Johann Traugott Lindner

Wanderungen durch die interessantesten Gegenden des Sächsischen Obererzgebirges

Ein Beitrag zur specielleren Kenntniß desselben, seines Volkslebens, seiner Gewerbsarten, Sitten und Gebräuche
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066114008

Inhaltsverzeichnis


Von Chemnitz aus nach dem Obererzgebirge.
Der Spiegelwald.
Schwarzenberg.
den Fürstenberg,
Aue.
Die Morgenleithe.
Das Eisenhüttenwerk Erla.
Bermsgrün
Krandorf,
Das Schwarzwasserthal.
Breitenhof
Breitenbrunn
Die Hefenklöße.
Johanngeorgenstadt,
Rittersgrün, [10]
Globenstein [11]
Großpöhla.
Das Weihnachtsfest.
Scheibenberg,
Fußnoten

Wanderungen durch das Obererzgebirge.


Erste Wanderung.

Von Chemnitz aus nach dem Obererzgebirge.

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Die ländliche Wohlhabenheit, welche die volk- und gewerbreiche Stadt Chemnitz meilenweit um sich verbreitet und selbst die nahen Dörfer mit einer gewissen Art bäuerlicher Ueppigkeit angereichert hat, verliert sich allmählig, wenn man über Neukirchen, Leukersdorf, Pfaffenhain und Stollberg nach dem Obergebirge wandert. Die Gegend durch genannte Ortschaften, durchzogen von einer Chaussee, welche aus einem bunt gemusterten Felsit-Porphyr von Leukersdorf gebaut und unterhalten wird, hat eine sehr einfache Physiognomie, die sich erst dann zum Lächeln anschickt, wenn man die Höhe von Hoheneck erreicht und rückwärts nach den weiten und sanft gewölbten Hügeln blickt, über welche der Fuß seinen Weg genommen hat.

Von der Burg Hoheneck sieht man kaum noch Spuren von ihrer herrischen Größe, mit der sie hinab auf das Städtchen Stollberg und seine Flanell-, Barchent- und Leinweber schaute. Ein im neuern Styl gebautes Amthaus steht an dessen Stelle, welches mit den Wirthschaftsgebäuden eines Kammergutes verschanzt ist. Der Berg steigt von da, in der Richtung nach Zwönitz hin, noch gegen eine halbe Stunde an, ehe sich die Straße in einen langen, aber dürftigen Fichtenwald verliert. Die Höhe dieses Berges bietet eine recht artige Fernsicht nach Nordwest. Das wasser- und holzarme Hohenstein im Schönburgischen sonnt sich an seinem Rieden- und Pfaffenberg und terrassirt seine netten Gassen in anständiger Behaglichkeit um sich her. Sein ehemaliger Bergbau, welcher in dem dortigen Thonschiefergebirge getrieben wurde, machte viel Aufsehen, weil die daselbst auf den Gruben St. Lambertus und St. Anna einbrechenden Kupfererze güldisch waren und noch im Jahre 1791 für 29 Thlr. 5 Gr. 3 Pf. fein Gold gewonnen wurde. Das ist freilich, wenn von Gold die Rede ist, viel zu wenig; daneben aber auch eine zu große Erkaltung für den Bergbau in der Gegenwart, als daß ein bergmännisch geregelter Angriff auf die güldischen Erzmittel mit Ausdauer zu hoffen steht.

Die Gegend von Niederzwönitz und dem Städtchen gleiches Namens mit 288 Häusern und 1756 Einwohnern bietet nichts Interessantes dar, wenn man nicht den rastlos thätigen Baumzüchter, Stadtrichter Glück, besuchen und seine Pflanzgärten in Augenschein nehmen will; die Bauern wohnen seltener in einem umschlossenen Gehöft, die Schindeldächer nehmen überhand, Häusler drängen sich zwischen die Güter und der Boden wird steriler. Der Ziegenberg, über welchen nunmehr eine neue Chaussee nach Grünhayn läuft, zeigt in der Ferne den weißen Kirchthurm der in ein enges Thal eingequetschten Stadt Lößnitz und sein dem Himmel näheres Schießhaus. Außerdem ist die Gegend umher, eben so wie um Grünhayn, anmuthlos. Im Laufe diesem Sommers wurde in der Mooshaide bei Grünhayn von den Torfstechern ein Bär ausgegraben, von welchem Haare und die Krallen an den Tatzen gut erhalten waren. Unter die angebundenen gehörte er offenbar nicht.

Dieses Städtchen ist durch das reich dotirte Cistercienserkloster bekannt, welches im Jahre 1170 durch Sittichenbacher Mönche entstanden, durch den Markgrafen Heinrich den Erlauchten eine veränderte Gestalt bekam, von dem Burggrafen Reinhardt von Meißen mit 10 Dörfern von seiner Grafschaft Hartenstein dotirt und somit zu einer besondern Wohlhabenheit erhoben wurde. Allein als im Jahr 1429 die Hussiten mit ihrer Mord- und Zerstörungssucht einbrachen, hatten sie den Abt Bernhardt II., welcher auf dem Concilio zu Costnitz eifrig an Hussens Verdammung gearbeitet, den Untergang geschworen. Dies gelang jedoch der tollen Rotte nicht, weil der Abt in Zwickau war, als sie in Grünhayn einbrach. Daher galt es nun den Mönchen, der Habe ihres Klosters und der bestürzten Einwohnerschaft des Städtchens; Erstere wurden in der Klosterkirche erschlagen und letzteres durch Martern und Qualen an den Mönchen, daß sie die Verstecke der werthvollen Sachen angeben mußten, ein Raub dieser Unmenschen. Kloster und Kirche wurden der Erde gleichgemacht, auch das Vieh der Einwohner im Städtchen hinweggetrieben.

