Natasha öffnete leise die Tür. Smart schlüpfte als Erster durch den Spalt in die Wohnung, lief zum Wassernapf und schlabberte gierig das Wasser auf.
Auf Socken schlich sie in die Küche, öffnete den Kühlschrank und holte das Fressen für den Hund heraus. Smart machte brav sitz. Erst als er die Freigabe zum Fressen von ihr erhielt, machte er sich über seine Portion her. Natasha füllte sich ein Glas mit Wasser, trank es in einem Zug leer, füllte es noch einmal und ließ sich auf dem Boden nieder. Kaum hatte Smart zu Ende gefressen, kam er zu ihr und kletterte halb auf ihren Schoß, der für den großen Schäferhund viel zu klein war. Sie kraulte ihn hinter den Ohren, dort, wo er es besonders gern mochte.
»Guten Morgen.«
Hastig wischte Natasha sich die Tränen von der Wange, schob Smart von ihrem Schoß und erhob sich. Pit hatte sich eine alte Jogginghose und ein löchriges T-Shirt übergeworfen.
Sie grinste schief. »Ganz schön warm draußen, da kommt man ins Schwitzen«, versuchte sie, die Nässe auf ihren Wangen zu erklären.
»Es ist halb sechs. Seit wann bist du auf?«
Sie zuckte mit den Schultern, stellte ihr Glas auf die Küchenablage.
»Wie viele Kilometer bist du gelaufen?«
»Keine Ahnung.«
Bevor sie sich wehren konnte, zog er sie in seine Arme. Sie stemmte die Hände gegen seine Brust, um ihn abzuwehren, doch so leicht ließ sich Pit nicht wegschieben. Schließlich gab sie nach. Nur kurz legte sie die Stirn auf seiner Schulter ab.
»Nimm das Angebot von Malte an. Er kann wirklich deine Hilfe gebrauchen.«
Sie schüttelte den Kopf. Die Tränen begannen von Neuem zu fließen. Pit rieb ihr mit kräftigem Druck über den Rücken. Es war mehr eine Massage als ein Streicheln, verfehlte aber die Wirkung nicht. Die innere Kälte wich aus ihrem Körper.
»Es bedeutet nicht, dass du ihm untreu bist oder ihn weniger liebst. Akiro wird immer eine ganz besondere Stellung in deinem Leben, in deinem Herzen einnehmen.«
»Er hat mir das Leben gerettet.«
»So wie du ihm.«
»Er fehlt mir.«
»Mir fehlt er auch. Geh und hilf Malte bei diesem Wotan. Er ist total verzweifelt, und ich bin mir sicher, unter deinem guten Einfluss wird die Bestie zum Lamm werden.« Diesmal schob sie sich mit den Händen von ihm weg, und er ließ sie los, hielt aber ihr Kinn fest. »Du machst es, versprochen?«
Sie verdrehte die Augen. »Ja.«
»Schenk mir noch ein Lächeln.«
Weil sie wusste, dass er sie weiter nerven würde, bis er sein Ziel erreicht hatte, verzog sie den Mund zu einem Grinsen.
»Siehst du, geht doch«, sagte er und gab sie frei.
Er sah ihr nach, als sie im Badezimmer verschwand. Conny stand im Slip und einem seiner T-Shirts im Türrahmen seines Zimmers. Das schlechte Gewissen packte ihn, und gleichzeitig wurde er wütend. Er brauchte sich nicht schuldig zu fühlen.
»Kommst du noch mal ins Bett?«
»Ich kann nicht mehr schlafen. Ich glaub, ich lege eine Runde Krafttraining ein.«
»Ich hatte eigentlich auch nicht an schlafen gedacht.«
»Oh, ich …« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und überlegte, was er darauf antworten sollte.
»Vergiss es.«
Beim Knall der Tür zuckte er zusammen. Shit. Das hatte er gründlich vermasselt.
