück Fleisch in einer Löwenhöhle zu werden, von allen Seiten umringt von notgeilen Rockstars, die alles vögelten, das sich vorbeugen konnte. Wenn er sie mit jemandem verkuppeln konnte, könnte er sie sich vielleicht für eine Weile vom Hals schaffen. Und wenn sie auch nur daran dachte, seine Exfrau mit Informationen zu füttern, dann würde Heidi vielleicht erfahren, dass ihr kostbares Vorbild doch nicht so engelsgleich war.

Dieses Spiel konnte man zu zweit spielen.

Aber in der Zwischenzeit konnte Eli es einfach nicht erwarten zu hören, was seine Bandkameraden dazu sagen würden, dass er Heidis Nanny mit auf Tournee nahm. Oh Gott. Ich will tot sein.

Das Schlimmste an ihrem Job war, dachte Iris oft, dass sie nicht darüber reden konnte.

Niemand durfte auch nur wissen, für wen sie arbeitete. Weder Freunde noch Verwandte. Das alles war Teil einer Verschwiegenheitserklärung, die sie unterzeichnet hatte, als sie von Heidi engagiert worden war. Sie hatte niemanden, bei dem sie sich Luft machen konnte, niemanden, bei dem sie sich wegen des vor ihr liegenden Sommers ausweinen konnte. Nicht dass irgendjemand Mitleid mit ihr gehabt hätte. Sara, ihre beste Freundin, würde jedenfalls ausflippen, wenn sie wüsste, dass Iris in diesem Sommer mit Elijah Vance auf Tournee gehen würde. Sie war ein Rockfan und hatte ihn tatsächlich schon im Konzert erlebt.

Was für einen Spaß es machen würde, eine Begegnung zwischen den beiden einzufädeln! Aber das würde niemals passieren.

Iris schaute Sara über ihre Martinis hinweg an und wünschte sich so sehr, ihr alles zu erzählen, dass sie beinahe nicht an sich halten konnte. Doch abgesehen von den Einzelheiten musste ihre Freundin wissen, dass sie zwei Monate lang fort sein würde, sonst würde Sara sie von der Polizei suchen lassen.

»Also … ich habe Neuigkeiten.«

Saras haselnussbraune Augen – die das Restaurant gerade nach verfügbaren Männern abgesucht hatten – richteten sich auf Iris und weiteten sich vor Begeisterung ein klein wenig. »Ja? Gute?«

»Das ist fraglich.« Iris nahm einen Schluck, um sich Mut zu machen, obwohl sie befürchtete, dass der Alkohol ihre Sinne vielleicht abstumpfte. Das könnte heikel werden.

»Oh-oh. Raus mit der Sprache.« Sara beugte sich vor, ganz Ohr.

»Es scheint, dass ich wegen meines Jobs für zwei Monate weg muss.«

Sara wusste, dass sie als Nanny bei einer prominenten Person engagiert war. Aber das war auch alles. »Oh mein Gott! Hast du Monate gesagt? Es ist ziemlich laut hier drin.« Sie legte sich eine Hand ans Ohr, als sei sie schwerhörig.

Iris nickte. »Monate.«

»Wie Ferien?«

»Nicht direkt. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich fort sein werde.«

»Du scheinst nicht sehr glücklich darüber zu sein.«

»Das bin ich auch nicht, wenn du es unbedingt wissen willst.«

»Ist das etwas, worüber ein Durchschnittsmensch nicht glücklich wäre? Oder etwas, worüber du nicht glücklich bist?«

Iris musste lachen. Sara kannte sie einfach zu gut. »Das lässt sich schwer beantworten. Wer ist ein Durchschnittsmensch?«

»Sagen wir, ich bin ein Durchschnittsmensch.«

»Du wärst glücklich darüber.« Gott, und ob du das wärst. Elijah würde nicht wissen, wie ihm geschah. Noch trauriger als die Unmöglichkeit, ihm Sara jemals vorzustellen, war jedoch die Tatsache, dass Iris ihrer Freundin nicht erzählen konnte, dass einer ihrer absoluten Lieblingssänger auf der Welt ein kolossales Arschloch sein konnte. Oh, na ja. Es war ein Geheimnis, das sie mit ins Grab nehmen musste. Saras Unwissenheit war ein Segen.