Dieses Klosterthum kam nie wieder zu seiner früheren Wohlhabenheit, vielmehr wurde es im Jahre 1536 säcularisirt und der Rest seines Vermögens zur Verbesserung der Besoldung von Kirchen- und Schuldienern verwendet. Im großen, mit Mauern umgebenen Klostergarten steht noch ein alter Thurm, der Fuchsthurm genannt, dessen frühere Bestimmung die Geschichte nicht aufbewahrt hat. Das sind die einzigen Gegenstände, welche an ehemalige Beten und Müßiggehen, Fasten und Wohlleben erinnern. Jetzt ist es der Sitz des Justiz- und Rentamtes; und als im Jahr 1821 ein neues Amthaus errichtet wurde, gingen die letzten Spuren des ehemaligen Klostergebäudes fast ganz verloren. Die beträchtlichen Ländereien des Mönchthums kamen nach der Säcularisation zum feilen Verkauf, welche 20 Grünhayner Bürger an sich brachten, die unter sich eine Landgemeinde in der Stadt bilden, ihren Richter haben und eben so, wie die Grundstücke, die Zwanziger genannt werden. Das Städtchen selbst entbehrt aller Anmuth, liegt rauh und frostig am nördlichen Fuße des Spiegelwaldes und erntet deshalb später als die Umgegend. Außer der etwa vor 30 Jahren neu erbauten Kirche, welche durch einen Stadtbrand verloren ging, hat das Innere des Städtchens eben kein hübsches Gebäude. Zwischen zwei Schornsteinen reitet ein mit Schiefer gedecktes Thürmlein auf einem Schindeldache und zeigt der Einwohnerschaft die Tag- und Nachtstunden an. Man nennt dieses Gebäude – das Rathhaus. Uebrigens hat das Städtchen viel Feldbau, mithin gute Viehzucht und außerdem nähren sich Viele vom Verfertigen der Regenschirme.

Der Spiegelwald.

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Dieser von Grünhayn gegen Süden gelegene und sparsam mit Nadelholz bestandene Gebirgsrücken ist der Vorhang, welcher eine wunderschöne Gebirgslandschaft, die mit ihrer Ausdehnung von etwa 5 Stunden in die Länge und Breite in bunter Mannichfaltigkeit eine liebliche Scenerie vor die Augen stellt, von der sich der Verehrer der Naturschönheiten nur ungern trennen kann. Auf dem Rücken des Berges angekommen, blickt man tief hinab in ein Labyrinth kleiner stücklicher Berge, die allmählig nach allen Richtungen hin riesenhaft anschwellen und ihr dunkles Fichtengrün an dem Saum des Himmels falbeln. – Bisweilen steigen gespensterartig weiße Nebel aus den dicken Waldungen auf, dehnen und strecken sich phantastisch, bis ihr Gewand zerrissen an fernen Wipfeln der Bäume verschwindet. Der Gebirger sagt in solchen Fällen: »Das Holzweibel heizt ein, es wird ander Wetter.« – Die dunkle Trapperie wallt faltenartig nach den Thalungen auf und nieder und umgrenzt hie und da verschiedentlich geformte Blösen für den Kartoffel- und Futterbau. Links, nach Osten, blähet sich der 3795 Fuß über dem Meere gelegene Fichtelberg im licht indigblauen Mantel auf und beherrscht den Horizont bis zu den in Westen gelegenem Kühberg. Einzelne Gruppen von Häusern, zu dem oder jenem versteckt gelegenen Dörflein gehörig, und verzettelt stehende Wohnungen erblickt man allerwärts; sie verdanken ihre Entstehung irgend einem besondern Gewerbe, oder der bequemern Bewirthschaftung eines unbequem gelegenen Stück Landes. Weiß und schieferblau ruht das Städtchen Schwarzenberg tief in der Niederung der Landschaft, umgeben von Bergen mittleren Ranges, damit die höheren darüber hinschauen und das wie von Kindern aus Nürnberger Häuserchen gebaute Städtchen betrachten können. Viele tausend Menschen machen diese romantische Landschaft zu der lebendigsten des Obergebirges und zugleich zu der besuchtesten von Fremden; und in der That ist sie es werth, von Jedem besucht zu werden, wer Belehrung und Genuß an ihren eigenthümlichen Gewerbsarten, Sitten und Gebräuchen sucht.

Von der Höhe des Spiegelwaldes steigt man über 2000 Fuß hinab bis an die Ufer des Schwarzwassers und stößt unterwegs zunächst auf das ehemalige Klosterdorf Beyerfeld, welches gegenwärtig zur Herrschaft Sachsenfeld gehört. Wer hat nicht schon oft und viel von der Löffelfabrik der Gebrüder Friedrich, der umfänglichsten im Vaterlande, gehört? und wie viel Fremde haben nicht dieses Gewerbe in Beyerfeld aufgesucht, in der Meinung, dieses Etablissement in einem räumlichen Gebäude zu finden, wo man die Löffel aus Eisen fertigen sehen und die Manipulation bis zu ihrer Vollendung beobachten könne? Dem ist nicht so. Die Fabrik bezieht das nöthige Eisen für alle Gattungen von Löffeln von den Hammerwerken, wo es schon unter dem Namen Löffeleisen in Stäbe geschmiedet und nach der Wage, à 44 Pfund, verkauft wird. Der Fabricant liefert dasselbe nach dem Gewichte an die Plattenschmiede, welche zerstreut in nahen und entfernten Ortschaften wohnen; diese verfertigen daraus die Platten, d. h. die eben (platt) abgehenden Eisenstücke,