Natasha schreckte unter der Dusche hoch und stieß sich den Kopf am Brausekopf, den sie heruntergezogen hatte, um möglichst wenig nass zu spritzen. Es war nicht das erste Mal, das Conny die Tür knallte. In letzter Zeit kam das häufiger vor. Oder sie bekam es nur mit, weil Pit in letzter Zeit seine aktuelle Freundin mit in die Wohnung brachte, statt bei ihr zu schlafen, wie er es sonst bevorzugte. Das lag an ihr. Seit Akiro vor drei Monaten eingeschläfert werden musste, ließ Pit sie in der Wohnung nicht mehr allein. Aber es war nicht so, dass er die Regel gebrochen hätte und etwa in ihr Zimmer gekommen wäre. Das war die einzige Regel gewesen, die sie aufgestellt hatte, als sie sein Angebot annahm, in das leere Gästezimmer zu ziehen. Eigentlich hatte sie sich schon längst wieder eine eigene Wohnung suchen wollen, doch irgendwie fand sie nie die Zeit dazu. Nach dreieinhalb Jahren in einer Wohngemeinschaft mit ihm waren sie ein eingespieltes Team. Das zu verstehen, fiel Pits Freundinnen allerdings schwer.
Sie flitschte die Wassertropfen von der Dusche und packte die Sachen, die von Conny im Bad herumflogen, mit in den Wäschekorb. Da er voll wurde, nahm sie ihn gleich mit in die Waschküche drei Räume weiter, packte die Waschmaschine voll und schaltete sie ein. Zurück in der Küche fing sie an, das Frühstück vorzubereiten. Vielleicht würde das ja die Wogen wieder glätten. Oder besser noch, sie deckte für Pit und Conny den Tisch, um sich tatsächlich zu Malte zu verkrümeln und die beiden allein zu lassen.
Natasha blieb im Auto sitzen. Es war das erste Mal nach Akiros Tod, dass sie auf dem Parkplatz stand. Sie wusste noch genau, wie sie das erste Mal an diesem Zaun gehalten hatte, damals ohne jedes Wissen über Hunde. Der Gedanke, dass sie eines Tages einen Hund ihr Eigen nennen würde, war unvorstellbar gewesen. Jetzt, nach drei Monaten, war sie noch immer überwältigt, welche Lücke Akiros Tod in ihrem Leben hinterlassen hatte. Es war noch schlimmer als der Tod ihrer Großeltern, ja selbst als der von Marietta, ihrer Jugendfreundin, mit der sie durch dick und dünn gegangen war und die sich mit sechzehn das Leben genommen hatte. Der Hund hatte sie ohne Worte verstanden, hatte sie getröstet, wenn sie traurig war, und sie mit Liebe überschüttet. Nie war er von ihrer Seite gewichen. Trotz seiner zwölf Jahre hatten sich viele der jüngeren Diensthunde an ihm ein Beispiel nehmen können. Dann hatte sie eines Abends nach einem Zwanzig-Kilometer-Lauf einen Knubbel an seinem Hals ertastet, nicht größer als eine Murmel. Sicherheitshalber war sie mit ihm zum Tierarzt gefahren. Es war Krebs gewesen. Keine sechs Wochen später hatte sie ihn einschläfern lassen müssen.
Malte kam durch die Gittertür an ihr Auto und öffnete den Wagenschlag. »Pit hat mir geschrieben, dass du heute kommst. Komm, ich zeig dir den Kerl, um den es geht.«
Seufzend stieg sie aus dem VW Golf Kombi. Es war eigentlich Pits Dienstfahrzeug, doch sie teilten es sich. Statt vorauszugehen, stiefelte Malte hinter ihr her.
Sie warf ihm über die Schulter einen vernichtenden Blick zu. »Keine Sorge, ich flüchte nicht.«
»Hey, ich halte dir nur den Rücken frei. Das war immer mein Job in der Einheit.«
»Erzähl mir was von Wotan.«
»Anfangs machte der Hund angeblich keine Probleme. Du weißt ja, wie das ist. In letzter Zeit baut er sich aber immer häufiger auf. Er gehorcht nicht auf Anhieb, wenn er loslassen soll. Im Einsatz zeigt er ein niedriges Stresslevel, was inzwischen an Aggressivität grenzt. Beim letzten Einsatz hätte er fast einem der Angreifer den Arm zerfetzt.«
»Und wie, bitteschön, soll ich dir dabei helfen? Du bist der Hundeflüsterer, nicht ich.«
Inzwischen waren sie bei dem betreffenden Zwinger angekommen. Der Hund lag mit gespitzten Ohren auf dem Boden und starrte sie an.