»Ich beneide dich wirklich, weißt du das? Und während ich hier sitze und meine Eifersucht pflege, nimmst du das alles für selbstverständlich.«

Iris richtete sich auf und zog die Brauen zusammen. »Ich nehme es nicht für selbstverständlich. Ich bin nur nicht so … beeindruckt davon, wie manche Menschen es vielleicht wären. Mir geht es um diese Kinder.«

»Kennst du irgendwelche berühmten Leute, die jemanden suchen?«

»Du magst Kinder nicht einmal.«

»Verdammt. Das hatte ich vergessen.« Sara schnippte mit den Fingern. »Ich kann mich doch verstellen, oder? Einen Film einlegen und sie mit ein paar Snacks bewerfen?«

»Dazu gehört sooo viel mehr.« Viele Male wäre Iris beinahe ein Ausrutscher unterlaufen, und sie hätte Heidis Namen gesagt oder den Namen eines der Jungen. Sie versuchte, es überhaupt zu vermeiden, über ihren Job zu sprechen. Und jetzt, da sie die notwendige Information übermittelt hatte, wollte sie das Gespräch in eine andere Bahn lenken. Dass sie heute Elijah Vance in die Arme gefallen war, würde der einzige berufliche Fehltritt bleiben, der ihr unterlaufen war. Aber er hat auf jeden Fall gut gerochen. Teuer. Nach Leder und Sünde. »Wie dem auch sei. Wenn ich in zwei Wochen vom Antlitz der Erde verschwinde, weißt du, warum.«

»Moment mal, ich werde überhaupt nichts von dir hören? Ist das nicht … ich weiß nicht … seltsam?«

»Eigentlich nicht. Du wirst von mir hören, nur vielleicht nicht so oft wie sonst. Ich weiß nicht, welche Pausen ich bekommen werde oder wann.«

»Gott. Ich hoffe, sie bezahlen dich gut.«

Sie konnte nicht klagen. Manchmal verschlang dieser Job ihr Leben, aber traurigerweise hatte sie nicht viel, was es da zu verschlingen gab. Sara war ihre Lieblingsfreundin, und was ihre Familie betraf, hatte sie nie Lust, sie zu besuchen. Wirklich nie.

»Es gibt definitiv Vorteile. Wie gesagt, ich nehme an, ein Durchschnittsmensch würde sich auf diese Chance stürzen.«

»Ich denke noch einmal darüber nach, ob ich ein Durchschnittsmensch bin. Ein Durchschnittsmensch mag wahrscheinlich Kinder«, sagte Sara.

»Es ist irgendwie eine Anforderung für das Überleben unserer Spezies.«

»Ha! Die Welt ist überbevölkert. Ich weiß nicht, vielleicht würde ich meine eigenen Kinder mögen, wenn ich welche hätte. Aber darf ich einfach sagen, dass ich höllisch Respekt vor dir habe? Es gehört eine Menge dazu, dein Leben für die Familie eines anderen auf Eis zu legen.«

Iris dachte schweigend darüber nach und nippte an ihrem Drink. Sie war so ziemlich rund um die Uhr in Bereitschaft. Angenommen, Heidi setzte sich genau jetzt eine »Sache« in den Kopf, wie es oft geschah, würde Iris ihr Essen stehen lassen und an ihre Seite eilen. Ob es regnete oder die Sonne schien, ob es Alltag war oder Wochenende. Aber als Gegenleistung hatte sie einige fabelhafte Urlaube mit der Familie gemacht. Sie hatte freie Tage, wenn Eli die Jungen nahm – obwohl das nicht unbedingt selten vorkam, wünschte sie manchmal, diese Tage wären etwas regelmäßiger. Sie liebte Seger und Dylan, aber sie brauchte ab und zu eine Pause vom Leben anderer Menschen. Sie schätze ihre stille Zeit.