»Es hat mich verdammt viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber ich konnte mich durchsetzen – er wurde letzte Woche kastriert. Ich möchte jetzt sehen, wie er reagiert, wenn du statt dem Hundeführer mit ihm arbeitest.«
»Als was wurde er ausgebildet?«
»Als Schutzhund.«
»Na wunderbar«, brummte Natasha. »Kann ich reingehen, ohne dass er mich anfällt?«
Malte grinste und verschränkte die Arme vor der Brust. Wotans Gesicht hatte eine schwarze Maske, die kurz oberhalb der Augen in sandfarbenem Fell auslief, das zum Schwanz hin immer heller wurde. Die Zeichnung erinnerte Natasha an einen Sandstrand bei Ebbe. Sie nahm die Leine vom Haken und betrat den Auslauf. Der Hund rührte sich nicht, beobachtete sie lediglich aufmerksam.
Sie klopfte an ihren Oberschenkel. »Wotan, komm her.« Sofort erhob sich der Hund und kam an ihre linke Seite. »Sitz.« Brav ließ er sich neben ihr nieder. Sie befestigte die Leine an seinem Halsband.
Malte hielt ihr die Tür auf. »Du kannst den hinteren Trainingsplatz benutzen und dich mit ihm einspielen. In einer halben Stunde komme ich, und wir beginnen mit den Übungen.«
Müde und ausgepowert betrat Natasha die Wohnung. Pit saß im Wohnzimmer und schaute die Nachrichten im Fernsehen. Smart kam angelaufen und begrüßte sie. Sie legte die Zeitung mit den Wohnungsanzeigen auf dem Esstisch ab, damit sie ihn ausgiebig kraulen konnte.
»Wenn du noch Hunger hast – im Kühlschrank steht ein Gemüserisotto.«
Sie stellte das Gericht in die Mikrowelle, ging in ihr Zimmer und zog sich eine bequeme Jogginghose an. Mit dem Teller in der Hand ließ sie sich auf einem der Sitzsäcke nieder. Smart schaute von ihr zu Pit, wieder zurück, und streckte sich dann zwischen ihnen aus.
»Du kannst ruhig auf die Couch kommen.«
»Ich kann auch von hier gut sehen.«
Im Fernsehen trat Sarah Heidkamp, die Bundespräsidentin, gerade ans Mikrofon. Neben ihr stand ihr Sohn Fabian, im Hintergrund entdeckte Natasha Kriminalhauptkommissar Lindner, den Sicherheitschef der Bundespräsidentin. Eigentlich war es nicht sein Job, bei öffentlichen Auftritten zu erscheinen, doch nach der Entführung und Hinrichtung von Heidkamps Tochter Wiebke hielt er sich, so hatte sie häufiger bemerkt, meist in ihrer Nähe auf. Es war eine der schlimmsten Niederlagen für ihre Sondereinheit gewesen, dass sie die junge Frau nicht hatten retten können. Das Bild der enthaupteten Leiche verfolgte Natasha manchmal in ihre Träume. Sie bewunderte die Bundespräsidentin, die sich trotz allem nicht hatte in die Knie zwingen lassen und die weiterhin die Politik der zivilen Konfliktbewältigung vorantrieb. Natasha war ein ausgesprochener Fan der Frau.
»Wieso hast du eine Zeitung mitgebracht? Sonst liest du doch keine.«
»Ich wollte die Wohnungsanzeigen durchgehen.«
»Wieso? Was passt dir nicht?«
»Nichts. Psst, ich will das hören.«
Pit schaltete den Fernseher aus.
»Hey, ich wollte das sehen!«
»Du kannst es dir später auf dem Computer anschauen. Wieso willst du dir eine Wohnung suchen?«
Sie konzentrierte sich auf das Essen. Verdammt, warum war ihr das auch rausgerutscht. Sie hätte einfach Nägel mit Köpfen machen sollen. Ihn vor vollendete Tatsachen stellen. Ihr selbst gefiel der Gedanke, einsam in einer Wohnung zu hocken, auch nicht besonders. Allein das war bereits absurd. Sie war Einzelkind und mit neunzehn bei ihren Eltern ausgezogen. Sie brauchte einen Rückzugsort und das Alleinsein wie die Luft zum Atmen. Wann hatte sich das geändert?
»Ist es wegen Conny?«
»Nein.«
»Ich hab mit ihr Schluss gemacht.«
»Wieso?«
»Es wurde kompliziert.«
»Kompliziert? Du bist mit ihr gerade mal sechs Wochen zusammen. Kannst du überhaupt noch die Namen von deinen Freundinnen auseinanderhalten?«
»So schlimm bin ich nun auch wieder nicht. Immerhin war ich mit Marla über ein Jahr zusammen, und sie hat mit mir Schluss gemacht, nicht ich mit ihr. Überhaupt, warum reden wir über meine Beziehungen, wenn du ausziehen willst?«
Sie stand auf, stellte den Teller in die Spülmaschine.
Pit folgte ihr in die Küche. »Also?«
»Weil keiner von uns mehr ein Privatleben hat, deshalb.«
»Bin ich in den Jahren die du hier wohnst, auch nur ein Mal in deinem Zimmer gewesen?«
»Nein.«
»Kannst du nicht tun und lassen, was du willst?«
»Doch.«
»Hast du mal an Smart gedacht?«
Natasha sah hinunter auf den Hund, der zwischen ihnen stand. Er mochte es nicht, wenn sie diskutierten. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie konnte sich nicht mehr vorstellen, in eine leere Wohnung zu kommen, in der es nicht nach Hund roch.
Erleichtert atmete Pit durch. Kurzfristig war er echt in Panik geraten. Die Vorstellung, Natasha könnte ausziehen … lächerlich. Dabei hatte er beim Auszug aus seinem Elternhaus, in dem er mit vier Schwestern aufgewachsen war, geschworen, sich nie wieder ein Bad mit einer Frau zu teilen. Aber mit Natasha war es anders. Sie war seine Partnerin und seine beste Freundin. Unvorstellbar, sie unter der Dusche nicht mehr schief singen zu hören oder allein zu Abend zu essen. Er hatte sich an sie gewöhnt. Er nahm die Zeitung vom Esstisch und warf sie in die Papiertonne.
»Dir ist klar, dass es auch im Internet genügend Portale gibt, in denen Wohnungen angeboten werden?«
»Was die Frage aufwirft, wieso du überhaupt eine Zeitung mitgebracht hast. Hast du Lust auf eine Schnulze?«
»Nein, auf keinen Fall, aber zu dem neuen Marvel-Film kannst du mich überreden.«
»Popcorn?«
Sie legte den Kopf schief. »Seit wann gibt es so was Ungesundes in unserem Vorrat?«
»Keine Ahnung, aber wir können heute ja mal eine Ausnahme machen.«
Mitten im Film war sie auf der Couch eingeschlafen. Sie lag auf der Seite, die Beine angezogen, die Hände unter dem Kopf. Erst die Sache mit Wiebke, dann Akiro. Beides hatte Natasha ziemlich mitgenommen. Jeder Fall hinterließ bei ihr Spuren. Empathie war ihre Stärke bei Verhören und auch wenn es darum ging, sich in die Gedankenwelt eines Verbrechers hineinzuversetzen. Doch sie war auch ihre Schwäche, weil sie das Leid der Opfer zu dicht an sich heranließ.
Er war froh, dass Natasha und seine Schwester Cecilia sich so gut verstanden. Cecilia war als Psychotherapeutin auf Jugendliche spezialisiert, die Opfer von Gewaltverbrechen geworden waren, und sie hatte ihm versichert, dass seine Partnerin nur Zeit brauche, um das alles zu verarbeiten. Alle seine Schwestern, seine Mutter und selbst sein Vater hatten Natasha in den letzten Wochen ständig mit irgendetwas beschäftigt gehalten. In gewisser Weise war sie von seiner Familie adoptiert worden. Sie war bei jeder Familienfeier mit dabei.
Pit stopfte vorsichtig die Decke an den Seiten fest. Natashas Gesicht war im Schlafen vollkommen entspannt. Zum ersten Mal seit Tagen war sie mit einem glücklichen und zufriedenen Gesichtsausdruck nach Hause gekommen. Es war die richtige Taktik gewesen. Malte hatte gesagt, dass sie ihm nach dem Training mit Wotan bei den Junghunden geholfen und später noch mit Marina die Hündinnen mit den Welpen versorgt hatte. Es war für sie wichtig, zu sehen, dass das Leben weiterging. Auch ihm war es damals schwergefallen, den Tod seines ersten Hundes zu verkraften. Flocke würde immer einen besonderen Platz in seinem Herzen einnehmen.
Er ließ sich neben Smart nieder, der vor Natasha auf dem Boden lag. Seit Akiros Tod wich Smart ihr nachts nicht von der Seite. Manchmal glaubte er, dass der Hund nicht nur bei ihr blieb, um sie zu trösten, sondern auch, weil er selbst Trost bei ihr suchte. Die beiden Rüden waren echte Kumpel gewesen.