Etwas, wovon sie auf einer Tournee nicht viel bekommen würde. In einem Bus. Mit ungebärdigen Jungs und einem mürrischen Rockstar. Urgh.

Sara musterte sie mit schmalen Augen. »Ich brenne – brenne – auf Details. Du bist eine zu gute Angestellte.«

Nicht wirklich. Ich bin erwischt worden, wie ich meine Chefin belauscht habe. Aber hey, Heidi wollte, dass sie ihre Schnüfflertalente schärfte, und welch besseren Zeitpunkt gab es da, als sofort anzufangen? »Eigentlich nicht. Ich bin irgendwie in Schwierigkeiten geraten.« So viel zumindest konnte sie offenbaren. Nahm sie an.

»Ooh, erzähl.«

Iris zuckte die Achseln. »Ich habe mich für ein Gespräch interessiert, bei dem es um diese … Sache ging, die bevorsteht. Ich habe an einer Tür gehorcht. Und ich bin erwischt worden.«

Sara lachte. »Das ist großartig.«

»Es war nicht großartig. Ich habe mich so mies gefühlt.«

»Oh, komm schon. Iris die Untadelige muss es ab und zu mal vermasseln, oder? Das hilft uns anderen, uns besser zu fühlen.«

»Ich kann es nicht ausstehen, wenn du mich so nennst.«

»Dann solltest du dir ein wenig mehr Mühe geben, mich dazu zu bringen, dich nicht so zu nennen. Vielleicht war dies ein erster Schritt. Ich will mehr davon. Mach dich mal locker, wenn diese Sache startet, was immer es ist, und erzähl mir alles darüber. Jedenfalls so viel du darfst.«

»Wohl kaum. Ich werde mich nicht lockermachen.« Was für ein Rollenvorbild wäre sie für die beiden Jungen, wenn sie die Nächte durchfeiern würde? Ganz zu schweigen davon, dass Elijah wahrscheinlich liebend gern irgendeinen Vorwand hätte, Heidi dazu zu bringen, ihr zu kündigen. Er hatte sie angesehen wie etwas Ekliges, das er unter seiner Schuhsohle gefunden hatte.

Und mal ehrlich, warum auch nicht? Er hielt sie für eine Schnüfflerin. Er lag nicht falsch.

Sie verstand nicht, warum das so sehr an ihr nagte.

Normalerweise gab es Iris Auftrieb, wenn sie mit Sara zusammen war, aber an diesem Abend nicht. Sie verließ ihre Freundin nach dem Essen mit einer Furcht, die an ihr fraß und ihr beinahe Übelkeit bescherte, als sie nach Hause fuhr. Ich kann das nicht, hallte es durch ihren Kopf, ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte, diese Stimme zum Schweigen zu bringen. Sie hatte diese Sorge sogar Heidi gegenüber ausgesprochen, bevor Elijah sie mit dem Ohr an der Schlafzimmertür ertappt hatte. Jetzt war sie sich erst recht sicher. Heidi hatte ihre Sorgen mit einem Achselzucken abgetan. »Sie werden Spaß haben, sobald Sie unterwegs sind«, hatte sie hochtrabend verkündet und Iris dann an all die Städte erinnert, die sie zu sehen bekommen würde, all die Menschen, die sie kennenlernen würde, die ganze Aufregung bei der Konzerttournee einer Rockband. »Ich vermisse es«, hatte Heidi zum Schluss bemerkt und einen seltenen Anflug von Melancholie wegen ihrer zerbrochenen Ehe gezeigt.

Doch sie waren unterschiedliche Menschen. Iris war keine Partymaus, war nie eine gewesen. Sie interessierte sich nicht dafür, Menschen kennenzulernen. Und obwohl sie manche Rockmusik okay fand, war Elijahs Stil viel zu wild für sie. Elijah selbst war viel zu wild für sie. Sie kam nicht gut klar mit Menschen wie ihm. Menschen, an denen sich die Geister schieden.

Sie wünschte wirklich, sie könnte Heidis Meinung ändern.