Mit den Fingern fuhr er durch das kurze Sommerfell des Hundes. »Wir lassen nicht zu, dass sie uns verlässt, was meinst du, Partner?«
Smart drehte den Kopf und leckte ihm über die Hand. In seinem Nacken spürte Pit Natashas warmen Atem.
Natasha lachte, als sie den Welpen auf den Arm nahm. Freya war einfach zuckersüß – forsch und neugierig, aber nie übermütig. Sie stürzte sich in kein Zerrspiel, sondern probierte verschiedene Taktiken aus, um die Beute für sich zu erobern. Noch nie hatte sie einen Hund erlebt, der Strategien entwickelte. Okay, vielleicht übertrieb sie mit ihrer Ansicht etwas, aber diese Hündin war einfach intelligent. Es gab Momente, da erinnerte Freya sie an Akiro. Kein Wunder, denn sie stammten aus derselben Linie. Gleichzeitig sah sie jedoch auch viel von Nannas Weisheit und ihrer ausgeglichenen Art in dem Welpen. Eine perfekte Mischung, wie sie fand.
»Sie liebt dich.«
Rasch setzte sie die Hündin ab, stand auf, klopfte sich die Hose ab und gesellte sich zu Malte außerhalb des Zwingers.
»Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich mit dieser Hündin machen soll.«
»Züchte mit ihr. Sie hat einen klasse Charakter.«
»In ihr steckt unglaubliches Potenzial.«
»Bilde sie als Familienhund aus und behalte dir die Option vor, dass du ab und an mir ihr züchten darfst.«
»Schau sie dir an, wie sie unser Gespräch verfolgt. Sie weiß genau, worüber wir reden, und genauso weiß sie auch, was sie will.«
»Malte, ich glaube, du musst mal wieder mehr unter Menschen. Du fängst an, Hunden Fähigkeiten zuzuschreiben, die sie nicht besitzen.«
»Nein, ich glaube, du unterschätzt diesen Hund.«
Freya, wandte sich ab, lief zu einer Ecke und kam mit einer angeknabberten, fast nur aus Löchern bestehenden Socke zurück. Sie kam bis zum Gitter, legte die Socke vor Natasha ab, machte sitz, schaute zu ihr hoch und wedelte mit dem Schwanz.
»Wo hat sie denn das olle Teil her?«, fragte sie und rümpfte die Nase.
»Damit kam sie gestern an, als wir die Welpen auf dem großen Auslauf spielen ließen. Erkennst du es?«
Sie ging in die Hocke, steckte zwei Finger durch die Maschen, kraulte den Welpen und betrachtete das Teil genauer. Verblüfft sah sie zu Malte hoch. »Das ist meine Socke von damals, als du mich in Nannas Zwinger geschickt hast.«
»Exakt.«
»Ich dachte, die wäre schon längst im Müll gelandet.«
»Dachte ich auch. Sie kann auch unmöglich die ganze Zeit auf dem Platz gelegen haben, dann wäre sie schon verrottet. Andererseits wäre sie, wenn sie die ganze Zeit sichtbar im Zwinger gelegen hätte, längst entsorgt worden. Also, wo kommt sie her?«
»Keine Ahnung.«
»Ich dachte, du wärst so eine klasse Polizistin mit einer mordshohen Erfolgsquote in der Aufklärung von Verbrechen?«
Sie deutete mit dem Finger auf die Socke. »Das ist kein Verbrechen. Ich habe sie damals freiwillig ausgezogen, um diesen lästigen kleinen Kerl, der an meinem Hosenbein hing, loszuwerden.«
»Schau sie dir an. Sie hat sie dir gebracht.«
»Ja, aber nicht, weil sie mal mir gehörte.«
»Sie hat sie seit gestern nicht hergegeben und sie gegen jeden von uns verteidigt. Nicht, indem sie mit den anderen darum gekämpft hätte, sondern weil sie geschickt damit geflüchtet ist und sie versteckt hat. Ich habe mich schon gefragt, wo sie ist, und jetzt bringt sie sie ausgerechnet dir.«
Natasha verschränkte die Arme vor der Brust, konnte aber nicht verhindern, dass ihr eine Gänsehaut über die Arme lief.
»Überleg es dir.«
»Was?«
»Freya gehört dir, wenn du es möchtest. Bilde sie aus, und das mit dem Deal, mit ihr zu züchten, ist eine gute Idee.«